Ach ja, in der alten Bundesrepublik, meiner Gymnasial- und Unizeit, als immer der dicke bräsige Kohl regierte, war es noch so schön übersichtlich.
Man litt natürlich unter der provinziellen CDU, deren Vertreter sich so unglaublich peinlich, ohne irgendwelche Englisch-Kenntnisse in der Welt blamierten, aber man konnte sie auch einschätzen.
Da waren die Stahlhelm-Landesverbände Baden Württemberg und Hessen, in denen Altnazis und ewig gestrige Vertriebenen-Funktionäre den Ton angaben: Kiesinger, Filbinger, Dregger, Steinbach, Kanther, Koch. Kleinere Ableger der braunen CDU wucherten im Lummer-Berlin und im Stoltenberg/Barschel-Kiel. Aber Berliner Abgeordnete hatten im Bundestag kein Stimmrecht. Die CSUler hielten wir in Hamburg für eine urig-derbe, drastisch homophone und misogyne Rechtsaußen-Sonderform des Unionspolitiker. Alle fett, rotgesichtig, aufgedunsen, fast immer betrunken und kaum zu verstehen.
Der geistig schlichte, aber physisch umso mächtigere Helmut Kohl, galt in diesem Universum als Partei-Reformer, der mit seinen modernen Generälen Biedenkopf und Geißler Erstaunliches wagte: 56% Spitzensteuersatz, einen CDU-Umweltminister und zudem holte sogar Frauen in Ministerämter.
Er konnte sich 25 Jahre ununterbrochen als Parteivorsitzender halten, weil er einerseits reformierte, andererseits als Pfälzer Simpel für Provinz und Behäbigkeit stand. Zu seiner aktiven Zeit, erklärten wir uns seine unumstößliche Stellung mit seiner Telefonitis. Er soll angeblich ununterbrochen Parteifunktionäre bis auf die unterste Ebene persönlich angerufen und eingelullt haben. Man sagte ihm ein Elefanten-Gedächtnis nach; so daß praktisch mit jedem Parteimitglied vernetzt war. Nach 1999 erfuhren wir, daß dabei nicht nur sein Liebreiz und die einnehmende Persönlichkeit eine Rolle spielten. Nein, er war der Herr über den „Bimbes“, führte diverse illegale schwarze Kassen mit Millionenvermögen und schanzte ihm zugeneigten Ortsverbänden, an den Büchern vorbei, den Bimbes zu.
Ab 1990 wurde es aber unübersichtlich. Die katholische West-CDU fusionierte zwei kommunistische DDR-Blockparteien und ihr Vermögen ein. Es gab fünf neue CDU-Landesverbände, die sich zunächst als loyale Ultra-Kohlisten zeigten, allerdings recht schnell schwarzbraune Problemfälle wie Heitmann oder Krause hervorbrachten.
1998 kam Schröder und kurz danach der größte anzunehmende CDU-Parteiunfall Angela Merkel, die eigentlich nur kurz in der Spendenkrise als Platzhalterin dienen sollte. Bis der Andenpakt den eigentlichen langfristigen Kohl-Nachfolger ausklamüstert hätte. Einen Mann. Einen Katholiken. Einen verheirateten Familienvater. Einen Westler.
Das lief aber nicht so wie geplant. Die Parteivorsitzende und Kanzlerin saß Koch und Merz einfach aus. Scharte mit Kramp-Karrenbauer, Schavan, Kauder, Müller, von Klaeden, Gröhe, Altmaier, Braun, de Maizière eine neue Kaste von Loyalisten um sich, die nicht mehr nach der Pfeife der Andenpaktler tanzten.
Das Parteiensystem zerfranste, es regierte der Reformstau.
Ausgerechnet in den Rechtsaußen-Landesverbänden änderte sich das Klima. In Wiesbaden und Stuttgart regierten Schwarz-Grüne Koalitionen; die armen Leichname von Dregger und Filbinger rotieren immer noch in Lichtgeschwindigkeit in ihren Gruften. Schwarzgrün, der einstige liberale-Großstadt-Sonderfall von Hamburg 2008, harmoniert nun auch in NRW und Schleswig-Holstein.
Damit wurde der braune Flügel der CDU aber nicht etwa besiegt, sondern nur verlagert. Während der Merkel-Kanzlerjahre, entwickelten sich die Ost-CDU-Landesverbände und insbesondere Hamburg immer mehr zur Heimat des Rechtsaußen-Flügels.
[….] Die CDU gilt seit ihrer Gründung als Kanzlerwahlverein. 1949 war es noch eine sensationelle Notwendigkeit Nationalkonservative, Wirtschaftsfreunde und Vertreter beider Konfessionen zusammenzuführen, um gemeinsam einen starken anti-sozialen Block zu bilden.
Norddeutsche Protestanten, Wirtschaftsbosse, die NSDAP-Überbleibsel und ehemalige Zentrumspolitiker bildeten die Machtbasis Konrad Adenauers.
Es funktionierte wunderbar. Man blieb 20 Jahre ununterbrochen an der Macht und setzte eine USA-orientierte Politik durch.
Adenauer, der vielen bis heute
als Ikone gilt, war privat ein ziemlicher Prolet, der von Demokratie nicht sehr
viel hielt.
Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber
auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.
Gewaltenteilung bedeutete ihm nicht sehr viel. Als der aufmüpfige Rudolf Augstein es wagte kritisch über Strauß zu schreiben, ließ Adenauer wie ein früher Erdoğan die Staatsanwaltschaft los, sperrte den SPIEGEL-Chef ein und wollte kritischen Journalismus einfach verbieten.
Warum auch nicht? Hatte er doch wichtige NSDAP-Ideologen wie Hans Globke (1953-1963 Adenauers CDU-Kanzleramtsminister), Theodor Oberländer (CDU-Bundesminister 1953-1961) oder auch Hans Filbinger (12 Jahre CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs) an seiner Seite.
Diese ehemaligen Top-Nazis wußten wie man mit der SPD-Opposition umgeht.
Der braune Sumpf konnte auch nach Adenauers Tod unbehelligt in der CDU weiter existieren. Bundeskanzler Helmut Kohl war ein Unterstützer der Waffen-SS.
[….] Als junger Politiker spendete Helmut Kohl Geld an ein Hilfswerk, das für inhaftierte NS-Verbrecher und deren Angehörige sammelte. Nach Informationen des SPIEGEL hielt er den Generaloberst der Waffen-SS Paul Hausser für einen "anständigen Mann". [….]
(SPON, 03.02.2018)
Insbesondere in den CDU-Landesverbänden Hessen („Dreggers Stahlhelmfraktion“, Martin Hohmann, Erika Steinbach, Kristina Schröder, Koch, Kanther) und Baden-Württemberg („Studienzentrum Weikersheim“) konnten sich Ultrakonservative bis in die jüngste Zeit austoben. Sie bildeten eine Allianz mit den revanchistischen Vertriebenenverbänden.
Seit dem Zusammenbruch der DDR kam mit dem CDU-Landesverband Sachsen ein weiterer nationalkonservativer Hotspot dazu. [….]
(Schwarze Löcher bei den Schwarzen, 17.02.2018)
Die Union war immer mit den Braunen verbandelt und wer sich damit beschäftigt, wird sich wie der Autor und Journalist Wolfgang Brosche kaum darüber wundern, daß sich auch die 2019er CDU freudig zur AfD öffnet.
[….] Auf einmal wird aufgestöhnt, daß die CDU in Thüringen der Afd den
rotbraunen Teppich ausrollt: „Unfaßbar!“
In welchem Feenreich hinter den 7 Bergen haben die Stöhnenden gelebt?
Ich habe meine Kindheit und Jugend im CDU-Paderborn verbringen müssen, wo es
seit 1949 nichts anders gibt als katholisch durchwalkten Opportunismus und
Wohlstandskorruption, Mißachtung von Minderheiten und Ausstoßung derer, die
beim Korrumpieren nicht mitmachen wollen.
Die Kleinbürgerlichkeit der sognannten „Mitte“ ist der heilige Gral der
Sofadeckchen-Konservativen – eine Hand wäscht die andere…
Opportunistische JU-Wichte wie Amthor habe ich schon in meiner Schulzeit
gekannt, reaktionäre Lehrer die meinen Eltern erklärten, daß ich nur deshalb
aufs Gymnasium dürfe, weil es keine Schulgebühren mehr gäbe, die hätten einmal
die Spreu vom Weizen getrennt.
Ich habe den CDU-Bürgermeister erlebt, der sich bei seiner Sekretärin
erkundigte ob er denn der ersten Grünen-Vize-Bürgermeisterin wirklich die Hand
geben müsse…
Und Ratsherren, die sich wöchentlich die politischen Direktiven aus dem
Generalvikariat abholten.
In meiner Kindheit lebten noch die ehemaligen Ortsgruppenleiter und
Feuerwehrmänner, die in der Reichspogromnacht dafür sorgten, daß nur die
Synagoge verbrannte und die umstehenden Bürgergebäude stehenblieben – aber von
ihnen habe ich erst als erwachsener Student erfahren, als dich die Stadt
verließ. DAS konnte unter dem Schutz der CDU passieren – die auch den
Klerikalfaschisten Kardinal Jäger zum Ehrenbürger ernannte und erst Jahrzehnte
nach dessen Tod bereit war, ihn aus der Liste dieser Ehrenbürger zu streichen.
Ja – das sind die CDU-Ehrenbürger – vom Schützen- übern Fußballverein bis zur
Handwerkskammer wird mit allen geschachert und paktiert, die die
kleinbürgerliche Hoch-Kauer-Mittehaltung stützen, damit die Geschäfte nicht
gestört werden.
Die Konservativen sind immer die Steigbügelhalter der Faschisten, aus puren und
bequemen Eigennutz – die glauben, sie hätten da prima Bluthunde, die ihnen die
Drecksarbeit abnehmen, damit sie wieder ihre patriarchal-klebrigen Männerträume
auf der Chaiselongue träumen können, muffig, frauen- und kinderfeindlich, mit
bigotten Sexphantasien, die man dann bei der Beichte entschuldigt bekommt.
[…..]
(Wolfgang Brosche, Facebook, 05.11.2019)
Mit der Pfälzerin Klöcker und den NRWlern Linnemann/Spahn/Merz besitzt die CDU nun aber ein Rechtsaußen-Machtzentrum. Unter dem Vorsitzenden Merz wird den Nazis und Antisemiten schamlos die Hand gereicht. Immer öfter stimmen sich AfD und CDU ab, bringen gemeinsam ihre völkischen Anliegen gegen die demokratischen Parteien durch.
Im Osten regiert man auf kommunaler Ebene in schwarzbrauner Eintracht. AfD/CDU-Landesregierungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit bald folgen.
In Hamburg versucht die CDU ebenfalls diesen Weg, scheitert aber bisher glücklicherweise an den liberalen Hanseaten und den Mehrheiten.
[….] In der Harburger Bezirksversammlung ist es am Dienstagabend zu einem Eklat gekommen. Die CDU scheiterte mit dem Versuch, den amtierenden Vorsitzenden Holger Böhm (SPD) durch ihren eigenen Kandidaten Robert Timmann zu ersetzen. Trotz Unterstützung durch die AfD, Fraktionslose und die Volt-Abgeordneten verfehlte der CDU-Kandidat die notwendige Mehrheit.Der Antrag der CDU, das Präsidium der Harburger Bezirksversammlung neu zu wählen, stieß bereits zu Beginn der Sitzung auf deutlichen Widerstand. Michael Sander, Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen, beantragte, den Tagesordnungspunkt zu streichen. Er argumentierte, die Wahl des Präsidiums sei Teil der konstituierenden Sitzung und für die gesamte Legislaturperiode bindend. Unterstützung erhielt er von SPD-Fraktionschef Frank Richter: „Wenn Sie den Vorsitz stellen wollen, müssen Sie anfangen, Wahlen zu gewinnen“, so Richter in Richtung CDU. [….] CDU-Fraktionschef Rainer Bliefernicht widersprach und verwies auf eine veränderte Mehrheitslage: Die SPD habe einen erheblichen Teil ihrer Mitglieder verloren – dem müsse Rechnung getragen werden. Unterstützung erhielt er dabei auch von AfD-Fraktionschef Helge Ritscher. Die Zustimmung der AfD wurde von Bliefernicht mit einem zustimmenden Kopfnicken quittiert. [….] Letztlich stimmten CDU, AfD, die fraktionslosen Abgeordneten sowie Volt gegen die Absetzung des Tagesordnungspunkts. Grüne, SPD und Linke hielten dagegen – jedoch erfolglos.
Im weiteren Verlauf der Sitzung kündigten Grüne, SPD und Linke an, sich an der Wahl nicht zu beteiligen. Sie hielten den Vorgang für rechtswidrig. Grünen-Politiker Michael Sander richtete sich direkt an den CDU-Kandidaten Timmann: Sollte dieser auf 26 Stimmen kommen, müsse er sich bewusst sein, dass diese nur mit Hilfe der AfD möglich seien. Auch SPD-Fraktionschef Richter und Linken-Abgeordneter Jörn Lohmann erklärten den Boykott ihrer Fraktionen. [….]
(André Lenthe, 23.09.2025)
Die Ploß/Thering-CDU an der Elbe möchte schwarzbraune Mehrheiten. Die Merz/Linnemann-Parteiführung lässt sie.
Die meisten anderen Hamburger Parteien glücklicherweise nicht. Aber es war knapp.
[….] Dem Antrag auf Neuwahl stimmten CDU, AFD und alle Fraktionslosen zu, Volt enthielt sich. 25 Ja-Stimmen, 21 Nein, 2 Enthaltungen. Grüne, Linke und SPD verließen daraufhin (fast geschlossen) den Saal.
Es folgte die geheime Wahl mit diesem Ergebnis: Für Timman stimmten 25, Enthaltung gab es eine bei drei Nein-Stimmen. Eine absolute Mehrheit der Mitglieder (51) hätte es bedurft, um Timman zu wählen.
Holger Böhm blieb damit in seinem Amt als Vorsitzender der Versammlung und es bleibt die bittere Erkenntnis: Die Brandmauer ist von Seiten der CDU zerstört. [….]
Bemerkenswerterweise bekommt diese zwar regionale, aber in ihrer politischen Dimension doch immer noch ungeheuerliche Meldung, von der versuchten Nazi-CDU-Allianz keinerlei überregionale Aufmerksamkeit.
Harburg ist zwar „nur“ ein Bezirk, aber mit 180.000 Einwohner auch kein winziges Kaff in Sachsen, bei dem man die Hühneraugen zumachen könnte. Merz findet es scheinbar OK.
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