Freitag, 9. Mai 2025

Sugarcoat

Man darf den Trumpismus und die AfD nicht mit verbalem Zuckerguss versehen, wenn man über sie berichtet oder mit ihren braunen Vertretern diskutiert.

Die bangen Fragen, ob das Rechtsradikale, Faschisten oder gerade noch Demokraten sind, dürfen inzwischen lange als geklärt gelten. In Trumps Fall durch seine Kriminalakte und sein Regierungshandeln. Im AfD-Fall allerspätestens durch das 1.100-Seiten-Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Es sind Nazis.

Da gibt es nichts schön zu reden. Jeder Euphemismus ist unangebracht. Die klinische reine Nachrichtenwelt, in der man Obszönitäten weg-piepsen kann, um den leicht zu empörenden Zuschauer nicht zu verschrecken, sind vorbei.

Natürlich kann und soll man über Trump und Höcke berichten. Aber es ist zu unterlassen, ihnen einfach den roten Teppich auszulegen, ihnen Sendezeit zur Selbstdarstellung zu schenken. Ihre hochgefährlichen Lügen dürfen nicht unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit achselzuckend, als eine Ansicht unter vielen akzeptiert werden. Sie sind stets als hochgefährliche Lügen zu identifizieren. 

Es muss jedem Zuschauer deutlich gemacht werden, wie toxisch, verkommen und perfide diese Leute Politik betreiben. 

Kürzlich mahnte Sascha Lobo diesbezüglich ein gänzlich verändertes Verhalten seiner Zunft an. Anderenfalls könnte es bald nicht nur mit der Demokratie, sondern auch mit der Pressefreiheit vorbei sein. Siehe PiS, siehe Fidesz, siehe Erdoğan, siehe Putin, siehe Trump. Lanz und Strobl-TV sollten sich schämen.

[…] Das lange erwartete Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz stuft die AfD vom Verdachtsfall zu einer gesichert rechtsextremen Partei hoch.  […]Spielt eine Berichterstattung, die die AfD als gesichert rechtsextrem benennt, ihrer Opferinszenierung in die Karten? Und was folgt aus dem journalistischen Grundsatz der Neutralität: Schulden die Medien der AfD eine den politischen Kräfteverhältnissen entsprechende Darstellung ihrer Positionen – oder tragen sie damit zu einer falschen Ausgewogenheit bei, die den öffentlichen Diskurs nach rechts außen verschiebt? […][…] Der Fokus auf den Erfolgsbedingungen radikal rechter Politik macht deutlich, warum die politischen und medialen Reaktionen auf diesen Erfolg ihn oft ungewollt verstärken. Wenn demokratische Parteien etwa beginnen, sich in Rhetorik und Themenwahl an radikal rechte Parteien anzulehnen – in der Hoffnung, ihnen »das Wasser abzugraben« –, tragen sie zur weiteren Erosion der Normen bei, die die Artikulation solcher Positionen bisher beschränkt haben.

Diese Problematik stellt sich mit besonderer Dringlichkeit für die Medien. Einerseits verlangt es ihr Informationsauftrag, über die Positionen radikal rechter Parteien ausgewogen zu berichten. Andererseits erklärt die Normalisierungsthese, wie die regelmäßige Präsenz radikal rechter Positionen – selbst bei kritischer Begleitung – zu ihrem Erfolg beitragen kann. Wie lässt sich dieses Dilemma auflösen? Ein möglicher Ausweg besteht in dem, was man als normalisierungsbewussten Journalismus beschreiben könnte. Gemeint ist eine Berichterstattung, die sich ihrer Wirkung auf soziale Normen bewusst ist und daraus Konsequenzen zieht. Dieser Vorschlag lässt sich anhand von fünf Empfehlungen konkretisieren:

Erstens: Fundamentale Unterschiede benennen

Die soziale Norm, die die Unterstützung radikal rechter Parteien ächtet, ist keine willkürliche Diskriminierung, sondern lässt sich aus zentralen Voraussetzungen der liberalen Demokratie ableiten. Radikal rechte Parteien vertreten eine Ideologie der Ungleichheit und des Antipluralismus, die nicht nur mit der liberalen Demokratie unvereinbar ist, sondern auch – wie sich von Ungarn bis in die USA beobachten lässt – die Pressefreiheit bedroht. Diesen Umstand in der Berichterstattung im Namen einer vermeintlichen Unparteilichkeit zu nivellieren, wie es jüngst die Intendantin des WDR, Katrin Vernau,  mit Blick auf die AfD forderte, lässt sich spätestens mit der Einstufung der Partei als gesichert rechtsextrem nicht mehr rechtfertigen: Ein Journalismus, der sich aus Sorge vor dem Vorwurf der Parteilichkeit normativer Einordnungen und Gewichtungen enthält, macht am Ende genau das, was er zu vermeiden versucht: Er privilegiert eine Position – die der radikalen Rechten –, weil er sie im Sinne einer falschen Ausgewogenheit als gleichartig und gleichberechtigt darstellt, obwohl sie mit Grundsätzen unserer Gesellschaft bricht: Ob zum Beispiel die Staatsangehörigkeit von Millionen Deutschen mit Migrationsgeschichte zur Disposition gestellt werden sollte, kann nicht in der gleichen Weise medial verhandelt werden wie die Frage, ob der Spitzensteuersatz zu hoch oder das Renteneintrittsalter zu niedrig ist.

Zweitens: Souveränität bei der Themenwahl behalten […]

Drittens: Keine Übernahme rechter Frames […]

Viertens: Auf Formatwirkungen achten […]

Fünftens: Orientierungsfunktion nicht aufgeben […]

(Cord Schmelzle, Spiegel, 09.05.2025)

Selbst die nicht der Faschismus-Sympathie verdächtige taz sugarcoatet, indem sie heute beispielsweise Trumps rassistischen Sadismus unter dem tag "USA und Diversität" meldet.

[….] USA und Diversität: […] US-Präsident Donald Trump hat die Leiterin der US-Kongressbibliothek entlassen. Carla Hayden, die als erste schwarze Frau dieses Amt bekleidete, wurde am Donnerstagabend vom Personalbüro des Weißen Hauses über ihre Kündigung informiert, wie ein Sprecher der Library of Congress der AP mitteilte. […] Hayden, deren zehnjährige Amtszeit als 14. Bibliothekarin des US-Kongresses im nächsten Jahr regulär geendet hätte, war kurz vor ihrer Entlassung von der konservativen Stiftung American Accountability Foundation (AAF) auf dem Nachrichtendienst X angegriffen geworden: „Die derzeitige #LibrarianOfCongress Carla Hayden ist woke, anti-Trump, und fördert trans Kinder. Es ist an der Zeit, sie zu entlassen und einen neuen Mann für diesen Job einzustellen!“ […] Das US-Verteidigungsministerium entlässt bis zu 1.000 Menschen aus dem Militär, die sich offen als transgeschlechtlich identifizieren. Alle übrigen Mitglieder der Streitkräfte hätten 30 Tage Zeit, um ihre Transidentität offenzulegen, hieß es in einer am Donnerstag (Ortszeit) erlassenen Richtlinie von Verteidigungsminister Pete Hegseth. […] Nachdem der Supreme Court auf Antrag des US-Präsidenten Donald Trump die Umsetzung des Transgender-Verbots beim Militär trotz laufender Verfahren erlaubt hatte, äußerte sich Hegseth unmissverständlich: „Keine Trans mehr im US-Verteidigungsministerium“, postete er im Kurznachrichtendienst X. Sein Ministerium wolle Wokeness und Schwäche hinter sich lassen. „Keine Kerle in Kleidern mehr. Wir sind fertig mit diesem S---“, sagte er auf einer Konferenz für Spezialeinheiten in Tampa im US-Bundesstaat Florida. […]

(taz, 09.05.2025)

"USA und Diversität" ist nichts als unangebrachter Euphemismus, der eine simple Tatsache verschleiert: Trump und seine MAGAs hassen alle Menschen, die keine weißen Cis-Heteros sind.

Alles mit etwas dunklerer Hautfarbe wird gefeuert. So hielt er es schon sein ganzes Leben lang, akzeptierte People Of Color nicht als Mieter seiner Gebäude. So waren Trumps Vater und sein Opa. So sind seine Kinder: Miese dreckige strunzdumme sadistische Rassisten. Schlicht und ergreifend: NAZIS! 

Donnerstag, 8. Mai 2025

Blau und Braun


Disclaimer: Wie jeder kirchenaffine Mensch, hatte ich das Konklave rund um die Uhr auf dem Zettel und live mitbekommen, als es ein Leo wurde. Aber ich war bis 22.30 Uhr unterwegs und hatte keine Gelegenheit genauer zu recherchieren. Daher nur ganz kurz:

·        Nein, ich hatte Robert Prevost nicht auf dem Zettel, lag mit meinen Prognosen falsch.

·        Ich hatte nicht mit einem USA-Amerikaner gerechnet.

·        Ich dachte, das dauert länger.

·        Als Ketzer und Atheist bedauere ich natürlich, daß es sich offenbar nicht um ein richtig mieses erzreaktionäres Arschloch wie Burke, Sarah oder Müller handelt.

·        Deswegen ist Prevost natürlich noch lange kein liberaler Mann. Kann er gar nicht sein, sonst wäre er nicht Kardinal geworden.

Das gab es noch nie: Eine deutsche Wirtschaftsministerin, die vor vielen Jahren wegen rechtslastiger Ansichten und privatwirtschaftlichen Mauscheleien in Schimpf und Schande die Bundespolitik verlassen musste, lebt zusammen mit einem Mann, der früher Wirtschaftsminister war, der vor vielen Jahren wegen rechtslastiger Ansichten und privatwirtschaftlichen Mauscheleien in Schimpf und Schande die Bundespolitik verlassen musste.

Man möchte wirklich nicht Mäuschen spielen, wenn abends im Haushalt Reiche-Guttenberg unter vier Augen über Sozis, Migranten und Homos von Leder gezogen wird.

Während die Ehe- bzw. Lebenspartner üblicherweise nicht von Interesse sind, oder sogar (wie beispielsweise im Fall Trittin) komplett von den Medien abgeschirmt werden, stürzt sich die Presse auf Karl-Theodor Guttenberg, weil er Milliardär ist und blaues Blut hat. In einem absoluten journalistischen Tiefpunkt für die einst so seriöse ZEIT, hatte sich Giovanni die Lorenzo 2012 schleimspurziehend an Guttenbergs Anus getackert, um ihm mit einem wohlwollenden Interview-Buch wieder in die Bundespolitik zu helfen.

Der Lügner und Betrüger, der so schlau war, als Verteidigungsminister die Wehrpflicht abzuschaffen und somit nicht nur Myriaden dringend benötigte Zivildienstleistende aus dem sozialen Sektor zog, sondern auch der Bundeswehr einen solchen Nackenschlag versetzte, daß sie sich bis heute nicht davon erholen konnte, wird immer noch auf groteske Weise von den Blattmachern hofiert.

Gestern erst durfte er sich im SPIEGEL-Spitzengespräch mit Markus Feldenkirchen 69 Minuten lang beklagen, wie schwer er es als schwer reicher adliger Betrüger habe.

Mir kamen die Tränen vor Rührung. Von Döpfners Musk-Fanclub (BILD) wurde aber ein anderer Teil des Interviews begeistert ventiliert: Die Union könne nach der nächsten Bundestagswahl mit den gesichert rechtsextremen Verfassungsfeinden und Menschenhassern koalieren.

[…..]  Ein Interview mit Karl-Theodor zu Guttenberg erregt Aufmerksamkeit: Er hält eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD nach der nächsten Bundestagswahl für möglich. Wenn es der neuen Regierung nicht gelingt, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, könne die AfD 2029 sogar 35 Prozent der Stimmen erreichen, warnt der ehemalige Bundesverteidigungsminister im Gespräch mit dem "Spiegel".[…..]  Deutschland stehe vor einer "Monstrosität an Aufgaben". Die nächsten zwei Jahre seien entscheidend. In dieser Zeit müsse Europa reformiert werden. […..] Und über Europa würden sich letztlich viele Fragen entscheiden, die die Menschen bewegen. "Und ich glaube, die Geduld der Menschen wird auch nicht länger als zwei Jahre reichen." Guttenberg hält es zudem für falsch, die AfD aus öffentlichen Diskussionen auszuschließen. Er plädiert dafür, ihr eine Bühne zu geben. Auf dieser Bühne müsse man den Partei-Mitgliedern aber entschlossen entgegentreten und "nicht in vorauseilende Feigheit verfallen".

Den Umgang der Presse mit der AfD kritisiert Karl-Theodor zu Guttenberg, der einst als Kanzlerhoffnung galt. Er beobachte manchmal, dass Medien es sich leicht machen und die AfD einfach nicht zur Diskussion einladen. [….]

(NTV, 08.05.2025)

Der ehemalige Wirtschaftsminister und Mann der gegenwärtigen Wirtschaftsministerin ist politischer Vollprofi. Solche Dinge rutschen ihm gegenüber Nazis nicht einfach raus. Nicht am 08.Mai.2025, zur Feierstunden des 80. Jahrestags zur Befreiung von den Nazis. Nicht an Tag Eins der neuen Regierung. Nicht in der Woche, nachdem die AfD insgesamt als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde.


Natürlich spricht Guttenberg indirekt für seine Frau, für die Regierung, für Merz.

Mittwoch, 7. Mai 2025

Die Kernkrise

Da kommt jetzt viel auf den Kanzler zu, der bisher nur zwei Ziele kannte, sich die Taschen vollzustopfen und die Merkel-Schmach zu überwinden, indem er selbst Kanzler wird. Klima, Krieg, Kapitalismus, KI, Kernfusion – Juristen alliterieren so gern. Wo fängt man da an, wenn man keine Erfahrung mit administrativer Arbeit hat und über keinerlei Fachkompetenz verfügt? Es kommt also auf sein personelles Umfeld an. Kabinett, Kornelius, Klöckner.

Das geht heute gar nicht gut los.

Innenminister Dobrindt prescht mit der CSU-Kernkompetenz vor: Er prescht mit illegalen Methoden vor: Pushbacks.

[…..] Neuer Innenminister will Pushbacks […..]

Die Bundespolizei soll ab sofort fast alle Geflüchteten an den Grenzen abweisen. Das dürfte gegen Europarecht verstoßen – und die Nachbarländer düpieren. […..] Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat einen rücksichtslosen neuen Kurs in der Migrationspolitik eingeschlagen. Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt kündigte er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. […..] Die rechtliche Lage bei Zurückweisungen an der Grenze ist derzeit nicht eindeutig. Einige Experten lesen geltendes EU-Recht so, dass Zurückweisungen grundsätzlich nicht erlaubt sind. Dies hängt auch damit zusammen, dass Grenzkontrollen praktisch nicht exakt auf der Grenzlinie erfolgen, sondern oft etwas dahinter.  Zudem ist eigentlich vorgesehen, dass zumindest ein kurzes Verfahren mit Befragung und erkennungsdienstlicher Behandlung durchgeführt werden muss, um festzustellen, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist. […..] Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, kritisierte Dobrindts Entscheidung. Er sagte: „Diese Politik ist falsch, denn sie schadet den Menschen und der Wirtschaft.“ Diese Zurückweisungen widersprächen EU-Recht. „Solche Alleingänge zerschlagen, was Europa zusammenhält.“ […..]

(taz. 07.05.2025)

Legal, illegal, scheißegal – so lautet schließlich das bekannte Regierungsmotto der CDUCSU. Wer könnte besser dafür stehen, als Bibi-Mann-Merz, der gleich das internationale Recht in die Tonne treten will, um den genozidalen Kriegsverbrecher Netanjahu in Deutschland willkommen zu heißen?

Recht und Gesetz, Richter und Gerichte stören da nur.

[…..] Bereits zum zweiten Mal hat das Verwaltungsgericht Berlin im Streit um die Ausreise von drei EU-Bürger:innen und einer amerikanischen Person nach der Teilnahme an antiisraelischen Protesten zugunsten der Betroffenen entschieden. Das teilte das Gericht mit. Das Land Berlin hatte ihnen die Abschiebung angedroht.  Schon am 10. April hatte das Gericht in einem ersten Eilverfahren der Beschwerde eines irischen Palästina-Aktivisten recht gegeben und den Entzug der EU-Freizügigkeit gestoppt. Am Dienstag hatte auch der zweite Eilantrag Erfolg. Das bedeutet, dass auch die ebenfalls aus Irland stammende Antragstellerin nicht abgeschoben werden darf, bis über ihre Klage in der Hauptsache entschieden ist (Az.: VG 21 L 157/25). […..] Die Ausländerbehörde hatte den beiden EU-Bürgern aus Irland sowie einer Polin im März die EU-Freizügigkeitsrechte entzogen. Im Fall der amerikanischen Person geht es um eine Ausweisung. […..]

(Alhozo Hoto, 07.05.2025)

Die CDUler zeigen mit ihrem unbedingten AfDigen Willen zur Abschiebung, wie isoliert und national sie denken. Sie begreifen gar nicht, welche Konsequenzen international folgen. Welcher Schaden für Deutschlands internationales Standing angerichtet wird. Wie sehr die EU-Partner, auf die wie mehr denn je angewiesen sind, düpiert werden.

[…] Jenseits des christdemokratischen Clubs hält sich die Vorfreude in Grenzen. „Wer so lange gespalten hat, kann anscheinend kein Land einen“, schrieb der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss auf „X“. Im EU-Parlament gebe es „Zweifel, ob Deutschland mit Friedrich Merz als Kanzler tatsächlich Stabilität und Führung in Europa bringen würde“, so die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn.

Die Wunschliste der EU-Politiker ist lang. Ganz oben steht das Ende des „German vote“ – also der deutschen Blockade von EU-Entscheidungen, weil man sich in Berlin nicht einig war. [….] Allerdings hat Merz übersehen, dass deutsche Schulden auch in Brüssel notifiziert werden müssen – und dass sie gegen die EU-Schuldenregeln verstoßen. Berlin hat nun eine Ausnahme beantragt, der Ausgang ist offen. Streit droht auch beim dritten großen EU-Thema – Asyl und Migration. Die angekündigten deutschen Grenzkontrollen werden vor allem die europäischen Nachbarn treffen. Polen und Luxemburg haben schon Protest angemeldet und die EU-Kommission aufgefordert, den freien Personenverkehr im Schengenraum zu schützen. Doch von der Leyen duckt sich weg; sie will sich nicht gleich zu Beginn mit Merz anlegen. [….]

(Eric Bonse, 07.05.2025)

[….] Kanzlerreise nach Polen: Donald Tusk sagt Friedrich Merz, was er von Grenzkontrollen hält: nichts […..] Erster Tag im Amt, zweite Station: Warschau. Dort bekommt der neue Kanzler Friedrich Merz zu spüren, dass die Wirklichkeit komplexer ist als Wahlkampf. […..] Am Ende dieser Pressekonferenz gibt es einen Handschlag, zwischen Friedrich Merz und Donald Tusk. Davor ist von Einigkeit nicht übermäßig viel zu sehen, zu spüren gewesen. An Tag eins seiner Kanzlerschaft stößt Merz bereits an die Grenzen des Machbaren. […..] Am Ende der Pressekonferenz fragt ein polnischer Journalist Tusk, ob es nicht besser wäre, jetzt die Grenzkontrollen zu akzeptieren – weil sonst in Deutschland womöglich in ein paar Jahren die AfD an der Macht sei. Darauf Tusk: »Die AfD, das ist Ihr Problem, Herr Bundeskanzler.« Er habe hier in Polen seine eigene AfD, mit der er umgehen müsse. […..] Doch zurück bleibt die Gewissheit, dass für Merz vieles nicht ganz so einfach werden dürfte, wie es noch im Wahlkampf klang. Erst recht nicht bei diesem Thema.  [….]

(Christopher Hickmann, 07.05.2025)

Das ist in der Tat schon lange klar und seit dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl für jedermann offensichtlich: Merz ist nicht zu komplexen Denken fähig, handelt unüberlegt und ist dann ganz verblüfft, diejenigen, die er eben noch als „linke und grüne Spinner“ beschimpft hatte, noch zu brauchen.

Daß man Geld braucht, um all seine Versprechen zu bezahlen – wer hätte das ahnen können?

Die Abschiebungen sind rechtlich und moralisch falsch, sie stehen aber auch metaphorisch für das unterkomplexe Merz-Denken. Er scheint an Abschiebung von Problemen im übertragenen Sinne zu glauben. Als wären das alles isolierte Problemchen, die man jemand anderem vor die Haustür schieben könne.

Aus den Augen, aus dem Sinn. Zaun ziehen, Mauer hoch. 

Merz und seine CDUCSU verstehen nicht, wie all unsere Megaprobleme global ineinandergreifen, daß alle Maßnahmen, die ihm vorschweben, nur kleine Stellschrauben sind, die das komplizierte Uhrwerk des Planeten insgesamt beeinflussen.

Das ist typisch für Rechtskonservative, Trump glaubt auch an ein statisches System, aus dem man seine Gegner raus- und Geld reinschieben könne.

Aber so funktioniert das eben nicht. Wenn man China mit 145% Zoll ärgert, knickt China nicht ein und macht, was Trump will, sondern die Wall-Mart-Regale in den USA leeren sich auch. Wenn ICE-Agenten Latino-Wanderarbeiter rauswerfen, verrotten die Früchte auf dem Feld und die Tomaten werden teuer. Wenn man migrantische Wissenschaftler von den Universitäten jagt, freuen sich zwar die Nazis, aber das Volk verdummt; die US-Wirtschaft, die bisher extrem von der US-Spitzenforschung profitiert, schrumpft.

Merz mag weniger dumm und borniert als Trump sein, aber was heißt das schon, wenn er dennoch so unterbelichtet ist, zu denken, er können sich mit Kürzungen, Verboten, sowie mit Grenzen und Abwehr in die bequemen 1980er zurückbeamen?
Alles hängt mit allem zusammen.

Die Kernkrise, die letztlich alles negativ beeinflusst, ist die dramatische Überbevölkerung des Planeten.  Wir müssten 90% weniger Homo Sapiens sein, um Klimakrise und Verteilungskämpfe, um Migrationsdruck und Krieg zu überwinden.

Antinatalismus ist die Lösung. Musks Pronatalismus ist die Apotheose der menschlichen Erdzerstörung. Kirche, Kinder, Kontrazeption, Konklave.

Da müsste der Kanzler unbedingt ansetzen. Nur versteht es dieser Kanzler natürlich nicht.

Dienstag, 6. Mai 2025

Zwei Seelen, Ach, in meiner Brust.

Seit so vielen Jahren arbeite ich mich täglich an der CDUCSU ab. Ich konnte schon Kohl und Merkel nicht ausstehen. Bundeskanzler Merz ist wirklich ein Alptraum für mich; zumal meine gesamte politische Erfahrung und Kompetenz mir klar signalisiert: Er ist der falsche Mann zur falschen Zeit. Er ist weder charakterlich, noch intellektuell auch nur annähernd geeignet diesen Höllenjob jetzt auszuführen. Er hat weder die Erfahrung, noch die Autorität, um in den entscheidenden nationalen und internationalen Problemgebirgen etwas Positives zu bewirken. Zudem gehöre ich, als alter Hamburger Sozialdemokrat, zu den letzten existierenden Olaf Scholz-Fans. Scholz kam zwar offenkundig mit seiner charakterlichen Nüchternheit und Seriosität nicht an beim Volk, aber wir werden ihn noch vermissen, weil er intelligent ist und die richtigen, zukunftsweisenden Dinge tat.

Die Ampel scheiterte an der FDP, der ultrakonservativen Presse und den geiferigen sozialen Medien. Der Urnenpöbel glaubte eher der rechten Hetze und den Lügen aus dem Hause Springer und Nius, aus den Parteizentralen der AFDP und CDUCSU, aus den Schandmäulern Weidels, Söders, Kubickis und Merz‘.

[…..] Anstatt mehr Koalition zu wagen, hat die Ampel sich in ihrer zweiten Halbzeit für noch mehr Streit und den Bruch entschieden. Das prägt auch ihre Schlussbilanz: Nur etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) ihrer Regierungsvorhaben wurden umgesetzt. Dennoch war die Ampel mehr als eine gescheiterte Streitkoalition. In ihren drei Regierungsjahren hat sie absolut gesehen mehr Vorhaben umgesetzt als ihre beiden Vorgängerregierungen in jeweils vier Jahren. Die Gesamtnote lautet deshalb: Erfolgreich gescheitert. Mit insgesamt 453 Versprechen enthält der Koalitionsvertrag 2021 etwa 50 Prozent mehr konkrete Vorhaben als der Koalitionsvertrag von 2018 und fast zweieinhalb Mal so viele wie der Koalitionsvertrag 2013. Davon hat die Ampel in ihren drei Regierungsjahren mit 236 Vorhaben allerdings nur etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) umgesetzt – 45 Prozent wurden vollständig, 7 Prozent teilweise umgesetzt. 98 Vorhaben (22 Prozent) befanden sich beim Bruch der Ampel noch im Prozess der Umsetzung. […..] Dennoch hat sie in absoluten Zahlen sogar etwas mehr Vorhaben (+7) als ihre Vorgängerregierung und deutlich mehr (+88) als ihre Vor-Vorgängerregierung umgesetzt. Die schlechten Vertrauenswerte konnte das nicht verbessern. Der ständige Streit hat die Erfolge der Ampel aus Sicht der Wähler:innen überschattet. […..]  Mit etwas zeitlicher Distanz könnte sich das in der historischen Bewertung der Ampel-Koalition noch einmal sehr viel deutlicher zeigen als im laufenden Tagesgeschäft ihrer zeitgenössischen Begleitung. […..] Wie inhaltlich zwingend ihr vorzeitiges Ende wirklich war, muss dem gerechten Urteil einer Geschichtsschreibung überlassen bleiben, die voraussichtlich mehr darüber herausfinden wird, als wir Zeitgenossen wissen können. Schon heute aber ist klar – und gehörtzur Schlussbilanz der Ampel ebenso wie ihr Scheitern – dass sie über weite Strecken ihrer verkürzten Regierungszeit eine echte Reformkoalition war, deren Gesetzgebungstätigkeit sich in dieser Zeit mehr als sehen lassen kann, und die in historisch schwierigen Umfeldbedingungen durchaus erfolgreich regiert hat.  […..]  Die neue Koalitionsregierung aus CDU/CSU und SPD hat versprochen, vieles anders und fast alles besser zu machen als die Ampel. Inzwischen liegt ihr Koalitionsvertrag vor, die Ressortverteilung ist vereinbart und der Organisationserlass geschrieben. Hat die neue Regierung dabei die Lehren aus dem koalitionspolitischen Versagen der Ampel gezogen? Nach heutigem Stand sind Zweifel angebracht: Zum einen ist der neue Koalitionsvertrag weniger ambitioniert und weniger klar als der Koalitionsvertrag der Ampel. Schon vor ihrer Amtsübernahme diskutiert die neue Koalition über die Auslegung zentraler Passagen. Der neue Koalitionsvertrag ist dem unvollständigen Vertrag der schwarz-gelben Regierungskoalition 2009-2013 jedenfalls ähnlicher als dem Koalitionsvertrag der Ampel. Kein gutes Omen für die Performanz der neuen Regierung. […..]

(Prof. Dr. Robert Vehrkamp, Senior Advisor Bertelsmannstiftung, 05.05.2025)

Es ist tragisch und unfair, wie Rot und Grün von den Wählern für die eindeutig von den CDUCSU-Vorgängern angerichteten Probleme in Haftung genommen wurden, wie ihre Regierungsarbeit durch den, vom Urnenpöbel auferlegten, Zwang mit der zutiefst destruktiven FDP zusammenzuarbeiten, verunmöglicht wurde. Wie Ukrainekrieg und Energiekrise vernünftiges Regierungshandeln erschwerte. Es ist dumm und dramatisch, die richtig agierenden und der Nachhaltigkeit verpflichteten Minister (z.B. Habeck oder Lauterbach) durch erwiesen Unfähige, wie Homohasser-Reiche, Flugtaxi-Bär oder Mautdebakel-Dobrindt zu ersetzen. 

Es ist absurd, im Huthi-Putin-Trump-Bibi-Jahr 2025 einen uneitlen, moralisch anständigen, politischen Vollprofi wie Scholz, durch einen selbstverliebten, xenophob hetzenden Hallodri ohne die geringste Regierungserfahrung zu ersetzen.

Es ist so bitter und selbstverständlich spürte ich die „klammheimliche Mescalero-Freude“ in mir, als Fritze Merz heute Morgen für alle überraschend im ersten Wahlgang die Kanzlermehrheit deutlich verfehlte.

Noch nicht einmal seine eigene Leute mögen den arroganten Sauerländer Geronten.




Eine Sternstunde für die Leute, die Memes für die Sozialen Medien anfertigen. Sie produzieren jetzt sehr schnell und zuverlässig. Als jemand, der Merz so leidenschaftlich verachtet und verabscheut, lache ich darüber laut.




[…..] Friedrich Merz kennt Niederlagen. Dass er jedoch zum ersten Kanzler der Bundesrepublik wird, der erst im zweiten Wahlgang gewählt wird, hat er sich wohl nicht vorstellen können. Diesen Makel wird er so schnell nicht mehr los - diese Erkenntnis war ihm im Moment der Niederlage ins Gesicht geschrieben.

Es ist 10.06 Uhr, als die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner mit neutraler Stimmlage die Anzahl der Ja-Stimmen verliest - und den Satz hinterherschiebt: "Damit ist Friedrich Merz zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland nicht gewählt." So still wie in dem der Moment danach ist es im Plenum selten. Ernste Gesichter bei Union und SPD. Der Worst Case ist eingetreten. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel grinst und geht feixend zu den Hinterbänklern ihrer Fraktion.  […..]

(Corinna Emundts, tagesschau.de, 06.05.2025)

Aber der letzte Satz ist der Entscheidende. Hier feixen und johlen insbesondere die Nazis, welche die Axt an die Verfassung legen wollen. Die gegen Demokratie und Menschenrechte agitieren. Es ist ihre Stunde. Die Nazi-Trolles und Dunkelkatholiban der übelsten Sorte sind happy.

Die braune Pest jubiliert und skizziert Szenarien, wie sie nun möglichst schnell selbst die Macht ergreifen kann:

[….] 4. Es kommt zum dritten Wahlgang. Die SPD stellt Klingbeil als Kandidaten auf, die Union Spahn.

4a) AfD stimmt „aus patriotischer Verantwortung” für Spahn. CDU bildet Minderheitsregierung mit AfD-Duldung. [….]

(Michael Klonovsky, 06.05.2025)

Das zeigt, wie schal der Jubel ist.

Hier gibt es für Linksliberale nichts zu lachen.

Robin Mesarosch

 Ich bin einigermaßen entsetzt, zu sehen, wie sich vernünftige linke Stimmen (beispielsweise Marc Raschke), über das Scheitern des Merz freuen. Merken die nicht, in welchem widerlichen braunen Boot sie damit sitzen?
Die Grüne und die Linke Fraktion im Bundestag hatten es schnell begriffen. Niemand wird Heidi Reichinnek unterstellen können, Sympathien für Spahn, Merz, Reiche oder Dobrindt zu heben, aber alle verstanden sofort, daß sie CDUCSU und SPD nun helfen müssen, um die Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Geschäftsordnung zu erreichen. Damit es eben NICHT die Nazis sind, die heute am längsten lachen.

Mein Dank geht heute an Linke, Grüne und Sozis, die es gemeinsam ermöglichten, doch noch Merz im zweiten Wahlgang zum Kanzler zu machen. Es ist in dieser Situation das eindeutig kleinste Übel. Immerhin kommen nun auch gute fähige Sozis frisch ins Amt. Die Lage ist zu ernst, um Spielchen zu treiben.

[…..]  Klar, als Abgeordneter im Bundestag ist man „an Aufträge und Weisungen“ nicht gebunden und nur seinem „Gewissen unterworfen“. So steht’s im Grundgesetz. Aber gerade das Gewissen sollte den Abgeordneten der Regierungskoalition, die heute Friedrich Merz bei der Kanzlerwahl gegen die Wand laufen ließen, ordentlich die Hölle heiß machen. Sie haben heute ein zartes Pflänzchen Hoffnung zertrampelt. Und das ist ein Jammer. […..] Egal, wer es war. Es war falsch. Und zwar nicht, weil man nicht Merz kritisch sehen kann. Oder mit vielen Passagen im Koalitionsvertrag unzufrieden sein kann. Natürlich ist da vieles streitbar. Aber es ist ein Kompromiss zweier Parteien, auf deren Schultern viel Verantwortung lastet. Sie müssen in chaotischen Zeiten Handlungsfähigkeit beweisen. Sie müssen konstruktiv arbeiten und in den Problemfeldern Ukraine und Wirtschaft vorankommen. Sie müssen das Land und Europa behaupten in einer Zeit, in der uns Trump, Putin und andere massiv unter Druck setzen. Sie müssen verhindern, dass die AfD noch stärker wird. Und das alles schnell!  [….]

(Maik Koltermann, MoPo, 06.05.2025)