Samstag, 27. März 2021

Der nächste Bundeskanzler.

In dem  Jahr vor den meisten Bundestagswahlen gab es entweder schon einen sehr wahrscheinlichen Sieger, oder es lief auf ein Duell zwischen bei Personen, die jeweils für eine ganz andere Koalition standen, hinaus.

Wer Ende dieses Jahres nach Angela Merkel regieren wird, läßt sich 2021 noch überhaupt nicht abschätzen.

Vielleicht wird die Regierungsbildung so kompliziert und langwierig, daß Merkel noch deutlich in das Jahr 2022 hinein geschäftsführend im Amt bleibt.

Die diesjährige Konstellation ist so viel komplizierter geworden, weil die Amtsinhaberin (anders als Helmut Kohl 1998) nach 16 Jahren nicht noch einmal antritt, sich die traditionellen Bindungen an die Parteien auflösen, der klassische Wahlkampf der letzten 70 Jahre nicht möglich ist und zudem das Regierungsversagen in der Superkrise Corona den Frust des Wahlvolkes in nie dagewesenen Höhen treibt.

Es gibt verschiedene Faktoren, die den Sieg eines Kandidaten bei der Bundestagswahl befördern. Fragt man diese Kriterien ab, gibt es aber sehr unterschiedliche Antworten.

1)   Wer will unbedingt Kanzler werden?

Scholz, Laschet, Habeck, Merz, Spahn

2)   Wer gilt im Volk als Wunschkandidat?

Söder, Habeck

3)   Wer hat in seiner Partei den größten Rückhalt?

Söder

4)   Wessen Partei hat Chancen die Stärkste im nächsten Bundestag zu sein?

Laschet, Habeck, Merz, Spahn

5)   Wer kann in seiner Partei aus eigener Kraft nach der Kandidatur greifen?

Baerbock, Laschet

6)   Wessen Partei hat einen Kanzlerkandidaten?

Scholz

7)   Wessen Partei hat ein Wahlprogramm und Regierungskonzepte?

Scholz

8)   Wer hat Regierungserfahrung?

Scholz, Laschet, Söder, Spahn

9)   Wer hat sich bisher als kompetenter Regent erwiesen?

Scholz

10)Wer wird medial unterstützt, kann sich auf positive Presseberichte verlassen?

Habeck, Söder, Merz

11)Wer ist nicht persönlich oder als Parteichef in wählertoxische Maskenaffären verstrickt?

Scholz, Baerbock, Habeck

Daß ausgerechnet die (noch) mit Abstand größte Bundestagsfraktion CDU/CSU sechs Monate vor der Wahl nicht einen einzigen Satz eines Regierungsprogrammes geschrieben hat, nicht eine einzige Zukunftsidee vorweisen kann und schon gar nicht weiß, wer für sie antreten soll, ist gelinde gesagt, ungewöhnlich.

Wäre Söder CDU-Chef und Laschet CSU-Chef, wäre Söder sicherer Kandidat, aber im Binnenverhältnis der Unionsschwestern kann nicht der deutlich kleiner Partner zugreifen.

Zumal Söder als Kanzler nicht nur die kleinste der Koalitionsparteien führen würde, sondern auch die bequeme bayerische Sonnenkönigstellung los wäre und darüber hinaus vollkommen ungeklärt ist, wer dann Bayerischer Ministerpräsident wird.

Laschet sitzt der sehr viel mächtigeren Partei vor, die sich ohnehin nicht nur auf einen Landesregierungschef stützt, so daß die Nachfolge in Düsseldorf weniger schwierig wäre. Aber ihm trauen die CDU-Wähler den Job nicht zu und bleiben womöglich den Wahlurnen fern.

Kurios ist außerdem die Rolle seiner immer noch mächtigen Vorvorgängerin Merkel, die zwar zu schwach ist, um sich gegen die Länderchefs durchzusetzen, aber deren Wort beim Urnenpöbel immer noch viel gilt.

Sie wurde Jahrelang brutal von der CSU und ihren Parteichefs gequält, konnte sich nie richtig wehren, weil sie deren Stimmen brauchte.

Daß die Kanzlerin Seehofer und Söder, aber auch den CDU-Rechtsaußen und doppelt gescheiterten Merz hasste, galt bis vor kurzem als sicher. Sie wünsche sich also den ihr politisch sehr viel näheren Parteifreund Armin Laschet als Nachfolger und wolle den polternden Söder verhindern, hieß es.

In den letzten 12 Corona-Monaten zeigte sich Öffnungsfetischist Laschet aber in den MPKs so oft als intellektuell hoffnungslos überfordert und chaotisierte mit seinem Zickzack-Kurs die Beschlusslage, daß die Kanzlerin jedes Vertrauen in ihn verloren hat, sich stattdessen intern auf Scholz, Tschentscher und insbesondere Söder („Team Vorsicht“) stützt.

Die Lage ist also maximal verfahren.

Kurioserweise ist ausgerechnet die üblicherweise im Wahljahr vollkommen chaotisierte SPD konsolidiert. Das Wahlprogramm steht, der Kanzlerkandidat wurde schon lange auserkoren und ist ausnahmsweise sogar parteiintern ziemlich unumstritten. Seine persönlichen Sympathiewerte sind gut, seine Kompetenz und Intelligenz unstrittig.

Zu diesen rosigen Voraussetzungen passen nur die demoskopischen Werte von 15-17% nicht, die leider Lichtjahre von Gerd Schröder 41% von 1998 entfernt sind.
Da in der SPD alles so wunderbar geklärt ist, kann sie auch kaum mit medialen Paukenschlägen Aufmerksamkeit auf sich ziehen und die Umfragen beeinflussen.

Grüne und CDUCSU können hingegen durchaus mit einem kräftigen Schub rechnen, wenn sie endlich ihren Erlöser oder ihre Erlöserin präsentieren.

Für beide Parteien birgt das aber auch Risiken. Söder und Laschet stecken bis zum Hals in Maskenaffären, müssen mit bösen weiteren Enthüllungen rechnen.

Außerdem könnten sie bei weiterhin katastrophalem Pandemie-Management Frust auf sich ziehen. Wähler strafen gern ab.

Habeck und Baerbock sitzen in einer bequemeren Position. Sie tragen keinerlei Regierungsverantwortung, können nicht für Fehler verantwortlich gemacht werden. Allerdings sind beide Dampfplauderer und haben im Eifer schon katastrophale Wissenslücken offenbart. Habeck ausgerechnet bei einem Grünen Kernthema (Pendlerpauschale/Energiebesteuerung). Die ehemalige Trampolinspringerin Baerbock verhaspelte sich bei Kobalt (Kobold), pries und bejubelte die CDU bei ihrem 75. Parteijubiläum und ferndiagnostizierte Merkels Gesundheitszustand als Konsequenz des Klimawandels.

Beide Grünen reden gern und viel, drücken sich um eine Verdammung des starken Esoterik-Homöopathie-Schwurbel-Heilpraktiker-Flügels ihrer Partei.

Sobald eine/r als Kanzlerkandidat feststeht, steht er/sie unter verstärkter Beobachtung. Jeder Versprecher wird durch die sozialen Medien gereicht.

Je nach Pandemiegeschehen könnte so ein windiges Image den Wahlchancen schaden.

Das könnte wiederum Olaf Scholz, dem Kandidaten mit den insgesamt schlechtesten Chancen, helfen.

Er zündet keine rhetorischen Feuerwerke, plappert aber auch nie sinnlos daher, weiß was er sagt.

Freitag, 26. März 2021

Rechtes Randgeheule

Es gab in der CDU immer einen ganz rechten Rand.

In der alten Bundesrepublik gab es neben Einzelpersonen wie dem Berliner Rechtsaußen Heinrich Lummer insbesondere im hessischen und Baden-Württembergischen Landesverband einen schwarzbraunen Bodensatz, der brav in der Partei blieb, Mitgliedsbeiträge bezahlte und auf Parteitagen stramm auf Linie den Bundesvorstand unterstützte.

[….] Die CDU gilt seit ihrer Gründung als Kanzlerwahlverein. 1949 war es noch eine sensationelle Notwendigkeit Nationalkonservative, Wirtschaftsfreunde und Vertreter beider Konfessionen zusammenzuführen, um gemeinsam einen starken anti-sozialen Block zu bilden.

Norddeutsche Protestanten, Wirtschaftsbosse, die NSDAP-Überbleibsel und ehemalige Zentrumspolitiker bildeten die Machtbasis Konrad Adenauers.

Es funktionierte wunderbar. Man blieb 20 Jahre ununterbrochen an der Macht und setzte eine USA-orientierte Politik durch.

Adenauer, der vielen bis heute als Ikone gilt, war privat ein ziemlicher Prolet, der von Demokratie nicht sehr viel hielt.
 Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.

Gewaltenteilung bedeutete ihm nicht sehr viel. Als der aufmüpfige Rudolf Augstein es wagte kritisch über Strauß zu schreiben, ließ Adenauer wie ein früher Erdoğan die Staatsanwaltschaft los, sperrte den SPIEGEL-Chef ein und wollte kritischen Journalismus einfach verbieten.

Warum auch nicht? Hatte er doch wichtige NSDAP-Ideologen wie Hans Globke (1953-1963 Adenauers CDU-Kanzleramtsminister), Theodor Oberländer (CDU-Bundesminister 1953-1961) oder auch Hans Filbinger (12 Jahre CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs) an seiner Seite.

Diese ehemaligen Top-Nazis wußten wie man mit der SPD-Opposition umgeht.

Der braune Sumpf konnte auch nach Adenauers Tod unbehelligt in der CDU weiter existieren.

Bundeskanzler Helmut Kohl war ein Unterstützer der Waffen-SS.

[….] Als junger Politiker spendete Helmut Kohl Geld an ein Hilfswerk, das für inhaftierte NS-Verbrecher und deren Angehörige sammelte. Nach Informationen des SPIEGEL hielt er den Generaloberst der Waffen-SS Paul Hausser für einen "anständigen Mann". [….]

(SPON, 03.02.2018)

Insbesondere in den CDU-Landesverbänden Hessen („Dreggers Stahlhelmfraktion“, Martin Hohmann, Erika Steinbach, Kristina Schröder, Koch, Kanther) und Baden-Württemberg („Studienzentrum Weikersheim“) konnten sich Ultrakonservative bis in die jüngste Zeit austoben. Sie bildeten eine Allianz mit den revanchistischen Vertriebenenverbänden.

Seit dem Zusammenbruch der DDR kam mit dem CDU-Landesverband Sachsen ein weiterer nationalkonservativer Hotspot dazu. [….]

(Schwarze Löcher bei den Schwarzen, 17.02.2018)

Als Gegenleistung bekamen sie von der Parteispitze immer wieder verbale Zuckerli, indem Helmut Kohl sich lange hartnäckig weigerte die Oder-Neiße-Linie anzuerkennen, Ronald Reagan auf den Bitburger SS-Friedhof schleppte, Schwule verteufelte und sich regelmäßig bei den ultrarechten grotesk-folkloristischen Vertriebenentreffen blicken ließ.

Es sprang auch immer ein Kabinettsposten für den braunen Flügel raus, um die Ultrakonservativen bei der Stange zu halten.

Manfred Wörner, Verteidigungsminister 1982-1988, Heinrich Windelen, Bundesminister für Vertriebene 1969, sowie Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen 1983-1987, Manfred Kanther, Innenminister 1993-1998, Rupert Scholz, Verteidigungsminister 1988-1989.

Nach 1990 kamen weitere ultrakonservative CDUler aus den Landesverbänden Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachen hinzu.

Erst waren vor allem General Jörg Schönbohm, Landesinnenminister in Berlin und Brandenburg, sowie der sächsische Justizminister Steffen Heitmann Ikonen der ganz Rechten. Inzwischen sind fast die gesamten CDU-Fraktionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kaum noch von der AfD zu unterscheiden.

Bundesweit sind die CDU-Rechten aber fürchterlich deprimiert, weil sie nicht mehr ihren Platz am Trog der Macht bekommen.

Sie sind noch da, sie sind laut, genießen sogar wie die CDU-assoziierte „Werteunion“ enorme Medienaufmerksamkeit.

Der rechte CDU-Flügelmann Wolfgang Bosbach war jahrelang der häufigste Talkshowgast und wurde dadurch extrem beliebt. Die Zuschauer schätzten ihn für seinen „Straight Talk“ so sehr, daß selbst SPD-Gruppen seinen Abschied aus der Politik bedauerten.

Wie so oft bei den beliebten Rechten, störte sich auch niemand daran, daß Bosbach oft und gern log. Er ist genauso ein lügender Hallodri wie Karl-Theodor von und zu Guttenberg, wird ebenso wie der adeliger Multimillionär von der Masse geliebt. In die Regierung schaffte er es aber nie.

Der rechte Unionsflügel schafft es aber in den 2010nern und 2020ern immer schlechter Machtpositionen zu besetzen, schlimmer noch, wenn er sich daran macht nach einer Regierungskrone zu greifen wie im Februar 2020 in Thüringen oder ein Jahr später in Sachsen-Anhalt wird er zurück gepfiffen.

Die Braunen werden aber nicht nur innerhalb des CDU-Machtgefüges marginalisiert, sondern leiden auch noch psychologische Höllenqualen, weil sie nicht mehr exklusiv „Es war ja nicht alles schlecht in Dritten Reich“ murmeln, sondern nun auch noch die AfD neben sich sitzen haben, die das Hier Gemurmelte, dort durch ein Megaphon hinausposaunen.

Die Nationalkonservativen sind enttäuscht, ziehen sich wie Katharina Reiche oder Kristina Schröder ganz zurück, machen wie Martin Hohmann, Erika Steinbach oder Alex Gauland zur AfD rüber oder versuchen genauso verzweifelt wie erfolglos die gesamte Partei auf Rechtsaußenkurs zu zerren.

Dafür stehen die Namen Friedrich Merz, Tilman Kuban, Christoph Ploß, Max Otte, Manuel Hagel, Alexander Mitsch, Carsten Linnemann und Hans-Georg Maaßen.

Nach ihrer Theorie bildet das gegenwärtige Parteienspektrum wieder kommunizierenden Röhren wie in den 80ern, 90ern und 2000ern, als die Lager immer in etwa stabil blieben, sich die Wähler nur zwischen SPD und Grünen einerseits, sowieso CDU und FDP andererseits bewegten.

Als Schröder 2002 zum zweiten Mal zum Bundeskanzler wurde, war seine SPD im Vergleich zu 1998 leicht schwächer geworden, aber die Grünen-Gewinne überkompensierten die Verluste.

Damals war die Koalition so gefestigt, daß eine Grünenstimme ganz klar auch Kanzlerstimme für Schröder war.

Inzwischen sind die Wählerbewegungen aber diffuser.

Die Werteunion scheitert daher nicht nur inhaltlich auf ganzer Linie, sondern das gegenwärtige demoskopische Schrumpfen der CDU führt nicht mehr automatisch zu besseren AfD-Zahlen.

Das ganze Selbstverständnis der rechtskonservativen „Werteunion“ beruht auf der simplifizierten Annahme, die gegenwärtige Merkel-CDU sei zu liberal, die klassischen Wähler fänden keine Heimat mehr in ihr und wanderten daher rüber zur braunen AfD-Alternative.

Das ist aber offensichtlich völlig falsch.  Während die CDU in den letzten Wochen ein Drittel ihrer Wähler verlor, stagniert die AfD.   Die enttäuschten CDU-Wähler finden den Merkelkurs also nicht etwa zu liberal, sondern zu konservativ. Daher wechseln sie lieber direkt zu den Grünen, die in vielerorts ähnlich schwurbelig, Industriefreundlich, esoterisch. Fromm und habituell konservative wie die CDU-Wähler sind.

 Es muss hart sein, für die junge stramm konservative Politgeneration Spahn-Ploß-Kuban: Nachdem endlich ein Ende der Ära Merkel absehbar ist, kommen nicht etwa wie von Merz prognostiziert, massenhaft zuvor enttäuschte rechte CDU-Wähler zurück, sondern das Gegenteil ist der Fall: Liberale CDU-Wähler, die Merkel an ihre Partei gebunden hatte, machen rüber zu den Grünen; die Union schrumpft weg.

 Werteunion-Boss Mitsch ist dementsprechend sehr traurig; sein komplettes Weltbild ist offensichtlich falsch, die  Kernprognosen werden über den Haufen geworfen.

[…..] Konservative der CDU/CSU Chef der WerteUnion: Mitsch zieht sich zurück

Der Vorsitzende der konservativen WerteUnion Alexander Mitsch tritt den Rückzug an – er will bei der Neuwahl des Bundesvorstands nicht mehr kandidieren. Als Grund nannte Mitsch einen »verheerenden Linkskurs« der CDU. […..]

(Spon, 26.03.2021)

Begriffen hat er die eigentliche Dynamik offensichtlich nicht.

Donnerstag, 25. März 2021

Von der Gnade des perfekten Geburtsjahres.

Früher beneidete ich die Unternehmergeneration, die in den 1930ern geboren wurde. Den zweiten Weltkrieg erlebten sie als Kinder, als sie noch zu jung waren, um die Schrecken richtig zu begreifen, bei Kriegsende war mein Vater acht Jahre alt, meine Mutter sieben und ihr Bruder 13 Jahre.

Sie wurden durch das Erlebte durchaus mit dem nötigen Ernst geboren, wuchsen ohne Luxus auf, so daß sie die kleinen Freuden des Lebens genießen konnten, wie ich mir das nicht mehr vorstellen kann.

Immer wieder erzählte meine Mutter mir beispielsweise davon, wie meine Oma nach dem Krieg die erste Orange nach Hause brachte. Meine Mutter sah des erste Mal so eine Frucht, die aber erst angeschnitten werden sollte, wenn alle Geschwister da waren. Durch ein unglückliches Missverständnis wurde die erste Orange aber ohne sie gegessen; die Enttäuschung vergaß sie ihr Leben lang nicht. Aber umso mehr blieb ihr in Erinnerung, als meine Oma einige Wochen später erneut eine Orange ergatterte, die meine Mutter dann zum Trost ganz allein essen durfte. Dieser Geschmack, die Frische, der Duft.

Ich denke immer wieder an diese Beschreibungen, wenn ich arglos im Gemüseladen stehe, mir achselzuckend die riesigen Berge voller Clementinen, Mandarinen, Pampelmusen, Pomelos und Orangen ansehe, die mich aber nicht so richtig locken können, weil Orangen ja so umständlich zu pulen sind. Davon kriegt man klebrige Finger.

Die jungen Männer, die Ende der 1940er Jahre, zum Start der Bundesrepublik Deutschland um die 18 Jahre alt waren, hatten improvisieren gelernt, vielfach waren die autoritären Familienstrukturen durch Abwesenheit der Väter aufgebrochen, so daß sie früher und freier als jede vorherige Generation unternehmerisch tätig werden konnten.

Es folgte ein paradiesisches halbes Jahrhundert in Deutschland. Es herrschte dauerhaft Frieden in Europa, man konnte überall hinreisen, der Umweltschutzgedanke war noch nicht entstanden, man rauchte und trank. Ökonomisch gab es nur eine Richtung: Aufwärts. Es wurde immer besser, ohne daß man hyperflexibel ständig neue Ideen entwickeln musste und nicht von globalen Veränderungen bedroht war.

Meine selige Elterngeneration! Ganz anders meine Großelterngeneration. Mein Opa, geb. 1890, hatte sich wirklich abgerackert und musste als Erwachsener gleich zwei Weltkriege über sich ergehen lassen, die seine berufliche Existenz komplett zerstörten.  Wie viel einfacher hatte es sein Sohn.

Erst in den 1990er Jahren schlug mit der Digitalisierung, Globalisierung und Überbevölkerung auf das deutsche ökonomische Paradies ein.

Viele Jobs, die über Jahrzehnte bestanden, fielen von eben auf jetzt weg, weil irgendein Land 10.000 km entfernt alles besser und schneller und billiger konnte, während gleichzeitig die Frachtkosten durch die Containerschifffahrt minimiert wurden.

Ganze Branchen brachen weg. Wer braucht heute noch die kleine Druckerei von nebenan? Fotogeschäfte, die Filme entwickeln? Videotheken? Plattenläden? Konzertkasse?

Die Multis und billiger.de-Portale ließen die Wertschätzung für Service schrumpfen.

Die Geschäfte meiner Teen- und Twen-Jahre, Buchläden, in denen die Inhaberin selbst alles gelesen hatte und mit der ich über die Inhalte diskutieren konnte, oder der Elektronikladen, dessen Fachverkäufer mir nicht nur alles über Stabmixer, Waschmaschinen und Cassettenrekorder erklärte, sondern der auch noch umstandslos zu mir nach Hause kam, wenn neue Sender einprogrammiert werden mussten, oder der Herd rumzickte.

Alles weg.    Die ewige Aufsteigergenration, geboren in den 1930ern, sollte möglichst inzwischen den Löffel abgegeben haben. Zu frustrierend ist es mit anzusehen, wie der kleine Familienbetrieb, der Zeitungskiosk, der Schusterladen, das Tante-Emma-Geschäft jedes Jahre weniger abwirft, weil die Margen kleiner werden und die Billig-Konkurrenz durch Milliardenschwere-Konzerne nebenan hockt.

So ein kleines Geschäft, das über Jahrzehnte die ganze Familie ernähren konnte und für bescheidenen Wohlstand sorgte – man hatte zwei Autos und ein Ferienhaus – trägt sich kaum noch, obwohl man immer mehr strampelt.

1950 musste man nur morgens die Ladentür aufschließen; die Kunden strömten von allein hinein und stürzten sich auf alles, das es gab.

 In der heutigen Überschussgesellschaft, in der jeder in Sekundenschnelle bei Amazon Preise vergleicht, geht das schon lange nicht mehr.

Man muss sich sehr spezialisieren, enormen Aufwand in Marketing und Werbung stecken, die Kunden umgarnen, Events veranstalten, Sonderkonditionen bieten.

Wenig überraschend haben die Millennials und die Generation Z (die um 2000 Geborenen) ohnehin keine Lust mehr auf Kaufmannsladen oder Serviceberufe.   Handwerksbetriebe und Krankenhäuser können überhaupt nur noch existieren, weil sie ihr Personal aus Migranten rekrutieren.

Die Zeiten der durchgängigen Erwerbslaufbahnen bei einem Arbeitgeber in demselben Job, den auch schon der Vater und Großvater ausgeübt hatten, sind vorbei.

Die Generation Praktikum und die Generation Z, die so handyaffin ist, daß sie keine Rechtschreibung mehr beherrscht, nie  ein Buch gelesen hat oder gar ein Gedicht auswendig kann, dafür aber nach zehn Minuten in Schnappatmung gerät, wenn das Internet down ist, läßt sich trefflich von meiner Generation auslachen.

Wie kann man nur so unselbstständig und weinerlich sein!

Aber der Dauerstress durch die sozialen Medien und ungewisse Zukunft mit immer größeren Bildungsanforderungen, sofern man sich nicht damit begnügt ein Leben als Geringverdiener zu führen, der niemals eine Stadtwohnungsmiete bezahlen kann und als Rentner von sozialen Transferleistungen abhängig zu sein, ist real.

Psychische Krankheiten nehmen exponentiell zu, jeder Teenager kennt die Begriffe „soziale Phobie“, „Burnout“ und „Depression“.

Heute wurde verkündet, das am 05.04. in Hamburg beginnende Sommersemester, fände erneut nur digital statt.

Das ganz große Mitleid bringe ich schwer auf, weil es Erstsemester des Jahres 2021 in vieler Hinsicht so viel leichter als ich haben.

Wie viele Myriaden endlose Stunden habe ich damals in Bibliotheken recherchiert, auf die Rückkehr ausgeliehener Bücher gewartet, irgendwelche riesigen Wälzer zu Copy-Shops geschleppt, nächtelang mit der Hand Protokolle und Arbeiten verfasst, in denen kein einziger Schreibfehler sein durfte, so daß man immer wieder eine ganze Seite neu schreiben musste, weil man natürlich in der letzten Zeile ein Wort vergessen hatte.

Und die Twens mit Laptop und MS WORD wollen mir erzählen, wie schwer sie es haben?

Aber sie haben es schwer, weil sie eine nicht digitalisierte Welt nicht kennengelernt haben, keine Vergleiche ziehen können.

So wie ich nie wirklich mitfühlen könnte, wie meine Mutter 1948 den Geschmack der ersten Orange ihres Lebens genoss.

Die emotionale und soziale Seite des Lebens scheint durch die unendlich große Auswahl des Onlinedatings auch nicht besser zu werden, weil durch die Möglichkeiten auch die Vergleichbarkeit exponentiell wächst.

Jeder junge Mann, der ein Mädchen kennenlernen will, kann sich anstrengen so viel er will – sie wird immer auf ihrem Klugtelefon jemand sehen, der noch bessere Bauchmuskeln, vollere Haare, schönere Zähne und ein fetteres Gehalt aufweist.   Umgekehrt natürlich genauso.

Ich bin froh ein „digital immigrant“ zu sein. Anders als die digital natives, kenne ich beide Welten, kann mich also mehr an einem neuen Song erfreuen, weil ich weiß welche wochenlange Mühe ich als Jugendlicher auf mich nehmen musste, um Plattenläden nach einer bestimmten Platte abzuklappern, statt immer alles per streaming zur Verfügung zu haben.

Anders als die 1930 Geborenen, war ich aber zu Beginn des Internetzeitalters gerade noch jung genug, um mir die Vorteile anzueignen.

Auch die Endlos-Pandemie erlebt man am bestens als 50-60-Jähriger.

Da ist man alt genug, um sich die Hörner abgestoßen zu haben.  Man muss nicht ausgehen, erlebt keinen „sexuellen Notstand“ mehr, muss niemand kennenlernen.   Man hat sich zu Hause eingerichtet und im letzten halben Jahrhundert ohnehin mehr Krams angesammelt als man braucht. Beschäftigung gibt es im Überfluss.   Es stehen in der Regel keine Prüfungen oder Abgabetermine an.

Die Zappeligkeit der Teens und Twens fehlt mir völlig. Twens, die so sehr ein Ende der Corona-Maßnahmen herbeisehnen, daß sie, wie ich heute wieder bei einer Fahrt entlang der Außenalster bei gutem Wetter um 19.00 beobachten konnte, zu 99% alle Abstands- und Maskenregeln ignorieren, sich ungeniert und ungeschützt zusammenballen, lachen, laufen, labern und lagern.

In meinem Alter bin ich kaum tangiert von den Maßnahmen, würde bei Aufhebung derselben auch nichts ändern.

Ich habe es aber nicht nur viel besser als Teens und Twens, sondern natürlich auch besser als die 80+Generation, da ich (noch) gesund genug bin (schnell auf Holz klopfen), um autark zu leben, keine Hilfe im Alltag benötige.

Die bisherigen SarsCoV-2 sind für meine Generation auch nicht so tödlich wie für Hochbetagte.  (Die verschiedenen Mutanten könnten das ändern.)

Nicht nur habe ich das perfekte Alter für eine Pandemie, sondern als Atheist, Misanthrop und Antinatalist auch den riesengroßen Vorteil keine Kinder zu haben.

Kinder ohne Kita und Schulen sind ein gewaltiger Zeitaufwand, der Millionen Eltern zur Verzweiflung bringt.

Fast noch schlimmer sind die noch rüstigen Großeltern getroffen, die in ihren 70ern eigentlich ihr Leben genießen möchten, nun aber täglich die Brut ihrer Kinder hüten müssen und sich nicht nur daran erinnern wie laut und anstrengend kleine Kinder sind, sondern auch feststellen, daß man diese Sonderbelastung mit 70 oder 80 weniger gut wegsteckt als mit 20, 30 oder 40.

Zumal viele der Dinge, die Opa und Oma üblicherweise mit den kleinen Rackern unternehmen, um sie zu bespaßen – Zirkus, Zoo, Spielplatz – auch den Corona-Regeln zum Opfer fallen, so daß man die Bälger die ganze Zeit in seiner Wohnung sitzen hat.

Zum Glück bin ich völlig sicher vor solchen Stressfaktoren. Es gibt keine Enkelkinder, die von einer Helikoptermutter morgens um 8.00 aus ihrem SUV-Hybrid an meinen Küchentisch getreten werden könnten.

Enkel machen in Coronazeiten nicht nur verdammt viel Arbeit, sondern sind zu allem Überfluss auch noch tödliche Virenschleudern.

[….] Kinder werden zur Gefahr für ihre Eltern   [….]  Die dritte Welle bricht, wie Virologinnen und Modellierer spätestens seit Januar prophezeien, mit Macht über Deutschland herein, die deutlich ansteckendere und gefährlichere Mutante B.1.1.7 überzieht das Land. Und anstatt die Kontakte drastisch zu beschränken, wird gelockert – vor allem bei den Schulen.   Was das bedeutet, lässt sich bereits an den Inzidenzkurven ablesen: »Der stärkste Anstieg ist bei Kindern zwischen 0 und 14 Jahren zu beobachten, wo sich die Sieben-Tage-Inzidenzen in den letzten vier Wochen mehr als verdoppelt haben«, heißt es im jüngsten Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI).  Tatsächlich explodierte das Infektionsgeschehen bei den bis zu 14 Jahre alten Kindern geradezu: Die Fallzahlen sind auf durchschnittlich 110 hochgeschnellt; damit haben sie sich in den vergangenen fünf Wochen nahezu verdreifacht. [….] Eine weitere Folge des laxen Umgangs mit dem Virus zeigt sich in jenen Ländern, in denen die Mutante schon länger wütet: Die Kinder stecken ihre Eltern an, und die werden krank, manche sogar sehr krank. [….]

(Rafaela von Bredow, 25.03.2021)

Keine Kinder, in den 1960ern geboren. Alles richtig gemacht!

Mittwoch, 24. März 2021

Wenn nur noch Trübsal blasen bleibt

Heute ist die Häme über die Rolle rückwärts der MPK-Osterbeschlüsse natürlich groß.

Mühsam hatte die Runde aus 16 Ministerpräsidentin, Kanzlerin und drei Bundesministern gekreißt, um einen einzigen Ruhetag anzusetzen und wurde binnen 24 Stunden von einem Lobbyistenwind wieder zurück gepustet.

Eine Maßnahme, die ohnehin zu lasch und zu kurz angesetzt war, wird wieder eingesammelt von einer Kanzlerin, die immerhin heroisch ganz allein die Schuld auf sich nimmt, obwohl jeder weiß, daß es eher die unverantwortlichen MPs waren, die stingentere Strategien verhindern.

Der Ministerpräsident in Kiel, Daniel Günther, genau wie sein Kollege in Düsseldorf ein geradezu fanatisch frommer Katholik, brauchte nur wenige Stunden nach der dramatischen MPK-Nachtsitzung, um für Schleswig-Holstein wieder einen Sonderweg anzukündigen, auf daß die Pandemiepolitik zur Freude der Covidioten noch mehr chaotisiert wird.

Noch ärgerlicher war Bundesarbeitsverweigerungsminister Seehofer, der ein Jahr untergetaucht war, nicht einen sinnvollen Satz zur Pandemie beigetragen hatte, aber unmittelbar nach dem Gründonnerstags-Beschluss seiner eigenen Regierung in den Rücken fiel.

[…..] Seehofer kritisiert Osterbeschlüsse von Bund und Ländern scharf »Ausgerechnet Parteien, die das C im Namen führen«: Innenminister Seehofer will die Bitte zum Verzicht auf Gottesdienste an Ostern nicht hinnehmen. Die Hygienekonzepte für Kirchen funktionierten doch. […..]

(SPON, 24.03.2021)

So viel Verblödung in drei Sätzen erlebt man auch nicht oft, obwohl wir im Trump-Zeitalter einiges gewohnt sind.

Sagenhaft, ausgerechnet jetzt gehen die Top-Katholiban Seehofer, Laschet und Günther auf Woelki-Kurs.

Es sollte nicht um Crazy Horsts religiöse Gefühle gehen, sondern um eine Millionenfach tödliche Epidemie, die in Deutschland schon 76.000 Tote forderte. Deutlich über 3.000 Covid19-Patienten liegen genau jetzt auf den Intensivstationen und kämpfen um ihr Leben.

Was ist denn Seehofers Plan? Auf Gebete und Globuli vertrauen und sehenden Auges die Todeszahlen multiplizieren?

[….] Berliner Forscher warnen vor 2000er-Inzidenz im Mai. Einer neuen Studie zufolge können die Notbremse, Impfungen und wärmeres Wetter die dritte Welle nicht aufhalten. Was muss stattdessen passieren? […..]

(Jan Kixmüller, 24.03.2021)

Normalerweise würde ich mich jetzt damit quälen, zuvor verwendete Begrifflichkeiten wie „politisches Totalversagen“, „Debakel“ oder „sagenhafte Unfähigkeit“ im Zusammenhang mit Personen wie Laschet, Spahn, Karliczek, Scheuer oder Seehofer erneut verbal zu überbieten.

Aber nach den grandiosen Regierungsvorlagen, wurden wir heute in den sozialen Medien mit einer derartigen Flut von Karikaturen und Memes überschwemmt, daß ich mich emotional ausreichend austoben konnte.

Die Kritik ist so ätzend, daß ich auch nichts mehr drauflegen kann.

Schlimmer ist aber etwas anderes: Die Tölpelei der (vornehmlich) C-Politiker wird zur ganz großen Vitaminspritze für  Rechtsextreme, Aluhüte, Covidioten, Querdenker, Pegidioten, AfD, Nena-Attila-Xavier-Wendler.

Die braune Pest um David Berger spürt enormen Aufwind unter ihren Höckeflügeln.

[….] Kriminell oder unzurechnungsfähig?  Jetzt sollte auch der treueste und masochistischste deutsche Untertan erkennen: Entweder ist diese Frau im höchsten Maße kriminell oder nicht mehr zurechnungsfähig. Darüber zu rätseln ist müßig, denn beides können wir uns in dieser absolut desolaten Lage unseres Landes keinen Tag länger leisten.     Merkel muss weg, mit allen Mitteln, die das Recht dazu bietet. Und mit ihr die, die ihr den Rücken freigehalten haben, eunuchenhaft in ihrem Hofstaat abgenickt haben, was sie wollte. Und die genau dies weitertun:   Abschied von den Klatscheunuchen.   Dieselben 16 Länderchefs, die gestern mit ihrer Führerin beschlossen haben, uns über Ostern fast eine Woche lang einzusperren, klatschen nun Applaus, dass man alles wieder zurückzieht. Solche Waschlappen ohne Rückgrat haben in einer Demokratie keinen Platz als Politiker! Und: Nach der Bankrotterklärung des Merkel-Coronakabinetts müssen dessen Beschlüsse umgehend aufgehoben werden: Das Geschwätz von einer „neuen Pandemie“ ist unverzüglich zu beenden. Die Grundrechte müssen umgehend wieder hergestellt werden. […..]

(Phimose Paranoia-Blog, 24.03.2021)

In einem Superwahljahr die Hetzer und Antidemokraten so kräftig zu unterstützen, deprimiert mich derartig, daß ich noch nicht mal Lust habe Angela Merkel zu kritisieren.

Die Ideenlosigkeit ist schon gewaltig in der Runde der Entscheider. Dabei haben die doch alle Mitarbeiter, die Zeitungen lesen und Virologen zuhören.

Während einer Feiertagsballung, wenn durch den Ausfall der Einkaufstage am Freitag und Montag ohnehin schon großes Gedrängel in den Supermärkten herrscht – nämlich am Donnerstag und insbesondere Karsamstag – kann man aus Epidemiologischer Sicht zwei Dinge tun:

1.) Supermärkte für ein oder zwei Wochen ganz schließen, so daß es nicht zu Drängeleien kommt.

2.) Statt der eingeschränkten Einkaufszeiten, die zwangsläufig zu einer superspreaderigen Ballung führen, sollten die Öffnungszeiten auf 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche ausgedehnt werden, so daß die Kunden sich viel mehr verteilen können.

Die MPK tat stattdessen das einzige, das die Situation noch verschlimmert – sie wollte ein kleines Supermarkteinkaufsfenster am Samstagvormittag für alle schaffen.

Menschen sind nun einmal etwas blöd und ballen sich gern.*

Dem muss man entgegenwirken und politische Regelungen finden, die das verhindern.

Aber das erfordert kreatives Denken im Bundeskanzleramt.

Ist also ausgeschlossen.

Ich sehe schwarz, und zwar dunkelschwarz.

* Aus einem Brief vom November 2020:

Dieses Hamburg-Niendorf ist echt ein Spießerklischee!

Wenn man da spät abends längs fährt, also sagen wir mal nach 19.00 Uhr, ist es KOMPLETT ausgestorben. Da sieht man keinen einzigen Menschen auf der Straße. Noch nicht mal Autos fahren.

Aber eine halbe Stunde vor Eröffnung des Tibargcenters um 9.00 Uhr kommen ganze Kohorten von Frauen mit ihren Hackenporsches aus den Hauseingängen gequollen und rennen im Gänsemarsch zum Einkaufen.

Heute war ich, glaube ich, das erste mal an einem Samstag da. Da lassen sie die Omen und Open raus. Alle fünf Meter taperte auch in den ganz kleinen Straßen ein Weißkopp an seinem Rollator umher.

Um kurz vor 14.00 Uhr war ich fertig mit meinem Termin und wollte noch eben zu diesem großen EDEKA am Krähenweg, weil da ein gut sortierter Bäcker im Vorraum ist. Aber schon auf der Straße begann eine 100m-Gerontenschlange von akkurat maskierten +80-Niendorfern, die im 2m-Abstand mit ihren Einkaufswagen diszipliniert darauf warteten, den EDEKA zu entern.

Da habe ich natürlich gar nicht erst angehalten und bin auf dem Rückweg in Winterhude noch schnell zum Bäcker gegangen. Da war alles normal. Keine Schlangen vor den Geschäften.

Dort verteilt sich alles am Wochenende.

Aber die Niendorfer haben alle den gleichen Lerchen-Rhythmus und koordinieren offenbar ihren Tagesablauf, so daß sie alle immer in dichten Pulks unterwegs sind. WENN sie unterwegs sind. Normalerweise kommen sie nicht aus ihren Butzen raus. Ich mutmaße auch, daß die gar nichts machen. Sobald die nach dem Tibarg-Einkauf wieder zu Hause sind, verfallen die wie ein Android, dem man den Stecker zieht, in Starre. Dann harren sie 23 h aus und sobald der Morgen graut, macht sich der tausendfüßige graugesichtige Lindwurm wieder auf.

Ich weiß nicht, wie ich das mit einer möglichen Zukunft als Rentner in Niendorf vereinbaren soll. Mit 0,1 km/h geriatrisch am Rollator umhertappsend sehe ich mich durchaus auch bald. Aber dieses freiwillige Frühaufstehen?

Wieso sollte ich um 9.00 Uhr einkaufen gehen, wenn ich den ganzen Tag Zeit habe und die Läden um 20.00 Uhr schließen?
Normalerweise fläzt man sich dann doch bis 19.00 Uhr im Bett umher und denkt dann SCHEISSE SCHEISSE, jetzt muss ich mich beeilen, bevor der Laden zumacht.

Ich kann mir nicht vorstellen schon um 8.00 Uhr das Gebiss aus dem Kukident-Bad zu fischen und dann wie ein Hund mit gewaltigem Druck auf der Blase von innen an der Wohnungstür zu kratzen.

Unter „in Ruhe abrentnern“ stelle ich mir etwas ganz anderes vor. Aber ich bin eben auch kein Niendorfer.

Dienstag, 23. März 2021

Oh Deutschland, die Dummheit groß in Dir ist.

Als ich gestern über die Ursachen der steigenden Infektionszahlen bloggte, tagte die Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin noch.

Eine irgendwie geartete Fortführung des Lockdowns war zwar schon durchgesickert, aber angesichts der >100-Inzidenzen ohnehin allgemein erwartet worden.

Den um 2.30 Uhr nachts verkündeten Osterlockdown, nahm ich zunächst positiv überrascht zur Kenntnis. Kein Kirchengedöns, keine Osterausflüge und keine Supermärkte.

Eine Woche mit drei Feiertagen auszuwählen, erschien mit ebenfalls geschickt, weil das die wenigstens Arbeitstage trifft.

Schließlich sind es Kirchen, Konservative und Mr. Homophobia (Thierse), die seit Jahrzehnten mit haarsträubend-hanebüchenen Argumenten den Karfreitags-Lockdown beschwören.

Mit Schaum vorm Mund und blinden Eifer verlangen sie ganz ohne Infektionsgeschehen von jedem Atheisten, Konfessionslosen, Buddhisten, Hindu, Moslem und Agnostiker, sich 24 Stunden vollkommen still zu verhalten und auf gar keinen Fall einen Kinofilm wie „das Leben des Brian“ oder „Mary Poppins“ oder „Die Feuerzangenbowle“ anzugucken. Das Karfreitagstanzverbot wird auch in völlig atheistischen Städten wie Hamburg oder Berlin gnadenlos durchgezogen.

Im Jahr 2021 geht es aber nicht um Wolfgang Thierses und Margot Käßmanns private Missgunst, sondern um eine Millionenfach tödlich Epidemie, die in Deutschland schon 76.000 Tote forderte. Deutlich über 3.000 Covid19-Patienten liegen genau jetzt auf den Intensivstationen und kämpfen um ihr Leben.

Wenn das kein Grund ist, Rücksicht zu nehmen…

 Gestern Nacht hatte ich aber noch nicht das Kleingedruckte gelesen.

Urlaub im eigenen Wohnmobil im MeckPomm ohne Kontakt zu anderen Touristen verboten, Flieger nach Mallorca erlaubt. Zwar sollten die Airlines dann für Corona-Schnelltests sorgen, aber Andi Scheuer konnte dort leider noch niemanden erreichen, um artig anzufragen, ob es den Bossen genehm ist.

Supermärkte geschlossen am 01.04. (Gründonnerstag), 02.04. (Karfreitag), sowie am 04.04. (Ostersonntag) und 05.04. (Ostermontag). Aber damit es bloß nicht konsequent wird und die Viren eine Chance bekommen, dürfen sich am 03.04. (Karsamstag) alle zum Einkaufen bei REWE, EDEKA und Co zusammenballen.

In meiner ersten „Naja, wenigstens etwas“-Reaktion hatte ich außerdem den allgemeinen Frust nicht nur im immer größeren Covidiotenlager (Nena gesellte sich heute zu Michael Wendler, Xavier Naidoo und „Jana aus Kassel“) unterschätzt.

Auch bei der seriösen Presse sind alle Dämme gebrochen; offenbar verbrauchten die Raffke-Methoden der CDU/CSU-Parlamentarier den letzten Rest Beißhemmung. Heute hagelt es vernichtende Kritik an den MPK-Beschlüssen.

Der enorme Vertrauensvorschuss der Kanzlerin scheint genau jetzt verbraucht zu sein.

Mir erschließ sich dieses Phänomen nicht vollständig, da sie sich bei mir nie einen solchen Vorschuss erarbeitet hatte.

Da die Ministerpräsidenten und ihre Berater eitel und schwatzhaft sind, konnte man heute in SPIEGEL und SZ sehr detailliert nachlesen, wie die Verhandlungen gelaufen waren: Als undisziplinierte Lockerungs-Fürsprecher traten die CDU-MPs Haseloff, Günther und Laschet auf. Sie chaotisierten und verlangten nach Extrawürsten.

Die drei Vernünftigen waren wie so oft Scholz, Merkel und Tschentscher, die in diesem Fall aber von Braun und Söder unterstützt wurden.

Aber die Zeit für differenzierte Betrachtungen scheint vorbei zu sein. Nun watschen auch die guten Journalisten „die Politiker“ in Bausch und Bogen ab, stechen durch, wie sich in Hintergrundgesprächen auch CDUCSU-Parlamentarier mit Grausen abwenden. Virologen sind frustriert über den untauglichen Versuch der MPK es allen irgendwie recht machen zu wollen, statt sich nur darauf zu konzentrieren, das Virus erst mal einzudämmen.

Wir sind jetzt alle BILD und folgen dem ehemaligen stellvertretenden Chefredakteurs des Schundblattes, der für SPON die Kanzlerin zerlegt.

[…..] Die Kanzlerin kann weg  […..] Stellen wir uns also vor, Angela Merkel wäre heute in der Runde mit den Ministerpräsidenten nicht dabei. Frage: Welchen Beschluss könnte man dann nicht fassen? Welchen der Beschlüsse müsste man ihr hinterher mitteilen, weil sie, die Kanzlerin, ihn mit der Bundesregierung umsetzen muss? Antwort zweimal: arg wenig. […..] Im ersten Dreivierteljahr der Pandemie war das anders, weil sich die Länder Richtung und Tempo vom Bund und von Merkel einheitlich vorgeben ließen. Die Runde war nie mehr als ein verfassungsrechtliches Novum (oder Nullum), aber lange Zeit eben auch die beste, pragmatische Antwort auf die Notlage. Das ist nun vorbei, zermürbt wie das Land selbst hält die Runde nicht mehr, was sie in ihrer gemeinsamen Beschlussfassung verspricht. […..] Das nimmt inzwischen tragikomische Züge an, wenn sich etwa in Nordrhein-Westfalen, Sachsen oder Brandenburg einzelne Städte ihren Landesregierungen widersetzen und Schulen öffnen, wo sie schließen sollten, oder schließen, wo sie öffnen sollten. Das haben die Ministerpräsidenten nun davon: Vor etlichen Wochen entzogen sie ihrer Runde mit Merkel das Kommando in puncto Schulen, die das zähneknirschend gewähren musste. […..]

(Nikolas Blome, 22.03.2021)

Ja, in vielen Dingen sind die Länder zuständig – diese katastrophale Lage haben wir übrigens dem damaligen CSU-Chef und Ministerpräsidenten Stoiber zu verdanken, der 2004/2005 all die Sonderrechte der Länder zementieren ließ.

Es ist immer übel, wenn die CSU Bundespolitik betreibt. Herdprämie, Hotelsteuersenkung, Anti-Ausländermaut und eben auch Föderalismusreform; die Partei ist das eiternde Furunkel Deutschlands.

In der vernichtenden ausführlichen aktuellen SPIEGEL-Titelgeschichte „Was zu vergeigen war“ wird ausführlich das Corona-Versagen in der Schulpolitik analysiert. Interessanterweise fällt der Name Anja Karliczek, immerhin deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung kein einziges Mal.

Sie ist ähnlich wie Horst Seehofer seit 13 Monaten vollständig abgetaucht und läßt ihr Amt in der zweitschlimmsten Krise der Nachkriegszeit (nach 1977) einfach ruhen.

Formal nicht zuständig.   Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Der Hamburger Innensenator Helmut Schmidt hatte während der ersten Sturmflutnacht 1962 auch nicht die Kompetenz und Zuständigkeit, um Bundeswehrkräfte zu dirigieren und deren Hubschrauber zur Menschenrettung einzusetzen.

Man kann aber mit Autorität und überzeugenden Argumenten jenseits der formalen Zuständigkeit sehr erfolgreich durchgreifen.

Ein fähiger Bundesinnenminister hätte, wie Otto Schily im Jahr 2001 das Heft des Handelns in die Hand genommen, Allianzen gebildet, Pläne vorgelegt.

So verfuhr auch Bundeskanzler Helmut Schmidt im „deutschen Herbst“, als er Helmut Kohl, Friedrich Zimmermann und Franz Josef Strauß ins Kanzleramt holte und sie allesamt mit seinen strategischen und taktischen Fähigkeiten so beeindruckte, daß sie sich allesamt fügten.

Sozi-Hasser Zimmermann verlor bis an sein Lebensende nie mehr ein schlechtes Wort über Schmidt.

Natürlich hätte eine fähige Bundesbildungsministerin schon im März 2020 erkannt, daß es ausgefeilte Pläne und Vorbereitungen bedarf, um die Schulen wieder zu öffnen. Sie hätte vorangehen müssen, die Kultusminister der Länder einbestellen und mitnehmen sollen.

Das Gleiche gilt für den Innen- und Heimatminister, der seit 13 Monaten das Lockerungs- und Urlaubs-Chaos von Landkreis zu Landkreis geordnet haben könnte.

Und das gilt natürlich auch für Merkel, die nicht immer schlaff feststellen sollte, wofür es in der MPK Mehrheiten gibt und jede andere Initiative vermissen lässt.

Wer hindert sie denn daran vorzupreschen, sich direkt ans Volk zu wenden, Maßnahmen gegen die Länder zu ergreifen?

Ich halte die föderalen Strukturen Deutschlands für etwas hinderlich in einer Pandemie. Aber das bedeutet nicht, daß automatisch dieses müde Chaos des März 2021 entstehen muss. Wir leisten uns aber einige kapitale Fehlbesetzungen in den Kernämtern. Neben den Genannten sind es auch noch Spahn und Scheuer. Katastrophale Totalausfälle, die Angela Merkel mit ihrer Richtlinienkompetenz längst rausgeschmissen haben könnte.

Kommen wir noch einmal zurück auf die eingangs erwähnten Kirchen, die seit 1949 intensiv ohne Not den Karfreitags-Lockdown für alle Ungläubigen durchsetzen.

Wer so viel Osterlockdown forderte, wird doch wohl einmal, wenn es um unmittelbare Lebensgefahr von Myriaden Menschen geht, den Lockdown nicht nur am Freitag, sondern auch dann, wenn es sie betrifft akzeptieren: Ostersonntag und Ostermontag.

Oder nicht?  Nein, natürlich nicht.

[….] Katholische Kirche erteilt der Politik eine Absage

Die katholische Kirche will der Bitte von Bund und Ländern zum Verzicht auf Präsenz-Gottesdienste an Ostern nicht nachkommen. Sie verweist vor dem wichtigsten christlichen Fest auf Erfahrungen an Weihnachten. […..]

(Spon, 23.03.2021)

Unverschämt, dreist, unsolidarisch, gefährlich und borniert! 76.000 Tote? 3.000 Intensivpatienten? Egal!

[…..] Die beiden großen Kirchen reagieren zurückhaltend auf die Bitte von Bund und Ländern, in diesem Jahr auf Ostergottesdienste in Präsenz zu verzichten. "Wir sind überrascht worden. Ostern ist das wichtigste Fest für uns, Gottesdienste sind kein Beiwerk", sagt der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, meldet Klärungsbedarf an. Die Politik müsse erklären, warum "warum die bewährten Hygieneschutz-Maßnahmen, die alle Landeskirchen für ihre Gottesdienste haben, nun nicht mehr ausreichen sollen". Bedford-Strohm ließ offen, wie die einzelnen Gemeinden mit der Bitte der Politik umgehen würden. […..]

(SZ, 23.03.2021)

Nun wissen wir ja schon lange, daß Bischof Heinrich Bedford-Strohm nicht die hellste Kerze auf der Torte ist und immer etwas länger braucht, um Zusammenhänge zu verstehen.

Deswegen erkläre ich es HBS noch einmal in einfacher Sprache, so daß auch er mit seinen eingeschränkten mentalen Fähigkeiten folgen kann.

Das böse böse kleine unsichtbare Krümelchen, das deine Gläubigen krank macht, bleibt nicht immer gleich! Früher reichte einen Stoffmaske, um sich vor den Krankmacherchen zu schützen, aber nun haben sich Verwandte aus Südafrika und England nach Deutschland begeben und die sind noch viel viel böser. Die springen deine Schäfchen bei der kleinsten Unachtsamkeit an.

Und deine Präsenzgottesdienste könnten womöglich mit viel Abstand einigermaßen sicher stattfinden, aber ihr seid ja leider ein bißchen doof und wollt immer noch singen. Das ist schlecht, weil dadurch die bösen, bösen Infektionskeime, die genau im Rachen wohnen, herausgeschleudert werden.

Drittens werden deine Gläubigen bedauerlicherweise nicht aus dem heimischen Schlafzimmer von Enterprise-Chefingenieur Scott direkt auf ihren Sitzplatz in der Kirche gebeamt, sondern sie müssen allein hinfahren, sich in Busse und Bahnen setzen, begegnen auf dem Weg anderen Leuten, drängeln sich in den Eingangstüren, müssen gefahren werden.

Verstehst du das jetzt, HBS?

Als Ami wundere ich mich über gar nichts mehr. Nach VIER Jahren Trump mit über 30.000 Lügen, denken sich 74 Millionen Menschen 'toller Mann! Den wählen wir wieder!'

Die Dummheit und die Schlechtigkeit sind tief in den Menschen verankert.

Es gibt nur einen ganz dünnen zivilisatorischen Firnis, der die Massen dazu bringt, ihre innere Abscheulichkeit nicht aus zu kübeln.

Aber wenn man mal daran kratzt, kommt all das zum Vorscheinen, das man lieber nicht sehen will.

Deswegen bin ich schon lange nicht nur Atheist und Misanthrop, sondern auch Antinatalist!

Montag, 22. März 2021

Selbst Schuld

Als ich vor ein paar Tagen Blumen kaufte, war die Inhaberin halb verzweifelt. ‚Komm rein, komm rein, wir dürfen noch‘.

Sie befürchtete natürlich, ihren Laden erneut ganz schließen zu müssen, nachdem Hamburg mehr als drei Tage eine 100+Inzidenz aufwies.

‚Wir sind alle so vorsichtig, woher kommen denn bloß immer noch die Ansteckungen? Wer treibt die Inzidenz denn jetzt noch hoch?‘

In ihrem Blumenladen, in dem alle Kunden FFP2-Masken tragen und die Behörden genau Auflagen machen, fällt es wirklich schwer das zu verstehen.

Im Gegensatz zu ihr, war ich hingegen ziemlich viel im Auto unterwegs und konnte sowohl im Stadtpark, als auch an der Außenalster und in Eppendorf beobachten, wie überall diese eindrücklichen dunkelblau-weißen Aufsteller angebracht sind, die seit dem 24.02.2021 auf erweiterte Maskenpflicht hinweisen

Klar, die …

„Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) (gültig vom 20. bis 28. März 2021)“

…drückt es maximal kompliziert aus. Aber dafür gibt es schließlich an den betroffenen Arealen unübersehbare Hinweisschilder.

Nach meiner subjektiven Beobachtung halten sich bei dem gegenwärtigen sonnigem Wetter, etwa 20% der Eppendorfer Passanten an die Maskenpflicht, 5% der Spaziergänge an Alster und im gerammelt vollem Stadtpark, sowie 0% der Jogger und Fahrradfahrer, die keuchend ihre Sars-CoV2-Wolken hinter sich herziehen.

Am heutigen Montag lag die Inzidenz in Hamburg bei 114, morgen wird sie bei 115,2 liegen.

Wieso die Zahlen so stark steigen ist wenig rätselhaft. Ja, die über 80-Jährigen sind geimpft oder bleiben zu Hause. Die meisten Pflegeheimbewohner sind geimpft. Insgesamt wurden in Hamburg 173.735 Erstimpfungen und 79.430 Zweitimpfungen durchgeführt.

Aber die haben sich auch vorher nicht im Stadtpark gedrängelt.

Es sind die „ist-mir-doch-alles-egal“-Hedonisten der Teen- und Twen-Generation, die das Pandemiegeschehen befeuern.

In Hamburg gehen inzwischen über 80% der Neuinfektionen auf die hochinfektiöse britische B.1.1.7-Variante zurück.

Von allen Hamburger Corona-Infizierten, gehören mit 10.500 Fällen die meisten zu den 20-29-Jährigen.   Es folgen die 30-39-Jährigen mit 9.800 Fällen.

Meine Gruppe der geburtenstarken Jahrgänge, die 50-59-Jährigen verhält sich deutlich disziplinierter, kommt auf 7.600 Fälle.

Das RKI schlüsselt die Corona-Infektionen in Deutschland nach Altersgruppen auf. Für die Kalenderwoche 10 (2021) sieht man klar, daß es die Jüngeren sind, die uns die hohen Inzidenzen bescheren.

Der für mich unangenehmste Aspekt des Corona-Themas ist, daß alles so erwartet kommt. Alles geschieht genau wie prognostiziert für den Fall, daß man nicht die entsprechenden Maßnahmen ergreift.

Sehenden Auges schlittern wir eine fiese dritte Welle, in der die Intensivbetten knapp werden und Triage droht.

Schuld sind neben der Disziplinlosigkeit der Jungen, die mutwillige Verbreitung des Virus durch die Covidioten-Fraktion und die zauderig-zögerlichen Ministerpräsidenten, für die exemplarisch Laschet und Günther stehen. In Norddeutschland steuern wir auf einen Belegungsrekord zu.

In den meisten westdeutschen Bundesländern sind nur noch 13-15% der Intensivbetten frei.

Mitte März 2021 werden schon wieder rund 3.500 Covid-Patienten auf Intensivstationen künstlich beatmet. Das sind mehr als im ersten Lockdown April/Mai 2020, als die Leute noch diszipliniert waren.

Es sind nicht mehr die Hochbetagten, die die meisten Kapazitäten beanspruchen; sie sind geimpft oder sterben schnell, so grausam das klingt.

Die meisten Covind19-Patienten in den Krankenhäusern sind inzwischen unter 50 Jahre alt.

Tumb setzten Armin Laschet und Co weiter darauf die Schulen und Kitas zu öffnen, obwohl sie seit einem Jahr verschlampten, Belüftungsmaschinen und Schnelltests zu besorgen.

[….] Der Blick in Nachbarländer indes zeigt: Das Öffnen der Schulen ist ganz offenbar mit erheblichen Risiken verbunden. Der belgische Premierminister Alexander De Croo zog die geplanten Öffnungsschritte vergangenen Freitag in einer denkwürdigen Pressekonferenz zurück. Der Grund: Fast die Hälfte der Covid-Kranken in den Kliniken sei mittlerweile unter 48 Jahre alt. Und hätte sich hauptsächlich bei den eigenen Kindern angesteckt. Ähnlich sieht es in Österreich aus: Die Inzidenz bei den Fünf- bis 14-Jährigen liegt in Wien und dem Burgenland etwa bei 500. Seit den Schulöffnungen Anfang Februar stieg auch die Landes-Inzidenz dramatisch. [….]

(Mopo, 22.03.2021)

Das derzeitige Corona-Chaos der debakulierenden C-Ministerpräsidenten ist gefährlicher denn je.

Die Beispiele Südafrika und die apokalyptische Lage in Brasilien zeigen, daß die Hoffnung auf die warmen Sommertemperaturen blanker Unsinn ist, wenn die Mutanten übernehmen. Wieso glauben die Laschets nun, Inzidenzen und R-Werte wären zu vernachlässigende Kriterien, über die man sich auch nach Belieben hinwegsetzen könne?

[….] Inzidenz 100, 200, wer bietet mehr? Was soll schon noch Schlimmes passieren, so das Kalkül, wenn demnächst alle Alten geimpft sind?

Folgendes wird passieren: Mit voller Wucht wird die dritte Welle die Mitte der Gesellschaft treffen – die 50- bis 80-Jährigen, die zu jung sind für die Impfung und zu alt für leichtere Krankheitsverläufe. Allein von den 50- bis 60-Jährigen gehört jeder Zweite zur Risikogruppe, hat Bluthochdruck, starkes Übergewicht oder Diabetes. Mediziner warnen davor, dass im Mai zwischen 12.000 und 25.000 Coronapatienten auf den Intensivstationen um ihr Leben kämpfen müssten, im Januar waren es maximal 6000. Jeder zweite Beatmungspatient wird sterben. Von den Überlebenden wird fast jeder Dritte unter den Langzeitfolgen (»Long Covid«) zu leiden haben. Die britische Variante breitet sich besonders in Kitas und Schulen aus und führt selbst bei Kindern häufiger zu schweren Verläufen. Und schließlich: Je mehr Menschen sich anstecken, desto wahrscheinlicher entstehen weitere gefährliche Mutationen. [….] Viele Menschen sind müde vom nicht enden wollenden Shutdown – das Virus ist es nicht. Mit einem Virus kann man keine Waffenruhe schließen. Niemand käme im Krieg auf die Idee, auf die Flucht in den Bunker zu verzichten, weil er müde ist von den fallenden Bomben. Die bittere Wahrheit lautet: Wir müssen nicht lernen, mit dem Virus zu leben, sondern uns weiter vor ihm schützen – auch wenn das bedeutet, notfalls noch ein paar Wochen oder Monate im Bunker auszuharren, weil die Abwehrmittel auf sich warten lassen. […..]

(Olaf Stampf, SPIEGEL-Leitartikel, 20.03.2021)

Ich sehe schwarz, und zwar dunkelschwarz!