Dienstag, 8. August 2017

Wissenslücken und Interessenlücken.

Deutsche Christen wissen wenig über ihre Privilegien; die weitgehend staatliche Finanzierung ihrer Ideologie interessiert sie nicht.
Der Staat bezahlt sie dennoch üppig, weil auch Konfessionslose und Atheisten in der Mehrzahl desinteressiert sind.

Auf meine Anti-Kirchen-Buttons am Revers angesprochen höre ich oft:
„Also ich bin ja auch ungläubig, aber was haben sie denn gegen die Kirchen; die tun doch so viel Gutes!“

(….) Es entwickelte sich der Standard-Dialog, den ich so ähnlich schon oft führte.

„Du kannst gern weiter Christin bleiben, ich würde mich sogar dafür stark machen, daß Du Dein Christentum frei ausleben kannst, weil ich für Religionsfreiheit bin!“
-      Und wieso interessiert dich das denn so?
-      „weil ich von euch Christen in Ruhe gelassen werden möchte, ich will euch nicht finanzieren und außerdem gehören die staatlichen Privilegien abgeschafft. Das verlangt schon die Weimarer Reichsverfassung seit 100 Jahren!“
-      So ein Unsinn; ich bin bald neun Jahrzehnte Christin in Deutschland. Wir haben doch keine Privilegien!
-      „Na klar habt ihr die! Ich bezahle eure Bischofsgehälter mit und darf zB am Karfreitag nicht tanzen, obwohl ich ungläubig bin!“
-      Hm, also das habe ich ja noch nie gehört, aber sonst treffe ich ja auch keine Ungläubigen.

Darum kreißt es halt immer wieder. Da lebt man Tür an Tür und spricht nicht über diese Dinge. Politiker und Kirchenvertreter sprechen natürlich von sich aus nie über Kirchenprivilegien und so glauben selbst viele Atheisten, daß alles ganz OK ist, weil die Kirche ihre vielen sozialen Wohltaten mit der Kirchensteuer bezahle.

Die Ansicht, Kirche wäre gut und „gottlos“ sei schlecht ist so tief im kollektiven Konnotationsbewußtsein verankert, daß man ohnehin nur mäßig interessiert an nackten Zahlen ist.

Pro Tag werden werden in Deutschland 25 Millionen Euro in „Kirchensteuer“ bezahlt. In Wahrheit ist das natürlich keine Steuer, sondern Mitgliedsbeiträge, die der  Staat als Inkassounternehmen für Katholen und Evangelen eintreibt.
Eine feine Sache. 
Die christlichen Kirchen kassieren also allein in Deutschland über eine MILLION EURO PRO STUNDE!
Damit werden aber nicht etwa die „sozialen Leistungen“ finanziert. [….] Von den allein in Deutschland über eine MILLION EURO PRO STUNDE an die Kirchen gezahlten Mittel werden aber auch nicht Bischofsgehälter oder Theologenausbildung bezahlt.
Auch das stopft der Steuerzahler – von denen eine relative Mehrheit nicht Mitglied einer Kirche ist – RKK und EKD noch zusätzlich in den Allerwertesten. 
[….] Offensichtlich werden wir aber von Volksvertretern bestimmt, die in ihrer überwältigenden Mehrheit die Mehrheit der Konfessionslosen ignorieren und die darüber hinaus auch noch die Verfassung ignorieren.

Gerade 40 Sekunden benötigte der Bundestag, um den lästigen Tagesordnungspunkt abzuhandeln. Im Schnellverfahren votierten am frühen Freitagmorgen die wenigen noch im Plenum anwesenden Abgeordneten um 0.26 Uhr ohne Aussprache, aber mit großer Mehrheit dafür, weiterhin das Grundgesetz zu ignorieren. Wenn es um das gute Verhältnis zu den beiden Großkirchen geht, kommt es für die Fraktionen von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen nicht so drauf an. Gemeinsam stimmte die ganz große Koalition gegen einen Gesetzentwurf der Linkspartei, der den Einstieg in den Ausstieg aus den historisch begründeten Staatsleistungen an die Kirchen bedeutet hätte.
Unglaublich, aber wahr: Damit bleibt ein seit 94 Jahren bestehender Verfassungsauftrag nach wie vor unerfüllt. Dabei ist der Auftrag eindeutig: "Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst“. […]

Man stelle sich vor irgendeine andere Organisation, die seit Jahrzehnten systematisch Kinderficker in ihren Reihen vor der Staatsanwaltschaft schützt, würde in ähnlich unverfrorener Weise die Hand beim Steuerzahler aufhalten! (…)

In Amerika ist das Vorurteil gegen Atheisten so weit ausgeprägt, daß laut der allerdings stramm religiösen Tempelton-Stiftung sogar Atheisten Gläubige für bessere Menschen halten – so verbreitet es die konservative WELT:

Selbst Atheisten halten Gläubige für bessere Menschen
Eine Umfrage (John Templeton Foundation)  unter Gläubigen und Ungläubigen bringt Erstaunliches zutage. Menschen trauen einem Atheisten eher einen Mord und andere Straftaten zu als einem Gläubigen – wegen der Strafe Gottes. [….]

Verrückt, Gläubige sind demnach so schlechte Menschen, daß sie nur durch Androhung der Höllenstrafe von ihren Missetaten absehen.

Der Unsinn, daß Gläubige bessere Menschen wären, ist wissenschaftlich nicht zu verifizieren; im Gegenteil.
Eine internationale Studie von Prof. Dr. Tatjana Schnell liefert Hinweise.

[…] Wenn Sie so etwas wie Wertorientierung meinen, dann gibt es keinen Grund zur Sorge. Sie ist bei den Konfessionsfreien in unserer Studie überdurchschnittlich hoch ausgeprägt. Dabei geht es um Toleranz, um eine gütige und freundliche Haltung anderen gegenüber, um die Bereitschaft, Einschränkungen des Lebensstandards in Kauf zu nehmen, wenn dadurch das Leid anderer gemildert wird, sowie um die Bereitschaft, Hilfsbedürftige zu unterstützen.
[…] Humanistinnen bzw. Humanisten berichteten die höchsten Werte in Bezug auf Toleranz, soziale Gerechtigkeit und achtsamen Umgang mit anderen Menschen. Sie litten am seltensten unter Sinnkrisen und erlebten etwas häufiger als andere Konfessionsfreie angenehme, positive Gefühle. Insgesamt wiesen alle Gruppen jedoch mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede auf; die Unterschiede waren gering. [….]

Die in 2000 Jahren tradierten positiven Vorurteile gegenüber der Kirche sind so stark, daß auch die widerlichsten und offensichtlichen Missetaten kaum etwas ausrichten.
Auch tausende gequälte und misshandelte, vergewaltigte und gefolterte Kinder bringen 1,3 Milliarden Menschen nicht dazu aus der Kirche auszutreten.
Dabei beharrt die RKK bis zum heutigen Tag auf den Strukturen, die den myriadenfachen Kindesmissbrauch begünstigen.

Der extrem fakenphobische Weihbischof Laun entblödete sich nicht 2010 in einer TV-Runde zu erklären, die RKK habe vorher gar nichts gegen sexuellen Missbrauch unternehmen KÖNNEN, weil sie davon ja gar nichts geahnt hätte.
Daß ganz normale kleine Blogger und ganz normale Mainstreammedien schon seit vielen Jahren über übergriffige Priester berichteten, die anschließend einfach vom Bischof zu den nächsten Opfern versetzt wurden, sollen also die katholischen Bischöfe selbst gar nicht gewußt haben können?
Bischof Müllers persönlicher Pädosexskandal datiert im Jahr 3 v. C. (2007, drei Jahre „vor Canisius“). Er vertuschte Kindersex, zwang die Opfer mit einem Anwalt zum Schweigen, den er später als „Aufklärer“ einsetzte und führte dem „stark auf Buben fixierten“ Päderasten Kaplan K. neue Jungs zu, die dieser auch gleich wieder vergewaltigte. Entschuldigen wollte sich Abschaumbischof Müller nicht und wurde zur Belohnung zum drittmächtigsten Mann des Vatikans befördert. Unfassbare Zustände, die es aber Jahrelang nicht zu einer Welle der Empörung und Kirchenaustritte schafften.

Es geht nicht amoralischer als kirchlich.
Nahezu sämtliche moralischen und gesellschaftlichen Fortschritte des Humanismus mußten gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden. Kirchen, die mit weltlicher Macht ausgestattet, Genozide, Massenmorde, Auto-Dafés, Missionierung, Hexenverbrennung, Kreuzzüge, Sklaverei, Inquisition und Pogrome veranstalteten.

Gestern mußte ich mal wieder an den stets gut gelaunten Seth McFarlane denken, der immer mal wieder bei Bill Maher zu Gast ist und dort einst einen schlauen Satz über den kirchlichen Widerstand gegen die Homoehe tat.

Seine These lautete, daß die Kirchen mit ihrem Widerstand gegen Aufklärung ihre Zeit verschwenden.
Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Rechtsstaat, Frauenemanzipation, Folterverbot, Abschaffung der Sklaverei, Abschaffung der Todesstrafe, Freiheit der Kunst, Abschaffung der Prügelstrafe, Tierrechte, Ächtung von Antisemitismus, Schwulenrechte, Abschaffung des Verbots gemischtrassiger Ehen, Abschaffung des Verbots gemischtkonfessioneller Ehen, Verbot von Vergewaltigungen in der Ehe, etc pp - all das mußte gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden.

Die Kirchen waren dagegen und verschwendeten damit sinnlos über Dekaden ihre Kraft.
Glücklicherweise hat sich der kirchliche Widerstand üblicherweise als Mißerfolg erwiesen, weswegen Seth Macfarlane es als Zeitverschwendung betrachtet auf Seiten der Kirche zu stehen:

It is a huge waste of time; if you look back in history every civil rights-movement; the blacks or woman, they always lose. Anyone who tries to fight the advance on any particular minority-group is going to lose - whether it is now, whether it is 20 years from now.
They are wasting their time.

Kirche ist ekelhaft. Wieso wird das nicht erkannt?

Ist es nicht offensichtlich, daß 99% der Nazis Christen waren? Daß in den Kirchen für Hitler gebetet wurde, daß Kirchen Waffen segnen, daß Militärbischöfe noch heute Soldaten auf den Krieg einstimmen, daß Luther der Stammvater aller protestantischen Antisemiten ist, daß sich gerade die "C"-Parteien immer mit ausländerfeindlichen Parolen ins Gespräch bringen, daß christlich erzogene Jugendliche mehr Vorurteile haben und weniger teilen, daß Christen weit überdurchschnittlich Prügelstrafe, Folter und Militäreinsätze befürworten, daß alle gesellschaftlichen Liberalisierungen wie Frauenwahlrecht oder das Verbot von Vergewaltigung in der Ehe gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden mußten, daß Kirchen die eifrigsten Unterstützer von faschistischen Mörderregimen in Südamerika waren, daß die katholische Kirche bis 1975 fest an der Seite der Franco-Diktatur stand, daß es die Kirchen sind, die massiv in Osteuropa und Russland gegen Schwule und Lesben hetzen, daß in christlichen Kinderheimen Hundertausende Kinder verprügelt, ausgebeutet und missbraucht wurden, daß deutsche Bistümer noch heute an den Börsen Geld mit Waffenproduzenten verdienen, daß Kardinal Woelki und Bischof Bohl als erstes von Ausweisungen sprachen, daß die evangelische Kirche in Sachsen Pegida in Schutz nimmt, daß Petrys Ex-Ehemann Pfarrer ist. Daß Beatrix von Storch bibeltreue Christin ist. Daß Christen vier Kontinente kolonialisiert und ausgebeutet haben, daß Christen den Tod von 100 Millionen indigenen Menschen in Nord- und Südamerika anzettelten, daß die Päpste das bis heute als „glückliche Schuld“ schönreden, daß Kirchen die Welt mit Konfessionskriegen, Inquisition und Kreuzzügen überzogen haben, daß Religionen die Hautursache für Gewalt in der Geschichte der Menschheit sind.
Daß die katholische Kirche nach 1945 die KZ-Schlächter vor der alliierten Justiz in Sicherheit brachte, daß sich die Kirchen in Argentinien bemüßigt fühlte Adolf Eichmann zu beschützen, daß Papst Pius XII pauschal alle Angehörigen der Armee, die Auschwitz BEFREITE exkommunizierte, aber hingegen für Hitler nach seinem Tod noch ein Requiem veranstaltete, ihn bis heute nicht exkommunizierte.
Daß der Vatikan bis heute die UN-Menschenrechtskonvention nicht akzeptiert, daß Kirchen in Afrika für die Todesstrafe auf Homosexualität kämpfen, daß Kirchen den sexuellen Missbrauch von Kindern in der ganzen Welt vertuschten.

Nein, auch im Jahr 2017 sind „die Kirchen“ gut und Atheisten werden laufend als moralisch zweifelhaft dargestellt.


Atheisten müssen auf dem Gebiet der PR noch sehr viel dazu lernen, viel besser werden.
Sie müssen nicht nur aufklären und informieren, sie müssen insbesondere auch das religiöse Phlegma der Gesellschaft überwinden, endlich mehr Interesse an ihren Themen wecken.

[….] Wer nicht religiös ist, wird häufiger eines grausigen Verbrechens verdächtigt als Gläubige. Das gilt selbst in säkular geprägten Ländern.
[….] Manche Ideen sind unsterblich. So zum Beispiel die populäre Vorstellung, wonach nur der Glaube an einen Gott den Menschen zu gutem Handeln befähige und Atheisten ohne Moral seien. Der chinesische Philosoph Mozi räsonierte schon vor etwa 2500 Jahren darüber, dass der Glaube an Geister nötig sei, um das Böse im Menschen im Zaum zu halten. Der Grieche Platon verwies auf göttliche Instanzen als Quelle der Moral, und auch der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski führte in seinen Texte ähnliche Gedanken aus. Die Vorstellung vom gewissenlosen Ungläubigen lebt bis heute, und offenbar neigen sogar Atheisten selbst der Meinung zu, dass fehlender Glaube die dunklen Seiten des Menschen an die Oberfläche locke. Das berichten Psychologen um Will Gervais von der University of Kentucky im Fachmagazin Nature Human Behaviour, die für ihre Studie fast 3500 Probanden aus 13 Ländern untersucht haben.
Sogar in säkularen Gesellschaften lebt das Vorurteil, dass der Glaube an Gott Ursprung von Moral sei.
[….] Sogar in säkular geprägten Ländern wie Australien, China, Tschechien, den Niederlanden oder Neuseeland trauten die Probaden Atheisten eher Untaten zu. Lediglich in Finnland stellten die Forscher kaum einen Unterschied fest. Um auszuschließen, dass das Stereotyp vom amoralischen Atheisten nur bei Kapitalverbrechen zutrifft, wiederholten die Forscher den Versuch mit Schilderungen geringerer Verfehlungen - zum Beispiel mit der Geschichte eines Zechprellers oder eines Priesters, der sich an Kindern vergeht. Auch in diesen Varianten offenbarten sich Vorurteile gegen Atheisten. Einen Priester, der des Missbrauchs schuldig ist, betrachteten die Probanden etwa als ungläubigen Geistlichen.[…..]

Montag, 7. August 2017

Trump und Kardinal Müller.



Es setzt sich selbst unter Republikaner offensichtlich die Erkenntnis durch, daß man mit purer Obstruktion zwar den Demokraten das Leben extrem schwer machen kann und sogar Wahlen gewinnt, daß man damit aber nicht regieren kann.

Viele Trump-Skeptiker unter den GOP-Parlamentariern haben lange geschwiegen, weil sie Angst vor Trumps fanatischer Wählerbasis hatten und außerdem anerkannten, daß der Mann ein Wahlsieger ist.
Aus ihrer Sicht hatte der erratische Ahnungslose im Oval Office auch einen Vorteil. Da ihn inhaltlich eigentlich nichts interessiert, seine Aufmerksamkeitsspanne viel zu kurz ist, um Gesetzestexte zu lesen, ja, er noch nicht mal zu briefen ist, weil er nicht zuhört, könnte man ihm doch die gesamte republikanische Agenda unterjubeln. Trump würde alles unterschreiben und als seinen Erfolg ausgeben.
Den rechten lawmakern würde damit zwar die Show gestohlen, aber wäre das nicht zweitrangig, wenn man dafür alle Lieblingsprojekte (Abschaffung von Umweltschutzregeln und Obamacare, radikale Taxcuts, generelles Abtreibungsverbot, generelle Waffenerlaubnis) in Gesetze gießt?

Blöderweise ging der Plan nicht auf, da Trump erstens so ein unfassbares Chaos verbreitet, daß normale Regierungsarbeit kaum möglich ist und zweitens stellte sich raus, daß die GOPer viel zu zerstritten sind, um sich auf gemeinsame Vorhaben zu einigen
Außerdem ahnte niemand wie bekloppt Trump tatsächlich ist.
Man erinnere sich nur an seinen Ausspruch „Nobody knew health care could be so complicated” und seine wirre Nonsens-Attacke auf die GOP-Senatoren, nachdem das Gesetzesvorhaben gescheitert war.

 [….] Trump reagierte darauf mit einer Serie von Twitter-Attacken gegen die eigene Partei, er nannte die Senatoren "Deppen" und forderte sie auf, sofort den Filibuster komplett abzuschaffen. Dieses Verfahrensinstrument erlaubt es den Demokraten, Gesetze zu blockieren, weil dann für die Verabschiedung 60 Stimmen nötig sind. Aber es spielte bei der Abstimmung über Obamacare überhaupt keine Rolle. Die Republikaner waren in diesem Fall schlicht unfähig, im 100-köpfigen Senat, in dem sie 52 Sitze halten, eine eigene Mehrheit zu erreichen, weil drei ihrer Leute absprangen. "Es scheint mir offensichtlich zu sein, dass nicht die Demokraten unser Problem waren", sagte der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell nach der Niederlage mit galligem Unterton.
Das hätte auch der Präsident wissen können. Doch Trump kümmerte sich nicht darum, sondern gab den Parteifreunden via Twitter absurde Ratschläge. Erstens: Filibuster abschaffen. Zweitens: Keine Abstimmungen mehr im Senat über andere Gesetze, bis Obamacare vernichtet ist. [….] Der republikanische Senator Orrin Hatch [….] warf Trump offen vor, die Abstimmungsregeln im Senat schlicht nicht zu verstehen. "Er kapiert es einfach nicht", ätzte Hatch. […..]

Willkommen in Schilda.
Die GOPer haben immerhin kapiert, daß sie ohne, möglicherweise sogar gegen das Weiße Haus arbeiten müssen.
Das ist teilweise möglich, insbesondere wenn der Amtsinhaber nicht so klug ist wie Barack Obama.

Aber was will man eigentlich gegen Trump durchsetzen?

Die Republikaner stecken in einer tiefen Krise, weil sie sich seit vielen Jahren von immer rechteren und radikaleren Hassmedien antreiben lassen, sich an der Demontage der Demokraten ergötzen, aber jeden konstruktiven Gedanken darüber vergaßen.

 [….] Das sieht auch Pe­ter Weh­ner so, der un­ter drei re­pu­bli­ka­ni­schen Prä­si­den­ten ge­ar­bei­tet hat, un­ter an­de­rem als Re­den­schrei­ber von Ge­or­ge W. Bush, und der 2012 den Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten Mitt Ro­m­ney be­ra­ten hat. Weh­ner hat Do­nald Trump ab­ge­lehnt und be­kämpft. Nun ist er ent­täuscht von sei­ner Par­tei. Er sagt, sie sei „zu­tiefst un­se­ri­ös“ ge­wor­den. „Po­li­ti­sche Ide­en ha­ben kei­nen Wert mehr für sie, das Re­gie­ren hat kei­nen Wert mehr für sie.“ Vie­le Re­pu­bli­ka­ner und ins­be­son­de­re die kon­ser­va­ti­ven Me­di­en sei­en vor al­lem an Ef­fek­ten in­ter­es­siert.

Spä­tes­tens seit Trump weiß kaum je­mand noch, was die Par­tei im In­ners­ten zu­sam­men­hält. Weh­ner fragt: „Ist sie eine Frei­han­dels-Par­tei oder eine Pro­tek­tio­nis­mus-Par­tei? Ist sie eine Par­tei, die für ei­nen schlan­ken oder für ei­nen um­fas­sen­den Staat steht? Glaubt sie an In­ter­na­tio­na­lis­mus oder an ,Ame­ri­ca firs­t'? Glaubt sie an die Be­deu­tung der Nato oder nicht? Hält sie Russ­land für ei­nen Geg­ner oder nicht?“
Eine ge­mein­sa­me Phi­lo­so­phie gebe es nicht mehr, die Par­tei be­fin­de sich in ei­nem Über­g­angs­sta­di­um. „Es kann ei­ni­ge Zeit dau­ern, bis sich et­was Neu­es her­aus­ge­bil­det hat.“ […..]
(DER SPIEGEL, 05.08.2017)

Es kommt in den USA so gut wie nie vor, daß eine regierende Partei den Präsidenten nach einer Amtsperiode nicht erneut nominiert.
Trump ist aber so unfassbar schlecht, daß sich jetzt schon mehrere Top-GOPer um die Kandidatur 2020 bemühen. An erster Stelle der ultrafundamentale Christ Pence, der in der Partei sehr beliebt ist, aber auch die runner-up von 2016, Cruz und Rubio wollen noch mal.
Sie träumen davon eine von Trump demoralisierte und verwirrte Partei zu übernehmen und sie nach Belieben formen zu können.

Abgesehen davon, daß ich es erschreckend finde eine radikalen Homohasser und Taxcutter und Waffennarren wie Marco Rubio inzwischen als „gemäßigt“ tituliert zu sehen, hoffe ich natürlich auf Trumps Durchsetzungsvermögen.

Das ist genau wie mit den Horrorklerikern TVE und Müller, die von ihrer eigenen Institution (vorerst) gestoppt wurden.
Als Atheist kann man sich solche Kirchenschrecks nur wünschen, weil sie ausgesprochen effektiv dabei helfen die Austrittszahlen in die Höhe zu treiben.

Ebenso ist es mit Trump und der Grand Old Party. Je schlimmer der Präsident, desto schlechter für die Partei – und umso besser für die Demokraten.

Ich wünsche mir eine sehr viel linkere und liberalere Regierung in den USA und da kann ein halbwegs vernünftiger GOP-Präsident, der womöglich auch noch versteht was er tut und sich durchsetzen kann, nur schaden.
Es lebe das Trump-Chaos.

Seine fanatische Basis muß erst auf die harte Tour lernen in welche ökonomischen und politischen Abgründe sie geführt werden. Je früher Trump durch eine etwas weniger geistesgestörten Republikaner ersetzt wird, desto größer die Chance, daß sich eine Dolchstoßlegende entwickelt und diese 30 bis 50 Millionen radikalen Morons weiter die Politik bestimmen.

Sonntag, 6. August 2017

Noch ein kräftiger Arschtritt für die SPD.



Der Wahlkampf ist im Gange.

Erstaunlich ungeniert, wie schwarzgelb mit schmuddeligen Tricks gegen die Sozis vorgeht.
Die BILD drischt mit Halbwahrheiten auf den Niedersächsischen Ministerpräsidenten ein und die CDU reitet einfach auf der Kampagne mit.
Ein sagenhaftes neues Allzeithoch der Heuchelei; ist es doch schließlich die CDU und nicht die SPD, die komplett von der Autoindustrie gekauft wurde.
Die CDU schreckt vor nichts mehr zurück.

[….. ] Elke Twesten bestreitet, dass sie mit Versprechen der CDU von den Grünen abgeworben wurde. Doch einem Bericht zufolge hat sie Kollegen etwas anderes erzählt.
[….. ] In der "Nordwest Zeitung" berichten [….. ] zwei Personen von Gesprächen, in denen Twesten wörtlich gesagt habe, ein "unmoralisches Angebot der CDU" erhalten zu haben. Sowohl der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag, Helge Limburg, als auch der frühere Landtagspräsident Rolf Wernstedt bestätigen den Wortlaut in der "NWZ". [….]

Merkels CDU, Lindners FDP und erst recht Seehofers CSU sind so indiskutabel amoralisch, käuflich, so Reichen-affin, so ungerecht, Rüstungs-hörig und zukunftsnegierend, daß jeder Mensch mit einem IQ über Zimmertemperatur nur rot, rot oder grün wählen kann.
Sie sollten das zumindest und daher werde ich in den nächsten Wochen auch bei jeder Gelegenheit dafür werben Merkel in die Wüste zu schicken.
Gegen Merkels lobbyhörige Nicht-Politik sollte die SPD doch ganz leicht gewinnen.
Könnte man meinen.

Tatsächlich gibt es aber große Einigkeit bei allen Umfrageinstituten, daß eine breite rechte Mehrheit in Deutschland zu erwarten ist. CDU ~ 40%, FDP ~ 10%, AfD ~ 10%, SPD knapp > 20%.

Warum?

Ein großer Fehler der Linken ist es zu denken, daß es natürliche linke Mehrheiten gäbe, weil so eine Politik nun einmal gerechter und besser wäre.
Die SPD dürfe nicht wirtschaftsfreundlich agieren, müsse die Agenda 2010 zurück nehmen und einfach den Schwachen in der Gesellschaft viel mehr Geld geben.

Ich halte das für eine extreme Minderheitenmeinung.

Zunächst einmal will keiner etwas abgeben. Bei Erbschaftssteuer und Spitzensteuersatz befürchten viele, sie könnten auch betroffen sein, wenn dort zugegriffen werde. Auch ist der Solidaritätsgedanke weniger ausgeprägt als Linke hoffen. Langzeitarbeitslosen, Alleinerziehenden, Heimkindern, Armen, Flüchtlingen, Asylanten, Kranken möchte man schon bei Sonntagsreden gern helfen, aber es soll nichts kosten. Der Deutsche denkt nämlich sehr schnell, er komme zu kurz, wenn andere etwas bekommen.
Konzernbashing wird ebenfalls mit Argwohn gesehen. Die genauen Lobby-Verflechtungen kennt ohnehin niemand und man möchte eher stolz auf die prosperierende deutschen Industrie sein, als zu riskieren, daß Frau Wagenknecht womöglich der Konkurrenzfähigkeit (der Unions-Großspender) BMW oder Deutsche Bank schadet.
Links wählen, um der Gerechtigkeit Willen, wäre eigentlich eher etwas für die ganz Armen, die nichts zu verlieren haben.
Leider zeigen aber alle Umfragen, daß gerade diese Schicht deutlich desinteressierter, schlechter informiert und wahlmüder ist.
Die Wahlbeteiligung in den Hamburger Villenvierteln ist doppelt so hoch wie im sozial schwachen Jenfeld und Billstedt.

Nein, die SPD wird eben nicht automatisch gewählt, weil sie moralischer und sozialer als CDUCSUAFDP ist.

Sie muß mühsam überzeugen. Da wird nach detaillierten Konzepten verlangt, die Merkel in 25 Jahren CDU-Vorsitz genauso wenig wie in 12 Jahren Kanzlerschaft je vorlegte.
Bei Merkel reicht ein „sie kennen mich“, wenn von Schulz konkrete Lösungen erwartet werden.

Als SPD-Freund braucht man in so einem Fall hoch-charismatische und aufmerksamkeitserregende Führungsfiguren, die wie Schmidt, Brandt, Engholm oder auch Schröder den teutonischen Phlegmaten vom Sofa reißen.

Unglücklicherweise haben wir das aber nicht, sondern nur den öden Provinzler Schulz mit seinem altbackenen Vollbart, der damit schon phänotypisch an die verlorenen Jahre unter Scharping und Beck erinnert.

Selbstverständlich sind das Äußerlichkeiten, die nichts über die Männer aussagen. Aber Schulz müßte erst einmal gewählt werden, um zu zeigen was er in einem Amt kann und dafür ist es Voraussetzung die eher unpolitischen Durchschnittswähler für ihn zu interessieren.
Mediale Hilfe hatte erst im Überfluss; der Hype trug die SPD sogar in Umfragen vor die CDU.
Schulz konnte die Erwartungen aber in jeder Hinsicht nicht erfüllen, häufte Planlosigkeit und Ungeschicklichkeiten an.

Als Wahlkämpfer sehe ich hinter die Dinge, möchte trotz meiner persönlichen Schulz-Vorbehalte unbedingt, daß meine SPD stärkste Partei wird.
Wie überzeuge ich also die potentiellen Wähler?

Aus meiner Partei höre ich jetzt Parolen wie „Aufstehen! Durchhalten! Kämpfen und siegen! Jetzt erst Recht! Glück Auf! Zusammenhalten und nicht mies machen!“
Alles sicher gut gemeint, aber leider auch völlig inhaltsleer.
Beinhaltet das irgendein Argument, das einen enttäuschten SPD-Wähler oder gar Merkel-Fan zum Umdenken bringt?
Daß man im Wahlkampf für seine Partei kämpft, ist eine Binse.
Ich brauche aber griffige Argumente im Umgang mit minderinteressierten Freizeitdeutschen.
Denen kann ich zwar abendfüllend erklären – und das geschieht in diesem Blog Tag für Tag – weswegen CDU und FDP verhindert werden müssen.
Allein, es fehlt vielfach der Glaube, daß es unter der SPD wirklich so viel besser werde.
Deutsche hassen aber das Unbekannte und wenn es keine gravierende Unterschiede geben mag, behalten sie lieber das Bekannte und verschließen fest die Augen vor der eigenen Zukunft.

Das ist die Schizophrenie des Deutschtums. Wir sind voller Angst. Angst vor der Altersarmut, Angst vor der demographischen Falle, Angst vor Immigration.
Tatsächlich stehen Europa auch große Probleme bevor. Man müßte also vieles unternehmen und vieles reformieren, einiges radikal ändern, um diesen Ängsten Herr zu werden.
Aber genau das wollen die bequemen Deutschen schon gar nicht! Ändern sollen sich nur die anderen, die Griechen oder die Briten.

Meine Partei hat diese Verzagtheit leider schon völlig adaptiert und traut sich ebenfalls keine großen Würfe.
Das macht es den Wahlkämpfenden so schwer.
Vieles aus dem Willy-Brandt-Haus ist einfach zu lau, als daß man damit begeistern könnte.

1.   Die SPD traut sich nicht voll für die Doppelstaatsbürgerschaft einzutreten.

2.   Die SPD blockiert den Familiennachzug für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, läßt die Kinder lieber jahrelang allein und getrennt leben.

3.   Sie ist zu feige das Ehegattensplitting komplett abzuschaffen.

4.   Sozis sind nicht mutig genug wie die Briten ein klares Ziel zur Beendigung des Verbrennungsmotors zu nennen.

5.   Die SPD traut sich noch nicht mal zu zum Wohle der Umwelt und Gesundheit endlich auch in Deutschland ein allgemeines Tempolimit zu fordern – wie in jedem anderen Land der Welt.

6.   Sozis wagen nicht den seit 100 Jahre bestehenden Verfassungsauftrag zur staatlichen Entflechtung mit den Kirchen zu erfüllen, oder das kirchliche Sonderarbeitsrecht abzuschaffen.

7.   Sie traut sich überhaupt nicht mehr für Laizismus und Säkularismus einzutreten.

8.   Unter Gabriel und Zypries gingen die Waffenexporte ungehindert weiter.

9.   Die SPD kann sich nicht zu einer europäischen Wirtschaftspolitik bekennen, die nicht mehr Migrationsbewegungen auslöst.*

10. Die SPD knickt ganz erbärmlich bei den Themen Sterbehilfe und Patientenverfügung vor der Kirchenlobby ein, ignoriert damit den klaren Mehrheitswillen der Bevölkerung.

11. Sozis trauen sich auch nach vielen Amokläufen nicht eine Waffenrechtsverschärfung zu fordern, obwohl schon sechs Millionen private Knarren im Umlauf sind.

12. Die SPD im Bundestag stimmte gegen ihre Überzeugung für die Haltung von Wildtieren in Zirkussen.
13. In Deutschland dürfen acht Millionen Menschen nicht wählen, darunter ich, und die SPD ist auch hier zu feige sich für uns einzusetzen.

14. Nahles‘ ganzes Rentenkonzept ist feige und verdruxt - bevor sie Ministerin wurde, hatte sie noch getönt, daß auch Selbstständige, Beamte und sogar BUNDESTAGSABGEORDNETE in die Rentenkasse einzahlen sollten, damit es gerecht zuginge – im Schulz-Konzept ist davon keine Rede mehr.

15. Die SPD traut sich nicht zu sagen was eigentlich genau mit den neun Millionen Privatversicherten geschehen soll bei einer Bürgerversicherung; bekämen sie ihre bei den Konzernen geparkten Rückstellungen zurück?

16. Kein Mut auch beim Thema Drogenfreigabe.

17. Die SPD ist sogar zu feige sich klar zu einer Cannabis-Legalisierung zu bekennen.

To  be continued.

*

Ich kämpfe ja trotzdem für die SPD, weil sie immer noch das kleinste Übel ist. Ich sehe noch deutliche Unterschiede zur CDU.
Ich trete nicht aus. Ich werde nicht abtrünnig.
In den nächsten Wochen werde ich daher auch nicht mehr übermäßig die Schwächen der SPD betonen, sondern die Stärken herausstellen
Aber BEGEISTERN kann mich Schulz nun wirklich nicht.