Dienstag, 13. September 2016

Hört, hört Nahles und Göring-Kirchentag!



Man findet eben doch nicht alles im Netz.
Ohne gedruckte Presse, die im Gegensatz zu den Online-Inhalten in der Regel kostenpflichtig und damit auch professioneller ist, weil ausgebildete „Gatekeeper“ an den Artikeln sitzen, würde man nur allzu schnell in seiner eigenen Informationsblase verloren gehen.

Im aktuellen MIZ, den Materialien und Informationen zur Zeit, fand ich einen Hinweis auf das Evangelische Sonntagsblatt.
Die Ausgabe vom 26.06.2016 des frommen Bayernblattes zitiert eine INSA-Conulare-Umfrage, welche die Parteipräferenzen nach Konfessionen aufschlüsselt.
Das interessierte mich natürlich brennend, weil ich bekanntlich seit Jahren die zunehmende Christianisierung von Grünen und SPD scharf kritisiere.
Als „christlich“ werden in erster Linie aufgrund ihres Namens und der konservativeren Haltung die „C“-Parteien CSU und CDU verstanden. Das ist naheliegend, weil sie das „christlich“ auch in ihrem xenophoben Kampf wider die Menschenrechte vor sich her tragen.
Die AfD-artigen Ausfälle der Bayerischen C-Schwester brachten zuletzt allerdings mehrfach ausgerechnet die Kirchen in Stellung gegen die Partei.
Kann man also heute überhaupt noch sagen, daß die rechten Parteien die Kirchenfreunde und die linken Parteien eher die der Aufklärung Verpflichteten sind?
Die gesamte Bundesregierung ist christlich; es gibt keinen einzigen konfessionsfreien Minister, evangelische Kirchentage gleichen einem Grünen-Kongress, die ultrafromme SPD-Christin Kerstin Griese setzt ihren religiotischen Kurs in der Frage der Patientenverfügungen und Sterbehilfe im ersten Wahlgang gegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung durch und die ultrafromme damalige Generalsekretärin Andrea Nahles verbietet zusammen mit dem gläubigen Parteichef Gabriel die Einrichtung eines laizistischen Arbeitskreises in der SPD.
Unglaublich! 1998 schworen der atheistische Bundeskanzler und sein ebenfalls atheistischer Vizekanzler demonstrativ mit weiteren sechs Ministern nicht die Formel „so wahr mir Gott helfe“ bei ihrer Vereidigung.
Wenige Jahre später, im September 2013 verbieten Nahles und Gabriel, daß in der SPD überhaupt über sowas wie Konfessionsfreiheit und Atheismus nachgedacht werden darf.
Offensichtlich haben schwere Religioten wie Thierse und Nahles, die mal eher die Ausnahme bei den Sozialdemokraten waren, inzwischen die Partei gekapert und tun alles dafür, um die Säkularen zu verdrängen.
Die bedeutenden sozialdemokratischen Intellektuellen Ingrid Matthäus-Maier (Rechtsexpertin, Finanzexpertin, langjährige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion) und Rolf Schwanitz (sieben Jahre Staatsminister im Bundeskanzleramt) wurden also von der eher schlichten Denkerin Nahles (keinerlei Expertentum) ausgebremst.

Wer ist also im Jahr 2016 wirklich eine christliche Partei?
Und was bedeutet das für die Wählerpräferenzen?
Ich kann doch nicht der einzige eher links positionierte Mensch in Deutschland sein, den die Grieses-Nickels-Kretschmanns-Nahles-Thierses-Göring-Eckardts eher davon abhalten deren Parteien zu wählen.
Offensichtlich werden meine Bedenken in der SPD-Parteiführung auch nicht verstanden, sonst würde irgendjemand schon mal den wie wild gegen Atheisten hetzenden Wolfgang Thierse wegen parteischädigenden Verhaltens zur Raison gebracht haben.

Unglücklicherweise finde ich keine Originalquelle für die oben erwähnte INSA-Consulare-Umfrage. Wer hat das in Auftrag gegeben? Welche Methode wurde verwendet? Wie viele Menschen wurden befragt?
Zudem ist INSA von den größeren deutschen Instituten sicher das Unseriöseste.

Es gibt aber wenig seriöse Zahlen zur konfessionellen Anhängerschaft der Wähler.
Gelegentlich wird nachgewiesen, daß AfD-Fans rassistischer und antisemitischer als anderen Wähler sind – so eine Überraschung.
Untersucht man solche rechtsextremen Tendenzen, gibt es ebenso wenig überraschend den Befund der Uni Leipzig, daß Christen generell ausländerfeindlicher sind.

[….] Von den Befragten gehören 905 der evangelischen und 773 der katholischen Kirche an. Keine Konfession haben 687 Personen. Die Erhebung zeigt, dass Katholiken mit Ausnahme der Dimension „Sozialdarwinismus“ in allen anderen Bereichen häufiger rechtsextreme Positionen vertreten. Personen ohne Konfessionen stimmten im Vergleich mit den Angehörigen der beiden großen christlichen Glaubensrichtungen seltener antisemitischen – also judenfeindlichen – Aussagen zu. Katholiken und Protestanten lagen in dieser Dimension nahezu Kopf an Kopf. Einzig in der Dimension „Sozialdarwinismus“ waren die Konfessionslosen einen Hauch rechtsextremer eingestellt. [….]

Nach INSA ist es nun so, daß CDU-Wähler sich aus 39% RKK, 32% EVG und 23% Konfessionsfrei zusammensetzen.
Die Betonung des „C“ nützt ihnen also tatsächlich, weil sie überdurchschnittlich viele Stimmen von evangelischen und katholischen Wählern bekommen.

Die Konfessionslosen sind hingegen heimatlos; sie werden von ostentativ frommen Führungsfiguren der SPD- und Grünen-Parteiführung abgeschreckt.
Das mickrige SPD-Wählerpotential setzt sich aus aktuell nur noch 17% RKK, 23% EVG und 16% Konfessionsfreien zusammen.
Die LINKE wird für Konfessionsfreie inzwischen fast genauso attraktiv; sie kommen auf 5% bei den RKK, 9% bei den EVG und ganze 15% bei den Nichtreligiösen.
Die Grünen werden nur von 14% der Konfessionsfreien gewählt.
Auch hier gilt offensichtlich, daß sie ihr Potential bei weitem nicht ausschöpfen können, weil Säkulare und Humanisten, die immerhin heute eine relative Mehrheit der Bevölkerung bilden, angewidert von Typen wie Volker Beck sind, die im Bundestag das Alte Testament schwenken, aus der Genesis zitieren und damit Genitalverstümmelungen bei Säuglingen rechtfertigen.

Ich kenne mindestens zwei langjährige SPD-Wähler persönlich, die nach Kerstin Grieses religiotischem Durchmarsch aus dem November 2015 schworen nie wieder SPD zu wählen.
Die SPD könnte also viel gewinnen, wenn sie mutig für die Trennung von Staat und Kirche eintreten würde und ihre unterwürfige Haltung gegenüber Kinderfickerorganisationen aufgäbe.
Ich schätze mal, daß ich mit diesem Tipp allerdings nicht gerade bei den frommen Ministern Steinmeier (designierter Kirchentagspräsident 2019), Gabriel und Nahles durchdringe.

Wir Konfessionslosen sind zwar viele, aber niemand in Berlin will uns haben.

Montag, 12. September 2016

Vernünftige Irre.


Vor ein paar Tagen guckte ich nachts auf CNN Anderson Cooper, als er ohne Regieanweisung mitten im Satz unterbrochen wurde.
Dramatische BREAKING NEWS: Seismische Messstationen hatten ein Erdbeben der Stärke 5,3 in Nordkorea aufgezeichnet.
Aber war das überhaupt ein Erdbeben, oder hat Kim Jong Un nun doch eine Wasserstoffbombe gezündet?
Amerika war elektrisiert. Stünde nun ein Atomkrieg bevor?
Hat der Irre aus P'yŏngyang nicht auch Interkontinentalraketen, mit denen er die Sprengköpfe in alle Welt schicken kann?
War es das jetzt? Geht die Welt unter?

Ich war irgendwie mitgerissen von dem Gedanken und wartete gespannt auf die deutschen Reaktionen, die ich ab 5.30 Uhr im Frühstücksfernsehen präsentiert bekommen würde.
Als es soweit war, sah ich aber nur gut gelaunte und scherzende Moderatoren, lange Strecken über das Wetter, Berichte von den Paralympics und den US-Open-Tennisergebnissen.
Das „Erdbeben“ in Nordkorea wurde in nur zwei Sätzen während des Nachrichtenblocks erwähnt.

Man stelle sich vor, der Iran wäre nur halb so weit mit der Atomwaffentechnik wie Nordkorea. Dann wäre was los hier.
Wieso interessieren sich aber die Europäer so gar nicht dafür was zwischen P'yŏngyang und Seoul vor sich geht?

Psychologie spielt eine Rolle. Amerika sitzt die Schmach der Kriege in Vietnam und Korea immer noch im Nacken. Da gab es von einem waffentechnisch und wirtschaftlich hoffnungslos unterlegenen, auch noch kommunistischen Gegner voll was auf die Glocke.
Amerika tickt pazifisch. Immerhin hat man selbst zwei Atombomben in Nagasaki und Hiroshima gezündet.
Amis denken den asiatischen Raum nuklear und sie sind dort heute stärker denn je militärisch präsent.
Und bei Wasserstoffbomben hört der Spaß auf. Die sind wirklich zerstörerisch.

Dazu ein kurzer Einschub, weil ich nicht ganz ignorieren kann, daß ich mal Nuklearchemievorlesungen gehört habe:

Die ersten Atombomben waren Fissionssprengsätze, bei denen sehr dicke schwere Atome wie hoch angereichertes Uran oder reines 239Plutonium gespalten werden. Die Sprengkraft misst man in „Kilotonnen“. Eine Kilotonne entspricht der Sprengkraft von 1000 Tonnen Trinitrotoluol, TNT.
Die Atombombe „Little Boy“ (Sprengstoff: 235Uran), die über Hiroshima abgeworfen wurde und 150.000 Menschen innerhalb weniger Tage tötete, entsprach 13 Kilotonnen TNT.
Die Atombombe „Fat Man“ (Sprengstoff: 239Plutonium), die drei Tage später über Nagasaki gezündet wurde, war mit 21 Kilotonnen TNT viel stärker, verfehlte aber den Stadtkern um mehrere Kilometer, so daß innerhalb einer Woche „nur“ 80.000 Menschen krepierten.

Die später entwickelten Kernfusionswaffen sind deutlich stärker. Bei ihnen werden die kleinen Atömchen Deuterium und Tritium zu 3Helium und schließlich zu 4He verschmolzen. Beides sind Wasserstoffisotope; daher der Name Wasserstoff- oder H-Bombe.
Das erfordert so viel Anfangsenergie, daß man erst mal eine herkömmliche Fissionsbombe zünden muß, um die H-Bombe in Gang zu setzen.
„Vanja“, aka AN602 war die dickste bisher gezündete Wasserstoffbombe.
Sie wurde 1961 auf der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja abgeworfen und künstlich von den erreichbaren über 100.000 Kilotonnen TNT = 100 Megatonnen um die Hälfte reduziert, um die Radioaktivität einzugrenzen.
„Vanja“ explodierte mit 50 – 60 Megatonnen, also mindestens 4.000 mal so stark wie „Little Boy“ über Hiroshima.


Zugegeben; es ist keine schöne Vorstellung, daß ein Irrer so ein Ding zur Verfügung hat.

Um aber bei der Realität zu bleiben: Was auch immer Kim Kong Un vor drei Tagen auf dem nordkoreanischen Atomtestgeländes Pyunggye-Ri loslies, hatte eine Sprengkraft von 10 oder 11 Kilotonnen; ist also von einer H-Bombe noch um den Faktor 5.000 entfernt.

Des Weiteren ist es nach allem was ich gelesen habe noch sehr lange Zeit nicht soweit, daß Nordkorea technisch in der Lage sein wird so einen Sprengkopf derart zu verkleinern, daß er auf eine Kontinentalrakete passt und eben solche Raketen hat Kim schon gar nicht.

Es dauert also noch bis P'yŏngyang einen Atomkrieg auslösen kann.
Und selbst wenn es technisch dazu in der Lage sein sollte, müsste Kim Jong Un tatsächlich irre sein.
Ich glaube aber nicht, daß er es ist.
Aus Sicht des Diktators ist es höchst rational, was er tut.
Da können NATO, Un und USA noch so empört rumnölen.

[….] Die Staats- und Regierungschefs der Welt verurteilten derweil den Atomtest und forderten härtere Sanktionen. US-Präsident Barack Obama drohte Pjöngjang mit "ernsthaften Konsequenzen". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte den Atomtest "auf allerschärfste Art und Weise". "Das ist schon wieder eine dreiste Verletzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats", sagte Ban. Südkorea fordert schärfere Sanktionen: "Wir brauchen mehr und stärkere Sanktionen, die Nordkorea wenig andere Wahl lassen, als seinen Kurs zu ändern", sagte Südkoreas Außenminister Yun Byung Se. [….]

Nein, natürlich glaube ich nicht, daß Kim Jong Un, der Menschen, die es wagen ihm nicht zuzustimmen mit Flak-Geschützen hinrichten läßt, ein netter Mann ist.
Von den bisherigen drei Kims ist er vermutlich der Widerlichste.

1994 starb Nordkoreas Gründer Kim Il Sung. Damit ging die Macht auf seinen Sohn Kim Jong Il über, der, anders als der leutselige Alte, als misstrauisch und hinterhältig geschildert wurde. [….][….]
Doch wenige Monate danach erlitt Kim Jong Il einen Hirnschlag. Ohne Weisungen des "lieben Führers" stockte Nordkoreas Politik. Derweil wählte Südkorea den Hardliner Lee Myung Bak zum Präsidenten, der anders als seine Vorgänger kein Interesse am Ausgleich mit dem Norden hatte. Der nahm sein Atomprogramm wieder auf. Kim starb im Dezember 2011. Sein Sohn Kim Jong Un, der brutaler regiert als der Vater, hat drei der fünf nordkoreanischen Atomtests zu verantworten. Nach dem vierten Test Anfang Januar bot er den USA Gespräche an. Aber mit vielen Raketenversuchen und seinem fünften Atomtest, nur acht Monate später, zeigte Kim Jong Un, dass er nicht auf Diplomatie setzt. Anders als sein Vater versucht er gar nicht erst, von Washington, ähnlich wie Pakistan, als kleine De-facto-Atommacht geduldet zu werden. [….]

Aber nur weil jemand widerlich und brutal ist, muß er nicht gleichzeitig auch auf den Kopf gefallen sein.
Nach meiner Einschätzung sieht sich Kim, der III. die Welt an und analysiert wie es anderen Diktatoren ergeht, die gelegentlich von Washington als „Achse des Bösen“ bezeichnet und des Besitzes von Massenvernichtungswaffen bezichtigt werden.
Die Kollegen Muammar al-Gaddafis und Saddam Hussein hatten gar keine Massenvernichtungswaffen und sind tot; ihre Länder liegen in Schutt, Asche und Chaos.
Baschar al-Assad hat WMDs, aber bloß Chemiewaffen.
Er ist zwar noch an der Macht, unter anderem wohl gerade weil er die Chemiewaffen auch einsetzt, aber sein Land ist bereits total zerstört und bald könnte es ihm auch an den Kragen gehen.
Pestige Diktatoren werden offenbar nur durch funktionierende Atomwaffen unangreifbar.
Ganz süß irgendwie, daß die UN immer noch den Atomwaffensperrvertrag wie eine Monstranz vor sich herträgt.
Faktisch ist es aber so, daß ein Land, das den Vertrag umgeht und sich illegal doch Atomwaffen verschafft anschließend unangreifbar ist – siehe Pakistan, Indien und Israel. Niemand nimmt denen ihre Atombomben weg.
Als GWB vor 15 Jahren Afghanistan angriff, konnten die Pakistanis beim Nachbarn beobachten was passiert, wenn man keine Atombomben, aber wie Pakistan selbst Islamisten und Taliban beherbergt.

Würden jemals Taliban die Regierungsmacht in Islamabad übernehmen, könnte kein amerikanischer Präsident etwas dagegen tun.
Es ist also aus Sicht eines Gegners der NATO und Amerikas sinnvoll und klug Atomwaffen zu haben.
Hätten Teheran oder Damaskus so viele Atomsprengköpfe wie Jerusalem, müßten sie nicht fürchten angegriffen zu werden.

[….] Kim Jong Il trieb das Nuklearprogramm voran, damit er anderen Mächten in Verhandlungen Zugeständnisse abtrotzen konnte. Dem jungen Kim dagegen geht es um Abschreckung.
Die Atomkraft soll ihm und seiner Clique das Überleben sichern, indem es den Preis für einen Sturz seines Regimes so hoch ansetzt, dass niemand diesen Versuch wagt, weder im Inland noch von außen. Südkorea und die in Pjöngjang gefürchteten USA sollen abgeschreckt werden. Deshalb publiziert Nordkoreas Propaganda Filme, in denen seine Interkontinentalraketen New York zerstören. In Wirklichkeit verfügt es über keine solchen Raketen, heute nicht und sicher auch nicht so bald.
Mit dem Schwenk zog Kim seine Lehre aus dem Sturz anderer Diktatoren, vor allem Muammar al-Gaddafis. Im Jahre 2003 kündigte der Libyer an, er gebe sein geheimes Atomprogramm auf. Acht Jahre später wurde er mit Hilfe der Nato gestürzt. Kim Jong Un meint, mit seinem Terror gegen das eigene Volk und mit Atomwaffen könne er sich dagegen absichern, dass ausländische Mächte möglichen Aufständischen im eigenen Land zu Hilfe eilen würden. Aus seiner Sicht haben Atomwaffen nicht nur das größte Abschreckungspotenzial, sie sind auch billiger als die konventionelle Armee, die Kim verkleinern möchte, um mehr Mittel für die Wirtschaft zu haben. [….][….]

Kim Jong Un ist nicht irre, sondern rational - und eben ein Arschloch.

Politisch ist der erneute Atomwaffentest durchaus folgerichtig. "Kim Jong Un verfolgt keine irrationale, sondern sogar eine sehr rationale und konsistente Politik", sagt Eric Ballbach, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Koreastudien der Freien Uni Berlin. Diktator Kim hat seine Herrschaft auf zwei Säulen aufgebaut: einerseits die militärische Aufrüstung, andererseits den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes. Dieses Prinzip der Byongjin-Politik hatte er erst auf dem Parteitag im Mai als Leitlinie ausgegeben.
Die atomare Aufrüstung ist dabei ein zentraler Bestandteil, mehr noch: "Für Nordkorea ist der Atomwaffentest nicht nur ein militärisches Projekt, es ist ein sinnstiftendes Projekt für die gesamte Nation", sagt Ballbach. Tatsächlich dient es dem Regime vor allem, die eigene Macht nach innen hin zu legitimieren.

Irre sind eher die alten Atommächte, die glauben, daß nur sie das dürften, was kein anderer darf.
Die glauben, daß sie glaubwürdig sind.

Die Proteste der USA, Chinas und Russlands wären gegen den neusten Atombombenversuch von Nordkorea wären viel glaubwürdiger, wenn gerade diese Staaten nicht selbst ständig modernere und noch wirksamere Atomwaffen entwickelten und in Stellung brächten. Und auch der Protest Deutschlands sowie die Einbestellung des Botschafters Nordkoreas wären glaubwürdiger, wenn Deutschland die Stationierung von US-Atombomben in der Eifel nicht länger dulden würden, die jetzt sogar modernisiert und von deutschen Flugzeugen im Auftrag der NATO im Kriegsfall ins Ziel geflogen werden sollen. Gehör finden könnten die Proteste vielleicht, wenn die großen Atommächte sich bereit erklärten, ihr Atomwaffenarsenal nicht zu erneuern und Schritt für Schritt ganz abzubauen und die USA ihre Atombomben endlich aus Deutschland abzögen.
Die Aufnahme einer solchen Forderung in die UNO-Resolution würde auch dem Ansehen der Weltgemeinschaft nutzen. Aber auch in der UN sind eben nicht alle Länder gleich, sondern einige gleicher als die anderen.

Sonntag, 11. September 2016

Natural stupid

Es kommt vor, daß stramm rechte konservative Christen ihre unverrückbaren Überzeugungen, für sie sich feiern ließen über den Haufen werfen, wenn sie auf einmal selbst negativ betroffen von ihnen sind.

Dick Cheney überdachte seine hart homophobe Politik, als seine Tochter sich als Lesbe outete und Nancy Reagan fand auf einmal Stammzellenforschung doch ganz prima, als ihr Mann unheilbar an Alzheimer erkrankte.
Bevor sie selbst betroffen waren, konnten sie offensichtlich kein Mitleid für LGBTIs aufwenden, die unter ihrer Politik litten oder an unheilbar Kranke denken, denen Stammzellenforschung die einzige Hoffnung war.

Oder nehmen wir den rabiaten Antisemitismus und Antiziganismus in Ungarn.
Mihály Zoltán Orozs, Jobbik-Bürgermeister in Érpatak, ließ im Sommer 2014 unter dem Jubel der Bewohner Puppen der israelischen Politiker Netanjahu und Peres öffentlich verbrennen.

[….] Der Jobbik-Vorsitzende Gabor Vona forderte bei der Kundgebung Juden dazu auf, sich für Verbrechen während der kommunistischen Herrschaft in Ungarn zu entschuldigen, da in dieser Zeit auch jüdische Politiker zur Führung gehört hätten. Laut dem Fernsehsender ATV sagte er zudem, Geld für die Entschädigung von Holocaust-Überlebenden hätte besser anders verwendet werden können. [….]

Als aber einer dieser Jobbik-Hetzer darauf aufmerksam gemacht wurde selbst jüdische Wurzeln zu haben, fand er auf einmal den Antisemitismus ganz schlecht, konvertierte zum Judentum und trat aus der Jobbik-Partei aus.

Csanad Szegedi war ein aufstrebender Kader in Ungarns rechtsextremer Jobbik-Partei. Mit antisemitischen Parolen zog seine Partei ins Parlament ein - bis Szegedi damit konfrontiert wurde, dass er selbst jüdischer Herkunft ist. [….]
Seine Großeltern mütterlicherseits, so erfährt er an diesem Tag, waren Juden, seine Großmutter ist eine Auschwitz-Überlebende. Für den strammen Antisemiten Szegedi ein Schock, den er tagelang verarbeiten musste, wie er der ungarischen Zeitung "Barikad" später erzählte.

Konservative, Rechte und Religiöse sind generell weniger tolerant, weniger mitfühlend und weniger großzügig als Liberale oder Atheisten.
Sie brauchen einen kleinen Schubs.
Wenn sie wie Reagan, Cheney oder Szegedi selbst zu einer zuvor von ihnen ausgegrenzten Minderheit gehören, können sie umdenken.
Ihnen werden dadurch möglicherweise auch die Augen für die spezifischen Befindlichkeiten anderer Minderheiten geöffnet.

Wer qua Geburt zu einer Minderheit gehört, weil er eine andere Hautfarbe als die meisten andere hat, weil er schwul, behindert oder anderen Glaubens ist, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit für Diskriminierung sensibilisiert.
Daher ist es ganz natürlich, daß die US-Demokraten auf die sogenannte „Obama-coalition“ setzen; also alle Amerikaner, die irgendwie „divers“ sind, während die Republikaner (des Jahres 2016) eine nahezu rein weiße Partei sind, in der die Männer bestimmen.

Die Situation ist mit Deutschland nicht zu vergleichen, weil es hier ein viel größeres Parteienspektrum gibt, aber tendenziell findet man auch zwischen Flensburg und Bodensee dunkelhäutige Deutsche, LGBTIs oder türkischstämmige Menschen eher bei SPD, Grünen und Linken als CDU oder CSU.
Warum sollte sich auch ein Schwuler ausgerechnet in einer Partei engagieren, die sich vehement gegen seine Rechte stemmt?
Schwule in der CDU kennt man beispielsweise aus dem Landesverband Hamburg. Zu Zeiten des schwulen Ole von Beust galt die Elb-CDU entsprechend auch als sehr liberal. Der ebenfalls schwule CDU-Spitzenkandidat von 2015, Dietrich Wersich, hatte es schon schwerer, weil seine Partei nach dem Abgang von Beusts klar nach rechts gerückt war.
Für CDU-Verhältnisse ist Wersich ganz erträglich.
Das verführt zu der Deutung, daß er aufgrund seines Schwulseins netter als andere CDUler ist.
So zu argumentieren hat aber mit Vorsicht zu geschehen.
Nur weil man schwul ist, muß man nicht nett sein.
Es gibt sehr schlimme Schwule unter den RKK-Geistlichen.
Und was einst Ernst Röhm und Michael Kühnen bei den Nazis waren, sind heute Mirko Welsch und David Berger am rechten Flügel der AfD.

Man mache also nicht den Fehler Jens Spahn, den ultra-ehrgeizigen Finanzstaatssekretär für liberal und anständig zu halten, weil er zufällig jung und schwul ist.
CDU-Hoffnung Spahn ist tatsächlich mit seiner rabiat-xenophoben Rhetorik eher zwischen Petry und Söder zu verorten.

[….] Die Briten besitzen einen feinen Sinn für Ironie. „Der Mann, der Merkel ersetzen könnte“, so überschrieb die britische Zeitung Guardian jetzt ein Porträt über Jens Spahn. Besser hätte man die hochtrabenden Ambitionen des CDU-Politikers, dem der Ehrgeiz aus allen Poren trieft, kaum karikieren können.
Der 36-jährige Staatssekretär im Finanzministerium strebt unverkennbar nach Höherem. Kaum ein Tag vergeht, an dem Spahn nicht mit einer neuen plakativen Forderung auf sich aufmerksam macht. Mal will er das Rentenalter anheben, mal tritt er für Steuersenkungen ein, mal für ein „Familienwahlrecht“, mit dem Eltern für ihre minderjährigen Kinder mitwählen dürften. Und kaum eine Woche vergeht, in der er nicht in irgendeiner Talkshow sitzt oder sich per Gastbeitrag in einer Zeitung persönlich zu Wort meldet. Es wirkt, als würde er seine politischen Vorstöße im Minutentakt planen und formulieren.
[….] Themen wie nationale Identität und die Sorge vor dem politischen Islam trieben viele Menschen um, sagte er mal dem Spiegel. Spahns Antwort darauf lautet, der AfD auf diesem Feld entgegenzukommen. Für einen Dialog mit Pegida zeigte er sich offen, die Antifa setzte er dagegen auf Twitter einmal forsch mit der NPD gleich.
Vor allem aber profiliert er sich wie kein anderer CDU-Politiker auf dem Rücken der muslimischen Minderheit. Wie seine Parteifreundin Julia Klöckner macht er sich schon lange für ein symbolträchtiges Burka-Verbot stark. Gezielt greift er Ängste und Ressentiments auf, die nicht nur in seiner konservativen Heimat kursieren – sein Wahlkreis ist das tiefkatholische Münsterland –, sondern auch in urbanen, vermeintlich „progressiven“ Milieus. [….]

So ist das mit den Schwulen; die Mehrheit von ihnen mag liberaler als der Bevölkerungsdurchschnitt sein, auch aufgrund eigener Diskriminierungserfahrungen überdurchschnittlich gebildet und erfolgreich sein, aber selbstverständlich gilt das nicht für jeden.

Gestern bekam ich über einen Atheisten-Blog das Video des schwulen Vloggers Aaron Rhodes verlinkt. Der junge Mann aus Ohio spricht eindringlich darüber wie wichtig ihm seine tiefe Verbundenheit zur Kirche ist und wie man als Schwuler sein Leben Gott verschreiben kann, wie man ihm dient.


Ein wirklich hübscher, lieber Junge, aber leider total auf den Kopf gefallen. So dämlich und naiv über Religion zu reden ist schon erstaunlich.
Der Typ könnte in Deutschland eine große Nummer bei der Schizophrenie-Organisation HUK werden.

Um nicht immer nur von Schwulen zu sprechen, noch ein Blick auf die Schwarzen in den USA.
Trumps Zustimmungsrate unter Afro-Amerikaner soll irgendwo um die 1% liegen. Deutlich über 90% werden für Hillary Clinton stimmen.
Trumps jüngste Peinlichkeit, als er vor einem rein weißen Publikum eine an die Schwarzen gerichtete Rede hielt, machte es noch schlimmer.
Pauschal hatte er sie alle als Loser, die eh nichts mehr zu verlieren hätten angesprochen. Da kommt keine Freude auf.

[….] "The Democrats have failed completely in the inner cities. For those hurting the most who have been failed and failed by their politician — year after year, failure after failure, worse numbers after worse numbers. Poverty. Rejection. Horrible education. No housing, no homes, no ownership. Crime at levels that nobody has seen. You can go to war zones in countries that we are fighting and it's safer than living in some of our inner cities that are run by the Democrats. And I ask you this, I ask you this — crime, all of the problems — to the African Americans, who I employ so many, so many people, to the Hispanics, tremendous people: What the hell do you have to lose? Give me a chance. I'll straighten it out. I'll straighten it out. What do you have to lose?" [….]

Mit etwas Empathie würde man verstehen, daß niemand gerne von oben herab behandelt wird und sich erklären läßt, daß man im totalen Elend lebt.
Die meisten Schwarzen haben mehr Empathie für solche Feinheiten, weil sie selbst Erfahrungen mit negativen Vorurteilen gegen sie gemacht haben.
Daher hat Trump auch keine schwarzen Unterstützer.

Fast keine.
Natürlich gibt es auch unter Schwarzen völlig enthirnte Typen, die wie die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Herman Cain oder Ben Carson für Trump werben.
Beide dringen aber auch mit ihrer radikalen Bildungslosigkeit und Religiosität in ganz neue Sphären der Doofheit vor.

Ein dritter schwarzer Trump-Supporter ist Paris Dennard, Jahrgang 1982.

Paris Dennard is a GOP political commentator [….] Paris worked in The White House at the pleasure of President George W. Bush from 2005-2009.  [….] Paris served as the Associate Director for Coalitions at the Republican National Committee from 2009-2011 where he traveled across the country working with grassroots leaders and state parties, training, branding mobilizing leaders for various campaigns.  [….]

Klar, die allermeisten Schwarzen mögen Trump nicht.
Aber diejenigen, die ihn toll finden, sind dafür auch richtige Schwachköpfe.
Daß es Umfragen gibt, nach denen sogar bis zu acht Prozent der Schwarzen für einen Rassisten stimmen wollen, bejubelt der Birther Dennard als Durchbruch Trumps. Er sei jetzt beliebter bei Ihnen als Obama.

[…. ] Speaking with host Anderson Cooper, Trump advocate Paris Dennard said he saw a groundswell for Trump reaching the heights of 8 percent with African-Americans in one poll.
“There are a lot of cracks with the Democrats and especially millennial African-Americans,” Dennard remarked. “They don’t trust Secretary Clinton, and so when you see the CNN poll showing that Mr. Trump is leading across the board as it relates to enthusiasm, when it relates to honesty and trustworthiness –” he continued before he was cut off by Cooper who gave Jones a chance to respond.
“Listen, all this stuff sounds good when you say it, Paris,” Jones began. “But the reality is that Hillary Clinton has done an extraordinary job, African-American support for her equals and sometime surpasses Obama himself, which we thought was impossible.” [….]