Freitag, 27. Juli 2012

Sarah Palin 2.0





Geahnt hatte ich es ja schon, aber noch bevor die Eröffnungsfeierlichkeiten zur Olympiade in London begannen, absolvierte Mitt Romney schon einige beeindruckende Sprünge direkt in die Fettnäpfchen. 

Sowohl der konservative Bürgermeister Londons auch als der konservative Premier sind so verärgert über den US- Republikaner, daß sie ihm heftig widersprachen.

Es sei "schwer zu sagen, wie gut es werden wird", hatte Romney im US-Fernsehsender NBC erklärt.
Es gebe "beunruhigende Zeichen", ob Großbritannien in der Lage sei, ein Ereignis dieser Größenordnung auszurichten. Romney hatte als Chef des Organisationskomitees die Olympischen Winterspiele von Salt Lake City 2002 mitorganisiert.
Londons Bürgermeister Boris Johnson widersprach dem Amerikaner sofort. "London ist so gut auf die Olympischen Spiele vorbereitet wie jede andere Gastgeberstadt zuvor", sagte er. […]
Einen Seitenhieb auf Romney konnte er sich [auch Premierminister David Cameron] nicht verkneifen: "Wir organisieren die Olympischen Spiele in einer der belebtesten, aktivsten Städte der Welt", sagte er, um dann, mit Blick auf Romney und Salt Lake City, zu lästern: "Es ist natürlich einfacher, wenn man die Spiele mitten im Nirgendwo abhält."

Nach zwölf Stunden in England vollbrachte es der US-Präsidentschaftskandidat schon sich auf der gesamten Insel unbeliebt zu machen.
Wenig verwunderlich; schließlich gehört Großbritannien zum ungeliebten Europa. 
Das reicht eigentlich schon aus, um Romneys Hass auf sich zu ziehen. 
Dem traditionell engsten europäischen Alliierten der Staaten attestierte der morbide Mormone schon in seinem aktuellen Buch „No Apology: Believe in America“ (2011) Lächerlichkeit.



"England is just a small island. Its roads and houses are small. With few exceptions, it doesn't make things that people in the rest of the world want to buy. And if it hadn't been separated from the continent by water, it almost certainly would have been lost to Hitler's ambitions."

The Queen was not amused.


Der globale Horizont des Kandidaten ist so deprimierend unterkomplex, altbacken und plump, daß der republikanische Außenpolitik-Haudegen Henry Kissinger in Depressionen verfällt.

Romneys Weltbild, so wie er es jüngst in einer Rede vor Kriegsveteranen dargelegt hat, ist eine seltsame Mischung. Da ist Amerika: stolz, stark, großartig, eine Macht, deren 'Schicksal' es ist, die freie Welt zu führen und Gutes zu tun. Und da sind die 'Gegner'. Russland gehört irgendwie immer noch in diese Gruppe, Iran sowieso, islamische Terroristen und China, das aber nicht so richtig, denn das Riesenreich ist ja zugleich einer der wichtigsten Handelspartner und der größte Gläubiger der USA. In Romneys Vorstellung ist Amerika immer noch das Amerika der späten vierziger Jahre, das Adolf Hitler besiegt hat und Josef Stalin die Stirn bietet. Und die Welt ist eine, in der die Schurken nicht mehr nur in Moskau sitzen, sondern auch in Teheran. Sonst hat sich eigentlich nichts verändert. […] Romney hat bislang viel Kritik an Obamas Außenpolitik geäußert, aber wenig dazu gesagt, was er eigentlich anders machen würde. Doch das seltsame Weltbild des Kandidaten zeigt, wie erschütternd niedrig das Niveau inzwischen ist, auf dem man als durchaus wichtiger Mensch in den USA über Außenpolitik nachdenken und reden kann.   All die Dinge, die den Umgang von Staaten miteinander beeinflussen - Interessen, geostrategische Gegebenheiten, gegenseitige Abhängigkeiten, Allianzen, Diplomatie -, kommen bei Romney einfach nicht vor. Als einzigen wahren US-Verbündeten erwähnt der Kandidat Israel. Ähnlich unoriginell sind die Stationen seiner derzeitigen Auslandstour: Großbritannien, Polen und wieder Israel.

Die Frage ist jetzt, ob es Romneys (potentielle) Wähler stört, daß der GOPer wie einen Hirn-ektomierter Elefant im Europäischen Porzellan umherstolpert.

Auch George W. reihte Patzer an Patzer, stürzte die ganze Welt in Kriege und in eine Weltfinanzkrise. Amerikas Ansehen in der Welt rutschte unter GWB auf einen historischen Tiefstand. Zumindest die Republikaner mochten das und wählten ihn 2004 gleich noch mal zum Präsidenten. 

On his first visit to Brazil as president, George W. Bush baffled Brazilian President Fernando Henrique Cardoso with the question "Do you have blacks, too?"
Then Secretary of State Condoleezza Rice came to her boss's rescue, telling the new president, "Mr. President, Brazil probably has more blacks than the USA. Some say it's the country with the most blacks outside Africa," Der Spiegel reported.
Cardoso wrote off Bush's remark, saying he was "still in his learning phase."

Daß Romney schon am Anfangstag der Olympiade die Goldmedaille im Fettnapftreten gewann, muß also kein schlechtes Zeichen sein. 

"The only person who has seen Romney's taxes is John McCain and he took one look and picked Sarah Palin"
(James Carville)

Der vorherige Fettnapf-König Silvio Berlusconi stammt immerhin aus einem Land, in dem sehr viel Wert auf „bella figura“ gelegt wird - und dennoch wählten und wählten sie ihn zum Premier.

Nett sein zu den Briten? Warum denn? Daheim sitzen die Erzkonservativen, die Tea-Party-Bewegung, deren Name nicht zufällig an einen Akt des Widerstands gegen die britische Kolonialmacht im Jahr 1773 erinnert. Der Tea Party war Romney bislang viel zu liberal, bei ihr wird er mit seinen Aussagen Eindruck gemacht haben. Oder? Eine Auswahl:
  • [] Nach einem - geheimen - Treffen mit dem Chef des britischen Auslands-Geheimdienstes MI6 erklärte Mitt Romney der Presse, er wisse dessen Ansichten zu schätzen. Womit das Treffen nicht mehr geheim war. Dafür vergab die Londoner Tageszeitung The Guardian fünf von zehn Punkten auf der Schamesröte-Skala.
  • [] "Beunruhigende Anzeichen", sah Romney hinsichtlich der Frage, ob London in der Lage sei, die Olympischen Spiele auszurichten. Es sei "schwer zu sagen, wie gut es werden wird". Romney hatte selbst die Winterspiele 2002 mitorganisiert. Der britische Premier David Cameron konterte im Hinblick auf den damaligen Austragungsort Salt Lake City, Utah: "Es ist natürlich einfacher, wenn man die Spiele mitten im Nirgendwo abhält." Vom Guardian gab es dafür acht von zehn Peinlichkeits-Punkten.
  • [] Noch deutlicher wurde Londons Bürgermeister Boris Johnson, Spitzname "Die blonde Gefahr", der bei der Entzündung des Olympischen Feuers Zehntausenden im Hyde Park zurief: "Wie ich hörte, gibt es einen Typen namens Mitt Romney, der wissen möchte, ob wir bereit sind. Sind wir bereit?" Die Menge antwortete mit einem vielstimmigen "Yes". Vom Guardian erhält Romney für diese Demütigung die volle Peinlichkeits-Punktzahl und den Ratschlag: "Time to go home."
  • [] Nebenbei redete Romney den britischen Oppositionsführer Ed Miliband mit "Mister Leader" an, was amerikanischen Gepflogenheiten entspricht, für die Briten aber nach Nordkorea klang (drei Punkte). Außerdem sprach er von der "Nation of Great Britain", was Blödsinn ist, weil die Nationen England, Schottland und Wales das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland bilden (ohne Wertung).

Bisher schweigen sich die GOPer über Romneys Europäische Eskapaden aus. 
Dafür vernimmt man die Demokraten umso lauter.

He hasn't been in London for two full days and already he's been verbally upbraided by London's mayor and been the subject of a snide comment by the British prime minister. He referred publicly to the head of the British spy agency MI6, which apparently in England is just not done. And he's had an unnamed staffer criticized for comments about a shared "Anglo Saxon heritage."
On Thursday evening on BBC2's "Newsnight," Hugh Robertson, a Conservative member of Parliament and minister for sport and the Olympics, was asked whether Romney might participate in carrying the torch ahead of Friday night's ceremony.
He immediately broke out in laughter. "Certainly not after today," said Robertson.
Stateside, Sen. Harry Reid is not pleased with the presumptive GOP nominee's performance so far in London. "It's not good for us as a country -- it's not good for him -- but as a country to have somebody that's nominated by one of the principal parties to go over and insult everybody," the Nevada Democrat told the Huffington Post.

Für mehr Aufregung könnten die nächsten beiden Etappen sorgen. Man weiß schließlich nicht, was Romney in Polen anstellt.
Es gibt eine Menge polnischstämmiger Amerikaner, die sich persönlich auf den Fuß getreten fühlen könnten.
Und schließlich Israel, der heilige Gral der GOP-Außenpolitik. Auch dort könnte er sich durch allzu viel Dümmlichkeit unbeliebt machen.

Man kann nur froh sein, daß Mitt a) (noch?) nicht Präsident ist und b) nicht in so wichtige Länder wie Russland oder China reist, oder gar Krisenregionen wie Ägypten oder Afghanistan besucht.
Der Mormone könnte dort so nachhaltig palinisieren, daß ernsthafte Krisen ausgelöst werden können.

According to Mitt Romney, Russia is America's "No. 1 geopolitical foe."
Not Iran, whom the U.S. has heavily sanctioned in an attempt to prevent it from getting a nuclear weapon, nor North Korea, whom the U.S. has asked the United Nations to more harshly sanction, but Russia, a country that the U.S. has diplomatic relations with and which is considered an ally in the war in Afghanistan.
In a March interview shortly after Obama's open mic moment with Medvedev, Romney said Russia "always stands up for the world's worst actors."
"They fight every cause for the world's worst actors," Romney told CNN's Wolf Blitzer, noting that Russia often opposes the U.S. in the United Nations Security Council.
(AMY BINGHAM 26.07.12)


Donnerstag, 26. Juli 2012

Der Christ des Tages - Teil LXIV




Man soll sich ja nicht über Behinderte lustig machen. 
Also auch nicht über Geronten, bei denen die Altersdemenz schon voll zugeschlagen hat. 

Der Christ des Tages Nr. 64, wurde im Jahr 1927 geboren, genießt also eigentlich schon Opi-Schutz. Allerdings hat er auch bereits in jungen Jahren mit Doofheit brilliert und somit kann ich Robert Spaemann tatsächlich heute „würdigen“.

Er ist Philosoph und hatte Lehrstühle in Stuttgart (bis 1968), Heidelberg (bis 1972) und München inne.
Spaemann ist katholisch. Und zwar nicht zu knapp.

Hans Küngs planetaren Erfolg mit dem „Projekt Weltethos“ bei dem oberhalb der religiösen Strömungen weltweit verbindliche Ethik-Standards formuliert werden, treibt Spaemann zur Weißglut. Alles außer Katholizismus darf nicht sein.

Als Philosoph agitiert er auch gegen humanistischen Anliegen wie Sterbehilfe oder straffreien Schwangerschaftsabbruch.
Ähnlich wie beim Maischberger-Will-Möbelstück Arnulf Baring gilt auch bei Robert Spaemann „Je älter, desto weiter rechts“. 

Er kämpft beispielsweise für das Kreuz.net-Partnerblatt „Junge Freiheit“.

So viel erzkonservativer Irrsinn hat Spaemann einen neuen Freund beschert. Der Papst schätzt seinen Rat so sehr, daß er ihn im September 2006 privat nach Castel Gandolfo einlud.

Gerne beschäftigt sich Spaemann mit Gottesbeweisen. 
An Gott zu glauben ist für ihn ein Resultat der Vernunft. Agnostizismus hingegen lehnt er radikal ab.
 Kein Wunder, daß er sich mit Ratzi so gut versteht und die Ehrendoktorwürde der Opus-Dei-Universität Navarra in Pamplona erhielt.

Anlässlich des inzwischen legendären „Beschneidungsurteils“ des LG Köln lief Religiot Spaemann zur Hochform auf und verfasste für die ZEIT (Nr. 28/12) einen Aufsatz, der jeden denkenden Menschen mit den Ohren schlackern läßt.

Da dieses Thema inhaltlich schon mehrfach ausführlich getammoxt wurde, belasse ich es dabei ein paar Spaemann-Sätze unkommentiert zu zitieren.

Das ist ein beispielloser Angriff auf die Identität religiöser Familien.
Das Kölner Landgericht hat die Beschneidung eines kleinen Kindes für strafbar erklärt. Dieses Urteil ist entweder ein Fanal für die Befreiung von Millionen von Kindern der ganzen Welt, oder es ist eines der Ungeheuer auf Goyas enigmatischem Stich »Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer«. In diesem Fall sollte es allerdings wiederum ein Fanal sein, nämlich für den Widerstand gegen einen mächtigen Trend innerhalb der westlichen Welt.
[…] Die Verletzung [durch die Genitalverstümmelung- T.] ist aber geringfügig. Sie entspricht in ihrer Schwere zum Beispiel einer Masernimpfung, die bekanntlich von manchen Ärzten abgelehnt wird und bei der es Recht der Eltern ist, zu entscheiden, welcher Schulmeinung sie sich im Interesse des Kindes anschließen. […] Die Beschneidung von Knaben [….]  fügt keine großen Schmerzen zu, sie hinterlässt keine körperliche Verunstaltung und keine seelische Traumatisierung. […]  Das Gericht hat den soziologischen, ethnokulturellen Aspekt gänzlich ignoriert und einen beispiellosen Angriff auf die Identität jüdischer Familien geführt. […] Das eigentliche, das Hintergrundargument scheint mir zu sein, dass religiöse Erziehung von Kindern überhaupt verschwinden müsse, weil sie die spätere religiöse Selbstbestimmung präjudiziere und beeinträchtige.

Selbst der immer religiöser werdenden ZEIT war diese Einschätzung nun doch zu vernagelt und so erschien in der Woche drauf eine Replik des emeritierten Jura-Professors Rolf Dietrich Herzberg, welcher das LGKöln-Urteil ausdrücklich verteidigte.

Spaemanns erzkatholische Ausbrüche erfolgen inzwischen in immer kürzeren Abständen. 

Während die Feuilletons noch zirkumzisionistisch glühen und die Bundestagsentschließung zur Straffreiheit der Genitalverkrüppelung mittlerweile schon als ähnlich großer Polit-Murx wie das Meldegesetz oder das Bundestagswahlrecht von 2011 gewertet wird, wirft sich der Christ des Tages schon in die nächste Schlacht.

Er springt auf den Martin-Mosebach-Zug auf. 
Hardcore-Religiot Mosebach hatte sich leidenschaftlich für eine Verschärfung des Gotteslästerungsparagraphen eingesetzt.
Ein Spaemann mag da nicht schweigen. 
Harte Strafen für Blasphemisten befürwortet der Philosoph.

 Eine Plattform bietet ihm diesmal die FAZ, die Spaemanns Aufsatz leider nicht online gestellt hat. Die Zitate anderer Medien sind aber ausreichend, um sich ein Bild zu machen.

 Die Beleidigung von Religion sollte nach Ansicht des Philosophen Robert Spaemann (85) unter Strafe gestellt werden. Der Staat dürfe nicht zulassen, dass das, was religiösen Bürgern das Heiligste sei, «ungestraft öffentlich verhöhnt, lächerlich gemacht und mit Schmutzkübeln übergossen werden darf», schreibt Spaemann in einem Beitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Donnerstag). […]  
Nach Spaemanns Worten sollte Beleidigung von Religion etwa doppelt so schwer bestraft werden wie die Beleidigung von Menschen, weil sie die Gläubigen stärker verletze als die Beleidigung der eigenen Person. Der Ermessensspielraum der Richter müsse dabei weit genug sein, um echte von vermeintlicher Blasphemie zu unterscheiden. Schon aus Eigeninteresse sollte der Staat den Respekt vor der christlichen Religion pflegen, die «zu den wichtigsten Wurzeln unserer Zivilisation» gehöre.   […] Die Leugnung des Holocaust sollte nach Meinung von Robert Spaemann nicht strafbar sein. […]
«Der Völkermord an den Juden in Europa ist seit den 70er Jahren in eine quasi sakrale Ebene erhoben worden», kritisiert der Philosoph. Einige, wie der frühere Außenminister Joschka Fischer, wollten im Holocaust sogar den «Gründungsmythos» der Bundesrepublik sehen.

Und wieder hat Prof Spaemann neue Freunde gefunden. 

Die Kreuznet-Redaktion ist begeistert von ihm:

Der Philosoph erklärt, daß der säkulare deutsche Staat trotz seiner Religionsneutralität dem deutschen „Völkermord an den Juden“ eine Quasi-Sakralität zuerkennt „wie dem Kreuzestod Jesu“.
Die „Leugnung des Mordes an sechs Millionen Juden“ sollte nach Spaemann nicht strafbar sein – ebenso wenig „wie die Leugnung des Kreuzestodes Jesu zum Beispiel im Koran.“
 (Hakenkreuznet 26.07.12)

Mittwoch, 25. Juli 2012

Wie sich das Klein Mitt so vorstellt.



Die Geographie-Unfähigkeiten der Durchschnittsamerikaner sind Legende.


 Angeblich kann nur eine Minderheit der USAner die Nachbarländer ihrer eigenen Nation aufzählen. Dabei ist die Liste - Mexico und Kanada - durchaus überschaulich.
(Michael Moore schlug einst vor, Amerika dürfe keinen Krieg gegen ein Land beginnen, welches der Präsident nicht auf dem Globus finden könne. Der Irakkrieg wäre uns sicherlich erspart geblieben.)



Da ich diese Statistiken nicht selbst gefälscht habe, weiß ich nicht ob man ihnen trauen kann. Fest steht, daß solche Umfragen auch in Deutschland sagenhafte Unkenntnisse hervorbringen. Zeigt man einem Jugendlichen in Berlin bei einer Straßenumfrage eine Blind-Karte von Europa und bittet ihn die Länder zu benennen, wird er in vielen Fällen noch nicht einmal Deutschland finden.


Der Unterschied zu Amerika besteht darin, daß völlige erdkundliche und geopolitische Ahnungslosigkeit tendenziell eher peinlich ist.
Spitzenpolitiker, die wie Guido Westerwelle über keinerlei außenpolitisches Interesse verfügen und das Amt des Außenministers antreten, ohne jemals im Leben in Washington oder Paris gewesen zu sein, sind eher selten.
Es bekommt ihm auch nicht.
Den Job als Deutschlands oberster Diplomat gemütlich nebenbei auf einer Arschbacke abzusitzen, während er weiterhin seiner Vorliebe für Parteipolitik frönt und die innenpolitischen Strippen zieht, war der Plan.
Ein Plan, der katastrophal scheiterte.
Westerwelle verlor zwei seiner drei Ämter, riss seine Partei und die Regierung in den Abgrund und hat heute die politische Autorität eines Plattwurms.
Vermutlich würde er es noch nicht mal mehr schaffen zu röslern (=durch dummerhaftige Bemerkungen Europas Börsen abstürzen lassen). Selbst, wenn er wollte, gelänge dies nicht, weil ganz Europa weiß, das Wort des deutschen Außenministers ist bedeutungslos - und wenn er mit dem Fuß aufstampfend noch so einen Veitstanz aufführte.
 „Ich bin nicht als Tourist in kurzen Hosen hier. Was ich sage, zählt!“


Der deutsche Urnenpöbel weiß zwar auch keine Lösungen für die europäische Finanzkrise, den Afghanistanabzug oder die Lyse Syriens, aber er ärgert sich dennoch, wenn der zuständige Minister geistig entleert von Fettnapf zu Fettnapf hüpft.

In Amerika läuft das ziemlich anders. Es gibt zwar durchaus professionelle Außenpolitik-Experten und Personen, die sich wie Hillary Clinton so sehr in die Sache hängen, daß sie sich beim vielen Rumfliegen gelegentlich schon selbst begegnen. 


Aber selbst der mächtige Außenpolitik-Ausschuss des Senats (U.S. Senate Committee on Foreign Relations) wird zunehmend von Vollhorsten besetzt.


Hinter dem Politfuchs und Vorsitzenden John Kerry gibt es unter den weiteren 18 Mitgliedern auch Typen wie die beiden 41-Jährigen Teebeutler Marco Rubio (Senator aus Florida) und Mike Lee (Senator aus Utah). 

Mitglied des Außenpolitikausschusses ist außerdem der ultrakonservative Quäker James Mountain „Jim“ Inhofe aus Oklahoma, der sich den Kampf gegen Schwule auf die Fahnen geschrieben hat. 



Weiterhin setzt er sich massiv für totale Waffenfreiheit und Pflichtschulgebete ein.
Ein Chefaußenpolitiker ist außerdem Senator James Warren „Jim“ DeMint (South Carolina)
Nach einem Ranking des National Journal war DeMint im Jahr 2007 der Senator mit dem konservativstem Abstimmverhalten. […]  Während der Regierungszeiten der Präsidenten Bush und Obama lehnte er regelmäßig Ausgabensteigerungen ab und stimmte auch gegen die „Bailouts“ für Banken und Firmen während der Finanzkrise 2008.  Er ist Mitglied der christlich-fundamentalistischen Organisation The Family und lehnt Abtreibungen kategorisch, d.h. auch nach Inzest oder Vergewaltigung ab und tritt für das Schulgebet ein.
(Wiki)

Für Republikaner gilt es geradezu als eine Art Vaterlandsverrat außenpolitische Kenntnisse zu haben.


George W. Bush, der vor seinem Wahlkampf 2000 angeblich noch nicht einmal einen Reisepass besaß, weil er die USA nie verlassen hatte, kokettierte geradezu damit nichts von der Welt zu wissen. Es funktionierte und machte ihn sympathisch für all die amerikanischen Hillibillies, die auch nie im Leben das Land verlassen würden.

Auch Sarah Palin beantragte im Präsidentschaftswahlkampf 2008 ihren ersten Pass. 
Vorher begnügte sie sich damit Russland quasi von ihrem Wohnzimmer aus sehen zu können und bewies ihre sagenhafte Ahnungslosigkeit Tag für Tag. Auch sie wurde zur Ikone und hat Millionen Fans.
Diese Zimmertemperatur-IQ-Frau erschien McCain damals übrigens wesentlich geeigneter für das Vizepräsidentenamt als ein gewisser Mitt Romney, der ebenfalls im Gespräch war.


GOPer können mit ihrer Doofheit punkten.

 Auch die Kandidaten Rick Perry und Herman Cain waren beinahe stolz, als ihre enormen außenpolitischen Bildungslücken offenbar wurden.



Der hochgebildete John Kerry scheiterte unter anderem 2004 daran, daß er UND seine Frau als „Polyglotte“ enttarnt wurden.
 Wer noch andere Sprachen außer „amerikanisch“ spricht, gilt als suspekt.

Der aktuelle Präsidentschaftskandidat Mitt Romney ist ebenfalls ein außenpolitisches Greenhorn. Man weiß aber, daß er theoretisch französisch sprechen können sollte, da er zwei Jahre als Mormonen-Missionar in Frankreich lebte.
Romney weigert sich aber aus gutem Grund beharrlich in der Öffentlichkeit ein einziges französisches Wort zu reden - seine teebeutelnden Wähler würden es ihm verdammt übel nehmen.



Selbst für die weit nach rechts in politische Abseits gerutschten US-Republikaner gehört es sich aber traditionell im Wahlkampf eine Auslandsreise anzutreten.
Es könnte ja noch zwei oder gar drei Wähler geben, denen Außenpolitik nicht völlig egal ist
Dabei hatte Romney schon im Vorwahlkampf klar gemacht was er von der „Welt da draußen“ hält: 

Militärische Aktionen sind gut, Israel muß bedingungslos unterstützt werden und alle Europäer sind böse sozialistische Scheißer.

"Zum Teufel", hat der Präsidentschaftskandidat gerufen, "Europa funktioniert nicht mal in Europa!" Und der Präsident? Barack Obama hole sich Rat bei den Europäern, "er will uns zu einer Nation der Leistungsempfänger machen".
So munter ging es zu während des Vorwahlkampfs der Republikaner. Auf Veranstaltungen, wo sie Obama für einen Sozialisten halten, also quasi einen Europäer. Der Kandidat Romney indes ließ keinen Zweifel daran, dass er keineswegs gedenkt, sich und Amerika in den Strudel des untergehenden Abendlands hineinziehen zu lassen. […] Neben stetem Europa-Bashing ist er mit Verbal-Attacken auf Chinesen und Russen aufgefallen. Das rote Riesenreich nannte er einen Währungsmanipulator; Russland "ohne Frage unseren geopolitischen Gegner Nummer eins". Gegen Irans Mullah-Regime fordert er eine härtere Linie, Obama wirft er vor, Israel zu "opfern". Den US-Militärhaushalt will er aufstocken, 100.000 zusätzliche Soldaten rekrutieren. Die Festlegung auf 2014 als Jahr des Abzugs aus Afghanistan hat er stets kritisiert.

Romneys „Weltreise“ beginnt jetzt.
Natürlich fragte man sich, welche Länder er besuchen würde.
 China und Russland, die Schlüsselstaaten im UN-Sicherheitsrat?
 Würde er es Obama nachmachen und in Berlin aufschlagen? Immerhin ist Deutschland zweifelsohne der Hauptakteur der Europäischen Finanzkrise. Ohne Berlin geht nichts.
Der Nahe Osten? Wird der GOPer sich selbst ein Bild von den Umbrüchen in Ägypten und Tunesien machen?
 Oder denkt er womöglich an das für die USA so ungemein wichtige Süd- und Mittelamerika? Mexiko? Brasilien? 

Truppenbesuche in Bagdad oder Kabul?

Von Mittwoch an bereist er in sechs Tagen drei Länder: Großbritannien, Israel, Polen. Der Kandidat, so erklärt seine Kampagne, wolle demütig "lernen und zuhören". Und der Trip folge einem roten Faden. Alle drei Nationen seien "Säulen der Freiheit" und treueste Verbündete.
[…] Romneys Berater wollten katholische und jüdische Wähler umgarnen - und von unterwegs eine bekannte Kernbotschaft nach Amerika schicken: "Sie wollen das Argument unterstreichen, Obama habe sich zu sehr um Amerikas Feinde gekümmert - und zeigen, dass Romney vor allem Amerikas Freunde und Alliierte unterstützen werde."
[…] Am wichtigsten ist Romneys PR-Beratern der Termin am Freitagabend. Da wird Romney allerlei US-Olympioniken treffen, und er wird an der Eröffnung der Olympischen Spiele teilnehmen.
Beispiel zwei, Israel. […]
Premier Benjamin Netanjahu, mit dem Romney seit Mitte der siebziger Jahre nach ihrer Zeit bei einer Consultingfirma in Boston befreundet ist, diente den Republikanern mehrfach als Kronzeuge [der Obama-] Kritik: Während einer Rede vor dem US-Kongress, in der Netanjahu sich ungewöhnlich offen gegen Obamas Nahost-Politik verwahrte, erntete der Israeli frenetischen Beifall.
 (Christian Wernicke, 25.07.2012)

Dienstag, 24. Juli 2012

Der akzeptable Christ - Teil I



Neue Reihe.

Vorwort:

Wie Tammoxianer wissen sind organisierte Religiöse eine recht unangenehme Spezies.

Sie sind von einem ausgeprägten „Wir sind besser als die“-Gefühl durchdrungen, wähnen sich im Besitz einer überlegenen Moral, die ihnen erlaubt Dinge zu tun, die Ungläubige nicht dürfen.
Religioten sind denkfauler, verfügen über einen messbar niedrigeren IQ als Atheisten, sind generell deutlich schlechter über Religionen informiert, schlagen ihre Kinder häufiger, finden Folter akzeptabler und haben weniger Bedenken Kriege anzufangen. 
Gott ist ja auf ihrer Seite. Das erspart Denkprozesse und das Abwägen von Konsequenzen. Religiöse haben darüber hinaus die anmaßende Weltsicht ihre Moralvorstellungen wären universell. Das was sie für sich selbst ablehnen, soll auch für alle anderen gelten.

Gentechnisch gewonnene Krebsmedikamente, Sterbehilfe, Heirat zwischen zwei Männern, Sexualaufklärung, Kondome, Recht auf Schwangerschaftsunterbrechung - all diese biblisch verbotenen Dinge sollen auch die Atheisten nicht dürfen.
Dabei reichte es doch völlig aus, wenn sich die Religiösen selbst an diese Verbote hielten und die Humanisten machen ließen was sie wollen.

Wann immer humanistische Fortschritte erkämpft wurden, standen die Religio-Perversen auf der Bremse.

Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Rechtsstaat, Frauenemanzipation, Folterverbot, Abschaffung der Sklaverei, Abschaffung der Todesstrafe, Freiheit der Kunst, Abschaffung der Prügelstrafe, Tierrechte, Ächtung von Antisemitismus, Schwulenrechte, Abschaffung des Verbots gemischtrassiger Ehen, Abschaffung des Verbots gemischtkonfessioneller Ehen, Verbot von Vergewaltigungen in der Ehe, etc pp - all das mußte gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden.

Freidenker, Atheisten, Humanisten, Aufklärer, die die Grenzen des religiös oktroyierten Denkens überwanden, sind die interessanteren und angenehmeren Menschen.

Wer würde nicht lieber mit Freud, Nietzsche, Heinrich Heine, Richard Branson, Warren Buffet, Noam Chomsky, Bertrand Russell, Fichte, Voltaire, Dawkins, Darwin, Schmidt-Salomon, Hemingway, Gates, Bob Geldof, Christopher Hitchens, Arthur Miller, Gore Vidal, Nadine Gordimer, Björk, Dario Fo, Joaquin Phoenix, Howard Stern, Seneca, Epikur, George Bernard Shaw, Milan Kundera, Arundhati Roy, Rushdie, Simone Beauvoir, Katherine Hepburn, Nikolai Rimsky-Korsakov, Jodie Foster, James Joyce, Stanisław Lem, Primo Levi, Daniel Dennett, Michel Onfray, Albert Camus, Denis Diderot, Sartre, Gorbatschow und Sam Harris die Ewigkeit verbringen, statt mit lauter frommen Bischöfen und ihren Messdienern im Himmel Harfe zu spielen?

2012 fällt es einem allerdings vergleichsweise leicht Abstand von jüdischen, islamischen oder christlichen Denkschablonen zu nehmen.
Wir haben Vorbilder und die weltliche Macht der Kirchen ist zumindest in Nordeuropa deutlich gesunken.
Für Voltaire war es ungleich schwieriger. 
Die Konsequenzen seines freien Denkens bedeute für ihn sein halbes Leben auf der Flucht zu sein.
Der absolute französische König hätte ihn nur zu gerne umgebracht.

Für die Menschen in früheren Jahrhunderten ohne freie Tageszeitungen, ohne Internet und mit einem von der Inquisition durchgesetzten Index der verbotenen Bücher war es ein ungleich größerer und ungeheuerlicherer Schritt sich vom religiösen Weltbild zu lösen.

Selbst wenn man mit eigenen Augen sah, was nicht sein durfte und dies schriftlich festhielt, durfte man oftmals nicht wagen diese Erkenntnisse zu teilen. 
Eine der wenigen Ausnahmen war Spanien unter Maurischer Herrschaft.

Wer forschte, tüftelte, las, lief Gefahr, auf dem Scheiterhaufen zu landen. Als in Mitteleuropa während der Aufklärung die Naturwissenschaft erblühten, stritten sich spanische Gelehrte darüber, ob Engel beim Fliegen Seelen transportieren können. 

Unglücklicherweise haben die vielen Jahrhunderte offensiver Christlicher Verblödung dazu geführt, daß auch mit abnehmender weltlicher Macht der destruktiven Christen die Schere im Kopf bestehen blieb.
Der Biologe George Murray Levick (1876-1956) hockte von 1910 bis 1913 mit der berühmten Scott-Expedition in der Antarktis fest und beobachtete mit äußerster Akribie Adélie-Pinguine. 
Was er dort lernte gefiel dem im Viktorianischen England geprägten Gentleman so wenig, daß er seine Beobachtungen zur Sicherheit nur in Griechisch aufschrieb und verfügte, die anrüchigen Teile dürften nicht veröffentlicht werden. Als "verdorbenes Verhalten verbrecherischer Vögel“ deutete er das Gesehene.

Bedeutende Denker blieben mitunter Christen, weil die Barriere zum Ungläubigen zu werden in ihrer Zeit unüberwindbar schien.
Religiöse können aber prinzipiell dennoch gute Menschen sein.
In lockerer Folge möchte ich einige von ihnen würdigen.

Der akzeptable Christ - Teil I

Der Portugise Marquês de Pombal (* 13. Mai 1699 in Lissabon; † 8. Mai 1782) wurde als Sebastião José de Carvalho e Mello geboren.

Pombal studierte an der Universität Coimbra. 1738 wurde er portugiesischer Botschafter in London, sieben Jahre später portugiesischer Gesandter in Wien. 1750 wurde er vom König José I. zum Außenminister ernannt.
(Wiki)

Der akzeptable Christ Nr 1 hatte einen sehr wachen Geist, sog die Erkenntnisse der beginnenden Aufklärung ein, war aber auch klug genug, um es im katholischsten Land des damaligen Europas zum Ersten Minister des Königs zu bringen.

Portugal war damals eine Enklave der Seligkeit. 
Durch die Ausbeutung der Kolonien verfügte man über nahezu unendliche finanzielle Mittel und das Volk bildete eine katholisch-homogene Einheit hinter dem Königshaus.

Die Emissäre des Vatikans, die Inquisition hatte das Volk fest im Griff.
 Man glaubte den Klerikern uneingeschränkt und ergab sich willig in die absolute Tyrannei der Katholischen Kirche.

Die Zäsur geschah am Vormittag des 1. November 1755, als ein gewaltiges Erdbeben fast die gesamte prächtige Hauptstadt Lissabon zerstörte. 
Es handelte sich vermutlich um ein Richterskala-Neun-Beben mit einem Epizentrum im Atlantik vor der Portugiesischen Küste. 
Möglicherweise starben in den gewaltigen Verwüstungen und Feuerstürmen an die 100.000 der 275.000 Einwohner Lissabons.

Etwa 85 Prozent aller Gebäude Lissabons wurden zerstört, darunter die berühmten königlichen Paläste und Bibliotheken, die brillante Beispiele der manuelinischen Architektur des 16. Jahrhunderts waren. Was das Beben nicht zerstörte, fiel den Flammen zum Opfer, etwa ein erst kurz zuvor eröffnetes großes Opernhaus. Der königliche Palast am Tejo-Ufer, auf der heutigen Praça do Comércio, wurde ebenfalls zerstört, und mit ihm die riesige Staatsbibliothek mit über 70.000 Büchern und unwiederbringlichen Malereien von Tizian, Rubens und Correggio. Auch die Aufzeichnungen von den Expeditionen Vasco da Gamas und anderer Seefahrer gingen verloren.
Das Erdbeben zerstörte auch fast alle Kirchenbauten von Lissabon, besonders die Kathedrale Santa Maria, die Basiliken von São Paulo, Santa Catarina und São Vicente de Fora, aber auch die Kirche Igreja da Misericórdia. Das Hospital Real de Todos os Santos (königliches Allerheiligenhospital) verbrannte in der anschließenden Feuersbrunst, wobei auch Hunderte der Patienten umkamen.
(Wiki)

Die allmächtigen Kleriker, insbesondere Jesuiten, hatten keine wissenschaftliche Erklärung. 
Sie drohten den verzweifelten Menschen. 
Gott habe Feuer und Flut geschickt um das sündhafte Leben der Lissabonner zu strafen. 
Sie gaben sogar explizit Anweisungen nicht bei den Rettungsarbeiten und am Wiederaufbau teilzunehmen, sondern in die Kirchen zu kommen und dort zu beten. 
Nur Gebete könnten Gott besänftigen.

Von den Geistlichen in die brennenden Gotteshäuser getrieben, starben weitere Tausende.

Wie konnte das ausgerechnet im frommen Portugal passieren? 
Es herrschte Lähmung.
 Nur der Premierminister Sebastião de Mello, der spätere Marquês de Pombal, behielt einen klaren Kopf und organisierte in vorbildlicher Weise Rettungsmaßnahmen und den Wiederaufbau.

Dabei geriet er heftig mit aufs Beten versessenen Kirchenführern aneinander. 
Einer der berühmtesten Prediger war der italienische Jesuit Gabriel Malagrida (*1689, Menaggio — September 1761, São Nicolau). 
Er hatte 28 Jahre in Brasilien als Missionar die Menschen heimgesucht und lebte ab 1749 mit Unterbrechungen in Lissabon. 
Als Vertrauter des Königspaares gewann er enormen Einfluss auf das Land. Er diente zwei Königen als Beichtvater.  
 Die Regentschaft des Sohnes von Johann V., König Joseph I. (1750 - 1777), überlebten weder Malagrida, noch sein Orden.

Der Jesuit hatte stets mit Verboten und Strafen argumentiert. 
Wissenschaft war Teufelszeug.
Die weltberühmte Encyclopédie des Denis Diderot, die 1750 nach jahrzehnterlanger Arbeit und Kirchlichen Repressalien mit ihren fast 61. 000 Artikeln erschien, wurde auf Druck des Jesuitenordens 1759 von Papst Clemens XIII. auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt und öffentlich verbrannt.

Unser Titelheld Marquês de Pombal nutze das totale moralische Versagen der Katholischen Kirche in der Post-Erdbebenzeit und griff hart durch. 
Ebenfalls im Jahr 1759 wurde der Jesuitenorden in Portugal und Brasilien aufgelöst. Pombal erhielt im gleichen Jahr vom König für sein Wirken nach dem Erdbeben den Titel „Conde de Oeiras“. 

Der Erste Minister des Königs wurde auch den Beichtvater des Königs los, indem er ihn 1761 hinrichten ließ.

Im Zuge des großen Aufräumens erschuf Pombal Gewaltiges. 
Er ließ die ersten etwas erdbebensicheren Gebäude bauen, schuf mit normierten Elementen eine Art sozialen Wohnungsbau und widmete den Bürgern und NICHT DER KIRCHE öffentliche Plätze zum Flanieren.
 Er fühlte sich so sehr der Aufklärung verpflichtet, daß er gegen den heftigen Widerstand der Katholiken 1761 die Sklaverei in Portugal und in den indischen Kolonialgebieten abschaffte.
 Pombal entriss der Kirche das Recht auf Zensur und stellte völlige rechtliche Gleichheit zwischen getauften Juden und den sogenannten „Alt-Christen“ her. 

Schulen und naturwissenschaftliche Fakultäten entstanden, all das von Papst und Kirche verbotene Wissen sollte zugänglich gemacht werden.

Der Marquês de Pombal warf die Römische Inquisition aus dem Land und gestand sogar den zuvor von Gabriel Malagrida SJ missionierten Indianern Brasiliens Rechte zu. 

Der Königliche Beichtvater erlebte es nicht mehr. 

Ich gratuliere Pombal heute noch dafür, daß er Malagrida und seinen katholischen Orden zur Hölle schickte.

Katholische Quellen sehen die Geschichte freilich ein bißchen anders.

„Dem König malte Pombal das Gespenst eines Aufstands vor Augen, der angeblich von den Jesuiten geschürt würde. Es nützte nichts, daß Malagrida zusammen mit seinen Mitbrüdern sich während der Katastrophe heldenhaft der notleidenden Bevölkerung angenommen hatte. Der König gab Pombal freie Hand, und so kam es, dass Malagrida auf den Tag genau ein Jahr nach dem Erdbeben nach Setubal, südlich von Lissabon, verbannt wurde.
Diese Verbannung war nur der erste Schritt auf dem Leidensweg, der nun folgen sollte. Am 19. September 1757 verbannte Pombal Pater Moreira SJ, den Beichtvater des Königs, und die übrigen Jesuiten vom königlichen Hof.
[…]   Am 11. Januar 1759 wurde [..] Malagrida mit neun weiteren Jesuiten verhaftet. […]     Sechs Tage später erwirkte Pombal vom König ein Dekret, das alle Jesuiten in ganz Portugal ihres Besitzes enteignete und die militärische Bewachung in ihren Häusern, die sie nicht verlassen durften, anordnete. Am 3. September 1759 verfügte ein Edikt ihre Deportation. Unter den entwürdigendsten Umständen wurden sie auf Schiffen außer Landes gebracht. Die meisten kamen nach Italien. Ein Teil von ihnen starb unterwegs, andere waren dem Hungertode nahe. 1700 Jesuiten in Portugal waren davon betroffen, weitere 900 in den portugiesischen Missionen. Die Zerstörung der Missionen und die schlechtere Rechtsstellung, die Pombal den Indianern bescherte, öffnete ihrer Ausbeutung Tür und Tor.“

Mir kommen die Tränen.





„In letzter Zeit war die Leistungsbilanz Gottes, was die Juden anbelangt nicht gerade überwältigend." 
Er könne nicht zugleich allmächtig und gerecht sein - denn wäre er es, hätte er Ausschwitz nicht zugelassen. Doch offensichtlich konnte er es nicht verhindern.
Und was ist wenn es einen Gott gibt, der Ausschwitz verhindern wollte, aber nicht konnte?

Auch dazu hat Bauer eine einfache Antwort: 
„Ein armer Kerl, der Unterstützung braucht, der sich seine Stärke von uns holen muß - einen solchen Gott brauche ich nicht!“

Montag, 23. Juli 2012

Lügner.




Es schickt sich nicht einen Politiker der Lüge zu bezichtigen. 
Das hat irgendwas archaisches, geht tief unter die Gürtellinie.
Will man einem aktiven Politiker das höchst zulässige Maß der Missbilligung bescheinigen, betont man nach einer Entschuldigungsfloskel („ich muß Ihnen leider sagen..“, „wenn Sie es so ausdrücken, dann…“) jemand spräche die „Unwahrheit“!

Dieser Terminus ist etwas höflicher, da er anders als „Lüge“ auch bedeuten kann, daß man einem Irrtum aufsitzt, einige Fakten nicht kennt oder versehentlich falsche Zusammenhänge herstellt.

Lüge hingegen ist absichtsvolles, bewusstes Täuschen.

Weder „Lüge“ noch „Unwahrheit“ sind die politischen Antonyme zum Begriff „Ehrlichkeit.“

Man kann und MUSS sogar manchmal als Politiker nicht die ganze Wahrheit sagen. Wer nicht immer alles sagt, kann dennoch als ehrlicher Politiker gelten.  
Aber was man sagt, muß stimmen.

Natürlich gibt es Grauzonen in der Diplomatie.
So war es von mindestens vier Bundeskanzlern gewünscht dem Staat Israel U-Boote zu liefern, um die Sicherheit des Mini-Landes zu garantieren. 
Es wäre aber illegal wissentlich zur Proliferation von Atom-Waffen beizutragen.
 Keine Bundesregierung darf einem Atomstaat (außer den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates) ein Waffensystem liefern, auf dem Atomsprengköpfe stationiert werden. Offiziell ist Israel keine Atommacht - aber der Besitz solcher Massenvernichtungswaffen wird auch nicht dementiert.
Vor einer U-Boot-Lieferung an Israel könnte man in Jerusalem anrufen und fragen, ob ausgeschlossen werden könne, daß Atomsprengköpfe auf der "Dolphin"-Klasse montiert werden.
Man tut das aber nicht und mogelt sich drumherum.

Der ehemalige israelische Botschafter in Berlin, Avi Primor, sagte im ZDF zu dem U-Boot-Deal: "Die Deutschen haben immer so getan, als hätten sie es nie verstanden und nie gewusst." Die Bundesregierung habe das Thema öffentlich totgeschwiegen. "Und ich spreche jetzt von der höchsten Ebene in der Bundesregierung, mit der ich einen regelmäßigen Kontakt hatte", ergänzte Primor.
Eine Erklärung dafür deutet Karsten Voigt, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter und Koordinator der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, ebenfalls im ZDF an. "Wenn wir danach gefragt hätten, wäre das Schlimmste gewesen, wenn die Israelis uns eine ehrliche Antwort gegeben hätten", so Voigt. "Wenn sie ehrlich geantwortet hätten und gesagt hätten: Eure Lieferung von konventionell betriebenen U-Booten wird von uns im Rahmen unserer Nuklearstrategie benutzt, dann hätten natürlich die deutschen Regierungen sich da öffentlich legitimieren müssen."

Ein bißchen Unwahrheit kann also durchaus wünschenswert sein.

In letzter Zeit erleben wir mehr und mehr Fälle von echten politischen Lügen.
Volker Beck zum Beispiel kann nach dem massiven Informationszufluss der letzten drei Wochen nicht mehr auf Unwissenheit und Versehen pochen, wenn er Wahrheitswidriges im Bundestag behauptet.

Er ist ein klassischer Lügner.

„In den USA, wo die Beschneidung übliche Praxis ist, sterben mehr Jungen an der Zirkumzision als am plötzlichen Kindstod. Ganz zu schweigen von den 1.000 schwer verletzten Jungen, die jedes Jahr in den USA ihre ganze Eichel verlieren. Beschneidung ist richtig gefährlich – auch dann, wenn sie angeblich kunstgerecht durchgeführt wird.“
(Christian Bahls)

„Bei der Abwägung muss auch die Bedeutung des Eingriffs bewertet werden. Er ist in der Tat irreversibel, aber doch vergleichsweise gering – eine gesundheitliche Schädigung ist nicht die Folge..“
(Bundestagsrede von Volker Beck, 19.07.2012)

Beschnittene Männer berichten in Psychotherapien darüber, dass sie unter dem Gefühl leiden, es sei ihnen ohne ihr Einverständnis etwas weggenommen worden. In der Tat hat die Vorhaut wichtige erotische Funktionen: Sie erleichtert die Penetration und erhält die sexuelle Erregbarkeit. […] Die Entfernung der Vorhaut von Säuglingen ist buchstäblich einschneidender als die von Erwachsenen oder älteren Kindern. Da Vorhaut und Eichel bei fast allen Neugeborenen noch fest verwachsen sind, ähnlich wie Fingernägel mit dem Nagelbett, müssen diese beiden Strukturen zunächst einmal auseinandergerissen werden. Danach wird - je nach Methode - die Vorhaut längs abgeklemmt und eingeschnitten, mit einem Beschneidungsinstrument rundum für mehrere Minuten gequetscht und schließlich mit einem Skalpell amputiert. Die gesamte Operation dauert bis zu zwanzig Minuten. Obwohl in medizinischen Studien bewiesen wurde, dass die Neugeborenen extreme Schmerzen erleiden, ist eine adäquate Betäubung auch heute noch eher die Ausnahme als die Regel.
(Prof. Wolfgang Schmidbauer)

Ein Vollblutlügner ist auch der Finanzminister Wolfgang Schäuble, der immerhin am Rednerpult des Bundestages auf die direkte Frage Christian Ströbeles, ob er denn jemals einen Koffer voll Geld angenommen hätte, verneinte.
Dabei hatte er einen Aktenkoffer mit 100.000 DM in bar angenommen.

Verteidigungsminister von und zu Guttenberg tischte uns gleich einen ganzen Berg Lügen auf. "Meine Dissertation ist kein Plagiat!"

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist ebenfalls öffentlich der Lüge überführt, nachdem er behauptete sein Haus habe nicht einseitige Auszüge seiner Islamstudie vorher an die BILD-Zeitung durchgestochen.


Das öffentliche Lügen ist weit verbreitet und schadet dem Ansehen kaum.

 Auch Helmut Kohl, der immerwiedergewählte ewige Kanzler wurde im Flick-Untersuchungsausschuss bei groben Lügen ertappt. (Geißler entschuldigte es später mit einem "Blackout")

 Ministerpräsident Koch log dutzendfach sein Volk über die schwarzen CDU-Kassen an und wurde wiedergewählt.

Selbstverständlich ist auch Angela Merkel eine vielfach überführte Lügnerin. 
Dazu gehören nicht nur falsche Versprechen, die sie immer wieder bricht (kein Atomaussteig, Beibehalten der Wehrpflicht, keine Umschuldung Griechenlands, keine deutschen Haftung für Schulden anderer Länder, etc pp), sondern auch faustdicke Gemeinheiten wie ihre gespielte Empörung über die geringere Arbeitszeit und den längeren Urlaub der Griechen. 
Dabei ist das Gegenteil der Fall.

In die Reihe der Regierungsmitglieder, die nun öffentlich der Lüge bezichtigt werden, gehört nun auch der Vizekanzler.

Keine Woche, in der man „Fipsi dreht durch“ nicht wiederholen möchte!

Die arme kleine Witzfigur wird selbst in der eigenen Fraktion und Partei nur noch als Kuriosum und Auslaufmodell betrachtet.
 Wie ein kleiner Junge mit schwerem ADHS haut er nun in immer kürzerer Frequenz irgendwelchen Unsinn raus - in der Hoffnung, daß ihm endlich mal einer zuhört.

Letzte Woche wollte er die wenigen noch bestehenden Waffenexporteinschränkungen aufheben, diese Woche heizt er im Plauderton die internationalen Finanzmarktspekulationen an, indem er Griechenland zum Abschuß freigibt. 
Als Folge wird es noch schwieriger für die klammen Länder Kredite zu bekommen, ihre Zinslast steigt und der bürgende deutsche Steuerzahler sitzt noch mehr in der Patsche.

Selbst seine Parteifreunde sind fassungslos über so viel Doofheit.

Er sei "mehr als skeptisch", dass Athen die harten Sparauflagen noch erfüllen könnte, hatte der Wirtschaftsminister erklärt. Und: Der Gedanke an einen Euro-Austritt der Griechen habe für ihn "seinen Schrecken verloren". Die Reaktionen in der FDP reichen bis zum Vorwurf der "Unprofessionalität". An den Finanzmärkten sorgte die Angst um die Krisenländer Griechenland und Spanien für Kursverluste.  Nun bemühen sich die Liberalen, die Aussagen ihres Parteichefs zu entschärfen. Der für Europa zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Link, sagte am Montag in Brüssel, ein Ausscheiden des Landes aus dem Währungsraum dürfe nicht herbeigeredet werden. Position der Bundesregierung sei, dass kein Land herausgedrängt werden dürfe.
Weniger diplomatisch äußerte sich der liberale Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis. Das "Ausmaß an Unprofessionalität" der Rösler-Äußerungen erstaune ihn und überrasche in ganz Europa. […]
"Wenn Philipp Rösler in einer solchen Situation den Daumen schon nach unten senkt, frage ich mich: Auf welchem Planet lebt er?", sagte der griechischstämmige Politiker Chatzimarkakis der "Saarbrücker Zeitung". Von der Bundesregierung forderte er, Griechenland angesichts einer Rezession mehr Zeit für seine Reformen zu geben.
Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, nannte die Äußerungen von Rösler angesichts der Probleme Spaniens und Italiens "grob fahrlässig". Rösler zeige damit, "dass er leider immer noch nicht die Euro-Krise verstanden hat", bemängelte Horn gegenüber dem "Handelsblatt".
[…] Der Euro-Kurs sank am Montag auf den tiefsten Stand seit Juni 2010. Die Leitindizes an den Börsen in Madrid und Mailand gaben zeitweise um mehr als fünf Prozent nach. Die Kurse an der Börse in Athen rutschten um mehr als sechs Prozent ab. Auch der Dax schwächelte am Montag deutlich, er verlor mehr als drei Prozent.

Doofheit wäre eigentlich zu verzeihen.
 Aber Rösler ist auch noch ein Lügner.

Grünen-Fraktionschef Trittin fährt schwere Geschütze gegen Wirtschaftsminister Rösler auf: "Die Wahrheit ist: Herr Rösler lügt". Hintergrund ist die Debatte um die Vergemeinschaftung von Schulden. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin wirft Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) in der Schuldenkrise Unaufrichtigkeit vor.   "Die Wahrheit ist: Herr Rösler lügt", sagte Trittin am Montag im Deutschlandfunk zur Aussage Röslers, es dürfe keine Vergemeinschaftung europäischer Schulden geben. Deutschland hafte bereits jetzt für andere Staaten, sagte Trittin.
Er kritisierte auch Aussagen von Rösler und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zu einem möglichen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone.
"Es nützt überhaupt nichts, hysterisch durch die Sommerpause zu hüpfen und immer das zu fordern, was man schon vor der Sommerpause gefordert hat", sagte der Grünen-Fraktionschef.
 (Welt.de 23.07.12)