Mittwoch, 14. April 2021

Ich will Schröder oder Schmidt zurück!

Die kleinen Sars-CoV2-Erreger haben jetzt erst mal Pause.

Die sollen sich mal hinten anstellen; wir haben schließlich Wichtigeres zu tun.

Armin und Markus zanken sich und in einem eunuchischen Massenwahn begeistern sich die CDU-Mandatsträger dafür, die eigene Führung in die Tonne zu treten und lieber gleich einen Mann aus einer anderen Partei zum Kanzlerkandidaten zu machen.

Seht her, Ihr Wähler – wir halten selbst unseren eigenen Vorsitzenden für unfähig und setzen lieber auf einen Typen, der charakterlich garantiert vollkommen ungeeignet ist Kanzler zu werden.

[…..]  Offenbar leidet das halbe Land unter Gedächtnisverlust – anders ist nicht zu erklären, dass viele Markus Söder ernsthaft für einen guten Kanzlerkandidaten halten. Schon oft hat er bewiesen, dass er für das Amt nicht taugt. [….]

(Joachim Behnke, SPON, 14.04.2021)

Söders Methoden können in Berlin nicht funktionieren, aber der CDU ist offenbar schon alles egal. Da kann man sich schon mal ausführlich im eigenen Regierungs- und Führungsversagen suhlen, damit es auch jeder Wähler mitbekommt.

Da es derzeit nun wirklich nichts anderes gibt, um das man sich kümmern könnte, frönen CDU und CSU ausgiebig ihrer Nabelschau.

Welche Themen gäbe es denn sonst?

Es ist ja schließlich nicht so, daß es irgendwie dringlich wäre etwas gegen die Pandemie zu unternehmen. Nach gerade mal 14 Monaten haben die Bürger doch noch richtig Lust drauf und wollen die hohen Infektionszahlen voll genießen.

Die paar Tausend Deutschen auf den Intensivstationen; die paar hundert Deutschen, die jeden Tag an Covid19 sterben, sind ja nun wirklich nicht so relevant wie die Befriedigung der persönlichen Eitelkeiten von Kruzifix-Markus und Möchtegern-Kaiser-Nachfahre Armin.


[…..] "Wir werden #Notbremsengesetz erst in 1 Woche beschliessen. Dann haben wir 5 Wochen Notbremse verloren. Die neuen Intensivpatienten in 3 Wochen sind heute schon infiziert. Durch Angebot von Tests in Betrieben und #Ausgangsbeschränkungen, wenn sie kommen, sinkt R-Wert nicht genug. Ehrlicherweise bin ich pessimistisch, dass Regeln so ausreichen. Länder müssten FRÜHER reagieren und über Notbremsengesetz hinweggehen. Es ist unsinnig, jetzt noch, kurz vor #Impfung, so viele durch Tod, schwere Krankheit oder #LongCovid zu gefährden. Das will doch kein Bürger." […..]

(Karl Lauterbach, 13.04.2021)

Schleswig-Holstein öffnet Außengastronomie, Kinos und Konzertsäle.

[….] Die #Notbremse ziehen wir zu spät und nicht fest genug. Wenn uns jetzt noch viele in den Arm fallen wird es schwer. Die Länder könnten eigentlich schon handeln und sollten nicht warten. Verlorene Zeit verlängert #Lockdown unnötig und kostet Menschenleben. […..]

(Karl Lauterbach, 14.04.2021)

 

[…..]„Präpotente Machos lachen die Wissenschaftlerin in der Runde aus und glauben es tatsächlich immer noch besser zu wissen: Wir sind sowas von am Arsch!“ […..]

(Christian Ehring, 08.04.2021)

[….] Die vom Bundeskabinett beschlossene Änderung des Infektionsschutzgesetzes – die bundesweite Corona-Notbremse – reicht nach Ansicht von Fachleuten zum Kampf gegen die Pandemie allein nicht aus. Wegen der Lage auf den Intensivstationen erwartet der Virologe Christian Drosten, dass zusätzlich zur Notbremse weitere Maßnahmen nötig sein werden.

„Ich denke, dass man anhand der sich jetzt einstellenden Situation in den Krankenhäusern auch noch mal anders reagieren muss“, sagte der Corona-Experte von der Berliner Charité am Dienstag im Podcast „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info. Dies müsse sicherlich in „allernächster Zeit“ geschehen. […..]

(Tagesspiegel, 14.04.2021)

[…..] Hier beschreibt Prof. Michael Hallek die Lage in unserer Uniklinik in #Köln. Die weiche #Triage, suboptimale Versorgung durch Verlegen oder Verschieben, hat schon begonnen. Die Lage spitzt sich täglich zu. Und wir diskutieren immer noch über 21 Uhr Ausgang oder nicht...[….]

(Karl Lauterbach, 14.04.2021)

Dienstag, 13. April 2021

Sahra Sarrazins geheuchelte Empörung

Wer glaubt, daß in im deutschen Rechtstaat nach 1949 mit unserem Grundgesetz die Menschenwürde unantastbar ist, sollte sich noch einmal Marco Giacopuzzis Dokumentation „Der "Schwulenparagraf" - Geschichte einer Verfolgung“ von 2019 ansehen.

1871 im Kaiserreich eingeführt, verbot der § 175 Liebe zwischen Männern und wurde später höchstrichterlich vom Bundesverfassungsgericht betätigt. Es ist eine abscheuliche Geschichte der demokratischen, rechtlich wohlbegründeten Massendiskriminierung.

[…..] Die Nazis verschärften ihn, erhöhten die Strafen. Viele landeten im Konzentrationslager. Frei aber waren sie auch nach dem Krieg nicht. Die junge Bundesrepublik übernahm den Paragrafen 175 in seiner verschärften Form eins zu eins von den Nazis. Wer das KZ überlebt hatte, musste damit rechnen, erneut ins Gefängnis gesteckt zu werden, um die Reststrafe abzusitzen. Selbst das Bundesverfassungsgericht bestätigte 1957, dass der Paragraf 175 mit dem Grundgesetz im Einklang stehe: Männer, die mit Männern Sex hatten, wurden in der Bundesrepublik weiter verfolgt. Nach Schätzungen des Justizministeriums wurde gegen 100.000 Männer ermittelt, 64.000 hat man verurteilt. Der Paragraf hat Leben zerstört, Existenzen vernichtet. […..]

(Der Schwulenparagraf)

Erst der Anschluss der DDR, in der Homosexualität seit 1988 legal war, zwang die BRD schließlich 1994 den §175 zu streichen – gegen den Willen weiter Teile der CDUCSU, die auch 1997 gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe stimmten.

[….] "Mit uns nie", hatte CSU-Unterhändler Edmund Stoiber noch 1990 bei den Koalitionsverhandlungen erklärt, als FDP-Politiker vorschlugen, die Vergewaltigung im Ehebett zu bestrafen. [….]

(SZ, 04.07.2017)

Die Ehe für (fast) alle wurde in Deutschland erst im Oktober 2017 möglich – wieder gegen den Widerstand der frommen homophoben Christen Angela Merkel, Friedrich Merz, Markus Söder und Armin Laschet. Letzterer ist Hardcore-Katholik und hält sich den radikal schwulenfeindlichen Opus-Dei-Dunkelkatholiken Nathanael Liminski als obersten Berater und Chef seiner Staatskanzlei.

Bösartige Vorurteile gegen Minderheiten sitzen tief und es schaudert, wenn man den O-Ton auf der Straße von 1971 anhört genauso sehr wie die hetzerischen  Kommentare aus dem April 2021 zu einer harmlosen dps-Story über drei kalifornische Männer, die gemeinsam Kinder aufziehen.

Homo Homini Lupus.

Menschen neigen nun einmal dazu sich über andere zu erheben, die ihnen aus völlig konstruierten, irrelevanten Gründen unterlegen sind.

So funktioniert Nationalstolz, so funktioniert Nationalismus. So funktioniert Religion („Wir sind besser als die“). Je primitiver der Mensch, desto begeisterter guckt er auf andere herab, hält sich hartnäckig aufgrund seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seines Alters, seines Geburtsortes, seiner sexuellen Vorlieben für etwas Besseres.

Besonders beliebt sind Sündenböcke, die von den Abermillionen Aluhüten und Covidioten gebraucht werden.

Noch heute können skrupellose, bösartige Politiker Vorurteile und Hass gegen Minderheiten nutzen, um ihre Anhänger aufzuhetzen und sich somit als Retter zu inszenieren. So funktioniert Donald Trump heute.

Mit Schwulenhass politische Gefolgschaft zu generieren, ist seit über 100 Jahren ein erprobtes Mittel von Kirchen über Rechtsextreme bis zu Diktatoren und Erzkonservative.

Das deutsche Fernsehen erklärte Schwule wie folgt:

[…..] Grundrechtsneurotiker, unverbesserliche Parasiten der Gesellschaft an der Peripherie einer reformbedürftigen Gesetzgebung. […..]

(Berliner Abendschau, 06.07.1965)

Als katholischer Top-Jurist und Homo-Experte trat Amtsrichter Dr. Karl Panzer mit seinem Volkswartbund auf. Er erklärte Homosexuelle als „weich, sensibel, besonders empfindsam“. Daher wären drakonische Strafen gegen Schwule besonders wirksam:

Sie hätten eine „feminine Veranlagung, die in besonderer Weise Furcht und Angst vor einer Strafe haben. Gerade bei diesem Tätertyp ist eine Strafnormals Abschreckung besonders wirksam.“

Die Schwulen als verweichlichte, verängstigte Kriminelle, die aber durchaus selbst verantwortlich wären.

[….] „Nun wird immer wieder eingewandt, dass es sich um kranke Menschen handele, weil es sich um ein triebbestimmtes Delikt handele und weil dieser Trieb einfach nicht beherrschbar sei, und sonst gesetzestreue Männer hier vor den Strafrichter kommen, die nicht kriminell sind. Dazu ist zu sagen, dass auch die homosexuelle Veranlagung in der großen Mehrzahl aller Fälle genauso beherrschbar ist wie andere heftige Neigungen oder Triebe.“ [….]

(K. Panzer, 24.05.1965)

Diese Ansichten zogen sich noch Jahrzehnte durch die demokratischen Gesellschaften.

Jürgen Zeltinger sang 1984 "Wir bleiben unserm Grundsatz treu / schwul, pervers und arbeitsscheu."   Der Slogan war so bekannt, daß er allgemein verwendet wurde, wenn man sich homophob äußerte.

[….] Dermatologie-Vorlesung am Mittwoch im Uni-Klinikum Rudolf -Virchow (RVK). Mit erregter Stimme tritt Professor Friedrich G. Nürnberger vor seine StudentInnen. „Den von Ihnen geworfenen Fehdehandschuh nehme ich nicht an.“ Hinter dem Pult des Profs hängt ein Transparent an der Tafel: „Die Nürnbergersche Aids-Trias: schwul, pervers und arbeitsscheu“.

Was war passiert? Nach einer Vorlesung des Professors zum Thema Aids am 29. November hatten MedizinstudentInnen des 9. und 10. Semesters sich in einem offenen Brief an die SenatorInnen für Gesundheit und Wissenschaft und das Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen gewandt. Post erhielten auch Ärztekammerpräsident Ellis Huber und die Berliner Aids-Hilfe. Außerdem wurden Flugblätter verteilt, die auf die Nazi-Vorgeschichte der Stigmatisierung und Verfolgung von Homosexuellen hinwiesen.

Die StudentInnen protestierten damit gegen eine schwulenfeindliche Äußerung Nürnbergers. Der hatte in der Dermatologie-Vorlesung das Dia eines tätowierten Aids -Patienten gezeigt und die Tätowierung als Hinweis auf Drogenabhängigkeit und HIV-Risiko bewertet. Als im Auditorium Widerspruch laut wurde, hatte auch Nürnberger seine Stimme erhoben: „Schwul, pervers und arbeitsscheu, da haben Sie die Trias, daran können Sie die erkennen.“ [….]

(taz, 15.12.1989)

Sahra Sarrazin, auf Platz 1 der Bundestagsliste für die LINKE in NRW kandidierend nennt es so:

[….] „Generell schätzt der Lifestyle-Linke Autonomie und Selbstverwirklichung mehr als Tradition und Gemeinschaft. Überkommene Werte wie Leistung, Fleiß und Anstrengung findet er uncool.“ […..]

(Sahra Sarrazin 12.04.2021)

Das ist geradezu mustergültiges „Dog-Whistling“ à la Donald Trump, um die rechtsextreme, völkische Basis anzusprechen.   Der Schwule ist faul, triebgesteuert und asozial.

[…..] Wörtlich schrieb Wagenknecht: "Die Identitätspolitik läuft darauf hinaus, das Augenmerk auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten zu lenken, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und aus der sie den Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein." Als Beispiel für solche "Marotten" nennt sie sexuelle Orientierung, Hautfarbe und Ethnie. Arme Menschen, die lediglich "weiß und hetero" seien, würden dagegen den angeblich begehrten Opferstatus nicht erhalten. […..]

(Denis Klein, 08.04.2021)

Als zufällig Schwarzer oder zufällig arabisch aussehender oder zufällig schwul wirkender Typ auf der Straße angepöbelt, zusammengeschlagen oder getötet zu werden – all das kommt wirklich vor – rechtfertigt die Linksbraune offenbar damit, daß derjenige selbst schuld an seiner „Marotte“ sei.

[….] Die Einen sprechen von „normal“, die Anderen schwadronieren von „skurrilen Minderheiten“ oder diffamieren meine Community auch als  angebliche „Pseudofamilien“. Die Gegner*innen einer vielfältigen und gleichberechtigten, pluralen Gesellschaft stehen nicht rechts - sie sind mitten unter uns!  Wir alle müssen das endlich kapieren und es offen aussprechen, bevor die Spalter*innen weiteren Unheil anrichten werden! [….]

(Alfonso Pantisano, SPD, 11.04.2021)

[……] Was sie schreibt, ist falsch. Ich setze mich nicht gegen Rassismus ein, weil ich irgendwelche individuellen Merkmale habe und irgendeinen Anspruch daraus ableite. Ich setze mich gegen Rassismus ein, damit das Aussehen oder die Herkunft einer Person nicht zum Nachteil geriert – sei es bei der Job-, bei der Wohnungssuche oder in anderen Bereichen, in denen es um gesellschaftliche Teilhabe geht. Und ich will auch nicht von der Polizei ständig kontrolliert werden, weil ich schwarze Locken habe.    Das sind doch keine Marotten, sondern ganz konkrete Kämpfe, die bestehen. Es geht somit nicht um persönliche Identität oder um Gefühle. Aufgrund bestimmter Merkmale erfahren Menschen Diskriminierung, die zu einer schlechteren Bezahlung führen und oft eine schlechtere Wohnung bedeuten. Wagenknecht ignoriert einfach, dass der Einsatz gegen Rassismus sich sowohl gegen individuelle Diskriminierung als auch gegen sozioökonomische Benachteiligungen richtet. [….]

(Luigi Pantisano, die LINKE, 09.04.2021)

So sind sie, die Lifestyle-Linken! Wie die Panisano-Brüder im Wagenknecht-Lafontaine-Narrativ der NRW-Linken: Keine Arier! Sie sind verweichlicht. Egoistisch, asozial, haben nie etwas geleistet, das elterliche Vermögen im Rücken und wollen die echten guten Bio-Deutschen mit Gendersternchen und Multikulti nerven:

[…..] Den Mindestlohn zu erhöhen oder eine Vermögensteuer für die oberen Zehntausend einzuführen, ruft natürlich ungleich mehr Widerstand hervor, als die Behördensprache zu verändern, über Migration als Bereicherung zu reden oder einen weiteren Lehrstuhl für Gendertheorie einzurichten.[…..]

(Sahra Sarrazin 12.04.2021)

Da bekommt Laschets Hintermann Liminiski eine Erektion und Hedwig Beverfoerde ovuliert vor Glück.

Der Deutsche mag nun mal keine Ausländer und Schwuchteln, also muss das wohl richtig sein, schlußfolgert die Spitzenkandidatin der Linken in NRW messerscharf. Die „skurrilen Minderheiten“ sollten sich also gefälligst nicht mit ihrem Bürgerrechts- und Menschenwürde-Anspruch über die homophoben Plebs erheben.

[……] Wer vom Kanon ihrer Denkgebote abweicht, ist für Linksliberale daher auch kein Andersdenkender, sondern mindestens ein schlechter Mensch, wahrscheinlich sogar ein Menschenfeind oder gleich ein Nazi. So lehnen nach Umfragen in allen westlichen Ländern 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung hohe Zuwanderung ab und wünschen sich restriktivere Regeln. Genau das genügt freilich, um nach offizieller linksliberaler Lesart als Rassist zu gelten.   In die gleiche Schublade werden auch Menschen gepackt, die sich unsicher fühlen, wenn sie in einem öffentlichen Verkehrsmittel allein mit einer größeren Gruppe von Männern unterwegs sind, die eine fremde Sprache sprechen. Wegen der offenkundigen Verbreitung solcher "Ressentiments" hat sich in linksliberalen Diskursen dafür der Begriff Alltagsrassismus eingebürgert. […..]

(Sahra Sarrazin 12.04.2021)

Das ist kein leicht verklausuliertes Angebot an AfD-Wähler sondern mit dem Holzhammer durchgeprügeltes Höcke-Gedankengut.

Natürlich bekommen Storch und die Weidel sogleich ein feuchtes Höschen!

Natürlich lobt der gleichzeitig tagende AfD-Parteitag seine Freundin im Geiste.

Sahra Sarrazin ist schließlich nicht neu in der rechten Szene, sondern wird schon seit Jahren für ihre völkischen Ansichten, ihr Donald Trump-Lob und auch die Erkenntnis, daß nur „die Flüchtlinge“ Schuld an den niedrigen Löhnen in Deutschland haben, von den Neonazis bejubelt.

(„Probleme auf andere projizieren, Schuldige finden“ – Gert Pickel, s.o.)

Seit Jahren fordert Wagenknecht Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurück zu schieben und will sie nicht auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

(….) Ein sehr trauriger Fall einer schon seit Jahren auf der rechten schiefen Bahn wegrutschenden Frau ist Sahra Wagenknecht, die erst von ihrem Mann Oskar Lafontaine die xenophob-populistischen und völkischen Töne übernahm, dann aber auch bei den offensiv antisemitischen Gelbwesten mitmischte, sich gegen Homosexuelle positionierte, die US-Demokraten bekämpfte und Trump lobte, egoistisch gegen RRG agitierte, zur Freude der AfD migrantenfeindliche Mythen verbreitete und folgerichtig auch covidiotisch-populistisch gegen die „Inzidenz-Willkür“ wettert.    Wagenknecht ist lange verloren gegangen. Eine intelligente und gebildete Frau, die so tief im braunen Sumpf steckt, daß sie keine AfD-Trigger mehr auslassen kann. Kaum ein Nazi-Lieblingsthema, das sie nicht übernommen hätte. (…..)

(Auf der schiefen rechten Bahn, 08.04.2021)

Wagenknecht will zurück zum Nationalstaat mit völkischen Werten und weg von Multikulti.

LGBTIQs sind bäh und faul.

Sahra Sarrazin ist nicht dumm, sie weiß genau wem das gefällt.    Schon seit Jahren streicht sie anerkennendes Lob von der AfD ein.

[….] In der Linkspartei gibt es Unmut über die Äußerungen von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht zur Flüchtlings- und Sicherheitspolitik im stern. Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner sprach sich in der Online-Ausgabe der "Berliner Zeitung" dagegen aus, Schuld zu personalisieren. Renner reagierte damit auf die Aussage Wagenknechts in der aktuellen stern-Ausgabe, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trage eine "Mitverantwortung" für den Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz. Wagenknecht sprach dabei neben "der unkontrollierten Grenzöffnung" auch von der "kaputtgesparten Polizei".   "Schuld zu personalisieren und die Mär vom schwachen Staat - das sollte nicht unser Geschäft sein", sagte Renner. Der Abgeordnete Jan van Aken warf Wagenknecht in dem Online-Portal vor, mit falschen Fakten zu argumentieren. So sei der Berliner Attentäter Anis Amri im Juli 2015 nach Deutschland gekommen. Die umstrittene Grenzöffnung für Flüchtlinge sei aber erst im September gewesen. Van Aken hatte bereits im Juli vorigen Jahres erklärt: "Wer Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzender einer Linksfraktion sein." [….]

(STERN, 05.01.2017)

Sogar der ganz ganz ganz ganz Rechtsaußen stehende Top-Verschwörer David Berger lobt immer wieder die Querfrontlerin und zitierte den damaligen AfD-Chef Alexander Gauland vor drei Jahren:

[…..] [Gaulands] anschließendes Plädoyer für Wagenknecht dürfte doch eine Überraschung sein:  Erfreulich sei, „dass es selbst bei den Linken noch eine mutige Stimme der Vernunft gibt: Sarah Wagenknecht“:  „Ihre Bewegung ‚Aufstehen‘ hat erkannt, dass offene Grenzen jede noch so vernünftige Asylpolitik ad absurdum führen. Frau Wagenknecht scheint als eine der wenigen Politiker in der Linken verstanden zu haben, dass die Menschen in Deutschland keine offenen Grenzen wollen.“ [….]

(David Berger PP, 10.10.2018)

Sahra Sarrazin ist aber nicht nur rechts-völkisch-homophob, sondern auch noch perfide und verlogen, indem sie nun plötzlich, nach fünf, sechs Jahren der braunen Thesen aus dem AfD-Sumpf ganz überrascht tut.

[…..] Wagenknecht verwahrt sich gegen AfD-Vereinnahmung

In Sachsen-Anhalt versucht die AfD Wahlkampf mit der früheren Linkenfraktionschefin Sahra Wagenknecht zu machen. Der Landtagsabgeordnete Daniel Roi postete bei Facebook eine Grafik mit AfD-Logo. Zu sehen ist Wagenknecht, dazu ein Zitat aus ihrem neuen Buch. Dieses sei »in jedem linken Munde«, schrieb Roi dazu. »Sie lässt darin kein gutes Haar an vielen ihrer Parteifreunde, die zugunsten von echten und vermeintlichen Opfern ihr eigenes Volk vergessen haben.«   Der Post erhielt viele Reaktionen aus dem AfD-Lager. Zuletzt hatte auch die AfD in Nordrhein-Westfalen mit Auszügen aus Wagenknechts Buch für sich geworben. »Sahra Wagenknecht trifft es auf den Punkt«, hieß es auf dem Twitteraccount des Landesverbandes. Andere AfD-Politiker und Ortsverbände posteten Ähnliches.   Ganz neu sind die Umarmungen seitens der Rechten nicht. Schon zu Zeiten der Flüchtlingsdebatte hatte es etwa Annäherungen der AfD Sachsen-Anhalt zu Wagenknecht gegeben. Der einstige AfD-Fraktionschef im Landtag André Poggenburg appellierte: »Frau Wagenknecht, kommen Sie zur AfD.« […..]

(Timo Lehmann, SPON, 13.04.2021)

Es wächst nur zusammen, was zusammengehört. So weit, so unsympathisch, Sahra Sarrazin.

Noch widerlicher ist allerdings die gespielte Empörung Wagenknechts gegen die AfD. Das ist die pure Heuchelei der Hufeisenhetzerin.

Wenn man seit vielen Jahren immer wieder völkisch hetzt, darf man sich nicht wundern, wenn man zum Liebling der Nazis wird.

Genau das will Wagenknecht offenbar.

Sie sollte sich endlich ehrlich machen und aufhören, das Gegenteil zu behaupten.

Montag, 12. April 2021

Mit Söder gegen die Wand

Markus Söder wirkt derzeit tatkräftig; wie ein Unions-Retter auf Testosteron.

Der einzige C-Mann, von dem die Wähler den Eindruck haben, er hätte die Dinge im Griff. Söder ist ständig im Fernsehen, dominiert die Nachrichtelage und erklärt jedem wie fabelhaft er ist.

Das funktioniert beim Urnenpöbel. Schon halten sie Söder mit großem Abstand für den geeignetsten Kanzlerkandidaten.

Viel bedeutet das allerdings nicht. Vor einem Jahr war Jens Spahn in dieser Rolle. Der Corona-Voranprescher, der die Nachrichtenlage dominierte, zum beliebtesten Politiker Deutschlands avancierte und sich vermutlich halb totärgerte, daß er den Kampf um den CDU-Bundesvorsitz aufgegeben hatte und Laschet unterstützte.

Hätte er geahnt wie ungeheuer beliebt er noch werden würde, wäre er als Nr.1 des Tickets losgezogen, hätte sich Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur geholt.

Aber nur ein Jahr später fielen seine demoskopischen Traumzahlen in sich zusammen. Spahn ist nun Polit-Paria; das Sinnbild all dessen was in der Pandemie falsch läuft.

  Beliebt wie Fußpilz. Daß Merkel die Minister Spahn und Scheuer als „Impf-taskforce“ einsetzte, sorgte sofort wie einen Satire-storm in den sozialen Medien.

Spahns Ansehen ist so sehr im Keller, daß er als Minister nun offiziell allgemein ausgelacht wird.

Wer kann schon sagen, ob es Markus Söder nicht auch so ergeht in ein paar Monaten?
Kaum jemand hat so viele Leichen im Keller wie er; sein ganzes Leben ist CSU-Filz. Dabei vertrat er bis vor ganz kurzer Zeit abscheuliche rechtspopulistische Positionen, scharte korrupte Leute um sich.

Zudem ist er einfach kein netter Mann; selbst seine Fans fürchten ihn eher. Es ist legendär wie rabiat er schon jedem in der CSU vor das Schienbein trat.

[…..] Im Comic wäre er der Superschurke.

Unsere Autorin beobachtet und begleitet Markus Söder seit knapp zehn Jahren. Sie erlebt einen Mann ohne Prinzipien und Charisma, herrschsüchtig, aber erfolgreich. [….]

(Anna Clauß, Spon, 11.04.2021)

Söders persönliche Corona-Bilanz in Bayern ist schlecht. Aber er versteht es, anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben.

Das ist ohnehin seine Paradedisziplin. Von München aus, die eigene Bundesregierung anzuschwärzen und so zu tun, als hätte er mit den eigenen CSU-Bundesministern nichts zu tun.

In Bayern ist Söder absoluter Herrscher über Partei und Staat. Das ist ein machttaktischer Großerfolg, denn sein Vorgänger als allmächtiger CSU-Chef und Ministerpräsident hasste ihn wie die Pest, tat alles dafür Söder nicht zum starken Mann werden zu lassen.

Wieso sollte Söder also die bequeme Position als unumstrittener Gottkaiser Bayerns mit der sehr viel ungemütlichere Rolle als Kanzler einer Koalitionsregierung vertauschen, in der er nur der kleinste Parteichef wäre und zu allem Übel auch noch einen Konkurrenten sein geliebtes Amt als Ministerpräsident Bayern übernehmen lassen müsste?

Die Antwort auf diese Frage findet Roman Deininger, der CSU-Experte der SZ in einer simplen Metapher.

[…..] Ja, Markus Söder will - aber er will mehr mit dem Bauch als mit dem Kopf. Der Kopf sträubt sich noch, er weiß, welche Risiken einer Kandidatur anhaften würden, für Söder und die CSU. Risiken hat er stets gemieden. Wahrscheinlich verhält es sich mit Söder und der Macht wie mit dem Hund und der Wurst: Sobald die Wurst in Reichweite liegt, ist es keine freie Entscheidung mehr für den Hund." […..]

(Roman Deininger, SZ, 11.04.2021)

Daß der Bayern-MP dennoch so lange zögerte bis die CDUCSU in Umfragen total abgeschmiert war, liegt an seiner Selbstüberschätzung.

[….] Söder wollte, dass die CDU einen roten Teppich bis nach Nürnberg ausrollt und ihn untertänigst bittet, Kanzlerkandidat zu werden. Doch dazu ist es nicht gekommen. Nun hat Söder von sich aus seine Bereitschaft zur Kandidatur erklärt - erklären müssen. [….]

(Robert Roßmann, 11.04.2021)

Söder war nicht schlau genug, um zu begreifen, daß die CDU diesen Kotau gar nicht vollziehen konnte.

Die große Unionsschwester würde niemals angesichts des AKK-Desasters wenige Wochen nach der Wahl Laschets zum Bundesvorsitzenden den zweiten Chef öffentlich so desavouieren und damit zugegeben, zwei Mal in Folge einen kapitalen Fehlgriff bei dem/der Bundesvorsitzenden/r getan zu haben.

Ein neuer Chef von 15 CDU-Landesverbänden, der sich nicht gegen einen CSU-Landesverband durchsetzen kann, könnte sich genauso gut die Worte „ich bin ein unfähiger Trottel“ auf die Stirn tätowieren lassen und den Posten als NRW-MP an die Opposition abgeben.

Wer zweimal nacheinander seine Vorsitzenden derart demütigt, ist kein Wählermagnet.

 Man erinnere sich an AKKs Bettelgang nach Erfurt, als sie sich von dem Mini-Landesverband so in den Arsch treten ließ, daß sie anschließend weinerlich den Bettel hinwarf, da ohnehin niemand mehr auf die höre.

Natürlich sprechen sich heute CDU- Vorstand, CDU-Präsidium und JU klar für Laschet aus.  Das hätte Söder wissen können, aber die Wurst lag nun mal da.

Eigentlich wollte Söder zurückziehen, wenn ihn die große Schwester nicht riefe.

Nachdem sie das heute wie erwartet nicht tat, wurde Söder, wie ebenfalls erwartet, wortbrüchig. Plötzlich will er die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur doch noch hinziehen und andere Faktoren berücksichtigen.

Er bringt seine gesamte Partei gegen die CDU in Stellung.

Als Sozialdemokrat sage ich artig ‚vielen Dank, Herr Söder. Bitte talibanisieren sie weiter die CDU/CSU-Fraktion fünf Monate vor der Bundestagswahl!‘

Man muss Wahlgeschenke auch einfach mal annehmen können.

Sonntag, 11. April 2021

Amis am Ruder

Meine Ansichten zu den letzten US-Präsidenten waren immer stringent und so auch in diesem Blog präsentiert.

Ich bin großer Bill Clinton-Fan, halte ihn für sagenhaft intelligent und talentiert. Fast schade, daß er sein großes Können nicht an einer großen Krise zeigen konnte. Er hätte unbedingt eine dritte Amtszeit bekommen sollen.

GWB war in jeder Hinsicht eine Katastrophe und hätte eigentlich der schlimmste US-Präsident meines Lebens sein müssen. Niemand konnte bei seinem Ausscheiden im Januar 2009 ahnen, daß man ihn nur ein knappes Jahrzehnt später schon im milden Licht betrachten und zurückwünschen würde.

Obama war mir immer sympathisch. Ich mag seine Familie, ihn als Typ, seine Bildung, seine brillanten Reden. Durchsetzungsfähig war er aber nicht. Die  ersten Jahre hat er weitgehend verdaddelt und erlag der totalen Fehleinschätzung, er könne mit der GOP zusammenarbeiten. Außenpolitisch enttäuschte der Drohnenkrieger ebenfalls, konnte zwar die antiamerikanische Stimmung abbauen, aber kein wirklich neues Kapitel aufschlagen. Erst in den letzten anderthalb Amtsjahren wurde er mutig. Viel zu spät.

Trump ist menschlich und politisch das größte Scheusal, das ich je beobachtete und diesmal lege ich mich wieder fest: Einen schlimmeren US-Präsidenten werde ich nicht erleben.

Bei der Wahl von 2020 ging es nur darum Trump abzuwählen.   Jeder Demokrat war um Längen besser und ich hätte auch jeden gewählt, der NICHT Trump ist.

Meine persönlichen Favoriten waren nicht unbedingt deckungsgleich mit  denjenigen, denen ich die besten Chancen einräumte.
Für Joe Biden sprach seine enorme Bekanntheit und daß er anders als beispielsweise Hillary Clinton keine Abwehrreflexe auslöste. Weiß, Mann, hetero und sehr gläubig half ebenfalls dabei ehemalige Trump-Wähler anzusprechen.

Ich hätte lieber beispielsweise eine hochgebildete lesbische schwarze Atheistin wie Lori Lightfoot gehabt, aber dann hätte Trump womöglich gewonnen.

Biden konnte aber weder bei Wahlkampfreden, noch bei den Duellen überzeugen. Er ist kein brillanter, eloquenter Redner, programmatisch erschien er mir viel zu vorsichtig, er galt als der Konsensonkel, der nach 127 Jahren als US-Senator mit allen Republikanern konnte, so daß ich befürchtete, er würde die Fehler aus der Obama-Zeit wiederholen und glauben, man könne mit dieser GOP zusammenarbeiten.

Insbesondere machte mir sein Alter Sorgen. Nicht nur, weil er mit 78 Jahren der älteste je gewählte US-Präsident sein würde, sondern weil er ein besonders alt und tatterig wirkenden Endsiebziger ist. Manche Mitt-80er wirken erheblich frischer. Zudem ist Nancy Pelosi, die mächtigste Person im Kongress, schon 81 Jahre alt.   Sollten diese beiden Geronten den nach Trump notwendigen Aufbruch verkörpern? Würden sie die jungen Amerikaner an die Wahlurnen locken?

Wie wir inzwischen wissen, war es taktisch richtig von den Demokraten, nicht auf einen jungen Progressiven als Gegenentwurf zum weißen alten Rassisten Trump zu setzen. Biden gewann die Wahl deutlich und ich fand mich damit ab.

Vielleicht käme es gar nicht so sehr darauf an, wer eigentlich im Oval Office säße. Je klappriger und müder Biden ist, desto mehr müßte Kamala Harris übernehmen. Umso besser. Der gesamte US-Regierungsapparat war durch Trumps unfähige Lobbyisten vollständig lahmgelegt. Auch, wenn Biden nicht mein Wunschkandidat war, so würden doch die Demokraten Tausende Stellen neu besetzen und könnten viel ändern.

Während der Transition wurde ich allerdings positiv von Kabinettsnominierungen überrascht.

Es kamen zwar die erwarteten, wenig aufregenden, aber hochkompetenten, erfahrenen Experten Antony Blinken, Merrick Garland, Janet Yellen und Ron Klain in die vier allerwichtigsten Positionen.

Aber daneben setzte Biden viel mehr auf Diversität als es Obama getan hatte und holte frische Leute in seine Mannschaft:

Verteidigungsminister Lloyd Austin, Innenministerin Deb Haaland, Gesundheitsminister Xavier Becerra, UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield, Chefwirtschaftsberaterin Cecilia Rouse, Chefhandelsbeauftragte Katherine Tai, Verkehrsminister Pete Buttigieg und meine neue Lieblings-Administrative Jen Psaki, deren Pressekonferenzen eine einzige Freude sind. Alle extrem kompetent und motiviert.   Frauen, Schwule, Junge, Schwarze, Asiaten, Latinos, Native Americans – kurzum all die Menschen, die Trump nicht haben wollte.

Die größte Überraschung ist aber Joe Biden selbst.

Ich hatte angenommen, er wollte sich seinen Lebenstraum erfüllen, US-Präsident zu werden, würde das Amt an sich genießen und die junge neue Truppe machen lassen, während er sich dem Volk als freundlicher First Grandpa zeigt und seiner Mission nachgeht, die Nation zu heilen und zu einen.

Stattdessen scheint sein Alter sich als großer Vorteil zu erweisen.

Er weiß, daß er nicht unendlich Zeit hat und hat aus den Obama-Jahren tatsächlich die Lehre gezogen, daß mit den Republikanern grundsätzlich nicht zusammen gearbeitet werden kann, weil sie inzwischen allesamt zutiefst bösartig, destruktiv und egoistisch handeln. Die GOP-Abgeordneten von heute sind QTrump-Kultanhänger, radikal verblödet und hassen die Mehrheit der Amerikaner wie die Pest. Sie sind kriminell und verfassungsfeindlich.

Bidens Überparteilichkeits-Angebote aus dem Wahlkampf waren wohl eher taktischer Natur.   Als Präsident kümmert er sich nicht um die Opposition, nicht um die sozialen Medien, absolviert keine sonnigen Foto-Termine, gibt kaum Interviews, inszeniert sich nicht, sondern tut etwas, das man von Trump gar nicht kannte:

Joe Biden arbeitet hart, sitzt im Oval Office und treibt die Dinge mit nicht für möglich gehaltener Energie voran.

Man kommt gar nicht aus dem Staunen heraus, welches Tempo er vorlegt. Offenbar war das übliche „I have a plan for…“ aus dem Wahlkampf nicht nur das übliche hohle Gerede, sondern er hatte zusammen mit der Demokratischen Partei wirklich sehr konkrete Pläne für alle großen Politikfelder. #46 versteht offensichtlich wie eilig es ist und machte sich sofort daran die Umsetzung seiner Pläne in Gang zu setzen, brachte seine besten Leute in Gang.

Die USA verändern sich gerade viel schneller als ich es für möglich gehalten hätte.

[…..] 4,6 Millionen Impfspritzen an einem Tag in den USA

Das Impfprogramm in den USA kommt weiter rasant voran. Am Samstag seien mehr als 4,6 Millionen Impfungen verabreicht worden, das sei "ein neuer Rekord", schrieb Cyrus Shahpar, der im Weißen Haus für die Corona-Daten zuständig ist, auf Twitter. Der Corona-Koordinator des Weißen Hauses, Jeff Zients, hatte mitgeteilt, zuletzt seien USA-weit pro Tag im Schnitt drei Millionen Impfdosen verabreicht worden.   Nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC wurden landesweit bisher mehr als 183 Millionen Impfdosen gespritzt. Gut 45 Prozent der Erwachsenen im Land haben demnach mindestens eine Impfdosis bekommen, 27 Prozent der Erwachsenen sind voll geimpft. [….]

(Tagesschau, 11.04.2021)

Joe Biden konnte erst am 21.01.2021 mit seiner Arbeit beginnen und musste eine vollständig neue Struktur aufbauen.

Die deutsche Supertaskforce Spahn/Scheuer ist schon Jahre im Amt, konnte sich seit 13 Monaten auf den Impfbeginn vorbereiten.

Mit dem Vorsprung schafften sie es 5,9% der Bevölkerung, genau 4.910.308 Personen bis zum 09.04.2021 zu impfen.

Biden impft bei Wal Mart, in Sportstadien, bei der Arbeit, auf der Straße. Eingesetzt werden Dentisten, Veterinäre und jeder Pensionierte, der eine Spritze halten kann.  Der 78-Jährige hat es geschafft am Tag so viele Menschen zu impfen, wie in Deutschland in vier Monaten gepiekst wurden.

Aber so geht es auf jedem Politikfeld. Biden ist so aktiv und durchsetzungsstark, daß seine Partei-internen Kritiker vom progressiven Flügel voll des Lobes sind und der SPIEGEL ihn jetzt schon mit FDR vergleicht, weil kein US-Präsident seit dem zweiten Weltkrieg so entschlossen Reformen angepackt hätte.

[…] Der Traumstart von »Sleepy Joe«

[…] Demnächst wird Biden 100 Tage im Amt sein, und schon jetzt lässt sich sagen, dass er in dieser kurzen Zeit mehr geleistet hat als manche seiner Vorgänger im Laufe einer ganzen Amtszeit. »Uncle Joe«, wie Biden bei den Demokraten in einer seltsamen Mischung aus Häme und Zuneigung genannt wird, hat in wenigen Wochen die Weichen gestellt für ein Amerika, das nicht nur die Pandemie abschüttelt – sondern auch die Ära des Neoliberalismus, die Anfang der Achtzigerjahre unter Ronald Reagan ihren Anfang genommen hatte.  […][Bidens] »American Rescue Plan« umfasst gigantische 1,9 Billionen Dollar, die Hälfte des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Jeder Amerikaner, der weniger als 75.000 Dollar im Jahr verdient, erhält einen Scheck über 1400 Dollar. Gleichzeitig werden die Zuwendungen für Familien so weit aufgestockt, dass rechnerisch die Kinderarmut nahezu halbiert wird. Kostenlose Kitaplätze sollen folgen. Darüber hinaus hat Biden ein Infrastrukturprogramm angekündigt, das noch einmal zwei Billionen Dollar umfasst. Die Demokraten wollen 20.000 Meilen Straßen erneuern und 10.000 Brücken renovieren. Außerdem soll das Land 500.000 neue Ladestationen für Elektroautos bekommen. […] Dem Präsidenten ist klar, dass die Wirtschaft erst wieder richtig anspringt, wenn das Virus seinen Schrecken verloren hat, weswegen er neben Impfstoff auch auf massive Staatsausgaben setzt. […] Allein im laufenden Jahr wird der Präsident rund 2,3 Billionen Dollar Schulden machen, das sind mehr als zehn Prozent der US-Wirtschaftsleistung. Es ist eine gewaltige Summe, und in normalen Zeiten würden die Republikaner dagegen Sturm laufen. Dass der Staat nicht über seine Verhältnisse leben darf, gehörte über Jahrzehnte zum republikanischen Katechismus, aber auch hier hat Trump alte Gewissheiten zertrümmert: Im letzten Jahr seiner Präsidentschaft betrug die Nettoneuverschuldung gut 15 Prozent. Im Vergleich dazu pflegt Biden eine geradezu schwäbische Haushaltsführung: Zumindest sein Infrastrukturprogramm will der Präsident nicht auf Pump finanzieren, sondern auch über eine Steuererhöhung für Amerikaner mit einem Jahreseinkommen von mehr als 400.000 Dollar. […]

(René Pfister, DER SPIEGEL, 10.04.2021)

Nach zweieinhalb Monaten im Amt ist es wahrlich zu früh Bilanzen zu ziehen.

Aber offensichtlich hatte ich bezüglich der Bidenschen Tatkraft falsche Erwartungen und werde gerade in jeder Hinsicht positiv überrascht.

Seine Zustimmungswerte sind nach so kurzer Zeit stabil und liegen weit über denen Trumps. Wenn es so weiter geht, wird es sehr schwer für die QTrumplicans bei den Midterms im Herbst 2022.

Samstag, 10. April 2021

Politische Moden

Zeitungen zu lesen ist schon seit meiner frühesten Teenagerzeit mein großes Hobby. Je nach Weltlage ist es mal mehr erfreulich, mal inspirierend, mal deprimierend, mal frustrierend. Im Moment macht es sehr großen Spaß.

Leider gibt es immer wieder journalistische Trends, die Kolumnisten und Kommentatoren dazu verleiten das zu schreiben, was eigentlich alle schreiben.

Der unbedingte Wille zum totalen Neoliberalismus, zum Abbruch alles Restriktionen, zur Freiheit von allen Regulierungen und grundsätzlichen Verstaatlichung war Ende der 1990er und um die Jahrtausendwende allgemeiner Konsens. Sogar in den zuvor als Linksliberal positionierten damals noch extrem relevanten "Sturmgeschütze" STERN und SPIEGEL trommelten Hans-Ulrich Jörges und Gabor Steingart massiv für eine Westerwelle-Ökonomie.

Lediglich in der Süddeutschen Zeitung (Heribert Prantl) und ZEIT konnte man von den Urgesteinen Dönhoff und Schmidt noch Kapitalismus-kritische Töne vernehmen.

Das verlockende an dem Ultraliberalismus war der Zugang zu dieser Gedankenwelt, denn jeder, der schon mal gereist war, kannte Beispiele für in der Tat vollkommen absurde deutsche Regelwerke.

Jedes Geschäft musste um 18.00 Uhr schließen, es war verboten sich privat eine Telefon zu kaufen und es selbst anzuschrauben, weil der Staatskonzern Deutsche Post allein zuständig war. Das Sozialsystem war zu einem bizarren Ämterhopping degeneriert, so daß Bedürftige von Wohnungsamt, zum Arbeitsamt und weiter zum Sozialamt ziehen mussten, um überall andere Informationen zu bekommen. Jedes Handtuch, Bettwäsche oder eine neue Winterjacke mussten einzeln beim Sozialamt beantragt werden.

Ein totaler Wahnsinn. Von den heutigen HartzIV-Kritikern wird gern vergessen wie sinnvoll es war endlich auf Geldleistungen umzustellen und alles in eine Hand zu geben.

Natürlich wurde der Privatisierungswahn total übertrieben. Niemals hätten städtische Versorger, Wohnungsbau-Gesellschaften oder Krankenhäuser verkauft werden dürfen. Niemals hätten die kleinen deutschen Landesbanken anfangen dürfen in das internationale Investmentbanking einsteigen dürfen.

Dennoch war nach sieben Jahren rotgrüner Schröder-Regierung immer noch der Neoliberalismus Konsens. Selbst der Bundespräsident Köhler erklärte öffentlich, nach der Wahl wäre „hoffentlich Angela Merkel Kanzlerin“, so sicher war man sich in den Redaktionsstuben, daß RotGrün viel zu lasch privatisiert und reformiert hätte. Nun müssten Westerwelle und Merkel die Zügel anziehen den Deutschen den letzten Rest von Sozialstaat austreiben.  Die CDU verabschiedete auf ihrem Leipziger Parteitag das wirtschaftsfreundlichste Programm ihrer Geschichte.

Merkel wollte die gesamte Last der Sozial- und Gesundheitsabgaben auf die Arbeitnehmer abwälzen, um die Unternehmer völlig zu entfesseln. Weg mit Kündigungsschutz, weg mit allen Kontrollen. Sozialer Wohnungsbau sollte eingestellt werden (so geschah es auch unter Schwarzer und schwarz-GRÜNER Herrschaft in Hamburg 2001-2011) und jede Altersvorsorge hatte privat zu erfolgen. Sollten sich die Geringverdiener doch Aktien kaufen.

Der Urnenpöbel stimmte zu, verschaffte tatsächlich der CDU eine Mehrheit und schrumpfte SPD und Grüne aus der Regierung.

Lange hatte es sogar nach einer absoluten CDUCSU-Mehrheit ausgesehen, die nur deswegen nicht kam, weil Gerd Schröder ein hochintelligenter und begnadeter Wahlkämpfer ist, der trotz miserabler Ausgangslage und einer Presselandschaft, die zu 99% für Merkel trommelte, die SPD noch so stark machte, daß er die FDP aus der Regierung drängen konnte.

Die gewaltige Megafinanzkrise von 2008 bewies eindrücklich, daß der ganze neoliberale Wahn ein einziger Irrtum war.

Die entfesselten Finanzmärkte vernichteten Trillionen Dollar Werte und der bis eben noch so schwer geprügelte Staat musste das Desaster der Neoliberalen ausbaden.

Der Urnenpöbel zog aus dem Totalzusammenbruch der FDP-Finanztraumblase von 2008den Schluss, lieber die soziale Kraft SPD ganz aus der Regierung zu werfen und dafür der Konzernlobby-Hure FDP mit 15% ein absolutes Rekordergebnis bei den Bundestagswahlen im Herbst 2009 zu verpassen, so daß die Hotel- und Automaten- und Pharma- und DKV-Bücklinge zu Gesundheitsminister, Vizekanzler und Wirtschaftsminister aufstiegen.

So kam es zu dem bis heute gültigen Gysi-Dogma „Gewinne privatisieren, Verluste verstaatlichen“.

Ganz selbstverständlich schreiben die großen Konzerne ihre Verluste auf Kosten der Steuerzahler ab und verteilen auch im Coronajahr 2 Milliarden-Dividenden an ihre Aktionäre.


Aktionäre, die sich mit auf dem Arsch sitzen und chillen beschäftigten, während Krankenschwestern und Paketboten bis zur totalen Erschöpfung arbeiten, um mit ihren automatisch vom Lohn abgezogenen Steuern die Milliardenzuschüsse für Lufthansa und die Kaufprämien für die Tonnen-schweren CO2-Schleudern der Multimilliardärin Susanne Klatten zu finanzieren.

Das Versagen Westerwelles und Röslers in der praktischen Regierungspolitik war allerdings so episch, daß ein Umdenken in der veröffentlichten Meinung begann.

Die sich gegenseitig als „Wildsäue“ und „Gurkentruppe“ bepöbelnden Koalitionsparteien stellten 2009-2013 einfach des regieren vollständig ein, nachdem sie Pharma-Lobbyisten direkt im Gesundheitsministerium einsetzten, damit sie sich dort selbst die passenden Gesetzen schreiben konnten, die finanzkräftige Atomlobby mit dem Ausstieg aus dem Atomausstieg belohnten und  ihre Millionen-Spender wie Baron von Finck mit den erkauften Steuersenkungen für seine Mövenpickhotels versorgten.

(….)Was hatte der einstige SPIEGEL-Star Gabor Steingart (Chef des Berliner Büros) nicht alles im Einklang mit STERN-Vizechefredakteur Jörges nicht alles unternommen, um seine heißgeliebte Angela Merkel und den bewunderten Guido Westerwelle an die Macht zu schreiben.
In der Welt der Hauptstadtschreiberlinge war alles so einfach:
Die linken Typen wie Schröder und Fischer und Ulla Schmidt mit ihrem sozialen Gedöns müßten in die Opposition, Schwarzgelb könnte dann die Weichen auf strikt „neoliberal“ stellen und schon würde Deutschlands Wirtschaft wieder erblühen.    Heute sind die Schwarzgelb-Propagandisten entweder in der Versenkung verschwunden oder aber sie sind auf einmal RotGrün-Fans.

Es gibt dabei die ehrliche Variante à la Frank Schirrmacher oder Michael Spreng, die öffentlich erklären „ja, ich habe mich furchtbar geirrt und bin jetzt gegen FDP und CDU“ und die unehrliche Variante Jörges, der so tut als ob er immer Recht hätte, auch wenn er vor Jahren genau das Gegenteil vertrat.

Die Kanzlerin der Hoffnung ist inzwischen zur Konsenskanzlerin mutiert.
Konsens besteht nämlich in der Beurteilung ihrer Regierungsperformance: So schlecht ist die Bundesrepublik nach 1949 noch nie regiert worden.
Insbesondere das ministerliche Niveau und die Richtlinienvorgabe der Chefin ist ein derartiges Debakel, daß sich selbst in den konservativsten Redaktionsstuben die Daumen gesenkt haben.

Das erstaunliche dabei ist, daß es die Protagonisten der bürgerlichen Parteien ganz von allein geschafft haben sich vollständig zu demontieren.
Sie mußten nicht von einer Opposition getrieben werden.
Denn die SPD ist im Bundestag nur mit erbärmlich mageren 22% vertreten und kann auch nicht mit beeindruckenden Köpfen punkten.

Vom Traumstart der „Wunschkoalition“ im Jahr 2009, als sie fette Mehrheiten im Bundesrat und Bundestag holten, der politische Gegner zerstört seine Wunden leckte, so daß mehrere Kommentatoren schon von der Parteiauflösung der SPD orakelten, ist nun DAS HIER übrig geblieben:


Angela Merkel erlebt derzeit einen Sturm, der in ihrer Kanzlerschaft wohl ohne Beispiel ist: Die Kritik an ihrem Kurs ist so laut geworden, wie es selbst die kracherprobten Merkelianer noch nicht erlebt haben. Der Bundespräsident spricht vom "Sommer der Ernüchterung" - mit Blick auf Merkel dürfte das noch untertrieben sein: Inzwischen geht es um das politische Überleben der Kanzlerin.
[…] Merkel gerät von allen Seiten unter Druck: Nicht nur die Alten in der CDU sind unzufrieden mit ihr, zuletzt maulten auch aktive, führende Christdemokraten öffentlich über die Kanzlerin, wie die Chefs des Innen- und Außenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach und Ruprecht Polenz. In der Unionsfraktion brodelt es ohnehin wegen der anstehenden Entscheidung zur Aufstockung des Euro-Rettungsschirms. Noch hält die Koalition, weil sie für die Vier-Prozent-Partei FDP alternativlos ist und weil die Union keine Alternative zu Merkel sieht.
(Spiegel Online 26.08.11) (….)

(Zerrüttung, 26.08.2011)

‚Wo ist Merkel?‘ fragten sich alle; wie konnte sie so lange vollkommen tatenlos dem Chaos zusehen? Die FDP vollzog einen Rückstoß auf 3% Zustimmung, weit unter die 5%-Hürde.

Der SPIEGEL titelte mit „AUFHÖREN“; das schwarz-gelbe Chaos wäre nicht mehr zu ertragen.

  [….] Die Trümmerfrau

Angela Merkel steht vor den Scherben ihrer Kanzlerschaft. Ihr Sparpaket stößt auf Widerstand, der Konflikt unter den Koalitionspartnern eskaliert, das Vertrauen ist aufgebraucht. Der Tag der Bundespräsidentenwahl könnte das Ende der Regierung bedeuten. (….)

(DER SPIEGEL, 14.06.2010)

Hatte jemand schon mal derart schlechte Presse bekommen?

Ja, RotGrün in den Jahren 2002 bis 2005.

Aber die Wähler lieben eben ihre CDU. Aus dem baldigen Ende Merkels wurde nichts.

Ihre generelle Untätigkeit, die Verweigerung jeder Reformtätigkeit, das Präsidieren und immer wieder monatelange Abtauchen, wurde sogar zu ihrem Markenzeichen.

In einem so strukturkonservativen Land wie Deutschland verfängt das.

Vor zwei Wochen kündigte Merkel angesichts des 13. Monats der Pandemie an, so könne es nicht mehr weitergehen.

Seither ist sie wieder untergetaucht, seit zwei Wochen herrscht Ratlosigkeit und Stille.

Die Presse für die CDU ist wieder einmal katastrophal schlecht.

Aber was macht das schon? Offensichtlich nichts.


Deutsche lieben Stillstand und die CDU/CSU.

 

Sahra Sarrazin ist völlig indiskutabel und daß die Linken mit 61% für eine so klar völkisch und xenophob argumentierende Hetzerin votieren, ist wohl das Aus für RRG. Herr Meuthen ist heute der größte Fan Wagenknechts. Lobt sie öffentlich.

Eine LINKE, die nicht die Kraft findet sich von einer braunen Querfrontlerin zu distanzieren, sie sogar demonstrativ auf ihren Schild als Spitzenkandidatin des größten Landesverbandes hebt, ist unwählbar.
Eine so geschrumpfte LINKE, daß sie an den Rockzipfeln der AfD ins Parlament schlüpfen will und eine extrem CDUCSU-affine Grünen-Führung lassen nur noch eine Wahl im Herbst:

SPD!



 


Freitag, 9. April 2021

Endlich mal Feuer bei den Schwarzen

Als SPD-Mitglied muss man leidensfähig sein.

Dieser Satz bezieht sich vor allem auf die legendäre Streitsucht der Mitglieder, die alle so engagiert sind, daß sie ihren Unmut auch sofort lautstark an die eigene Führung richten, wenn ihnen eine Kleinigkeit nicht passt.

Er bezieht sich aber auch auf das seit etwa dreißig Jahren sagenhaft unfähige Willy-Brandt-Haus, das so kampagnenunfähig ist, daß ein erfolgreicher Bundestagswahlkampf wie der von Gerd Schröder, nur funktioniert, wenn man die Kampagne auslagert („Kampa“) und peinlich genau darauf achtet, niemanden mit dem Wahlkampf in Verbindung zu bringen, der eigentlich dafür zuständig ist.

Die Apotheose der WBH-Fehlbesetzungen war Andrea Nahles, die als Generalsekretärin systematisch in jeder Hinsicht so massiv versagte:
Sarrazin-Rauswurf, Verprellen säkularer Wählern, Müntefering-Sturz, Totalversagen in der 2013ner Steinbrück-Kampagne („Das wir entscheidet“).

Als Konsequenz aus derartiger Unfähigkeit wurde sie später zur Parteichefin befördert. Und sie lieferte zuverlässig ab, lieferte Eselei um Eselei, bis sie selbst nur noch als absolute Witzfigur gesehen wurde und die SPD auf einen Allzeit-Niedrigstand geschrumpft hatte.

Die dritte Bedeutung der SPD-Leidensfähigkeit bezieht sich auf Deutschland als sehr strukturkonservatives saturiertes, zufriedenes und reformunwilliges Volk.

Wer wie die Union stets damit wirbt nichts zu verändern – keine Experimente! – sie kennen mich! – weiter so! – wird fast automatisch gewählt.

Unions-Kanzlerkandidaten können tatsächlich im sprichwörtlichen Schlafwagen ins Kanzleramt gleiten.

Ewiger Kanzler wie Kohl, Adenauer und Merkel, die schon seit Jahren nicht mehr politisch aktiv waren und nur im Kanzleramt vor sich hinschlummern, werden tumb immer wieder gewählt.

Es macht auch rein gar nichts aus, wenn Unionsminister wie Kristina Schröder, Dobrindt, Scheuer, oder Ministerpräsidenten wie Roland Koch von Skandal zu Skandal springen oder auch wie Seehofer, Michl Glos, Herman Gröhe, Anja Karliczek, Johanna Wanka, Annette Schavan gar nicht arbeiten.

Keiner weiß wo die sind. Möglicherweise sind sie schon gestorben. Die Mehrheit der deutschen Wähler ist so konservative, daß sie diese Nichtse immer wiederwählt. Das Posten besetzen an sich reicht Rechten als Qualifikation. Hauptsache, es ist einer von den Schwarzen an der Macht und es bricht kein „rotgrünes Chaos“ aus.

Die SPD-Kanzler hatten es sehr viel schwerer. Sie wurden für Krisen gebraucht, mussten Reformstaus auflösen und konnten nur Kanzlermehrheiten erringen, weil sie ganz besonders außergewöhnliche, fähige und intelligente Menschen waren.

Wenn die SPD Mehrheiten erringt, muss alles stimmen. Der Kandidat, die Kampagne, es dürfen keine Fehler vorkommen und dann muss noch Glück dazu kommen.    Die Medien, die Fernsehsender, die großen Zeitungskonzerne sind fast alle konservativ.    Die Mächtigsten von ihnen – Liz Mohn/Bertelsmann, Friede Springer, FUNKE, Bauer, Burda – sind alle klar für die CDU engagiert, persönlich eng mit Merkel befreundet.

Es ist so ähnlich wie mit Atheisten in Talkshows, Rundfunkräten und Ethikkommissionen. Wir sind zwar eine relative Mehrheit, werden aber so gut wie gar nicht repräsentiert. Überall dominieren zahlenmäßig die organisierten Kirchenvertreter.

Angela Merkel ist immer noch die beliebteste Politikerin Deutschlands. Machen wir uns nichts vor; träte sie doch für eine fünfte Amtszeit an, würde sie auch gewählt.

Offenbar will sie aber wirklich nicht mehr, so daß nach alter Gewohnheit der nächste CDU-Mensch nachrutschen könnte.

Durch außergewöhnliche Umstände wurden nun aber schon zwei Nachfolger des CDU-Parteivorsitzes – AKK und Laschet – mit einer medial sehr beobachteten Großkrise konfrontiert, standen auf einmal im Rampenlicht und versagten dabei so drastisch, daß selbst konservativste Zeitungen es nicht mehr schönreden können.

Armin Laschet bekommt morgen eine grausame SPIEGEL-Titelgeschichte auf den Leib geschrieben.

Es kündigte sich schon lange an, Armin Laschet kann es einfach nicht.

Vor einigen Tagen hob Sascha Lobo bereits zu einem vernichtenden Schlag an.

Sein OFFENER BRIEF AN LASCHET ist deswegen so brutal, weil Lobo nicht aus der Wut heraus schreibt, weil er Laschet nicht beschimpft, sondern eine Perspektive des Mitleids mit einem offenbar hoffnungslos überforderten und minderbemittelten Mannes einnimmt.

Die CDU-Parlamentarier sind berühmt dafür bis zur Selbstverleugnung führungstreu zu sein.

Niemals würden sie sich wie Sozis an jedem gewöhnlichen Tag gegen ihre Chefs stellen. Nun aber sind Laschets Schwächen so offensichtlich, daß immer mehr Unionsabgeordnete aus Angst vor ihrem Mandatsverlust an die Öffentlichkeit gehen und ihrem eigenen Vorsitzenden in den Rücken fallen.

Es scheint fast so, als wären die Dämme gebrochen und die CDUCSU, gebeutelt vom mannigfachen Maskenskandal verfällt endgültig in den Hühnerhofmodus.

Währenddessen steht die SPD geschlossen und konsolidiert zu ihrem Spitzenkandidaten.

Verdrehte Welt, das seh‘ ich gern.

Da heißt es für jeden Sozialdemokraten: Zurücklehnen und genießen, so lange es andauert.

[…..] Ab in die Opposition!

Weder CDU noch CSU haben einen geeigneten Kanzlerkandidaten. Nach 16 Jahren ist die Union verbraucht, es wird Zeit für einen Neuanfang jenseits der Regierung. [….]

(SPIEGEL-Leitartikel von Dirk Kurbjuweit, 09.04.2021)

Donnerstag, 8. April 2021

Auf der schiefen rechten Bahn.

Es ist so frustrierend zu sehen, dass neben den Usual Suspects – niemand kann sich ernsthaft über das Covidioten-Geschwurbel von Xavier Naidoo, Til Schweiger, Nena und Attila Hildmann wundern – leider auch Menschen, die man zuvor für hochvernünftig und sympathisch hielt.

Leider traf es nun auch den Musiker Michy Reincke, der nach ein paar mittelgroßen Hits in den 1980ern zwar nie den großen Durchbruch erreichte, wohl aber in Hamburg eine lokale Größe blieb und musikalisch immer besser wurde.

Ein zutiefst sympathischer, intelligenter Kerl, der ganz in der Nähe von mir seit Jahrzehnten in derselben kleinen Wohnung lebt und ohne Plattenvertrag von seiner selbst vermarkteten LIVE-Musik lebt.

Das sind keine Welthits, aber er ist sozial engagiert und ein begnadeter Unterhalter. Er gibt traditionell mehrere „Weihnachtskonzerte“ im Schmidts Tivoli, die immer ausverkauft sind, weil jeder, der da war, wiederkommt.

Besonders beliebt sind seine Ansprachen zwischen den Songs.

Auf seiner CD „Mach dein Herz laut“ von 2004, gibt es eine siebenminütige Erklärung „KONSEQUENT PSYCHO“, in der er von seinen Erlebnissen auf sächsischen Stadtfesten erzählt.

Schon das lohnt sich das Album zu kaufen!

Nach einem Jahr ohne Auftritte, verbreitet er nun über seine sozialen Medien einen endlosen Text, der im Gegensatz zu den meisten öffentlich auffälligen Aluhut-Elaboraten in perfekter Orthographie und Grammatik daher kommt und durchaus davon zeugt, daß er sich mit der Pandemie-Thematik beschäftigt hat.

Umso erschreckender die Schlüsse, die er zieht: Er will sich nicht impfen lassen, nennt George Soros und Bill Gates als finstere Drahtzieher, überführt Drosten und Lauterbach als unseriöse Spinner und verweist als Quelle unter anderem auf Boris Breitschuster; den frisch bei YouTube auf Lebenszeit gesperrten Liebling der rechtsradikalen Verschwörungstheoretiker.

Ich wollte erst auch meinem Blog die ganzen „Argumente“ aus Michy Reinckes Text zerpflücken.

Das wäre aber erstens sehr lang geworden, zweitens redundant, denn solche Leute wie Mai Thi Nguyen-Kim haben das ja längst alles ausführlich behandelt, drittens will ich Schwurblern nicht zu noch mehr Aufmerksamkeit verhelfen und viertens wäre es ja ohnehin völlig sinnlos.

Wer so denkt, lässt sich ja offensichtlich eben nicht von Fakten überzeugen.

Ich verlinke seine Covidioten-Texte absichtlich nicht; wer es genau nachlesen möchte und viel Zeit hat, findet es nach 30 Sekunden googeln selbst.

Naidoo und Nena sind und waren für mich schon immer irrelevant. Ihr endgültiges Abrutschen auf der schiefen Ebene nach ganz rechts unten beeinflusst weder mein Konsumverhalten, noch meine emotionale Verfassung.

Nun werde ich aber die nächsten Reincke-Alben garantiert nicht kaufen und mich grämen, daß ein intelligenter Mensch sich als so ein asozial-egoistischer Verschwörungstheorie-affiner Aluhut entpuppt.

Es tut so viel mehr weh, wenn eine intelligente Person, die einmal auf der richtigen Seite stand, in rechte Schwurbelsphären hinwegdriftet, als wenn es bloß ein gewöhnliche QTrumplican-Abgeordneter wie Gaetz, Boebert, Greene oder Brooks ist. Die sind schließlich allesamt nicht nur bösartig, sondern auch sagenhaft ungebildet und dumm.    Was will man von denen schon erwarten?

Ein sehr trauriger Fall einer schon seit Jahren auf der rechten schiefen Bahn wegrutschenden Frau ist Sahra Wagenknecht, die erst von ihrem Mann Oskar Lafontaine die xenophob-populistischen und völkischen Töne übernahm, dann aber auch bei den offensiv antisemitischen Gelbwesten mitmischte, sich gegen Homosexuelle positionierte, die US-Demokraten bekämpfte und Trump lobte, egoistisch gegen RRG agitierte, zur Freude der AfD migrantenfeindliche Mythen verbreitete und folgerichtig auch covidiotisch-populistisch gegen die „Inzidenz-Willkür“ wettert.

Wagenknecht ist lange verloren gegangen. Eine intelligente und gebildete Frau, die so tief im braunen Sumpf steckt, daß sie keine AfD-Trigger mehr auslassen kann. Kaum ein Nazi-Lieblingsthema, das sie nicht übernommen hätte.

Zuletzt erwischt es eine der letzten Minderheiten, gegen die sie noch nicht gepoltert hatte:

[….] Wagenknecht warnt vor "immer skurrileren Minderheiten"   [….] Sahra Wagenknecht will offenbar Wählerstimmen ergattern, indem sie die Minderheitenpolitik der AfD übernimmt.  "Dieses Buch ist durchzogen von Menschenverachtung." Dieses Urteil über Sahra Wagenknechts neuestes Werk "Die Selbstgerechten", das nächste Woche erscheinen soll, stammt nicht von einem politischen Gegner der ehemaligen Oppositionsführerin im Bundestag, sondern von einem Parteifreund: Frank Laubenburg, der Bundessprecher der parteiinternen Vereinigung Die Linke.queer, ist empört über die Äußerungen der wohl prominentesten Politikerin seiner Partei. [….] Wörtlich schrieb Wagenknecht: "Die Identitätspolitik läuft darauf hinaus, das Augenmerk auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten zu lenken, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und aus der sie den Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein." Als Beispiel für solche "Marotten" nennt sie sexuelle Orientierung, Hautfarbe und Ethnie. Arme Menschen, die lediglich "weiß und hetero" seien, würden dagegen den angeblich begehrten Opferstatus nicht erhalten. [….]

(Queer.de, 08.04.2021)

Bei solchen Wagenknecht-Tiraden bekommen Hedwig Beverfoerde und Gabriele Kuby vor Glück einen Eisprung.

Die früheren Alliierten in taz und Neues Deutschland können hingegen nur noch mit dem Kopf schütteln.

[….] Folgen wir der Ex-Chefin der Linksfraktion, dann blockieren Minderheitenpolitik und eine Horde Moralapostel, die die Grünen, die SPD und seit ihrem Rückzug auch die Linkspartei gekapert haben, eine erfolgreiche gesellschaftliche Linke.  „Fridays for Future“ und „unteilbar“ werden im Vorbeigehen als lächerliche Wohlfühlbewegungen von Bürgerkindern verhöhnt, Coronaproteste hingegen mit freundlichen Worten bedacht. Diese Sympathieverteilung ist für eine Spitzenpolitikerin der Linkspartei erstaunlich.  […..]

(Stefan Reinecke, taz, 08.04.2021)

[….] Wenige Tage vor der Aufstellung der Bundestagskandidaten sorgt ein neues Buch von Sahra Wagenknecht für hitzige Debatten in der Linken. Forderungen werden laut, dass die prominente Politikerin auf einen Wahlantritt verzichten soll. [….] Der Noch-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat schrieb am Mittwoch auf Facebook, er habe sich »fest vorgenommen, nichts zu schreiben«, aber »es reicht!«. Movassat zitiert aus Wagenknechts Buch, in dem diese von »Identitätspolitik« schreibt, die sich auf »immer skurrilere Minderheiten« richte, die ihre Identität in »irgendeiner Marotte« finde.    Der Bundestagsabgeordnete fragt polemisch, ob es eine Marotte von Oury Jalloh war, als dieser 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. In einem anderen Ausschnitt beklagt sich Wagenknecht darüber, dass der Protest der französischen Gelbwesten - genauso wie Anti-Corona-Demos, sie nennt eine Demo im August 2020 in Berlin - von Linken als rechts abgestempelt würden.   Als Beispiel für einen, der dies macht, nennt Wagenknecht Bernd Riexinger, den sie als damaligen Vorsitzenden »einer deutschen linken Partei, dessen Name heute zu Recht vergessen ist«, bezeichnet. Movassat nennt dies eine »Unart des Umgangs« und »unglaubliche Respektlosigkeit« gegenüber Riexinger. [….] Daniel Kerekeš, Kreissprecher der Linken in Essen, fürchtet, die Diskussionen über Wagenknechts Buch könnten einen »irreparablen Imageschaden für die Partei zur Folge haben«. [….] (Sebastian Weiermann, ND, 08.04.2021)

Wagenknecht spricht AfD, PP, PI, Piusbrüdern und ähnlich randständigen Rechten aus der Seele. Sie sollte endlich konsequent sein und zusammen mit Boris Palmer in die AfD eintreten.