Mittwoch, 27. Februar 2019

Nicht weinen, Florin!


Als vor gut 20 Jahren eine meiner frommen katholischen Cousinen aus den USA zu Besuch war, landete sie erschöpft an einem Samstagabend in Hamburg-Fuhlsbüttel und fragte und so ziemlich als Erstes, wann und wo wir denn morgen in die Messe gingen.

Den schockierten Blick werde ich nie vergessen, als ich erst sagte „we don’t do that“ und dann auch noch meine Mutter ob des verwirrten „WHY?“ nachschob „because we don’t believe in god!“
Das arme Mädchen; in was für einem Sündenbabel war die hier bloß gelandet!

Noch mehr hätte sie allerdings schockiert, was anschließend geschah, nachdem ich sie bei dem Onkel abgeliefert hatte, der sie zuerst beherbergte.
Sie tat mir nämlich leid, also fing ich an herumzutelefonieren, wo und wann denn katholische Gottesdienste stattfinden. (Es war ja noch die Zeit vor dem Internet).
Es war wie verhext; nicht nur ich ging nicht in die Kirche, sondern ich kannte noch nicht mal einen, der das tat. Alle Nachbarn, Freunde, Bekannte, die ich fragte, winkten irritiert ab. Sonntagmorgen in den Gottesdienst? Genauso gut hätte ich fragen können, ob sie auch allabendlich von Marsmenschen zu urogenitalen Untersuchungen auf eine Untertasse beim Saturn gebeamt würden.

Das war meine Offline-Filterblase, lange bevor es den Begriff gab.
Kurioserweise interessierte ich mich viel mehr für Katholizismus als meine so gläubige katholische Cousine und erzählte ihr in den nächsten Wochen kontinuierlich kirchenhistorische Geschichten, berichtete ihr von Kabalen in der Kurie, mächtigen Kardinälen, dem Kirchenschisma und der Organisationsstruktur der Weltkirche.
Das war alles Neuland. Sie wußte gerade mal, daß der Papst in Rom ein Pole ist und kannte darüber hinaus nur den Priester in ihrer Gemeinde.
Themen wie Inquisition oder Kreuzzüge konnte ich ohnehin nicht ansprechen; niemals hätte sie mir geglaubt, daß die Kirche ihres geliebten Lords, zu dem sie ständig betete, irgendetwas Schlechtes tun könnte.

So erlebte ich Glauben vor 20 oder 30 Jahren:
Es gab erstens viele generell Desinteressierte, zweitens engagierte Atheisten, die alle zu Hause die Bücher von Küng, Drewermann und Ranke-Heinemann stehen hatten und drittens noch die ernsthaft Gläubigen, die auch regelmäßig Gottesdienste besuchten.

Aber mit dieser letzten Kategorie hatte man nie Kontakt.
Man las nur in den Zeitungen über solche Exoten und wunderte sich über die 100% wohlwollende Perspektive der Kirchenjournalisten, die immer so schrieben, als ob diese Beterei ganz normal sei und jeder das täte.
Reporter, für die wir alle Christen waren und fest von der positiven Wirkung Gottes überzeugt waren.
Journalisten, in deren Welt Ungläubige gar nicht existierten.
In den Zeitungen wurde ein real existierendes Kirchentum dargestellt, mit dem ich nicht nur keine Berührungspunkte hatte, sondern das ich niemals in Hamburg bemerkt hatte.
Üblicherweise sind bei den großen Periodika die Frommen für Frommes zuständig.

Das ist einer der von mir immer wieder beklagten Presse-Missstände.
Alle Kirchenthemen werden von frommen Gläubigen behandelt.
Dafür hat Springer Badde und Englisch, der Tagesspiegel die unvermeidliche Claudia Keller, die Zeit Frau Finger und die SZ eben Matthias Drobinski.
(……) Man stelle sich vor über die CDU würden nur noch CDU-Mitglieder schreiben. Oder nur noch Soldaten über die Bundeswehr. 

Geht es um die Grundfrage des Christentums in Deutschland – was geht da eigentlich so sagenhaft schief, daß jedes Jahr Hunderttausende aus der Religionsgemeinschaft flüchten, während aus anderen Kontinenten ein reger Zulauf herrscht – wird es bei den großen Zeitungen ganz gediegen.

Als Abonnent von Printzeitungen kennt man die strammen Religioten-Blätter „Himmel und Elbe“, sowieso das überregionale „Chrismon“.
Kostenlose Beilagen, die mit ungeheurem finanziellen Aufwand der Kirchen betrieben werden, um all den norddeutschen Ungläubigen gegen ihren Willen christliche Inhalte aufzuzwingen.
(Ja ich weiß, „gegen den Willen aufzwingen“ ist eine tautologische Formulierung, aber diese frömmelnden Blättchen, die sich bei mir in vielfacher  Version stapeln ärgern mich auch mehrfach!)

Ich vermute, die meisten Käufer von Hamburger Abendblatt, ZEIT, Süddeutsche Zeitung werden diese Kirchenbeilagen ungelesen in den Müll werfen.

Unglücklicherweise gucke ich aber gelegentlich da rein und lese dann Kolumnen von Pröbstin Astrid Kleist oder Sabine Tesche.
Anschließend braucht man eine große Dosis Acetylsalicylsäure, um die Hirnchemie wieder zu beruhigen.

In die Kategorie der erstaunlich frommen Kleists und Tesches, die man nur aus Zeitungen kennt und im echten Leben nie trifft, gehört auch Christiane Florin.
Auch Florin, Jahrgang 1968, ist in der Blase der Kirchenschreiberlinge großer deutscher Periodika omnipräsent. Sie verantwortete das erbärmliche „Christ und Welt“, die persönliche Missionierungsbeilage des ZEIT-Chefredakteurs di Lorenzo, die es nach vielen Dekaden vermochte mich dazu zu bringen mein ZEIT-Abo zu kündigen.
Sie ist Redakteurin des Ressorts „Religion und Gesellschaft“ beim Deutschlandfunk, tritt in Presseclub und abendlichen Plappertalkshows auf.
Eine vorherige Station war das Feuilleton des radikal-christlichen Rheinischer Merkurs.
Ich kann mit Fug und Recht sagen seit Dekaden unter dieser Frau zu leiden.
Und nun das.
Christiane Florin ärgert sich über das Kinderficken in ihrer RKK und beklagt lautstark in Form eines zweiseitigen Meinungsartikels in der „Hamburger Morgenpost“ das Nichthandeln dieses Papstes, der es auch noch wagte Kirchenkritiker als „Freunde und Cousins des Teufels“ zu bezeichnen, während nach Kardinal McCarrick ein weiterer Top-Kardinal und Papst-Vertrauter, nämlich George Kardinal Pell überführt wurde mehrere kleine Jungs sexuell missbraucht zu haben. Wochenlang durfte nicht darüber berichtet werden, aber Pells pädosexuelle Vergangenheit war schon lange bekannt, bevor Franziskus ihn förderte und beförderte.
Das weiß „man“, aber insbesondere wissen professionelle Kirchenjournalisten selbstverständlich von der kontinuierlichen Kindersexförderung durch Wegsehen, Vertuschen und Abstreiten des Vatikans.
Frau Florin geht aber nun einen winzigen Schritt weiter als ihre Glaubenskollegin Nahles, die sich mit den Langsamkeit des Vatikans abfindet und damit gelassen hinnimmt, daß immer weiter Kinder vergewaltigt, psychosexuell missbraucht, gequält und geprügelt werden.
Nahles findet es sogar irgendwie lustig und gibt lockere Sprüche von sich. Die SPD-Vorsitzende ruft den vergewaltigten Kindern zu sich mit ihrer Situation abzufinden. Da gäbe es keinen Handlungsbedarf, das dauere eben.

[….] Die katholische Kirche sei unter Papst Franziskus liberaler geworden. Protestanten dürften sich nicht in der Vorstellung ausruhen, sie seien die fortschrittlichere Konfession: "Ich habe schon unheimlich viele konservative Evangelikale getroffen, und kenne so viel 'Pietcong' bei Euch." Auch in der katholischen Kirche werde es irgendwann einmal Priesterinnen geben, versicherte sie und warb für Verständnis, dass eine Weltkirche nicht schnell zu reformieren sei. "Erst vor einigen Jahren hat der Papst offiziell festgestellt, dass es keine Lindwürmer gibt. Manchmal braucht das etwas." [….]

Ganz so gelassen flutschen Florin die Worte nicht mehr aus der Feder.

[….] Dreimal habe ich die Rede des Papstes gelesen und mich geärgert. Über den Papst, aber vor allem über mich. [….] Gründlich zu lesen ist also Journalistinnenpflicht. Aber um dieses blamable Dokument zu verstehen, hätte auch ein einziger Lektüredurchgang gereicht.
Das erste Drittel verbringt Franziskus dort, wo auch missbraucht wird: in Familien und Sportvereinen, im Internet und an Sex-Tourismus-Destinationen. Also im großen Anderswo. Dann kommt kurz der Machtmissbrauch in der Kirche zur Sprache, wobei es missbrauchte Macht auch in anderen Formen gebe. Er nennt Kindersoldaten und minderjährige Prostituierte. [….] In der Mitte der Rede sieht Franziskus die „Hand des Bösen“ am Werk. Das muss das Gegenstück zur Hand Gottes sein, mit der Argentinien 1986 Fußball-Weltmeister wurde. Wobei diese Bemerkung schon in die Kategorie der „ideologischen Polemiken und journalistischen Kalküle“ fällt, vor denen der Papst zwischendurch schnell warnt.
Danach folgt ein Katalog katholischer Sensationen, die aber anderswo Selbstverständlichkeiten genannt werden dürften: keine Vertuschung mehr, weltliche Justiz, Prävention. Und nicht vergessen: Die Kirche selbst sei „mit ihren treuen Töchtern und Söhnen“ auch Opfer. [….]

Nach 50 Jahren fällt Florin auf wie der Hase läuft. Schuld haben immer die anderen und/oder der Teufel

[….] Ich bin auch Laiin und habe die Anfang-Wichtiger-Schritt-Wendepunkt-Rhetorik satt. Ich habe es satt, dass Betroffene wie Bittsteller behandelt werden, die auch noch dafür dankbar sein sollen, dass sich wenigstens ein Kardinal in Rom ihrer erbarmt hat. Dass sie draußen vor der Tür bleiben mussten. Wie seit Jahrzehnten. [….]

Die Laienorganisationen sind in Deutschland traditionell schwach, devot und indolent. Das bedauern die Laien offiziell, aber in Wahrheit ist es bequem. Denn so können sie jede Verantwortung auf die übermächtigen Geistlichen abwälzen – auch wenn sie wie im Fall „Donum Vitae“ bis auf einen einzigen Bischof (Kamphaus) radikal frauenfeindlich agieren. Nahles demonstriert es mustergültig: Myriaden Jungs von katholischen Geistlichen vergewaltigt? Hunderttausende gequält und geschlagen? Macht ja nichts, wir sind ja Laien und die Bischöfe reagieren nun mal langsam in einer 2000 Jahre alten Institution.

[….] Warum, zum Teufel, geben wir diesem Laden immer wieder eine Chance? Das fragen die Katholikinnen und Katholiken in meiner Facebook-Blase. Das frage ich mich auch[….]  „Warum bist du noch dabei?“, werde ich immer häufiger gefragt. Ich stammle dann etwas von Nostalgie und Biografie. Aber eigentlich denke ich ganz böse: Wir Geduldigen sind Komplizen. […..]

Hier kommt die der Sache schon näher. Es ist wie mit den angeblich anständigen Republikanern, die nicht wagen gegen Trump zu stimmen.
Sie sind Enabler.

Seit 15 Jahren schwappen gewaltige Missbrauchs-Veröffentlichungen durch die katholische Welt. Immer mehr Länder melden Zehntausende Opfer. Aber die Geistlichen brauchen Zeit, weil Sexualmoral, Zölibat, Homophobie und Frauenpriestertum nicht kurzfristig einzuführen wären.
Das bedeutet aber, daß man sich damit abfindet, daß jeden Tag weitere Kinder vergewaltigt werden.

Eins verschweigen auch die Laiinnen Nahles und Florin gern: ZdK und Co sind in der Tat nicht so mächtig wie die Bischofskonferenz, aber auch alle Geistlichen zusammen sind machtlos ohne die Laien.
Wenn die Laien austreten, nicht mehr ihre Kirche finanzieren und nicht mehr zu den Gottesdiensten gehen, sind die Bischöfe erledigt und dann wäre sofort Schluss mit dem Kindesmissbrauch und den Nonnenvergewaltigungen.

Die brutalen Verbrechen der Zölibatären im Kleid können nur so lange geschehen, wie die Florins dieser Welt mitmachen und zahlende Mitglieder bleiben.

Alle Katholiken sind mitschuldig. Ein Konzept, das ihnen ob Gottes Erbsünde, mit der sie alle geboren sind, nicht unbekannt sein sollte.
Katholiken sind nicht nur durch Geburt mit Sünde befleckt, sondern auch durch Kirchenmitgliedschaft Mitschuld am fortdauernden Kindesmissbrauch.
Nichtwissen taugt nicht mehr als Ausrede für eine RKK, die auch nach dieser Konferenz in Rom gar nicht daran denkt die Liste mit den pädophilen Priestern zu veröffentlichen oder ernsthaft etwas zu unternehmen, damit weniger Kinderficker Priester werden.

Dienstag, 26. Februar 2019

Schamlosigkeit Extrem


Was hält man von einem Mann, der sich für den Job als mächtigster Mann der Welt bemüht und als erstes offen rassistisch Ausländer zu Kriminellen und Drogendealern herabwürdigt und auf offener Bühne ein Behinderten verspottet und imitiert? So geschehen im November 2015, als Trump den an Arthrogryposis leidenden New York Times Reporter Serge Kovaleski “ridiculete”.


Trump-Fan und Möchtegern-potus Chris Christie saß neulich bei Bill Maher und erzählte, wie er sich im Juli 2015 zu einem Strategiemeeting mit Jeb Bush traf nachdem Donald Trump über John McCain hergefallen war.


Der fünfmalige Vietnam-Drückeberger vergeht sich am Nationalhelden McCain, der jahrelang in Vietcong-Gefangenschaft so schwer gefoltert wurde, daß er bis an sein Lebensende davon gezeichnet war.
Veteranen sind ohnehin heilig in den USA. Noch heiliger sind sie den Republikanern. Und noch heiliger als normale Veteranen sind ehemalige POW (prisoners of war). Aber die allerhöchste Stufe der Heiligkeit ist ein POW, der über Jahre gefangen und gefoltert wurde. Von dieser allerhöchsten
Heiligenkategorie gibt es wiederum nur einen, der es anschließend zum legendären GOP-Senator und GOP-Präsidentschaftskandidaten brachte; John McCain.

[….] Republican presidential candidate Donald Trump slammed Sen. John McCain (R-Ariz.), a decorated Vietnam War veteran, on Saturday by saying McCain was not a war hero because he was captured by the North Vietnamese.
“He’s not a war hero,” Trump said. Sarcastically, Trump quipped, “He’s a war hero because he was captured.” Then, he added, “I like people that weren’t captured.” [….]

Man kann nicht John McCain derartig beleidigen und das politisch überleben. Schon gar nicht, wenn man auf GOP-Ticket reist. „End of the run“ – anders ging es gar nicht-
Das war für Bush und Christie so klar, daß sie überlegten, ob sie nach dem nun unvermeidlichen Ausscheiden Trumps aus dem Rennen nun als gemeinsames Ticket antreten würden.

POW

Bis heute ist nicht wirklich klar wieso die elementarsten Regeln des Anstandes und über Jahrhunderte geltende moralische Standards der US-Gesellschaft nicht für Trump gelten.


Heilig wie POW-Familien sind/waren immer auch Gold-Star-Familien, also Angehörige eines gefallenen US-Soldaten.
Auch diese Hürde riss Trump, als er ein Jahr später mehrfach lästernd über das Goldstar-Paar Khizr Muazzam Khan Ghazala Khan herfiel, deren Sohn Captain Humayun Khan (1976 – 2004) im Irakischen Baqubah bei einer suicide attack zerfetzt wurde und posthum als Kriegsheld mit Purple Heart und Bronze Star geehrt wurde.
Trump, der five-time-draft-dodger, aus dessen Familie kein einziges Mitglied jemals Soldat war müsste eigentlich besonders vorsichtig sein, aber für ihn gelten keine Regeln.

 [….] Republican presidential hopeful Donald Trump has attracted outrage by mocking a dead US Muslim soldier's mother.
Ghazala Khan stood silently next to her husband as he attacked Mr Trump in an emotional speech to the Democratic National Convention on Thursday.  Mr Trump suggested she may not have been allowed to speak.
[….]  "If you look at his wife, she was standing there," he said, "She had nothing to say... Maybe she wasn't allowed to have anything to say. You tell me."
But former president Bill Clinton, the husband of Democratic nominee Hillary Clinton, said: "I cannot conceive how he can say that about a Gold Star mother." [….] Ohio Governor John Kasich, a former rival to Mr Trump for the Republican nomination, tweeted: "There's only one way to talk about Gold Star parents: with honour and respect."
In an interview for ABC on Saturday, Ghazala Khan said: "When I was standing there, all of America felt my pain, without a single word. I don't know how he missed that." [….]

Trump ist immun gegen die tödlichsten politischen Waffen, die jeden anderen Präsidentschaftsbewerber in Sekunden ausknocken würden.

Es gab noch das “Access Hollywood”-Tape, das nur einen Monat vor der Präsidentschaftswahl veröffentlicht wurde.

Wieder war die Welt sicher, daß er nun aus dem Rennen wäre.

[….]  Trump: I moved on her, actually. You know, she was down on Palm  

Beach. I moved on her, and I failed. I’ll admit it.
I did try and fuck her. She was married.
No, no, Nancy. No, this was [unintelligible] — and I moved on her very heavily. In fact, I took her out furniture shopping.
[….] I moved on her like a bitch. But I couldn’t get there. And she was married. Then all of a sudden I see her, she’s now got the big phony tits and everything. She’s totally changed her look.
Billy Bush: Sheesh, your girl’s hot as shit. In the purple.
Trump: Whoa! Whoa!
Bush: Yes! The Donald has scored. Whoa, my man!
Trump: Look at you, you are a pussy.
[….] I better use some Tic Tacs just in case I start kissing her. You know, I’m automatically attracted to beautiful — I just start kissing them. It’s like a magnet. Just kiss. I don’t even wait. And when you’re a star, they let you do it. You can do anything.
[….] Bush: Whatever you want.
Trump: Grab ’em by the pussy. You can do anything. [….]

Solche Sprüche würde ein Kanzlerkandidat noch nicht mal im viel liberaleren Deutschland überstehen.
Aber im prüden Amerika?
Und dann auch noch ein konservativer Kandidat, der die höchsten Zustimmungsraten bei evangelikalen Christen genießt?

Dieser Trump brachte es in zwei Jahren Präsidentschaft bisher auf 8.000 öffentliche Lügen und schafft es alle, die seine Lügen aufdecken, als „Fake News“ zu diskreditieren.

 [….] Since taking office, Trump has made 7,645 ‘false or misleading claims’. In October he said 1,200 things that were false or misleading, according to Fact Checker database. [….]

Nur dieser in GOP-Drachenurin Gebadete bringt es fertig als US-Präsident nach Vietnam zu fliegen und sich dort als Held zu inszenieren.

[….]  Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un sind zu ihrem zweiten Gipfel in Hanoi eingetroffen. [….] der US-Präsident spekuliert offenbar auf den Friedensnobelpreis.


[….] Trumps und Kims erstes Treffen in Singapur war eine PR-Show, nun müssen sie fassbarere Erfolge bringen. Blumige Absichtserklärungen reichen nicht mehr. Ohne "konkrete, überprüfbare Fortschritte bei der Denuklearisierung", wie es nicht nur die US-Demokraten fordern, wäre auch dieser Gipfel eine Luftnummer.
 Für Trump werden diese zwei Tage im schwülen Hanoi zu einer der wichtigsten Bewährungsproben seiner Präsidentschaft - die zugleich diese Woche mal wieder überschattet wird von den immer dramatischeren Skandalen daheim. Doch Trump liebt das Risiko: Er selbst soll diesen Gipfel forciert haben - mit Blick auf die Wahlen. [….] Doch keiner in der US-Delegation hat eine schlüssige Antwort auf die Frage, was Trump und Kim hier überhaupt erreichen sollen - und wie. [….] Zudem hat jeder seine eigene, konfuse Agenda. Die Pläne der Amerikaner ändern sich zum Beispiel je nachdem, wen man fragt. Seit Singapur verschiebt Trump selbst immer wieder die Messlatte. [….] Er lässt oft durchblicken, dass er auch, wie sein Vorgänger Barack Obama, einen Friedensnobelpreis verdiene, weil er - so behauptet er - schließlich einen Atomkrieg verhindert habe.






Einstweilen überhäufen sich Trump und Kim mit Komplimenten und Schmeicheleien. Wie ein "verknallter Teenager", so die "Washington Post", zeige Trump gerne Kims "Liebesbriefe" herum. Darin preise Kim die Ausdauer und Weisheit des mehr als doppelt so alten US-Präsidenten. [….] (Marc Pitzke, 26.02.19)


Montag, 25. Februar 2019

Im Lapsus-Modus


Merkel ist nicht so schlecht wie manche Andere.
Ich stehe zu meiner gestrigen Aussage; man muss sich nicht in Grund und Boden schämen für ihre Auslandsauftritte. Sie wird wohl eher nicht anderen Regierungschefs in den Schritt greifen oder das Tafelsilber stehlen.
Blöderweise kann man in der Außenpolitik sowohl mit Taten wie mit Nichtstun Schaden anrichten.
Da die Kanzlerin allerdings über keinerlei Polit-Instinkt verfügt und bei Personalentscheidungen bemerkenswert sicher stets ins Klo greift (man denke nur an die Parade der versagenden CDU-Generalsekretäre und Bundespräsidenten, die sie aussuchte, Oettinger, Juncker), fährt sie üblicherweise tatsächlich besser damit so zu tun, als ginge sie Politik generell nichts an.
Kirchhof-Flattax, Gesundheitskopfpauschale, bedingungslose Unterstützung GWBs und des Irakkrieges, fortwährende Interventionen bei der EU zu Gunsten der Autoindustrie und zu Ungunsten des Klimas, kategorische Verteidigung der Atomindustrie, Ablehnung der Ehe für alle und stupides Beharren auf einem Austeritätskurs (außer in Deutschland!!) bis in Italien und Griechenland Rechtsradikale in der Regierung saßen.
In den wenigen Fällen, in denen sich Merkel festlegt, wählt sie immer die Verliererseite.

 [….] Europa flucht und lacht zugleich über den Brexit - warum auch nicht? Fluchen als Anklage des Realitätsverlusts britischer Politik. Und Lachen zur Bewältigung. Aber dann wieder stellt die EU selbst nichts anderes her als einen Dig-xit, also ihren digitalen Exit. Beiden Exits ist gemein, dass die herrschende Generation aus egozentrischem Unwillen, die Perspektive auch nur um ein My vom eigenen Nabel zu lösen, auf Jahre die Chancen und Möglichkeiten der Nachfolgenden mindert oder ruiniert.
Schlaglicht auf Deutschland, die treibende Kraft des EU-Digitaldebakels, das dem Brexit strukturell so ähnelt: Angela Merkel hinterlässt Deutschland als digitale Trümmerlandschaft der Infrastruktur und macht sich darüber auch noch lustig. Auf einer Konferenz am 19. Februar 2019 in Berlin erzählte sie den großartigen Premiumwitz, dass man in Brandenburg mancherorts schon froh wäre, wenn man 2G hätte. Seit 2005 ist Merkel Kanzlerin, seit spätestens 2007 sind von ihren verschiedenen Bundesregierungen immer und immer wieder Versprechungen zur digitalen Infrastruktur gemacht und gebrochen worden, und 2019 reißt Merkel einen Witz über ihr eigenes Versagen, unter dem andere leiden. Was für eine Unverschämtheit.
[….] Zur Merkels antidigitalem Vermächtnis gehört die gegenwärtige EU-Urheberrechtsreform. [….] Digitalstaatsministerin Dorothee Bär sitzt im Publikum und wird mit witzigem Augenzwinkern in der Stimme abgefertigt: "Wir vertreten etwas unterschiedliche Positionen." Ja, so kann man es auch ausdrücken, wenn die eine auf Basis von Fakten argumentiert, aber die andere ist halt Kanzlerin. [….]

Offensichtlich ist das Internet tatsächlich immer noch #Neuland für Angela Merkel. Sie hat keine Ahnung von den Mechanismen der modernen Medien und ist über die Benutzung von SMS nie herausgekommen.
Anders ist ihr Total-Lapsus bei der Sicherheitskonferenz nicht zu erklären, als sie die inzwischen meme-haft berühmte schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg als so eine Art Fake-News oder Russen-bot darstellte:
So viel Klima-Engagement könne gar nicht sein, erklärte die Kanzlerin dem staunenden Publikum.
Kinder, die sich für das Klima interessieren und online das Treiben einer Aktivistin verfolgen? Kann ja gar nicht sein!

[….]  Angela Merkel hat neulich etwas sehr Unkluges gesagt - sie scheint selbst zum Opfer von Wladimir Putins "hybrider Kriegführung" geworden zu sein. [….] Für die sonst so bedachte Kanzlerin Angela Merkel war das ein bemerkenswerter Fehler, vergangene Woche bei der Münchner Sicherheitskonferenz: In ihrer Rede sprach sie zunächst von Russlands "hybrider Kriegführung". Direkt danach sagte sie:
    "In Deutschland protestieren jetzt Kinder für den Klimaschutz. Das ist ein wirklich wichtiges Anliegen. Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder, nach Jahren, ohne jeden äußeren Einfluss, plötzlich auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen."
Doch, das kann man schon. Wenn man sich mal mit ein paar politisch interessierten Kindern und Jugendlichen darüber unterhält, was sie so von den bisherigen Anstrengungen der Erwachsenen in Sachen Klimakatastrophe halten, kann man sich das schnell vorstellen.
Wie aber kommt die Kanzlerin dann auf diese seltsame Idee? Dass da ein "äußerer Einfluss" eine Rolle gespielt haben müsse?
[….][….] Und genau hier liegt das Problem mit Merkels Äußerung: Das Schüren und Befeuern von Verschwörungstheorien gehört zum Kerngeschäft der Propagandisten von heute. Wenn Russlands real existierende hybride Kriegführung aber dazu führt, dass legitime Protestbewegungen grundsätzlich für Ergebnisse russischer Propaganda gehalten werden - dann hat die russische Regierung eines ihrer Ziele schon erreicht. […..]