Montag, 15. Oktober 2018

Hoffnung für Deutschland?


Ein interessanter Aspekt der gestrigen Bayern-Wahl war die Tatsache, daß alle nicht rechtsradikalen Parteien, die mit vollen Hosen auf die AfD starrten und sich deswegen für rigidere Flüchtlingspolitik aussprachen, verloren haben.
Plumpes Nachplappern xenophober AfD-Rhetorik (CDU/CSU/FDP/Linke) nütze ebenso wenig wie verdruckstes Verschweigen (SPD).
Einzig die Partei, die mutig für ein buntes Europa eintrat und deren Spitzenkandidaten fröhlich an der Spitze von #Unteilbar- und #Refugeeswelcome-Demos marschierten, nämlich die bayerischen Grünen, gewannen kräftig hinzu.

In ihrer ängstlichen Verdruckstheit ähneln die Sozialdemokraten den US-Demokraten, die auch immer Angst haben nicht Militär-, Gottes-, Nationen-freundlich genug zu sein.
Bloß nicht zu den vaterlandslosen Gesellen zählen, bloß nicht in den Verdacht kommen die Army nicht genügend zu lieben, bloß nicht die tumb-nationalen Rednecks auf dem platten Land verärgern.

Dabei ist es für liberale Demokraten ohnehin unmöglich evangelikale Südstaatler mit ihren Konföderierten-Flaggen zu überzeugen.
Rassistische Schwulenhasser, die den ganzen Tag mit ihren Knarren spielen und nebenher Kinder machen, die sie nicht zur Schule schicken, sind aber ohnehin als Wähler verloren.
Das gilt genauso für die Volksverräter- und Haut-Ab-grölenden Pegidioten auf Dresdens Straßen.
Sigmar Gabriel hätte nicht dahin gehen sollen. Das generiert keine Wählerstimmen und demütigt nur. Am Ende musste der damalige Vizekanzler dem Nazi-Parolen skandierenden Mob, der kleine Galgen mit Gabriel-Puppen mit sich führte, buchstäblich den Stinkefinger zeigen.
Die Erfahrung hätte er sich sparen können; sie richtete viel mehr Schaden bei den demokratischen Anhängern der SPD an, als sie jemals hätte nützen können.

Beim abscheulichen „lock-her-up“-Pöbel, der marodierend zu Trumps Rallys marschiert verhält es sich genauso. Das sind lost people, deren Hirne vom Hass endgültig zerfressen sind.

Vernünftige Politiker haben nur die Chance durch umfangreiche Ausgaben für Bildung und Sozialprogramme dafür zu sorgen, daß zukünftige Generationen nicht genauso schlimm werden.

Die größte politische Fehlleistung des Jahres stammt ausgerechnet vom deutschen Innen- und Verfassungsminister, der die kruden AfD-Ansichten zur „Mutter der Probleme“ adelte.
Die Münchner Grünen gingen den umgekehrten Weg und riefen der braunen Bande ein kräftiges „So nicht!“ entgegen. Und sie waren damit erfolgreich
In Amerika gibt es offensichtlich eine neue Generation demokratischer Kandidaten, die nicht wie die noch amtierende Geronten-Generation, ängstlich vor den GOP-Themen zurückweicht.
Jahrzehnte lang konnten die Republikaner mit dem Todschlagargument „Das Ist Sozialismus!“ fast jede demokratische Initiative abblocken. Bei dem Vorwurf knicken die Blauen üblicherweise leise jammernd sofort ein, statt endlich mal aufzustehen und zu sagen „Ja, verdammt, und Sozialismus ist gut. Öffentliche Straßen und Militär sind auch Sozialismus. Die werden auch zentral von taxes bezahlt!“

Vielleicht ändert sich das nun ein wenig.

Der bis vor Trump rechtsradikalste und idiotischste US-Politiker war Ted Cruz.
Der Texanische Senator haderte als GOP-Teebeutler so sehr mit seinem Latino-Geburtsnamen „Rafael Edward Cruz“, daß er der xenophoben Stimmung in seiner Texanischen Zweitheimat folgend den ultra-amerikanischen Namen TED annahm.

Lange Zeit war es undenkbar, daß ein Demokrat im stramm konservativen Texas, wo George W. Bush und Rick Perry als Gouverneure regierten, eine Chance hätte. 2018 könnte sich das ändern durch den Irishamerican Robert O’Rourke, dessen Familie seit vier Generationen in El Paso, Texas lebt. Da er als Kind und Teenager ebenso viel Zeit in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juarez verbrachte, hörte er schon früh hauptsächlich auf die spanische Version des Namens Robert, nämlich „Beto“. Politisch kennt man den Kongressabgeordneten nur als Beto O’Rourke.
Die Kampagne des  fließend spanisch sprechenden Abgeordnetem heißt „Beto for Texas“ und rückt Ted Cruz auf die Pelle.

Wie sich die Zeiten ändern. Der eine tilgte sorgfältig alles mexikanisch klingende, der andere wirbt damit.
Noch 2012 weigerte sich der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hartnäckig öffentlich ein einziges Wort französisch zu sprechen, obwohl er die Sprache aus seinen zwei Jahren als Mormonen-Missionar in Paris beherrscht. Aber überhaupt eine andere Sprache als englisch zu verstehen galt unter den Republikanern als Makel.
Sechs Jahre später wirbt Beto O’Rourke sogar damit polyglott zu sein.

Ich halte das für richtig, da die Hardcore-Hillbillies, die alles hassen was sie für unamerikansich halten, ohnehin als Wähler vernünftiger Politiker verloren sind.
Es nützt den Demokraten nichts ihnen nachzulaufen.
Man mache es lieber so wie die bayerischen Grünen und sage offensiv „welcome multikulti!“

Trumpmerica hat sich schon lange aus der Realität verabschiedet. In den tiefen Sumpf, in dem die hocken, sollte man ihnen nicht nachlaufen.
Die frönen ihrer geistigen Morbidität und sind unrettbar verblödet.


Beispiele:

1.)


[….]  In einem ausführlichen Interview mit dem US-Sender CBS hat Donald Trump seine Meinung zu zahlreichen brisanten Themen kundgetan: über eine mögliche Verstrickung Wladimir Putins in Attentate, den Klimawandel, die Russlandaffäre, Nordkorea - und über den Handelsstreit. Dabei attackierte der US-Präsident erneut die Europäische Union. Diese sei nur gebildet worden, "um uns beim Handel auszunutzen", sagte Trump. "Und das ist, was sie getan haben."
Er fügte hinzu: "Niemand behandelt uns viel schlechter als die Europäische Union." [….] "Wissen Sie, was feindselig ist? Wie sie uns behandeln." Der Präsident sagte weiter, er möge die Nato. "Aber wissen Sie was? Wir sollten nicht für fast die gesamten Kosten der Nato aufkommen, um Europa zu beschützen. Und zusätzlich nutzen sie uns beim Handel aus. Das werden sie nicht mehr tun. Sie verstehen das." [….]

2.)


3.)

[….]  Everybody in the White House Considers Trump an Idiot
[….] It is relatively easy to get White House staffers to leak mind-blowing anecdotes about President Trump’s various derangements, and for that very reason, it is hard to find new anecdotes that register on the crazy-Trump scale. [….] After security officials tried fruitlessly to explain to Trump the importance of American defenses in South Korea, including a system that reduces the warning time of a North Korean missile attack from 15 minutes to seven seconds, Secretary of Defense James Mattis told associates that Trump “acted like — and had the understanding of — ‘a fifth- or sixth-grader.’[….] Chief of Staff John Kelly has called Trump an idiot and also crazy:


    “He’s an idiot. It’s pointless to try to convince him of anything. He’s gone off the rails. We’re in crazytown,” Kelly is quoted as saying at a staff meeting in his office. “I don’t even know why any of us are here. This is the worst job I’ve ever had.”
Trump’s lawyer John Dowd has likewise called his client an idiot. Somewhat more audaciously, he has argued that Trump should not have to testify to Special Counsel Robert Mueller, because the transcript would leak, and foreign leaders would see that Trump is an idiot:
    Dowd then explained to Mueller and Quarles why he was trying to keep the president from testifying: “I’m not going to sit there and let him look like an idiot. And you publish that transcript, because everything leaks in Washington, and the guys overseas are going to say, ‘I told you he was an idiot. I told you he was a goddamn dumbbell. What are we dealing with this idiot for?’”
Another Trump lawyer, Jay Sekulow, tried to argue to Robert Mueller that Trump could not be asked to give an interview because he is a compulsive liar. They literally explained to Mueller how they conducted a mock interview with Trump, and he was so unable to tell the truth that they considered him mentally disqualified from testifying:
    Jay Sekulow went to Mueller’s office and re-enacted the mock interview. Their goal: to argue that Trump couldn’t possibly testify because he was incapable of telling the truth. 


    “He just made something up. That’s his nature,” Dowd said to Mueller.
It seems somehow unfair to let somebody remain on the job as president because he’s such a compulsive liar he can”t be allowed to testify under oath. [….] However dumb and crazy you might think Trump is, reality always turns out to be even worse. [….]

4.)


[….] A Trump surrogate and co-founder of a PAC in support of the president complained about left-wing "mobs" harassing conservatives, noting how a group of witches recently planned a "hex" on Brett Kavanaugh.
Amy Kremer, co-founder of the Women Vote Trump PAC, told MSNBC Sunday she does believe violence has entered into the country's political discourse, pointing blame solely at liberal activists. [….] But Kremer particularly took issue with a Brooklyn bookstore's repeated rituals where witches have planned to place a "hex" on recently confirmed Supreme Court Justice Brett Kavanaugh.
Dakota Bracciale, co-owner of the "metaphysical boutique and occult bookshop," Catland Books, told Newsweek they have already placed several hexes on President Donald Trump. 


[….] Speaking Sunday on MSNBC, Kremer criticized the event as yet another left-wing attack on conservatives. “It is a scary time right now,” she said. “Now you’ve got witches that are placing a hex on Brett Kavanaugh.” [….]

5.)


[….] President Donald Trump has been spreading a lot of misleading statements or flat-out lies about “Medicare for All” — a progressive health policy gaining traction among Democrats.
Most recently, Trump said that providing health insurance to everybody doesn’t work anywhere in the world. He avoided calling the policy Medicare for All — likely because 60 percent of the American public favors the idea. Instead, he referred to it as “socialist” health care.
“By the way, it doesn’t work anywhere in the world,” said Trump during his “Make America Great” again rally in Richmond, Kentucky on Saturday.
“It’s good if you don’t mind waiting for like five weeks to see a doctor. They come from socialist countries — frankly, they come from Canada.” [….]

 

6.)

[….] Der zwei Jahre lang in der Türkei festgehaltene US-Pastor Andrew Brunson hat bei seinem Empfang im Weißen Haus für US-Präsident Donald Trump gebetet. „Wir würden gerne für Sie beten“, sagte Brunson am Samstag im Oval Office, wo Trump ihn nach seiner Rückkehr aus der Türkei empfing. „Wir beten als Familie oft für Sie.“ [….] Brunson kniete vor Trump zum Gebet nieder und legte dem Präsidenten die linke Hand auf die Schulter. Dann betete er: „Oh Gott, ich bitte dich, dass du deinen Heiligen Geist über Präsident Trump ergießt. Dass du ihm übernatürliche Weisheit gibst, um alle Pläne, die du für dieses Land und für ihn hast, zu erfüllen.“
[….] „Ich bitte darum, dass du ihm Weisheit gibst, wie er dieses Land zur Rechtschaffenheit führt. Ich bitte darum, dass du ihm Beharrlichkeit und Ausdauer und Mut gibst, für die Wahrheit zu stehen. Ich bitte darum, dass du ihn vor Verleumdung durch Feinde schützt, vor jenen, die unterhöhlen. Ich bitte darum, dass du ihn zu einem großen Segen für dieses Land machst.“ [….]




Sonntag, 14. Oktober 2018

Blaue Augen in Bayern


Die heutige Landtagswahl in Bayern zeigt vor allem eins sehr klar, nämlich wie sehr die unablässigen Vorwahlumfragen die spätere Analyse beeinflussen.

Wären wir nicht alle jeden Tag mit neuen Erwartungsdaten gefüttert worden, hätten nur das letzte Landtagswahlergebnis gekannt und dann das gesehen, würde der Alpenstaat beben.


Die seit einem halben Jahrhundert allmächtige CSU bei nur noch 37,3%, die SPD zerschmettert auf dem fünften Platz bei 9,6% hinter doppelt so starken Grünen (17,8%), Rotwelsch-Aiwanger (11,5%) und den Nazis (10,6%).

Blick zurück auf den 28. September 2008, als die CSU bei der Landtagswahl 43,7% bekam. Das kostete blitzschnell sowohl Ministerpräsident Beckstein als auch Parteichef Huber den Kopf.

Heute ist Herr Söder aber bei 37% sachlich und gelassen, richtet den Blick nach vorn.

1997 trat in Hamburg Bürgermeister Voscherau unmittelbar nach der Veröffentlichung der 18-Uhr-Prognose zurück, weil er die 36,2% für seine SPD als Misstrauensvotum interpretierte. So könne er nicht weitermachen.

Heute sagen Frau Kohnen und Frau Nahles bei 9 Komma Prozent, man habe ja geschlossen gekämpft und werde nun mal analysieren.

Wer aber seit Monaten auf Umfragen starrt und diese immer wieder für Realität hält – und den Fehler mache ich selbstverständlich auch – passt seine Erwartungen an alles an.

So hatte ich heute die aktuelle Stärke der CSU-Fraktion – nämlich eine satte absolute Mehrheit, 101 von 180 Sitzen – gar nicht auf der Rechnung, sondern den erfreulichen CSU-Trend, der deutlich unter 35% lag. Zuletzt waren 32,Komma-Werte vom SPIEGEL und der Augsburger Allgemeinen durch CIVEY verbreitet worden. ARD und ZDF jubelten die Grünen auf 19% hoch.

Da spinnt man ganz automatisch den Trend weiter in die Richtung, die man gern hätte.
Um 17.59 Uhr saß ich jubelbereit mit Herzklopfen vor der Glotze, ausnahmsweise mal optimistisch und hoffte auf eine CSU, die bei 32% läge – bei einer Fehlertoleranz von 2-3 Prozentpunkten, könnte das mit viel Glück auch ein 29,komma-Ergebnis werden, bei dem Söders und Seehofers Kopf abgeschlagen worden wären. Die Grünen könnten die 20%-Grenze knacken und eine Regierungskoalition jenseits der CSU anführen, während eine zwar zerrupfte SPD, immerhin FW und AfD hinter sich gelassen hätte (genau das haben nämlich Infratest-dimap und Forschungsgruppe Wahlen letzte Woche prognostiziert).

Aber ganz so doll ist es ja nicht geworden. Im Gegenteil.
Die CSU kommt mit 37-38 Prozent sogar deutlich besser weg als erwartet, die Grünen sind nicht ganz so stark wie gedacht.

Im Gegensatz zu den Worthülsen der Parteigeneräle in der Berliner Runde ist das Ergebnis recht klar und einfach zu analysieren:


1.) abschreckende Wirkung der Groko-Querelen
2.) unbeliebter Söder
3.) frische Grünen-Kandidaten
4.) langweilige, kaum wahrnehmbare SPD-Kandidatin
5.) der xenophob-obstruktive CSU-Kurs gegen Merkel hat genau wie vorhergesagt ihre Anhänger gespalten: Knapp 200.000 ehemalige CSU-Wähler machten rüber zur AfD, weil sie lieber gleich das Original wollten und weitere knapp 200.000 wechselten zu den Grünen, weil ihnen die ausländerfeindliche Rhetorik der CSU viel zu extrem war.


6.) Trotz chaotischer, programmloser und zerstrittener AfD kam die Partei locker über 10%, da Seehofer ihr ununterbrochen Wahlgeschenke bereitete. Wegen Rückführungsabkommen, die drei bis sieben Menschen pro Land betreffen, ließ er die Bundesregierung wanken und erklärte hob den AfD-Wahlslogan „Die Migration ist die Mutter aller Probleme“ auf den Schild, zu einer Zeit als die Zuwandererzahlen so niedrig waren, wie seit vielen Jahren nicht.
7.) Die enorme Strukturstärke der CSU und das sehr gute Wetter halfen der CSU gerade angesichts des drohenden Desasters die Wahlbeteiligung drastisch zu erhöhen, 200.000 ehemalige Nichtwähler bei der CSU ihr Kreuz machen zu lassen und somit die Katastrophe deutlich abzumildern.


8.) Sahra Wagenknechts erbärmliches Heranwanzen an die AfD schadete ihrer Partei genauso wie der CSU. Sowas wollen linke Wähler nicht hören. Die Linke verreckte deutlich unter der 5%-Hürde, während die Grünen den gesamten linken Protest einsammelten.


Die wichtigsten und erstaunlichsten Ergebnisse von heute sind die blauen Augen der C-Größen.

Markus Söder gelingt es sich als völlig unschuldig darzustellen, ohne jemand anders allzu deutlich den Schwarzen Peter zuzuschieben. Immer wieder betont er, erst sechs Monate im Amt zu sein, den klaren Regierungsauftrag zu haben.
Zudem bleibt ihm erspart sich mit den verhassten Grünen oder gar zwei Parteien an einen Tisch setzen zu müssen. Er geht in eine bequeme Zweier-Koalition und hat den Luxus sich den Koalitionspartner aussuchen zu könne. Damit kann er Bewerber gegeneinander ausspielen und hat später gegenüber einer nörgelnden CSU alles, das in der Regierung nicht rund läuft dem Koalitionspartner in die Schuhe schieben zu können.

[….] Die CSU hat eine historische Niederlage erlitten, doch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat in dieser schwärzesten Stunde der Partei geradezu unverschämtes Glück. Jeder andere müsste an seiner Stelle sofort zurücktreten. Er aber kann sich trotz zweistelliger Verluste halten und wird eine Koalitionsregierung anführen. Mitte November muss gemäß Bayerischer Verfassung ein Ministerpräsident gewählt werden. Der Zeitplan ist so eng, dass für grundlegende Personal- und Strategiedebatten kaum Zeit bleibt. Auch das dürfte Söder nützen. [….]

Die zweite „Gewinnerin“ ist Angela Merkel, die Ende des Jahres zur CDU-Chefin wiedergewählt werden will und sich nicht innerparteilich das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen will.

Heute Morgen hieß es noch überall, sie befände sich in einer Lose-Lose-Situation.

Würde die CSU brutal auf 29,30,31 Prozent abgestraft, würde womöglich in der Opposition landen, würden die CSU-Bundestagsabgeordneten und die CSU-Bundesminister Amok laufen und ihrer Flüchtlingspolitik die Schuld in die Schuhe schieben. Sie würden dann vermutlich die Kanzlerin aus Wut stürzen.
Was könnte ihnen ihrer Bundesregierungsbeteiligung auch sonst noch nützen, wenn sie in Bayern opponieren, weil sie zuvor als zu rückgratlos wahrgenommen wären?

Hätte die CSU andererseits triumphiert, viel besser als erwartet abgeschnitten, bekäme Horst Seehofer Oberwasser, würde sie im Kabinett noch mehr piesacken und seine Obstruktions-Methode bestätigt sehen. Die Rechten in der CDU um Spahn und Pawel Ziemiak würden viel lauter schreien und womöglich den Angriff beim CDU-Wahlparteitag vom 6. bis 8. Dezember in Hamburg zum Angriff blasen.

37,4% für die CSU sind aber haargenau der Mittelwert, bei dem Merkel all die Kabale womöglich erspart bleiben.
Die CSU wird im Koalitionsausschuss nicht völlig hysterisch, sondern eher kleinlauter werden. Über kurz oder lang wird sie aber den ausgedienten Seehofer auswechseln, an dem dann aber die Zeit verbeigerauscht sein wird, weil sich die CSUler nun um seinen Rivalen Söder scharen.
Ihm wird vermutlich die Macht fehlen die von ihm so sehr gehasste Merkel mit in den Abgrund zu reißen, wenn er stürzt.

Nicht nur ein blaues Auge, sondern arg verprügelt sind Frau Nahles, Frau Kohnen und der heute auch wieder extrem unglücklich in vagen Sprechblasen agierende General Klingbeil.
Dieser hatte in allen Interviews ernsthaft erklärt es wäre nun zu früh für konkrete Folgen, man müsse das Ergebnis, das ja erst ganz frisch sei, erst analysieren. Wie erbärmlich. Als ob man das nicht hätte kommen sehen können wie die SPD abstürzt. Platz 5 in bundesweiten Umfragen wird schon länger vorhergesagt. Und genauso kam es heute auch in Bayern.
Darüber haben Klingbeil und Nahles vorher noch nie nachgedacht?

Einen Satz, den ich heute in jedem zweiten Kommentar gehört habe, der also nicht sehr originell ist, will ich hier wiederholen, weil er nun mal richtig ist:
Frau Nahles‘ Strategie, 2018 mit dem Eintritt in die Groko durch seriöse Sacharbeit der SPD-Minister zu überzeugen und verlorenes Wählervertrauen zurück zu holen, kann man getrost als auf ganzer Linie gescheitert ansehen.
Dabei ist es ebenso Konsens, daß Barley, Giffey, Maas und Scholz tatsächlich sehr gute Sacharbeit leisten. Über Maas freue ich mich jeden Tag. Wenn ich mir einen CSU-Trampel in der Rolle vorstelle, ist das schon allein ein Grund genug, diese Groko zu unterstützen. Sogar der unglückliche Herr Heil setzt konsequent Verbesserungen für die Geringverdiener und Rentner um.
Das ist ein Glück für Deutschlands Bürger, aber Pech für Nahles. Denn wenn es an debakulierenden Minister läge könnte sie diese austauschen.
Sie, die Außendarstellung, das WBH sind die Probleme.
Nahles hat Recht mit ihrem heutigen Statement, daß Merkels mangelnde Führungsstärke und die daraus folgende Eskalation im CDU-CSU-Streit heute allen Groko-Parteien geschadet habe. Großes Pech für die SPD in Mithaftung genommen zu werden.
Aber gleichzeitig beweist Nahles auch damit wieder was sie nicht kann und nicht versteht.
Wenn die SPD nach einem 9,6%-Ergebnis erklärt die CDU-Chefin habe Schuld, ist das ein Fall für Comedy-Shows.

Zwei winzige Joker hat Frau Nahles noch:

Angesichts der bundesweit prognostizierten 15% - und das könnte nach dem Tag heute noch weiter nach unten gehen – gibt es niemand in der SPD, der ihren Job haben will. Wer würde sich das freiwillig antun?

Am 28.10.2018 könnte Schäfer-Gümbel in Hessen bei einer besonderen Verkettung äußerst glücklicher Umstände etwas Ähnliches gelingen wie Söder: Nämlich nach miesen Vorzeichen anschließend als Ministerpräsident zu regieren.

RRG ist dort, anders als in Bayern vorstellbar. Die aktuellste Umfrage der konservativen FAZ prognostiziert 23% SPD, 18% Grüne und 8% Linke. Das wäre eine Sitzmehrheit gegen die CDU und AfD.
Gewänne die SPD in dieser schlimmen Lage tatsächlich ein Bundesland aus den Klauen der CDU, könnte Nahles das als Trendwende verkaufen und der SPD mehr Macht und mehr Selbstbewußtsein einhauen.

Auch das WBH wäre gestärkt, weil man dort schon länger Natascha Kohnens sachlichen Wahlkampfstil, der auf alle Angriffe verzichtete, kritisiert hatte, sich in Bayern nicht sehr stark engagierte und stattdessen auf Wiesbaden und TSG blickte.

Die folgenden Wochen wird also weiterhin das politische Mikado-Prinzip für die Groko in Berlin gelten.
Käme es in Hessen aber zu einem ähnlichen Arschtritt wie heute und würden die bundesweiten Umfragen weiter fallen, halte ich ein Ende der Groko für möglich.
Dann muss Kevin Kühnert ran.
Die SPD wird dann lange in der Opposition sitzen und alle Gering-Verdiener, armen Rentner und Grundsicherungsempfänger werden mittelfristig deutlich schlechter dastehen, wenn eine wie auch immer geartete AfD-FDP-CDU-CSU-Kooperation über sie entscheidet.

Samstag, 13. Oktober 2018

Weniger Drama, Baby!


Mit Gerd Schröder haben viele Sozis auch das Rückgrat verloren.
Sie fürchten sich vor der Hartz-Keule. Sich fürchten sich vor der Linken. Sie fürchten sich vor abwandernden Wählern.
Die SPD scheißt in jede Hose, die man ihr hinhält.

Dabei ist die Bilanz der Agenda 2010 überwältigend positiv.
Alle anderen Europäischen Ländern beneiden Deutschland um die Bundesregierung, die die Kraft hatte so ein Werk durchzusetzen, bewundern den enormen ökonomischen und finanziellen Erfolg der Schröder-Reformen.
Wir haben allen Grund Schröder dankbar zu sein; er wird sicherlich eines Tages als großer Kanzler in die Geschichte eingehen.

Auch eine große Mehrheit der Deutschen hält diese Politik a posteriori für richtig.
Die Parteien, die Hartz IV unterstützen oder sogar verschärfen wollen, kommen regelmäßig auf 90% der Wahlergebnisse. Die einzige Partei, die Hartz abschaffen will, landet bundesweit betrachtet nie über 10%.

Nach dem Ausscheiden der hadernden SPD aus der Bundesregierung, gewannen die Neoliberalen Westerwelle-FDPler mit ihrer radikalen Steuersenkungsforderung ein Rekordergebnis von fast 15% und bildeten mit der ebenfalls starken CDU eine breite Mehrheit.

(….) In Folge der Agendapolitik stiegen die Sozialausgaben in Deutschland deutlich und kontinuierlich an.

2005 stiegen sie von erwarteten 14,6 Milliarden auf 25,6 Milliarden Euro, im Jahr 2006  auf 26,4 Milliarden.
2007   35,7 Milliarden
2008   34,8 Milliarden
2009   36 Milliarden
2010   36 Milliarden
2011   33 Milliarden
2012   40 Milliarden
2013   40,65 Milliarden

Heute zu behaupten, Hartz wäre eine Kürzungsorgie und habe nur Elend gebracht, ist völlig geschichtsblind und lässt außer Acht was für ein gelähmtes Land Deutschland im Jahr 1998 nach unendlichen Jahren Kohl-FDP-Merkel-Regierung war. Der kranke Mann Europas – Dank der Kohl-Merkel-Reformunwilligkeit.
Durchreguliert und wirtschaftlich abgehängt. (…..)

Viele Wahlen haben ganz eindeutig gezeigt, daß es keinesfalls den Wählerwillen gibt, die Agenda-Politik zurück zu nehmen.
Oder falls das doch der Fall sein sollte, ist das den Wählern offensichtlich nicht wichtig genug, um deswegen auch die eine Partei zu wählen, die es genauso sieht.

Die Partei, die an Schröders Seite intensiv für HartzIV stritt, sogar noch weiter gehen wollte, die Grünen, sonnen sich in einem  demoskopischen Hoch, kratzen in vielen Bundesländern an der 20%-Marke.

Diejenigen, die immer noch der Prä-Agenda-Ära hinterherweinen haben die Vergangenheit stark romantisiert und offensichtlich lange vergessen, wie unangenehm es ist Sach- statt Geldleistungen zu bekommen.

(….) Die Hartz-Reformen haben zweifellos zu mehr Arbeitsplätzen und einer gesünderen Wirtschaft geführt.
Dabei gab es aber zweifellos auch Ungerechtigkeiten. Das ist bei so einem Mammut-Werk gar nicht anders möglich und Gerd Schröder selbst betonte immer wieder, die Hartz-Gesetze sollten nicht in Stein gemeißelt, sondern immer wieder angepasst werden.

Der politische Preis für die Reformen war definitiv ungerecht.
Die glühenden Agenda-2010-Befürworter aus CDU und Grünen stiegen nach 2003 in ungeahnte Höhen und allein die SPD wurde vom Wähler grausam abgestraft.
[……]  Soll es wieder das Ämterhopping zwischen Wohnungsamt, Sozialamt und Arbeitsamt eingeführt werden und soziale Leistungen als Sachleistungen einzeln beantragt werden? [….]

Kein vernünftiger Mensch bestreitet heute, daß es auch Unnützes, Kompliziertes, Ungerechtes und zu Hartes in den Agenda-Gesetzen gibt.

Ich sagte dazu: So what!? Wozu haben wir einen Gesetzgeber, ein Parlament mit über 700 Vollzeit-Politikern?

Die Kassen der Kommunen, Länder und des Bundes quellen über.


Hohe Zeit also den Mindestlohn deutlich anzuheben und dafür zu sorgen, daß prekäre Beschäftigung radikal zugunsten vernünftig bezahlter Jobs verdrängt wird.
Das ist moralisch dringend geboten, aber auch eine grundsätzliche gesellschaftliche Frage: Wo kommen wir eigentlich hin, wenn in den Großstädten die Lebenserhaltung insbesondere durch Mieten so hoch sind, daß die genau dort dringend benötigten Menschen – Polizisten, Pfleger, Krankenschwestern, Friseure, Verkäufer,.. – sich nicht leisten können da zu wohnen.

Deswegen muß man aber nicht das ganze Hartz-Kind mit dem Bade auskippen, sondern kann diese heftigen Ungerechtigkeiten einfach abschaffen.
Zumal es eine Win-Win-Situation wäre, da zwei Milliarden mehr Einkommen, die auf Myriaden Niedriglohn-Beschäftigte verteilt werden, nichts anderes als ein Konjunkturprogramm sind. Diese Menschen gegen das Geld nämlich aus und davon profitieren wiederum Wirtschaftsreibende und Finanzminister.
Wenn zwei Milliarden aber wie im Jahr 2018 allein an Susanne Klatten verteilt werden, kann sie davon auch nicht mehr Brot, Milch oder Butter kaufen, nicht mehr in die Oper gehen oder Zeitungen abonnieren, weil sie sich vorher schon alles im Überfluss leisten konnte.

Eine andere Frage, um die Sozis immer wieder ängstlich mit den Zähnen klappern herum-mäandern ist die der Sanktionen.
Leistungen zu streichen, wenn Hartz-IV-Empfänger nicht mitarbeiten, Termine verpassen oder auf Briefe nicht reagieren?
Das ist ein rotes Tuch für ganz Linke.

Aber wieso eigentlich? Es wäre höchst ungerecht gegenüber den Millionen Menschen, die in den vielen schwach bezahlten Dienstleistungsbranchen arbeiten, wenn man junge Menschen, die einfach nicht arbeiten wollen und dies durch Verweigerung jeglicher Mitarbeit zum Ausdruck bringen, schulterzuckend genau so viel Geld für Nichtstun in die Hand gibt, wie denjenigen, die schließlich nicht nur dafür arbeiten, sondern mit ihrer Arbeit erst das Geld verdienen und an den Staat zahlen, mit dem diejenigen, die nicht arbeiten finanziert werden.

Ich bin sehr für Milde und soziale Wohltaten, aber man kann schon verlangen, daß eine grundsätzliche Bereitschaft zu arbeiten vorhanden sein muss.
Es gibt viele Gründe nicht arbeiten zu können; Krankheit, Schwangerschaft, Alter, oder die schlichte Tatsache, daß es keinen Job gibt (zu „kein Jobangebot“ zähle ich auch unzumutbare Jobs oder unzumutbare Arbeitsbedingungen).

Nahles tönt nun neuerdings, die Hartz-Sanktionen für Jugendliche ganz abzuschaffen, weil diese sonst eine Null-Bock-Mentalität entwickelten.

[…..] Zwar sei nicht alles abzulehnen, was den Namen Hartz trage, "aber wir müssen grundlegende Fragen stellen", sagte Nahles: "Wie wirken denn überhaupt Sanktionen bei Jüngeren? Kontraproduktiv!" Die jungen Erwachsenen würden sich als Reaktion "nie wieder im Job-Center" melden und könnten nicht mehr erreicht werden, sagte die ehemalige Arbeits- und Sozialministerin. [….]

Erstens, was sind eigentlich „Jüngere“ und erstens-b, weshalb sollten Sanktionen bei etwas Älteren nicht kontraproduktiv sein? Haben erstens-c arbeitsfähige Geronten meines Alters alles klaglos hinzunehmen, was einen Jugendlichen nicht zugemutet werden kann?
Und zweitens frage ich mich, wie eigentlich noch mal diese eine frühere Sozialministerin hieß, die 2014 ankündigte die „drastischen Sanktionen für jugendliche Hartz-IV-Empfänger zu entschärfen“?

Ich kann es kaum glauben, aber in diesem Fall ist mir Nahles zu links. Da halte ich es mit der Arbeitsagentur, deren Argumentation mir schlüssig scheint.

[….] Bundesagentur-Vorstand Valerie Holsboer hingegen betonte, dass Sanktionen unverzichtbar seien. Die Gesellschaft würde es nicht akzeptieren, wenn es keinerlei Druck mehr gäbe. "Wie soll man den Menschen, die für kleines Geld zur Arbeit gehen, erklären, dass andere, die sich nicht anstrengen, netto fast das Gleiche in der Tasche haben?", sagte sie. "Deshalb ist es richtig und wichtig, bei Hartz-IV-Empfängern Mitwirkungspflicht einzufordern." Und das gehe nicht ohne Sanktionen.
Die Sanktionen sind im Sozialgesetzbuch II festgeschrieben. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann sogar die gesamte Unterstützung zeitweise gestrichen werden. [….]

Solche Sanktionen dürfen natürlich nicht völlig abstrus und willkürlich erscheinen, so daß schon nach einer kleinen Schusseligkeit 100% der Leistungen entfallen.
Aber irgendwas sollte schon geschehen, wenn ein Jugendlicher jede Mitwirkung verweigert. Wieso ist das nicht längst vernünftig im Sozialgesetzbuch geregelt?
Wegen solcher politisch-handwerklich schlecht organisierten Petitessen führen wir jetzt wieder eine Diskussion über die gesamte Agenda 2010?
Und das in einer Situation, in der die Gesamtanzahl der Leistungssanktionen ohnehin stark rückläufig ist? 2013 wurden noch in 700.000 Fällen Leistungen gekürzt, 2017 waren es knapp 450.000 Fälle von Strafmaßnahmen der Jobcenter gegen Leistungsberechtigte, immerhin 26.000 weniger als im  Jahr zuvor.  Bei insgesamt 3,1 Prozent der Empfänger kam  es zu finanziellen Strafen, also klappte die Zusammenarbeit in 97% der Fälle anstandslos. Und deswegen stellt Nahles nun die Systemfrage?
Wie blöd kann man sein, Nahles?

[….]  Die Sanktionen sind Ausdruck des Prinzips Fordern und Fördern, das Hartz IV zugrunde liegt. Die Idee ist: Es wird dem geholfen, der mithilft, seine Lage zu verbessen. Das ist keineswegs ein unerhörter Gedanke, sondern ein ziemlich einleuchtender. Hartz IV ist gerade kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern eine Grundsicherung mit dem Ziel, den Empfänger möglichst schnell wieder von ihr unabhängig zu machen. Das Ungeheuerliche ist nicht, dass Betroffene sich regelmäßig im Jobcenter melden und auch sonst mitmachen müssen; sondern dass es selbst im Arbeitsmarktboom nicht gut genug gelingt, die Leute wieder unabhängig von Hilfe zu machen. [….]