Das
fasziniert mich immer noch. Da sitzen nach drei Jahren Dauer-Trump-TV seine
Fans in den politischen panels und finden den Mann, der lügt, daß sich die
Balken biegen einfach fabelhaft.
Gestern bei Anderson Cooper setzte man Jason Miller besonders
heftig zu, weil Trump allzu dreist behauptete frühere Präsidenten hätten sich
auch nicht um zurückkehrende Zinksärge mit toten US-Soldaten gekümmert.
In
diesem Fall gibt es nichts zu relativieren. Trump sagte nicht versehentlich die
Unwahrheit, noch gibt es Zweifel an den Fakten.
Trump
log und zwar aufgezeichnet von der Weltpresse.
Die
anderen Diskutanten wollten nun wenigstens einmal von Miller ein Eingeständnis hören.
„Ja, in diesem Fall hat mein heißgeliebter Präsident gelogen“. Aber da war
nichts zu machen. Miller beharrte auf der Darstellung die „liberal media“ wären nur frustriert, weil Trump nicht so
antworte, wie sie es wollten und würde ihn daher der Lüge
bezichtigen.
Im Panel
saßen, wie immer bei CNN, säuberlich ausgewogen auch drei Republikaner.
Tara Setmayer hat sich lange von Trump distanziert, Jason Miller wird Trump noch zu
Füßen liegen, wenn dieser dabei gefilmt würde Kinder zu vergewaltigen und Matt
Lewis, konservativer Kolumnist pendelte zwischen den beiden Polen.
Daß
Trump gelogen habe, schön und gut, aber „I give him credit“ dafür, daß Trumps
Pressekonferenz immerhin 45 Minuten lang war. Da habe er auch viele andere
Fragen beantwortet und dabei nicht gelogen.
Soweit
sind wir jetzt schon. Man weist Trump nicht mehr die Lügen nach, sondern
verweist stolz darauf, wenn er ausnahmsweise zwischendurch mal nicht lügt.
Eigentlich
eine sinnvolle Maßnahme, nun die wenigen Fälle zu diskutieren, wenn Trump nicht
lügt und die Lügen als Selbstverständlichkeit zu akzeptieren.
Die
Factchecker kommen ohnehin kaum hinterher.
President Trump has made 1,318 false or misleading claims over 263 days.
Interessant
ist, daß Trump die naheliegende Frage danach, was die Spezialkämpfer eigentlich
in Niger zu suchen hatten und das damit verbundene moralische Problem, wieso er
die Leichen nicht geehrt habe, ganz einfach mit dem Hinweis auf Geheimhaltung oder
übergeordnete nationale Interessen hätte kontern können.
Natürlich
braucht ein Präsident nicht jede Geheimmission öffentlich zu
kommentieren. Die Presse hätte als sehr leicht mit einem kleinen Hinweis in die
Richtung zufrieden gestellt werden können.
Aber
Trump ist eben zu allem Überfluss auch noch unfassbar dumm, so daß er sich wie
in diesem Fall immer wieder selbst eine Grube gräbt, indem er lieber abstruse
Lügen und Anschuldigen von sich gibt.
Strategisch
gesehen gilt aus Trumps Sicht gegenüber der gesamten seriösen Presse das alte
Wilhelm-Busch-Motto
„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz
ungeniert!“
Was
macht nach 1.318 nachgewiesenen Lügen schon eine weitere über Obamas Umgang mit
toten Soldaten aus? Was wäre passiert, wenn Trump mal die Wahrheit gesagt
hätte?
Nichts. Setmayer,
Cooper oder Begala würden Trump natürlich weiterhin für einen Lügner halten und
ihn nicht wählen.
Die
Wahrheit lohnt sich also nicht für Trump. Die Lüge schon.
In mir
keimt immer wieder der unbewußte Wunsch hoch, man müsse Trump mal öffentlich
entlarven, ihm seine fiesen Lügen coram publico nachweisen, so daß er peinlich
berührt eingestehen muss selbst „fake news“ zu sein.
Ich
möchte ihn demütigen und bloßstellen.
Das sind
unsinnige Wünsche, denn wie soll jemand gedemütigt werden, dessen
Persönlichkeit durch Schamlosigkeit definiert wird.
Es stört
Trump nicht nur nicht Behinderte
nachzuäffen und mit Vergewaltigungen zu prahlen, nein, er tut das gern und
findet sich noch viel fabelhafter, nachdem die ganze Welt davon erfahren hatte.
Es gibt
nur wenige Dinge, die Trump verletzten könnten.
Zum Beispiel
ein Nachweis für seinen niedrigen IQ, da er offensichtlich besessen davon ist
einen besonders hohen IQ zu haben.
Allerdings
wird man kaum gegen seinen Willen den IQ messen können.
Sofern
Trump kleinpimmelig sein sollte, würde er das sicher nicht gern öffentlich dokumentiert
sehen.
Am wichtigsten
ist Trump sein eigener Reichtum, den er gern mit mindestens zehn Milliarden
Dollar angibt. Daran gibt es erhebliche Zweifel, weil er bekanntlich hartnäckig
die Herausgabe seiner Steuerunterlagen verweigert.
Sollten
aber jemals aktuelle „tax returns“ auftauchen, die belegen, daß Trump
wesentlich ärmer ist, als behauptet, dürfte er toben vor Wut.
Die heutige Forbes-Listewird ihn ohnehin schon zur Weißglut
gebracht haben. Trump ist dramatisch auf Platz 248 abgerutscht und wird heute
fluchend und pöbelnd die 247 Namen studieren, die reicher sind als er.
[….] US-Milliardäre werden immer reicher, Donald
Trump jedoch nicht. [….] Das Vermögen
von US-Präsident Donald Trump ist deutlich geschrumpft. Das ist das Ergebnis
der am Dienstag veröffentlichten "Forbes"-Liste der reichsten 400
Amerikaner für das Jahr 2017. Nach Schätzungen des Wirtschaftsblatts schrumpfte
Trumps Vermögen im Vergleich zum Vorjahr um 600 Millionen auf 3,1 Milliarden
Dollar. Damit rutscht der US-Präsident von Rang 156 auf 248 ab.
[….]
Trump ärgert sich schon seit Jahren, dass
sein Reichtum angeblich unterschätzt wird. […..]
Vermutlich
gibt es wirklich so etwas wie Reichsphantomschmerzen.
England
war mal die globale Weltmacht und bestimmte wie selbstverständlich in fast
allen Kontinenten.
Australien,
Afrika, Nordamerika, Asien waren zu relevanten Teilen britische Untertanen. Auf eine kleine europäische Insel geschrumpft zu sein ist für den gemeinen
rechten Engländer bitter.
Österreich
war lange Zeit die große dominierende Macht Europas; die Habsburger stellten
überall auf dem Kontinent Fürsten. Osteuropa, der Balkan, Schlesien, alles
tanzte nach Wiens Pfeife. Und mit einem speziellen Österreicher wurde ab 1933
sogar ganz Europa unter die Knute gebracht.
Ist halt
blöd heutzutage als Nationalstaat nur noch ein Rudiment in der Größe eines deutschen
Bundeslandes zu sein und international keine Rolle mehr zu spielen.
Dabei
hatte Österreich so viel Glück.
Das Land
redete sich erfolgreich ein, daß Beethoven Österreicher und Hitler Deutscher
war, zehrte vom gewaltigen kulturellen Erbe. Die typischen Krisenindustrien
(Werften, Bergbau,..) gab es ohnehin nicht und so boomte die Wirtschaft.
Begünstigt durch die wunderschöne Landschaft und Alpen, die ein immerwährender
Touristenmagnet sind.
Die
wehmütigen Gedanken an die glorreiche k.u.k.-Vergangenheit treiben aber gar
seltsame Blüten. Daß die österreichische Weltbedeutung dem Multikulturismus zu
verdanken war, wird gerade von denjenigen verdrängt, die unter Großmannssucht
leiden und diese nun mit der Bekämpfung des Multikulturismus bedienen.
In
Österreich sieht man mustergültig wie eine einseitige Fixierung auf die Themen
der Rechtsextreme und die ununterbrochene Flüchtlingsdebatte den
Nazis in die Hände spielt. 41 TV-Duelle zum Öwahlkampf.
Todschweigen
und nicht drüber sprechen?
Ich weiß nicht was das für einen Effekt hätte, denn sowas wurde nie versucht.
Seit es die AfD gibt, stürzen sich die Medien hysterisch auf das Thema und die Talkshows beschäftigen sich extrem überproportional
mit Themen, die Werbung für die AfD sind.
Ja,
natürlich haben „die Medien“ daher eine Mitschuld an den starken AfD- und
FPÖVP-Ergebnissen.
Es wäre
ganz schön, wenn in Amerika, in Österreich, in Deutschland bei Wahlkämpfen auch
Themen behandelt werden könnten, die nicht von den Nazis diktiert werden.
Gauland,
Strache und Co wird man nie ganz totschweigen können.
Jetzt
ist Trump natürlich zu Recht immer ein Thema, weil er Präsident ist und die
Macht hat.
Auch die
Rechtsnationalisten in anderen Ländern müssen beachtet werden, wenn sie in die
Parlamente eingezogen sind.
In einer
Demokratie kann man sie anschließend nicht ignorieren und so akzeptiere ich es
(widerwillig), wenn nach der Niedersachsenwahl in der Berliner Runde des ZDF auch Bernd Baumann von der
Hamburger AfD sitzt.
Der
Erste Parlamentarische Geschäftsführer gehört selbst in der AfD zum äußersten
rechten Zirkel des Goslarer Kreises und will den NSdAP-affinen Bernd Höcke als Parteichefinstallieren.
Das
brenne den Menschen auf den Nägeln, weil die „osteuropäischen Banden“ durch die
Grenzöffnungen quasi marodierend durch Hamburg zögen.
Baumann
darf da sitzen und er darf sowas behaupten.
Ich
erwarte dann aber auch, daß Moderator Elmar Theveßen und die anderen Gäste das
nicht bräsig über sich ergehen lassen (immerhin widersprach Tauber der
Baumann-Behauptung der Bundestag habe nie über „Griechenland-Milliarden“
gesprochen.)
AfD-Baumann
lügt nämlich wie gedruckt. Da liegt er mit den Neorechten in anderen Ländern auf
einer Linie.
Im Punkt
Wohnungseinbrüche ist das allerdings besonders dreist, weil der rotgrüne
Hamburger Senat sich des Themas intensiv annahm und anders als der selbst
ernannte Law-and-Order-Vorgängersenat aus Schill und CSU spektakuläre Erfolge
zu verzeichnen hat.
Die Wohnungseinbruchsrate
ist in Hamburg auf dem niedrigsten Stand seit 18 Jahren.
[….]
Kriminalitätsraten zu drücken, und sei es
auch nur um ein paar Prozentpunkte, ist extrem schwer. Umso bemerkenswerter,
was der Hamburger Polizei beim Thema Einbruch gelungen ist: Die Zahl der Fälle
ist um fast 27 Prozent zurückgegangen. Bundesweit ist das einmalig! Die Frau
hinter diesem Erfolg heißt Alexandra Klein (46), seit 2015 Chefin der „Soko
Castle“.
Genau 4252 Einbrüche
wurden laut Polizei in den ersten neun Monaten dieses Jahres in Hamburg
gezählt. Klingt viel, ist aber im Vergleich zu den ersten drei Quartalen des
Vorjahres ein Rückgang von genau 26,7 Prozent. Und dabei hatte es 2016 bereits
einen Rückgang der Einbruchstaten gegeben. [….]
Was ist
los mit solchen Schnarchnasen wie dem Noch-SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, der
tumb neben Baumann saß und kein Wort der Verteidigung für seine SPD-Freunde aus
der erfolgreichen Hamburger Landesregierung sprach?
Also ja,
soll sich doch Baumann um Kopf und Kragen reden, aber ich erwarte von den
anderen Politikern und Moderatoren so informiert zu sein, daß sie ihn sofort
der Lüge überführen und in die Schranken weisen.
Nichts
davon geschah gestern. Baumanns Behauptungen von der Einbrecherflut über
Hamburg wurde unwidersprochen stehen gelassen. Wieder ein PR-Erfolg für die
AfD, weil die anderen Parteien zu bräsig sind.
[….]
In dieser Woche hat die Polizei neue
Zahlen zur Kriminalstatistik herausgegeben. Demnach ist die Kriminalität in
Hamburg insgesamt um fast acht Prozent gesunken. Allein die Wohnungseinbrüche
gingen in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr sogar um mehr als ein Viertel
zurück. Zweistellig sind auch Fahrradklau und Taschendiebstahl gesunken.
Erfolge der Polizei. Wenn
die Einbrüche bei Wohnungen um fast 27 Prozent zurückgegangen sind, hat die
Polizei wohl offensichtlich vieles richtig gemacht. Die 80 bis 100 Beamten der
Soko "Castle" arbeiten erfolgreich, sichern mehr Spuren, decken
Muster auf, auch über die Grenzen Hamburgs hinaus, und konnten mehr Fälle
aufklären. Damit ist das Risiko für Einbrecherbanden in Hamburg gestiegen,
entdeckt zu werden. Die Folge: Es wird weniger eingebrochen. [….]
Im
Grunde ist die Wahl in Österreich (8,6 Mio Einwohner) wichtiger als die
Landtagswahl in Hannover (7,8 Mio Einwohner), weil da die Regierung eines
EU-Landes bestimmt wird.
Ich kann
mich aber heute nicht mit Strache und Kurz beschäftigen, weil ich
dafür gastroenterologisch zu instabil bin.
Also, Thema
Niedersachsen. Die vorgezogene Landtagswahl, die notwendig wurde, weil unter
etwas dubiosen Umständen eine Grüne bei einer Einstimmenmehrheit der rotgrünen
Landesregierung in die CDU übergetreten war.
Neuwahlen
schienen nur mit Schwarzgelb enden zu können, da die CDU uneinholbar mit
mindestens 12 Prozentpunkten in den Umfragen vor der SPD lag.
Geklappt
hat das parteitaktische Spiel von CDU und einer FDP, die kategorisch eine Ampel
ausschloss, nicht.
Die CDU
stürzte ab, AfD und FDP ruckelten kontinuierlich ebenfalls nach unten.
Das
Ergebnis ist nun bizarrerweise offensichtlich haargenau so wie im derzeitigen
Landtag; rot und grün zusammen fehlt genau ein Sitz zur absoluten Mehrheit.
Die SPD
überholt die CDU, FDP verliert, AfD kommt nur auf 6%, Grüne stürzen ab, Linke
legen zu; bleiben aber ganz kurz unter der 5%-Marke.
Nach den
gerade mal gut 20% von der Bundestagswahl, konnte Martin Schulz die 37% von
heute kaum fassen und fühlte sich stolz und bestärkt.
Die
größte Schulz-Profiteurin Andrea Nahles betonte dementsprechend in jede Kamera
wie gestärkt er sei, daß er sicher Parteivorsitzender bleibe.
So ein
Tag, so wunderschön wie heute. Die SPD hat das beste Ergebnis seit Schröder
(1998) und die CDU stürzt in dem konservativen Agrarland auf den tiefsten Wert
seit 50 Jahren.
Hurra.
Alles ist super. SPD-Erneuerung eingeleitet. Schulz und Nahles haben Erfolg;
ihre Jobs sind sicher.
Das ist
jedenfalls die Perspektive des Willy Brandt-Hauses.
Man kann
das allerdings auch anders sehen und da ich ein böser Schwarzmaler bin, tue ich
das auch:
·Es
gibt immer nach Bundestagswahlen einen Gegentrend bei den nächsten
Landtagswahlen, so daß aus einer Art Mitleidseffekt nach den 20% vom 24.09.17
nun die SPD besonders profitierte.
Schlimmer ist aber etwas anderes für die
Bundes-SPD. Stefan Weil ist ähnlich wie Martin Schulz kein urbaner Charismatiker,
sondern eher ein Durchschnittstyp Marke „Sparkasse“, der nicht mit furiosem
Redetalent oder blendenden Aussehen auffällt.
Aber da
Weil anders als Schulz nicht nur einen enormen Rückstand auf die CDU einholte,
sondern sogar an ihr vorbeizog, zeigt das nun umso gravierender wie vollständig
Schulz als Wahlkämpfer versagt hatte.
Weil hat
all das geschafft, was Schulz partout nicht gelingen wollte: Themen gesetzt,
sich klar gegen den CDU-Kandidaten abgesetzt und Kompetenz verströmt.
Es ist
schon etwas abenteuerlich, wenn Nahles und Schulz nun aus dem Beweis für ihre
Unfähigkeit vom 24.09. den Schluss ziehen gestärkt weiterwurschteln zu können.
Ein
kleiner Tritt noch in Richtung Linke-Wähler:
Wieso wählt man eine linke Partei, die höchstwahrscheinlich unter der 5%-Hürde
bleibt (es wurden schließlich 4,6%), wenn schwarz
und rot Kopf an Kopf liegen und man auch den Ausschlag zu Gunsten von Rotgrün
geben könnte?
Die 4,6% sind nun verloren, werden nicht im Parlament vertreten sein. Hätte nur
jeder vierte Linken-Wähler stattdessen rot oder grün gewählt, würde es für eine
Rotgrüne Landesregierung reichen.
Durch
dieses nicht taktische Denken der Linken-Wähler haben sie nun
höchstwahrscheinlich die sehr rechte Niedersachsen-CDU in die Regierung geholt,
was diametral den Interessen der Linke-Sympathisanten widersprechen dürfte.
Interessant
werden dürfte nun auch die ohnehin schwierige Regierungsbildung in Berlin.
Bisher hat man noch nicht einmal zusammengesessen, um Bernd Althusmanns
angepeilten Sieg in Niedersachsen nicht zu gefährden.
Mit
dieser Taktik ist Frau Merkel grandios gescheitert.
Nun aber
müssen sich Schwarz und Gelb und Grün bald mal treffen; also genau die drei
Parteien, die alle in Hannover kräftig auf die Mütze bekommen haben, während
die drei anderen Bundestagsparteien, die zukünftige Opposition, alle
hinzugewannen.
Seehofer ist ohnehin schwer angeschlagen; nun ist auch Merkel noch
zusätzlich gerupft und die FDP mußte bitter lernen, daß sie mit ihrer
Maximalforderungs- und Ausschließeritis-Großsprecherei die sicher geglaubte
Regierungsbeteiligung losgeworden ist.
Den
industrieaffinen CDU-Aufsteiger, der als Bundesminister so grottenschlecht war,
daß er 2012 von seiner eigenen Parteichefin als Atom- und Umweltminister gefeuert
wurde?
Seit
2014 ist Röttgen Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und trat in dieser
Funktion gestern zusammen mit seinem amerikanischen GOPer Kollegen Francis
Rooney bei CNNs „Amanpour“ auf.
Rooney,
63, in Oklahoma geborener Milliardär, ehemaliger US-Botschafter im Vatikan, sitzt
seit Januar für den 17. Wahlbezirk Floridas im US-Kongress.
Neben dem fanatischen Trump-Fan und
außenpolitischen Haudrauf wirkte Röttgen wie die Inkarnation der Vernunft, ließ
sich nicht aus der Ruhe bringen und versuchte dem Amerikaner die Bedeutung von „Vertragstreue“
zu erklären.
Vergebens.
Rooney posaunte hinaus, der Iran sei grundsätzlich terroristisch und die
Iranischen Revolutionsgarden wären geradezu das Paradebeispiel einer
terroristischen Organisation.
Wie sein
Idol Trump scheint auch Rooney keine Ahnung davon zu haben, was er anrichtet.
So
werden die konservativ-radikalen Kräfte im Iran gestärkt. So blockiert man
Frieden und Annäherung, so macht man Transparenz und Zusammenarbeit unmöglich.
Denn natürlich versteht der Iran es als Kriegserklärung, wenn seine Armee
pauschal als Terrororganisation angesehen wird, da die Amerikaner Terrororganisation
überall in der Welt bombardieren und mit Drohnen dezimieren.
Wieso
sind nicht nur Trump, sondern offenbar auch erhebliche Kräfte im US-Kongress so
wahnsinnig einen militärischen Konflikt mit dem Iran zu provozieren? Warum
haben sie Interesse den Nahen Osten erneut zu entflammen? Weshalb wird nun
tatsächlich mit martialischer Rhetorik am „Iran-Deal“ gerüttelt? Möchte jemand
unbedingt einen Atomkrieg?
Um das zu verstehen muss man sich nur Trumps gestrigen
Auftritt bei einem event hosted by the Family Research Council (FRC), a group that
has been labeled a hate group by the Southern Poverty Law Center (SPLC) angucken.
Donald Trump to become first president to speak at anti-LGBT hate
group's annual summit.
'Homosexual conduct is harmful to the persons who engage in it and to
society at large, and can never be affirmed,' say summit's host.
[….]
Trump,
der sich als politisch impotent erweisen hat, keins seiner Versprechen
durchsetzen konnte, triggert aber seine Basis, indem er den gemeinsamen
Hassobjekten einheizt. Er wettert gegen Immigranten und Muslime, will wider
alle ökonomische Vernunft die Dreamers aus dem Land werfen, indem er DACA kündigt, steigt aus dem
Klimaschutz aus, streicht Zuschüsse für die Krankenversicherung, will
Naturschutzgebiete abschaffen und radikal verkleinern, lässt Transgenders
(gegen den Willen der Armee-Führung) aus den US-Streitkräften werden und
umwirbt Rassisten.
Der Rassismus
ist der gemeinsame Nenner Trumps und seiner Fans. Sie können Schwarze einfach nicht
leiden und hassen Barack Obama, weil der ein „Neger“ ist.
Wie
besessen ist Trump daher darum bemüht alles aus den Geschichtsbüchern zu
tilgen, das mit dem bösen „Negernamen“ Obama verbunden ist.
Klimaschutz,
Obamacare, Pariser Abkommen, Iran-Deal – alles das mit Obama zusammenhängt muss
weg.
Das
erwarten die christlichen Rassisten seiner Basis von ihm.
Lieber
riskiert Trump einen Weltkrieg als den Joint
Comprehensive Plan of Action (JCPOA, vulgo „Obamas Iran-Deal“) in Kraft zu
lassen.
Trumps
zutiefst sadistische und psychopathische Persönlichkeit zwingt ihn dazu seinem
Amtsvorgänger a posteriori maximal zu schaden; alles zu zertrümmern, das an
Obama erinnert.
Trump
ist dabei in der komfortablen Lage nicht an die Konsequenzen denken zu müssen,
weil er schlicht und ergreifend zu dumm dazu ist.
[….]Trump
glaubt, Iran in die Schranken weisen zu müssen. Die Frage ist nur, ob dies
durch mehr Konfrontation gelingt oder ob sich die Hardliner in Teheran nun
nicht erst recht ermutigt fühlen, ihre Expansionsstrategie fortzusetzen. Schon
meinen Iran-Experten, Trumps Konfrontationskurs sorge dafür, dass moderate und
militante Kräfte in Iran wieder enger zusammenrücken würden.
[….]
Eigentlich wollte Trump den Iran-Deal
schon jetzt aufkündigen: Doch Trumps Berater, allen voran US-Außenminister Rex
Tillerson, konnten ihm klarmachen, welch verheerende Folgen das hätte, da der
2015 von den USA, Russland, Frankreich, China, Deutschland und der EU mit Iran
verhandelte Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) als Vertragswerk tief in
die internationale Politik und Wirtschaft hineinreicht. Mit einem Ausstieg
würden die USA eine gefährliche Kettenreaktion auslösen, den Nahen Osten
destabilisieren - und sich als Verhandlungspartner diskreditieren. [….]
Trump
hätte eben doch lieber „The
Art Of The Groping“ statt „The Art Of A Deal“ schreiben
lassen sollen, denn offensichtlich hat er nicht die geringste Ahnung was „ein
Deal“ auf internationaler Ebene ist.
Regierungen
wechseln. Das ist insbesondere in Demokratien nicht völlig ausgeschlossen.
Wenn
Nachfolgeregierungen sich nicht an die internationalen Verpflichtungen ihrer
Vorgänger halten, erübrigen sich alle zukünftigen Verträge.
Welche
Nation sollte eigentlich noch ein Abkommen mit dem selbsternannten weltbesten „Dealmaker“
eingehen, wenn dieser selbst beweist, daß die USA kein verlässlicher Partner
ist, daß sie nach Belieben ihre vertraglichen Verpflichtungen ignorieren.
Trump
will aus NAFTA aussteigen, die USA hat sogar die UNESCO verlassen.
Also
wozu sollte man überhaupt noch mit dieser USA verhandeln, wenn Amerika ohnehin nicht
zu trauen ist und morgen schon etwas anderes gelten kann – je nachdem was der
irre Trump gerade auf Info-Wars eingeflüstert bekommen hat?
[….][….]
Mit seinem neuen Kurs erschwert Trump die
Partnerschaft und Zusammenarbeit mit den anderen Staaten. Wieder einmal schert
er in einer wichtigen Frage aus, isoliert sein Land. Im Gegensatz zu Trump
finden die anderen Vertragspartner, dass Iran sich grundsätzlich an das
Abkommen hält. Natürlich wissen auch sie, dass der Deal nicht perfekt ist, aber
zumindest stellt es einigermaßen verlässlich sicher, dass Iran keine Atomwaffen
baut. Das Hauptziel des Abkommens werde erreicht, weil es darum gehe, die
Ausbreitung von Atomwaffen in der Region, aber auch weltweit zu verhindern,
argumentieren Verantwortliche in Paris, Berlin und Brüssel. Wenn der Deal -
oder Teile davon - nun infrage gestellt werden, könnte es schwieriger werden
andere Länder (wie zum Beispiel Nordkorea) davon zu überzeugen, sich auf solche
Abrüstungsverträge einzulassen. [….]
In
seltener Einigkeit stellten sich gestern China, Russland, der Iran, Frankreich,
England und Deutschland gegen Trumps Irrsinn.
[….]
Donald Trumps neue Iran-Strategie sorgt
in Europa für Aufregung. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Deutschland,
Frankreich und Großbritannien von Trumps Aussagen distanziert und sich für den
Erhalt des Atomabkommens ausgesprochen. "Wir, die Staats- und
Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands und des Vereinigten Königreichs
nehmen die Entscheidung von US-Präsident Trump zur Kenntnis, die Einhaltung des
Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) durch den Iran nicht zu
bestätigen", erklärten Angela Merkel, Emmanuel Macron und Theresa May am
Freitagabend. "Wir sind besorgt angesichts der möglichen Folgen". [….]
Norbert
Röttgen griff gestern den nüchternen Kommentar der EU-Außenbeauftragte Federica
Mogherini auf und verwies auf das Pacta
sunt servanda, das eigentlich jeder Grundschüler begreift, das sogar
Ferengi (Ein Vertrag ist ein Vertrag ist ein Vertrag)
beherzigen, aber Trump ist selbst dafür zu borniert und ignorant.
Pacta sunt servanda (lat.; dt. Verträge sind
einzuhalten) ist das Prinzip der Vertragstreue im öffentlichen und privaten
Recht.
Es handelt sich um den
wichtigsten Grundsatz des öffentlichen ebenso wie des privaten Vertragsrechts.
Im deutschen Zivilrecht findet sich der allgemeine Grundsatz der Verpflichtung
zur Erfüllung von Schuldverhältnissen – und damit auch von rechtswirksamen
Übereinkünften – in § 241 Abs. 1 BGB. Eine der wichtigsten Ausgestaltungen
dieses Grundsatzes findet sich unter anderem im Tatbestand von Treu und Glauben
wieder, der in § 242 BGB geregelt ist. Der Grundsatz besagt, dass derjenige,
der Verträge bricht, rechtswidrig/unerlaubt handelt. Des Weiteren gilt der
Grundsatz der Vertragstreue kraft Völkergewohnheitsrechtes, in dem er bei dem
Theorienstreit um die Frage der Verbindlichkeit internationaler Verträge
besagt, dass nationale Gesetze keine Grundlage für die Nichteinhaltung sein dürfen. [….]
Der
US-Präsident macht sich zudem täglich neue Feinde, weil er auch die anderen
Vertragspartner, also EU, Russland und China, demütigt.
Trump
reitet auch den Nordkorea-Konflikt in den Krieg.
Denn wieso
sollte Kim Jong Un noch mit den USA verhandeln, wenn jetzt schon sicher ist, daß
die USA vertragsbrüchig wird?
Wie
immer gelten für die USA double standards. Was sich Trump herausnimmt, könnte
sich kein anderes Staatsoberhaupt erlauben. Aber Amerika ist militärisch und
ökonomisch (noch) so unfassbar mächtig, das es nicht fair und verlässlich sein
muss, sondern eine Schande für die Weltgemeinschaft sein kann.
[…..] Der US-Präsident hat ein neues Projekt:
einen Intelligenzvergleich mit seinem Außenminister Tillerson. Vielleicht
sollte er das mal mit der EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini versuchen. Wie
das ausgehen würde? "Das ist wirklich einfach", meint Koert Debeuf,
Nahost-Experte in Brüssel, und schmunzelt.
[…..]
Viel würde Mogherini ein IQ-Triumph
allerdings nicht nützen, sollten die USA wirklich das Atomabkommen mit dem Iran
aufkündigen. Dann hätte Trump die hohe Schule der Diplomatie endgültig
abgewürgt, zugunsten atomarer Muskelspiele. […..] Die Kernkompetenz der Europäer, die Suche nach dem Kompromiss, wäre
wirkungslos. Oder in den Worten eines anonymen EU-Diplomaten: "Die
Botschaft wäre: 'Verhandelt nicht! Vor allem nicht mit dem Westen, der hält
seine Zusagen sowieso nicht ein‘."
[…..]
Wenn nun aber Trump und Co aus dem Deal
aussteigen und neue Sanktionen gegen den Iran verhängen, die Europäer aber
daran festhalten, ist ein wichtiger Aspekt der Nachkriegs-Weltordnung dahin:
die Geschlossenheit des Westens. Experte Debeuf glaubt, die EU sollte auf
keinen Fall kuschen und genau so weitermachen wie bisher. "Europa sollte
mehr im Iran investieren. Das ist wichtig für Europas Glaubwürdigkeit und die
Reformkräfte vor Ort." Stress mit Trump wäre natürlich programmiert,
wahrscheinlich auch US-Sanktionen gegen europäische Firmen, die Geschäfte im
Iran machen.
[…..]
Nur so als Gedankenspiel: Die Amerikaner
kündigen also den größten diplomatischen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte auf
- gleichzeitig ein nukleares Abrüstungsabkommen, das funktioniert - und niemand
nimmt sie daraufhin mehr ernst. Die Europäer auf der anderen Seite sind der
alleinige Garant von Stabilität, Integrität und Glaubwürdigkeit. Das gibt mit
Sicherheit viel Applaus und Lippenbekenntnisse aus aller Welt. Die harte
Realität sieht aber anders aus. Jamsheed Faroughi, DW-Farsi-Redaktion:
"Hinter verschlossenen Türen im Iran glaubt niemand, dass die Europäer
ohne Mitwirkung der USA irgendwas bewirken können." Ohne die, auch
militärische, Macht der USA an ihrer Seite, sind die Verhandlungskünste der EU
deutlich weniger wert. [….]