Mittwoch, 20. September 2017

Und genau deswegen wählt man nicht CDU!

Zu den wenigen Momenten, in denen Merkel nicht so gut aussah, gehörten Fragerunden, in denen echte Menschen ihr sagten, sie erwarteten nach 42 Jahren im Beruf als Friseurin eine Rente von 800 Euro. Genauso passierte es mit Frau Vogel, der Putzfrau, die sich nach 40 Jahren Arbeit auf üppige 654 Euro Rente freuen darf.
Merkels Gegenfrage, ob sie denn zusätzlich privat vorgesorgt habe, sagt eigentlich alles.
Klar, bei 800 Euro im Monat hat man eine Menge Geld übrig, um das in eine private Rentenversicherung mit Null Prozent Zinsen zu stecken.
Immerhin, das muß ich Merkel lassen, war sie so ehrlich, um zuzugeben, daß sie solchen Rentnerinnen nicht helfen könne.
Wie auch? Merkel hatte bisher ja auch noch nie etwas mit Politik zu tun.

Daß Altenpfleger mit 1.000 Euro im Monat auskommen müssen und die Senioren in ihren Exkrementen liegen gelassen werden, kann man Merkel nun wirklich nicht anlasten.
Sie ist ja schließlich erst seit 1990 in der ersten Reihe der Politik (acht Jahre Ministerin in der Kohl-Regierung, sieben Jahre Oppositionschefin, 12 Jahre Kanzlerin) – in den 27 Jahren hatte sie nun wirklich keine Zeit sich um Politik zu kümmern.


Und selbst wenn Merkel wüßte was Pfleger verdienen, wie wenig Rente Millionen Deutsche zu erwarten haben, könnte sie dennoch nichts daran ändern, denn diese Leute haben weder eine starke Lobby, noch werden sie von ehemaligen CDU-Ministern vertreten und schon gar nicht spenden sie in siebenstelliger Summe an die CDU!

Und schließlich wird Merkel nicht ohne Gegenleistung tätig.
Man muss schon zahlen können, wenn man wie die Atomindustrie oder die Autokonzerne mit Milliardenwohltaten vom Staat bedacht werden will.

Das ist in der Kanzlerinnenpartei wie in der FDP. Deswegen freuen wir uns schon auf eine Neuauflage von Schwarzgelb ab nächster Woche.

Gegen eine kleine Aufwendung vom Hotelbesitzer Baron Finck („rechts vom Gustl steht nur noch Dschingis Khan“) an die FDP, genehmigte man großzügig Milliardensteuervorteile für Hoteliers.

Milliardär Finck, der auch ein großer Immobilienmogul ist - ihm gehören unter anderem die Clair Immobilien Deutschland GmbH und die Mercantor Verwaltungs GmbH - hatte sich mit Spenden an die CSU (2,4 Millionen Euro seit 2000) auch Freundlichkeiten für die Immobilienwirtschaft erkauft.

Ganz im Sinne des Immobilienmoguls dürfte sein, dass die Koalition etwa so genannte Real Estate Investment Trusts (REITs) stärken will. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, hier seien "überflüssige Hemmschwellen für den deutschen Markt abzubauen". Das entspricht ziemlich genau einer Forderung des Immobilien Verbandes Deutschland (IVB). "Schnellstmöglich sollten Reits eingeführt werden, damit den Anlegern eine international konkurrenzfähige Form der indirekten Immobilienanlage auch in Deutschland zur Verfügung steht", heißt es in einem Verbandspapier. Reits sollen dabei "möglichst wenig reguliert werden".
Im Klartext: Geldgeber sollen leichter als bisher auch mit Wohnimmobilien zocken dürfen.
Und es gab noch mehr Grund zu jubeln für die Immobilienwirtschaft.
"Im Bereich des Mietrechts greift der Koalitionsvertrag alle Forderungen von Haus & Grund Deutschland auf und übernimmt sie", frohlockte der Hauseigentümerverband in einer Stellungnahme zum Koalitionsvertrag.
Wichtigster Punkt: das Ende der "asymmetrischen Kündigungsfristen". In Zukunft sollen für Mieter und Vermieter gleich lange Kündigungsfristen gelten. So können ungewollte Mieter schneller vor die Tür gesetzt werden. Ausgehebelt werden soll auch das Recht auf Mietminderung, etwa während einer Gebäudesanierung. 

12 weitere Lobbyforderungen - 1:1 umgesetzt von den Pay-Policy-Parteien der schwarzgelben Regierung - listet allein die SZ auf.

Die Pharmalobby machte sich ihren Hauptverband FDP so gefügig,
daß drei Monate nach Regierungsantritt tatsächlich Deutschlands oberster Pharmakontrolleur Sawicki geschasst wurde.
Seine am Patientenwohl orientierte Position war zu wenig Pharma-freundlich.

Der private Krankenversicherung DKV räumt FDP-Mitgliedern Sonderrabatte ein und schon bekommt einer der wichtigsten PKV-Lobbyisten, Christian Weber, einen Job in zentraler Stelle des FDP-geführten Gesundheitsministeriums.

So läuft es eben. Politik gegen Geld. Pay-Politik à la Merkel.

(…..) In Brüssel trifft der gescheiterte CDU-Mann Oettinger auf den mächtigsten Lobbyisten Europas, nämlich den seit 2007 amtierenden Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) Matthias Wissmann, der ebenfalls ein Untergebener Merkels ist.
 Fünf Jahre saßen die Minister Merkel und Wissmann Seit an Seit im Kabinett Kohl und blockierten Umweltpolitik und nachhaltiges Wirtschaften.
Mehrfach hatte Brüssel beabsichtigt angesichts der sich dramatisch verschärfenden Klimakatastrophe Anreize zu schaffen Autos mit weniger CO2-Ausstoß zu fördern.
Auf Geheiß des viele Millionen schweren VDA, dessen Mitglieder auch fleißig sechsstellige Summen an die CDU spenden, intervenierte Merkel stets, um solche EU-Regelungen zu verhindern.
In der CDU-Logik würde das nämlich deutsche Arbeitskräfte kosten.
Wie jeder weiß, ist nur der Bau von extrem umweltschädlichen Autos arbeitsintensiv und sichert die Beschäftigung in Deutschland.
Intelligente Antriebe, das drei-Liter-Auto, Hybridmotoren und ähnliche CO2-vermindernde Techniken fallen bekanntlich vom Himmel und mssen nicht gefertigt werden, so daß auch keine Arbeitsplätze dafür benötigt werden.
Um solche Zusammenhänge zu erkennen braucht es den Megalobbyisten Wissmann, der ohne einen einzigen Tag Schampause 2007 direkt aus dem Bundestag auch die Interessen der Automobilwirtschaft als Vizepräsident im Lobbyverband Pro Mobilität vertrat.

Abgasauflagen werden stets mit Argusaugen aus den Konzernspitzen in Wolfsburg, Stuttgart und München verfolgt.
Schön, daß sie sich mit Kommissar Oettinger jetzt ein U-Boot in Brüssel gekauft haben. Klimaschutz wird wieder einmal massiv durch Deutsche gebremst.

EU-Kommissar rühmt sich, Klimaziele aufzuweichen.
[…] In einem Brief an VW-Chef Martin Winterkorn meldet Oettinger, 'Verbesserungen' der Klima-Normen im Sinne von VW erreicht zu haben. Zudem erklärt er, dass VW sich nicht wegen möglicher neuer verbindlicher Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxid nach 2020 sorgen müsse. Dank des Engagements könne 'die Diskussion über unsere CO2-Politik für Pkws nach 2020 ergebnisoffen geführt werden'.

Die Dreistheit, mit der CDU und FDP nur noch die Interessen derer bedienen, die vorher großzügig an die Parteikassen gespendet haben, hat ein neues Maximum erreicht. VW, BMW und Daimler haben sich bei den Parteien gut eingekauft.

Wir erinnern uns an den CDU-Spenden-Guru Walther Leisler Kiep, der 1944 in die NSdAP eingetreten war und später 21 Jahre lang CDU-Bundesschatzmeister war.
Fast gleichzeitig saß er 20 Jahre im Aufsichtsrat der Volkswagen AG.

Von Daimler-Chrysler kommen regelmäßig dicke Schecks auf dem CDU-Konto an; im Jahr 2004 waren es beispielsweise 150.630,00 €, 2005 dann schon € 300.000.
2007 folgte ein € 150.000-Scheck aus Stuttgart in Merkels Kasse.

Während die drei BMW-Eigentümer Stefan und Johanna Quandt, sowie Susanne Klatten jedes Jahr jeweils sechsstellige Beträge an die CDU spenden, erhielt die Merkelpartei Volkswagen-Geld teilweise auf verschlungenen Wegen.


Direkt überwiesen von VW in die CDU-Parteikasse wurden im Jahr 2002, 2003, 2004, 2005, und 2006 je nur € 10.400

Hinzu kamen aber noch nette Spenden von den VW-Eigentümern, der Familie Porsche.
Sie spendete 2002 und 2003 je € 30.000 an die CDU, im Jahr 2004 schickte man € 78.500. Als Merkel an die Regierung kam, engagierte sich Porsche/VW schlagartig noch großzügiger. 2005 flossen 265.000 Euro von Porsche an die CDU. 2007 noch mal € 100.000.

Wer mehr CDU-„Spender“ sehen möchte, möge im „taz-Parteispenden-Watch“ nachsehen.
(Bitte beachten: Altana, Klatten, Quandt, BMW sind alles eine Familie, die praktischerweise auf ihre rund 600 Millionen leistungsloses Einkommen pro Jahr dank der von ihr unterstützten Parteien nur maximal 25% Steuern zahlen  - und nicht etwa 46% wie Arbeitnehmer!)

Das finanzielle Engagement der Autobauer lohnt sich aber auch ganz direkt.
CDU und FDP bestätigen die Absatzgarantien „Dienstwagenprivileg“ und „Entfernungspauschale“.
Und sie halten lästige Umweltschutzregelungen von den deutschen Autoschraubern und den vielen Zulieferern fern. (…..)

Die Spenden an die CDU amortisieren sich leicht.

Davon kann der Hamburger Reeder Heinrich Schoeller ein Lied singen, der einst 100.000 Euro an die CDU spendete und am Ende 800 Millionen Euro von der staatlichen HSH geschenkt bekam.
Das nenne ich ein lukratives Geschäft. Millionen für Millionäre, der Steuerzahler bezahlt.

 […..] In einem Arbeitspapier, das der MOPO vorliegt, nimmt die Linksfraktion die HSH-Geschäfte kräftig auseinander. Kreditvergaben werden kritisiert, vor allem aber wird das Verhalten der Reeder angeprangert – besonders das von Heinrich Schoeller. Seine „Schoeller Holding“ hat im Zeitraum von 2005 bis 2008 Kredite in Höhe von rund 1,5 Milliarden Dollar erhalten – zuletzt erließ die HSH der Holding 800 Millionen Dollar Schulden. […..]  Schoeller hat Ende 2008 großzügige 100.000 Euro an die Bundes-CDU gespendet. In Hamburg führte die CDU zu dieser Zeit den Senat – und war entsprechend für die Geschäfte der Landesbank und damit indirekt auch für die Kreditvergabe mitverantwortlich. „Für Schoeller scheint es sich gelohnt zu haben, wenn man mal anlassbezogen und einmalig der CDU eine üppige Spende überweist“, sagt Norbert Hackbusch (Linke). […..] Schoeller sei der aktuellste Fall von offensichtlicher Kumpanei. Bei der Spende bleibe ein fader Beigeschmack. In ihrem Arbeitspapier hat sich die Linke auch auf Wolfgang Peiner, Hamburgs ehemaligen Finanzsenator, eingeschossen. „Dass Peiner von 2001 bis 2006 Hamburgs Finanzsenator war, im gleichen Zeitraum CDU-Bundesschatzmeister und später Aufsichtsrats-Vorsitzender der HSH, hat schon ein Geschmäckle“, so Hackbusch. [….]

CDUler kann man aber auch einzeln kaufen, um sie zu genehmen Abstimmverhalten zu bringen.

[….] Eine CDU-Bundestagsabgeordnete profitierte von Geld aus Aserbaidschan.
Im Europarat verteidigt die deutsche CDU-Politikerin Karin Strenz das Regime in Aserbaidschan [….]


Effektiver ist es aber die Bundespartei vor Wahlen direkt mit Millionen zuzuscheißen.
Dann kann man sicher sein, daß die Kanzlerin einem vor teuren Entschädigungszahlungen bewahrt, wenn man Millionen Kunden betrogen hat.

[…] Mehr als 17 Millionen Euro hat die Automobilindustrie nach Recherchen der Organisation LobbyControl in den vergangenen acht Jahren an CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne gespendet.
Fast 80 Prozent der Zuwendungen von Autoherstellern, Zulieferern und Verbänden konnten demnach Union und die Liberalen für sich verbuchen. [….]

Also liebe Krankenschwestern und Pflegeazubis – Ihr müßt schon noch ordentlich was drauflegen, wenn Merkel ein Herz für Euch entdecken sollte.
Kleinvieh macht keinen Mist.


Dienstag, 19. September 2017

Enabler



Bis ins Jahr 2016 bin ich nie in die Verlegenheit gekommen republikanische Propagandisten in den USA sympathisch zu finden.
Barack Obamas Hautfarbe triggerte dann allerdings die rassistischen Teebeutler aus ihren Löchern, die dann 2015/2016 in der Apotheose des politischen Grauens – Donald Trump – mündeten.
Das parteipolitische Koordinatensystem ist derartig rechtsverschoben, daß herkömmlich konservative Leute wie Ana Navarro, 45, und Tara Setmayer, 41, richtig erfrischend die Trumpisten unter Feuer nehmen.


Sie empören sich darüber wie die fortwährenden rassistischen und misogynen Sprüche die tumbe Basis dazu animieren solchen Gefühlen nachzugeben.
Navarro empört sich daher zu Recht insbesondere über ihre eigenen Parteifreunde, welche die dreisten Lügen und die Hetze Trumps hinnehmen, ohne laut und deutlich zu widersprechen. Wer innerlich grollt, Trump verachtet, aber öffentlich zur Trump-Regierung steht, sei ein „Enabler“, also jemand, der Trump erst möglich macht.


[…..]  That's what's part of the problem. He is surrounded by enablers that do nothing, but shake their heads and nod their heads in agreement with everything that he says. They have got to stop. They have got to stand for democracy, for freedom of the press. This is just going way too far. The President of the United States is inciting violence against the free press. And America, we cannot stand for it." [….]

Enabler sind eine widerliche Spezies, von der es leider auch in Deutschland jede Menge gibt.
Nur durch Enabler, die öffentlich zum AfD-Rassismus schweigen, die tausendfache Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte achselzuckend hinnehmen, wird der Nazismus wieder salonfähig.

[…..]  Nun, da die braune Ernte eingefahren wird, lohnt es sich, an all die Tagelöhner zu erinnern, die in den vergangenen Jahren eifrig den Boden gedüngt haben, auf dem der Mist gewachsen ist.
Thilo Sarrazin, natürlich, der Pate der rechten Revolution, mit dessen halsbrecherischen Statistiken ein schmieriger Muslimhass in Deutschland sein bürgerliches Gesicht bekam.
Das Magazin "Cicero", in dem der Regisseur Oskar Roehler seine "Wutrede eines Enttäuschten" schreiben darf, in der er Merkel vorwirft, keine "Wurzeln in meinem Land" zu haben. Roehler verfilmt gerade ein Buch des Autors Thor Kunkel, der seinerseits inzwischen für die Werbekampagne der AfD verantwortlich ist.
Rüdiger Safranski, der freundliche Volkszornversteher, der gesagt hat: "Die Politik hat die Entscheidung getroffen, Deutschland zu fluten" - und damit die Menschen meinte, die vor dem Bürgerkrieg hierher geflüchtet sind. Safranski bekam neulich in der Frankfurter Paulskirche, mithin der Wiege der deutschen Demokratie, den Ludwig-Börne-Preis. Die Laudatio hielt Christian Berkel, ein in Berlin berühmter Schauspieler, der im Hause Springer wohlgelitten ist.
Beim Springer-Verlag wiederum - der jede Nähe zur AfD weit von sich weisen würde - ist der Publizist Henryk M. Broder beschäftigt, der mit seinem Blog "Achse des Guten" eine Spielwiese für Rechtsausleger eingerichtet hat. Zum Beispiel für Vera Lengsfeld, die mal für die CDU im Bundestag saß, nun aber gemeinsam mit Frauke Petry öffentlich auftritt. [….]

Enabler sind auch die ZEIT und die FAZ, die rechtsradikalen Islamophoben wie David Berger Seiten freiräumen, damit er ungeniert seine Giftsaat legen kann.

Enabler sind die Redaktionen von Will, Maischberger, Illner und Plasberg, die AfD-Hetzer überproportional oft einladen und schon mit ihrer Themensetzung AfD-Werbung betreiben.


[…..] Ich habe über 200 politischen Talkshows der öffentlich-rechtlichen Medien u.a. auf ihre Themenvielfalt untersucht und ein krasses Missverhältnis zwischen bestimmten Themen festgestellt. So wichtig einige Themen sicher waren und sind, niemand kann rechtfertigen, dass in 1,5 Jahren jede vierte Sendung speziell das Thema Flüchtlinge behandelt und sich fast jede zweite Sendung generell mit dem Themenkomplex Flüchtlinge, Islam, Terror/IS, Populismus/Extremismus befasst hat. In nur sechs von 204 Sendungen wurde über Armut und Ungleichheit diskutiert. Wichtigen Themen wie NSU, Rassismus und rechte Gewalt wurde zum Beispiel jeweils nur eine Sendung gewidmet. Klimawandel kam sogar gar nicht vor. Das ist nicht nur bedenklich, sondern prägt die öffentliche Debatte sehr einseitig. Die Themenauswahl spiegelt absolut nicht die tatsächlichen Probleme in unserer Gesellschaft wider und stellt damit ein Zerrbild der Wirklichkeit dar. [….]


Enabler sind CSU-Politiker wie Dobrindt, Seehofer, Söder und Scheuer, die manisch von Flüchtlingskriminalität und Abschiebungen sprechen.



Und natürlich ist Merkel Enablerin, denn sie lässt das zu, entfernt Hetzer wie Spahn und de Maizière nicht aus ihrer Regierung.

[…..] Wenn eines Tages Bilanz gezogen wird über diese Kanzlerin und ihre Amtszeit, dann wird dies auf der Soll-Seite stehen bleiben: Angela Merkel ist die Mutter der AfD. Sie hatte die Wache, als die Nazis in den Bundestag kamen. Allein dafür würde Angela Merkel die Abwahl verdienen. […..] Nazis. Hartes Wort. Verharmlost man damit nicht die Judenmörder und Weltkrieganzettler des "Dritten Reichs"? Nein. Der AfD-Mann Jens Maier fürchtet die "Herstellung von Mischvölkern" und will den deutschen "Schuldkult" beenden. Sein Kamerad Wilhelm von Gottberg zitierte einst voller Zustimmung einen italienischen Neofaschisten mit den Worten: "In immer mehr Staaten wird die jüdische Wahrheit über den Holocaust unter gesetzlichen Schutz gestellt". Und die Äußerungen des Spitzenkandidaten Alexander Gauland, eine deutschtürkische Politikerin sei in Anatolien zu "entsorgen", und wir hätten das Recht, "stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen", die haben ja gerade die Runde gemacht.  Sigmar Gabriel hatte recht, als er neulich sagte, in naher Zukunft würden "zum ersten Mal nach 1945 im Reichstag am Rednerpult echte Nazis stehen". [….]


Montag, 18. September 2017

Schluss mit dem Schröder-Bashing



Vor 19 Jahren, am 27. Oktober 1998 wurde der Sozialdemokrat Gerhard Schröder gemäß des Vorschlages von Bundespräsident Roman Herzog vom Bundestag zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.
Bei 345 Mandaten der rot-grünen Koalition erhielt Schröder 351 Ja-Stimmen und 27 Enthaltungen.

Damit ging nicht nur die bleierne Lähmung von 16 Jahren Kohl-FDP-Merkel-Regierung zu Ende, sondern erstmals stellten die Grünen Bundesminister.
Aus Sicht der konservativen Merkel und Schäuble würde nun das „rotgrüne Chaos“ ausbrechen, die Unternehmer in Massen das Land verlassen und somit die deutsche Wirtschaft in den Abgrund gesaugt.
Das Unheil begann aus Merkels Sicht schon mit dem Amtseid, den Schröder als erster und einziger Kanzler ohne die Formel „so wahr mir Gott helfe!“ sprach und gleich sieben Minister, nämlich Joschka Fischer, Bodo Hombach, Otto Schily, Walter Riester, Jürgen Trittin und Edelgard Buhlman wurden ebenfalls ohne Gottesformel eingeschworen.
Gerhard Schröder holte 1998 41 % für die SPD im Bund und schaffte damit das erste und einzige mal in bisher 18 Bundestagswahlen das Wunder alle bisherigen Regierungsparteien in die Opposition zu schicken.
Die Deutschen fürchten sich normalerweise viel zu sehr vor Veränderungen, um so radikal zu wählen; daher wurde bisher bei allen anderen Bundestagswahlen mindestens eine der vorherigen Regierungsparteien in die neue Regierung gewählt.

Sozis von heute verhalten sich streng getreu des Dieter Hildebrandt-Mottos „die SPD scheißt in jede Hose, die man ihr hinhält“, wenn sie heute an die sieben Jahre rotgrüner Bundesregierung denken:
Schröder kam an die Macht, führte das böse gemeine HartzIV ein und seitdem sind wir demoskopische Paria, die für immer und ewig bestenfalls am Rockzipfel der CDU hängen.
Bei aller Liebe, aber dieses Narrativ ist unzulänglich verkürzt!

Die 20+x%-SPDler von heute sollten nicht so abfällig reden.
12 Jahre nach der Abwahl Schröders immer noch nichts anderes als Gejammer der Linken über den bösen Schröder und das böse Hartz IV ist erbärmlich.

Ob die Agenda 2010 gut oder schlecht war, ist offensichtlich umstritten.
Ich gehöre zur großen Majorität, die sich immer noch hinter die Reform stellen.
Niemand behauptet, daß jeder einzelne Satz daraus richtig ist.
Nach 15 Jahren ist der LINKEn aber auch noch nicht mehr eingefallen, als „Hartz IV ersatzlos streichen“, also pure Destruktion.
Eine Position, die offenbar so unpopulär ist, daß ca 90% der Wähler Parteien wählen, die an der Agendapolitik festhalten wollen.

Noch mal zum Verständnis; das was man unter “Agendapolitik“ versteht ist ein gewaltiges Konglomerat aus vier Gesetzespaketen, die zwischen 2003 und 2006 verabschiedet wurden.
Die rotgrüne Bundesregierung hatte eine Expertenkommission eingesetzt und von Unternehmern, Professoren, Fachministern und Gewerkschaftern Pläne entwickeln lassen.
Es war keine CDU- oder Wirtschaftsdominierte Runde!

    Peter Hartz (SPD und IG Metall), Mitglied des Vorstandes der Volkswagen AG, Vorsitzender der Kommission
    Norbert Bensel, Mitglied des Vorstandes der DaimlerChrysler Services AG
    Jobst Fiedler, Roland Berger Strategy Consultants
    Heinz Fischer, Abteilungsleiter Personal Deutsche Bank AG
    Peter Gasse (SPD), Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen
    Werner Jann, Universität Potsdam
    Peter Kraljic, Direktor der McKinsey & Company Düsseldorf
    Isolde Kunkel-Weber, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes
    Klaus Luft, Geschäftsführer der Market Access for Technology Services GmbH
    Harald Schartau (SPD), Minister für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen
    Wilhelm Schickler, Präsident des Landesarbeitsamtes Hessen
    Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks
    Günther Schmid, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
    Wolfgang Tiefensee (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Leipzig
    Eggert Voscherau, Mitglied des Vorstandes der BASF AG

Die Agenda 2010 war allerdings ein gewaltiges Konzept, das alle Bereiche der Politik und nicht nur die unter dem Stichwort „Arbeitsmarktreform“ bekannten Hartz-Gesetze betraf.

(….) Die Hartz-Reformen haben zweifellos zu mehr Arbeitsplätzen und einer gesünderen Wirtschaft geführt.
Dabei gab es aber zweifellos auch Ungerechtigkeiten. Das ist bei so einem Mammut-Werk gar nicht anders möglich und Gerd Schröder selbst betonte immer wieder, die Hartz-Gesetze sollten nicht in Stein gemeißelt, sondern immer wieder angepasst werden.

Der politische Preis für die Reformen war definitiv ungerecht.
Die glühenden Agenda-2010-Befürworter aus CDU und Grünen stiegen nach 2003 in ungeahnte Höhen und allein die SPD wurde vom Wähler grausam abgestraft.

Eine besonders begeisterte Unterstützerin der Hartz-IV-Reformen ist Kathrin Göring-Eckhardt, die dafür nie einen politischen Preis zahlte und 2017 erneut Spitzenkandidatin ihrer Partei ist.
Sie macht sich einen schlanken Fuß, indem sie einfach zum Thema schweigt und unterdessen kontinuierlich an die von ihr verehrte Angela Merkel heranrobbt.

Ebenfalls einen schlanken Fuß macht sich Sahra Wagenknecht, die Hartz-IV empört ablehnt, deren Partei mit der grundsätzlichen Forderung nach Abschaffung der Agenda 2010 in zweistellige demoskopische Höhen stieg, ohne je zu sagen, was eigentlich stattdessen kommen soll.

Soll es wieder das Ämterhopping zwischen Wohnungsamt, Sozialamt und Arbeitsamt eingeführt werden und soziale Leistungen als Sachleistungen einzeln beantragt werden? [….]

Ich bin mir aber sicher, daß auch Gerd Schröder, wäre er heute noch Kanzler, längst die offensichtlichen Ungerechtigkeiten abgeschafft hätte.

Es geht natürlich nicht, daß jemand dauerhaft als Leiharbeiter eingesetzt wird und viel weniger verdient, als der fest angestellte Kollege.
Es hätte früher einen Mindestlohn – und zwar einen höheren – geben müssen. Und das ohne all die Ausnahmen, die Nahles zulässt.

Außerdem finde ich Nahles‘ Rentenpolitik problematischer als Schröders Agenda. Nach wie vor läßt sie die Rente nicht von Beamten und Selbstständigen und Bundestagsabgeordneten mitbezahlen.

Und nirgendwo steht geschrieben, daß man bei der in der Tat beschämenden Altersarmut keine Mindestrente einführen darf, statt die Renten immer nur prozentual zu erhöhen, so daß die reichsten Rentner auch die größten Aufschläge bekommen.

Ich finde es nach wie vor sehr ehrenwert, daß Schröder als einer der ganz ganz wenigen Politiker nicht an seinem Amt klebte und wohlwissend, daß es vermutlich seinen Kopf kosten wird für 2005 vorgezogene Neuwahlen ansetzte, um etwas Unpopuläres, von dem er aber zutiefst überzeugt war, durchzusetzen.
Er hat also tatsächlich etwas getan, das andere immer nur behaupten: Das Wohl des Landes über sein persönliches Wohl gesetzt. Merkel würde das nie tun.

In Folge der Agendapolitik stiegen die Sozialausgaben in Deutschland deutlich und kontinuierlich an.

2005 stiegen sie von erwarteten 14,6 Milliarden auf 25,6 Milliarden Euro, im Jahr 2006  auf 26,4 Milliarden.
2007   35,7 Milliarden
2008   34,8 Milliarden
2009   36 Milliarden
2010   36 Milliarden
2011   33 Milliarden
2012   40 Milliarden
2013   40,65 Milliarden

Heute zu behaupten, Hartz wäre eine Kürzungsorgie und habe nur Elend gebracht, ist völlig geschichtsblind und lässt außer Acht was für ein gelähmtes Land Deutschland im Jahr 1998 nach unendlichen Jahren Kohl-FDP-Merkel-Regierung war. Der kranke Mann Europas – Dank der Kohl-Merkel-Reformunwilligkeit.
Durchreguliert und wirtschaftlich abgehängt.

[….] Seit mehr als zehn Jahren wächst die deutsche Volkswirtschaft deutlich langsamer als die der meisten internationalen Konkurrenten. Gleich mehrmals landete Deutschland bei der Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sogar auf dem letzten Platz der EU-15. Die Stagnation vom Herbst 2000 bis Ende 2003 war die längste seit Gründung der Bundesrepublik.
Obwohl auch andere Industrieländer von steigenden Ölpreisen, dem Platzen der New-Economy-Blase und der weltweiten Verunsicherung durch die Terroranschläge der letzten Jahre betroffen waren, zeigten sich die wachstumslähmenden Effekte nirgendwo in Europa stärker als hierzulande. Und selbst das reale BIP-Wachstum von 1,7 Prozent im vorigen Jahr ergibt sich erstens zu gut einem Drittel allein daraus, dass es 2004 je nach Bundesland bis zu fünf Arbeitstage mehr gab, zweitens liegt es erneut deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 2,4 Prozent, und drittens lebt es nahezu ausschließlich vom Export. Das schwache Wirtschaftswachstum seit 1991 hat dazu geführt, dass die Deutschen beim Pro-Kopf-Einkommen vom vierten auf den achten Platz in der EU-15 abgerutscht sind. Gleichzeitig ist die Anzahl der registrierten Arbeitslosen weiter gestiegen und liegt mittlerweile bei 4,7 Millionen.
Schon dieser erste Überblick verdeutlicht, dass die neunziger Jahre für Deutschland ein verlorenes Jahrzehnt waren. Und auch seit der Jahrtausendwende hat sich die Situation nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Wäre die deutsche Wirtschaft zwischen 1991 und 2003 beispielsweise genauso schnell gewachsen wie die der USA, dann hätte das preisbereinigte BIP je Einwohner im Jahr 2003 um fast 3 500 Euro höher gelegen, als dies tatsächlich der Fall war.
Bereits 1997 war "Reformstau" das "Wort des Jahres" - und dieser hat sich trotz der Agenda 2010 noch immer nicht aufgelöst. Deutschland schneidet weiterhin auf allen Wachstumsfeldern deutlich schlechter ab als vergleichbare Volkswirtschaften. Hohe Steuern und Abgaben, eine lähmende Bürokratie und immer noch hohe Arbeitskosten gehören zu den hausgemachten Ursachen, die den Beschäftigungsaufbau verhindern. [….]

Ich weiß natürlich, daß es trotzdem genügend Linke und Sozis vom linken SPD-Flügel gibt, die in der Agenda 2010 und Gerd Schröder dennoch nur Negatives erkennen.
Ich frage mich aber, wieso sie immer noch, rund 15 Jahre nach der Vorstellung der Pläne, nichts anderes an der rotgrünen Bundesregierung erinnern.

Und während Schröder schon direkt nach seiner Kanzlerschaft sagte, das HartzIV-Gesetz wäre nicht die Bibel, an der man nichts ändern dürfe, war es Merkel, die dann 12 Jahre verantwortete was damit passierte, während Schröder es gerade mal auf den Weg bringen konnte und dann abgewählt wurde.

Bei so einem gewaltigen Gesetzeskonglomerat, für das man keine Erfahrungen hatte, ist es völlig normal, daß nicht alles funktioniert und daß in den nächsten Jahren evaluiert und nachgebessert werden muß.
Wichtig war, das überhaupt zu wagen.

Ich meine, selbst HartzIV-Gegner sollten positiv auf die sieben Jahre blicken, auch wenn ihnen dieser eine Aspekt nicht gefällt.

Erst mit Schröder gab es eine ökologische Steuerreform, die Zwangsarbeiterentschädigung, den Atomausstieg, die Green-Card-Initiative, eine Rentenreform, diverse Initiativen im Bildungsbereich. Für Waffenexporte wurden erstmals Regeln aufgestellt, die Homoehe, das Lockern des unsäglichen Meisterzwanges, das außenpolitische Selbstbewußtsein zu unserem engsten Verbündeten USA zu sagen, daß wir nicht beim Irakkrieg mitmachen.
Vieles versuchte Schröder, zB im Jahr 1999, als die Schröder-Fischer-Regierung ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht plante und ein zweckmäßiges Einbürgerungsrecht schaffen wollte.
In diesem Fall schwenkten sogar die Kirchen auf Rot/Grün.
Die von der sogenannten „Süßmuth-Komission“ ausgearbeiten Vorlagen zum Thema erfuhren eine enorme Zustimmung: Wissenschaftler, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Kirchen und große Teile der Presse unterstützten das Vorhaben.
Widerstand kam nur aus CDU und CSU. Merkel persönlich trat mit Roland Koch 1999 in Hessen die „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschrieben?“-Unterschriftenliste los und verhinderte mit beständiger Obstruktion im Bundesrat das „Zuwanderungsrecht“, das uns jetzt fehlt.
 Während der endlosen 16-Kohljahre saß die FDP auf dem Sessel des Wirtschaftsministers. Am Ende sollten es 29 Jahre sein, die die FDP ununterbrochen den Bundeswirtschaftsminister stellte.
Das Ergebnis war eindeutig: Die höchsten jemals in der Bundesrepublik geltenden Steuersätze – 56% Spitzensteuersatz; das würde sich heute nicht mal mehr Frau Wagenknecht zu fordern trauen.

Unter Kohl lag der Eingangssteuersatz bei 26% und der Spitzensteuersatz bei 56%. Das Ergebnis von 16 Jahren CDU-FDP-Regierung.
 Dank Schröder wurden es 15 % und 45 % und das bei höheren Freibeträgen!
Das haben Rot/Grün durchgeprügelt und zwar gegen "Mrs. Njet" und Westerwelle, die alles blockierten.
Das ist nach wie vor die massivste Steuerentlastung für die Arbeitseinkommen, die es je gab und das hat die CDU eben nicht hinbekommen, sondern stattdessen stets nur die Steuern erhöht.

Zudem hatten die Liberalen die Wirtschaft völlig festgezurrt.
Nie war Deutschland so durchreglementiert, mit Verboten belastet und Beschränkungen der Wirtschaft versehen, wie im Jahr 1998 nach 29 Jahren FDP-Wirtschaftsministern. Strenge Ladenöffnungszeiten, Meisterzwang, Reimportverbot für Medikamente, Subventionsexzesse, Filialverbot für Apotheker, Versorgermonopole etc pp.
Die Steuern sanken erst in dem Moment, als RotGrün 1998 übernahm und der heute so gehasste Finanzminister Lafontaine hunderte Regulierungen ersatzlos strich.
Nach sieben Jahren Schröder-Kanzlerschaft waren die außenpolitischen Beziehungen zu wichtigen Nachbarn so exzellent, daß Chirac Deutschland auf internationalen Konferenzen vertrat und Schröder einmal für Frankreich stimmte. Die ausgezeichneten Beziehungen zu Moskau waren ein Segen und führten zu Stabilität und Sicherheit.

Es nervt mich ohne Ende, wenn maulige Besserwisser nach 20 Jahren Schröder immer noch auf Hartz IV reduzieren; Gesetze, an dem auch Grüne und CDU (Vermittlungsausschuss und Bundesrat) mitstrickten.
Grünen und CDU ging es damals nicht weit genug.

2017 immer noch der SPD zu verübeln, daß Schröder im Jahr 2003 nicht haargenau alles 20 Jahre voraussehen konnte, ist realitätsblind.

Ich bin sehr dankbar, daß Schröder und Fischer ab 1998 jede Menge Zöpfe abgeschnitten haben. Merkel ist dafür erkennbar zu schwach und schafft trotz gewaltiger Mehrheiten in Bundesrat und Bundestag überhaupt gar keine Reformen.

Ich als SPD-Linker, der sich für R2G einsetzt, würde Luftsprünge vor Glück machen, wenn uns so ein Energiebündel und Wahlkämpfer wie Schröder zur Verfügung stünde!