Mittwoch, 17. August 2016

Der Minusmann – Teil XIX



Die arme Bundesregierung. Da hat man so eine dicke, bequeme 80%-Mehrheit im Parlament und ohne eigenes Zutun eine ökonomische Lage, bei der die Geldquellen so sprudeln, daß man die ganze Kohle gar nicht ausgeben kann,  aber dann ist da Sevim Dagdelen!
Die 40-Jährige Duisburgerin mit kurdischen Wurzeln sitzt bereits seit 2005 für die LINKE im Bundestag und nervt konservative Außenpolitiker, sowie FAZ- und SPRINGER-Journalisten bis zur Weißglut.
Ständig zweifelte sie die rein antirussische Sichtweise auf den Ukraine-Konflikt an und dann legte sie immer noch den Finger in die Erdogan-Wunde, den sie vor allem wegen seiner rabiaten und brutalen Kurdenpolitik kritisiert.
Dagdelen sprach über Erdogans unselige Rolle im Syrischen Bürgerkrieg, seine klammheimliche logistische Unterstützung für IS-Kämpfer und seine menschenrechtsantagonistische Haltung gegenüber der eigenen Bevölkerung.
Dagdelen ist the pain in the ass für Merkels „pragmatische“ Türkeipolitik.
Entsprechend schmähte die Merkel-phile Presse die Linke Außenpolitikerin als naiv, ideologisch und verbissen.
Nun kommt zu allem Übel auch noch raus, daß Dagdalen nicht nur nervt, sondern auch noch RECHT hat mit ihrem Erdogan-Bild.

Keine Belohnung für Erdogan
„Die Bundesregierung muss endlich die Opfermythen des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu zurückweisen. Die Kritik an der Demokratiefeindlichkeit des Erdogan-Regimes ist keine Türkeifeindlichkeit“, kritisiert Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE, die Haltung der Bundesregierung zu den jüngsten Äußerungen des türkischen Außenministers. Dagdelen weiter:
„Die Bundesregierung darf sich nicht weiter zum Komplizen Erdogans beim Rückbau der Rechtsstaatlichkeit sowie den permanenten Angriffen auf die Meinungs- und Pressefreiheit machen. Die Visa-Verhandlungen sind einzufrieren. Es kann keine Visa-Liberalisierung geben, solange in der Türkei Oppositionspolitiker wie Selahattin Demirtas mit dem Terrorismusvorwurf strafrechtlich verfolgt werden. [….]

Eine Dagdelen-Anfrage an de Maizières Innenministerium bringt nun aber die gesamte Bundesregierung in Schwierigkeiten und schwere außenpolitische Seenot.

Die Bundesregierung sieht die Türkei einem Medienbericht zufolge inzwischen als "zentrale Aktionsplattform" für islamistische und terroristische Organisationen im Nahen Osten. Das gehe aus einer als vertraulich eingestuften Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor, die der ARD vorliegt.
"Als Resultat der vor allem seit dem Jahr 2011 schrittweise islamisierten Innen- und Außenpolitik Ankaras hat sich die Türkei zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt", heißt es darin. Die Bundesregierung sieht darin eine bewusste Politik der türkischen Regierung, die von Präsident Recep Tayyip Erdoğan unterstützt wird. So unterstütze Ankara Gruppen wie die Muslimbruderschaft in Ägypten, die bewaffnete islamistische Opposition in Syrien oder die palästinensische Hamas. Letztere wird in der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft. [….]

Das ist eine extrem brisante Stellungnahme, die Merkels und de Maizières gesamte Flüchtlingskonzeption zusammenbrechen lassen könnte.
Wieso haut das Innenministerium so einen Klopfer raus?

Der Grund ist wieder einmal totales Chaos und blanke Unfähigkeit im Hause de Maizières.
Dort wird jetzt heftig zurückgerudert, die Schuld einem Untergebenen zugeschoben und behauptet, es handele sich um eine Panne.

Man fragt sich was eigentlich noch passieren muß, daß Merkel den Mann endlich entläßt. De Maizière ist als Minister von drei verschiedenen Ressorts jeweils mit dreisten Lügen und totaler Unfähigkeit aufgefallen.

Nun hat sein Ministerium eine handfeste außenpolitische Krise zu verantworten, die dazu führen könnte, daß der gesamte Flüchtlingspakt mit der Türkei zusammenbricht.

Selten hat man Merkels Regierung so peinlich debakulierend rumeiern sehen.

Regierung im Türkei-Dilemma: Rumeiern auf höchstem Niveau
    Das Auswärtige Amt distanziert sich deutlich von einem Dokument der Bundesregierung. [….] Wie war es eigentlich zu der Antwort auf die Kleine Anfrage gekommen? Hier immerhin gab es etwas Aufklärung. Demnach bestimmte das Kanzleramt, bei dem die Anfrage zunächst einging, wie üblich ein Ministerium, das die Federführung übernehmen sollte - in diesem Fall das Innenministerium.
Wie üblich, hätten dann andere Ressorts Erkenntnisse zugeliefert, erklärte der Sprecher des Innenressorts. Die Passage, um die sich die gesamte Aufregung dreht, stammte demnach gar nicht aus dem Innenministerium. Mehrfach betonte dessen Sprecher, dass für "die in Rede stehenden Passagen" im Innenministerium gar "keine Expertise oder Kompetenz vorhanden" sei.
Sie wurden also zugeliefert. Von wem? Offenbar stammen die Erkenntnisse vom Bundesnachrichtendienst (BND). Jedenfalls heißt es in der Begründung der Bundesregierung, warum ein Teil der Antworten "aus Gründen des Staatswohls" vertraulich sei: Eine "Veröffentlichung von Einzelheiten" führte "zu einer Schwächung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten".
[….] Es ist nicht das erste Mal in jüngster Zeit, dass eine Analyse des BND diplomatische Spannungen nach sich zieht. Ende 2015 wurde eine kritische Analyse des Dienstes über Saudi-Arabien öffentlich. Damals hatte der BND selbst das Papier lanciert. Doch wie konnte es diesmal passieren, dass die heiklen Aussagen zur Türkei trotz der offenkundigen Bedenken des Auswärtigen Amts an die Linksfraktion gingen, von wo sie ihren Weg zur ARD fanden?
[….] Warum sollte die Regierung ausgerechnet der Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen, bei der sie sonst jedes Wort zweimal wägt, auf ihre Anfrage hin eine solch brisante Einschätzung zukommen lassen? [….]

Die Leitung des Innenministeriums taucht einfach unter.
Sollen doch Steinmeiner und Merkel die Türkeisuppe auslöffeln.
Kanzler- und Außenamt sind um den Eiertanz nicht zu beneiden. Dagdelen streut natürlich weiterhin Salz in die selbst aufgerissenen Wunden.

„Es darf keine Deals mehr mit dem Terrorpaten Erdogan geben. Die militärische und polizeiliche Zusammenarbeit und insbesondere die Waffenexporte in die Türkei sind umgehend zu unterbinden“, erklärt Sevim Dagdelen, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE für Internationale Beziehungen, angesichts der Veröffentlichungen zur Einschätzung der Bundesregierung über die Türkei als Aktionsplattform des bewaffneten Islamismus. Dagdelen weiter:
„Es ist heuchlerisch, wenn aus den Reihen der Koalition jetzt detaillierte Informationen von der Bundesregierung einfordert werden. Es gibt bereits seit längerem viele belastbare Quellen, die über die Unterstützung islamistischer Terrorgruppen durch Erdogan und sein AKP-Regime Auskunft geben. So unter anderem vom Journalisten Can Dündar, der Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an islamistische Terrormilizen aufgedeckt hat und dafür zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. […..]
Mit etwas Verzögerung, wie üblich, sind auch die Grünen aufgewacht und piesacken die Kanzlerin.

Habe heute beantragt, eine Sondersitzung der PKGr zu jüngsten Veröffentlichungen über Unterstützung von islamistischen Gruppen durch die Türkei und Präsident Erdogan einzuberufen.
Wenn belegt ist, daß die Türkei die „zentrale Aktionsplattform“ für islamistische Gruppierungen mit Unterstützung der Regierung ist, kann dies nicht ohne Konsequenzen für die deutsche Politik und für die bisherige enge Zusammenarbeit mit türkischen Sicherheitsbehörden sein. Die Abgeordneten müssen diese bei ihren Entscheidungen berücksichtigen können. Schon deshalb hat die Bundesregierung die Pflicht, das Parlament auf jedem Weg zeitnah zu unterrichten.

(Hans-Christian Ströbele, 17.08.16)

Und nun, Herr de Maizière?

Der Chef wird wie bei seinen Debakeln als Verteidigungsminister, als er rein gar nichts von dem Eurohawks-Desaster mitbekommen haben will und als Kanzleramtsminister, als er rein gar nichts davon mitbekam, wie die ihm unterstellten Geheimdienste mit der NSA kuschelten wieder geschützt.
Er wußte von nichts und ist auch für nichts verantwortlich.

"Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler", sagt Innenministeriumssprecher Dimroth. Er schildert den Vorgang so: Der zuständige Sachbearbeiter habe einen üblichen Vordruck verwendet, der die Einbindung des Auswärtigen Amtes belegt habe - das aber sei "schlichtweg ein Fehler" gewesen, eine "Mitunterzeichnung" habe es nicht gegeben. In der Hierarchie seiner Behörde sei für die Vorgesetzen daher auch "nicht erkennbar gewesen", dass es keine Zustimmung des Außenamts gab. Die Antwort der Bundesregierung trägt die Unterschrift vom formal zuständigen parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) habe, sagt Dimroth, keine Kenntnis von der "Schlussunterzeichnung" gehabt.
Nicht nur im Auswärtigen Amt, auch im Kanzleramt ist man verärgert. Kanzlerin Merkel mag es gar nicht, wenn ihre diplomatischen Bemühungen gestört werden, erst recht nicht durch den BND. [….]

Dienstag, 16. August 2016

Falsche Weichenstellung.



In kaum einem europäischen Land gibt es einen höheren Anteil Mieter als in Deutschland.
Mieten ist auch eine feine Sache. Man kann seine monatlichen Fixkosten sicher übersehen, muß nicht damit rechnen, daß urplötzlich mal ein paar Tausend oder Zehntausend Euro für eine Sonderumlage fällig sind, weil das Dach energetisch erneuert werden  muß, ein Legionellenbefund neue Trinkwasseranlagen notwendig macht, die alten Steigleitungen den Geist aufgeben, oder die asbesthaltigen Eternit-Platten der Hausfassade entsorgt werden müssen.
Das braucht einen Mieter alles nicht zu kümmern. Der Vermieter muß zahlen.
Wenn die Wohnung kalt ist, ruft man den Vermieter an. Tropft der Wasserhahn? Vermieter anrufen. Die Fenster sind undicht? Die Kloschüssel hat einen Sprung? Der Vermieter sorgt immer für die Reparatur und bezahlt den Handwerker.
Ich bin gern Mieter. In der Theorie jedenfalls.
Einen Nachteil hat das Mieterdasein. Wohnt man in einer schönen Gegend, einer hippen Großstadt, sind die Mieten gewaltig. München liegt bei durchschnittlich 16 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, Hamburg ist fast genauso teuer.
Der Anstieg der Mieten spiegelt den Wohnungsmangel wider.
Braucht man eine neue Wohnung zeigt sich das Mieter-Dasein von der unangenehmsten Seite. Möglicherweise sucht man Jahre, muß sich immer wieder in demütigend lange Schlangen bei offenen Wohnungsbesichtigungen einreihen.
Zimperlichkeit ist das fehl am Platze. Möchte der Makler einen geblasen haben, tut man das besser ohne zu zögern.
Wenn man durch Hamburg fährt, fragt man sich, wieso überhaupt Wohnungsmangel existierten kann. Nagelneue Häuser schießen wie Pilze aus der Erde. Alle 50m gibt es Baustellen. In einigen Straßen sieht man mehr Baugerüste als Hausfassaden.
Daß es dennoch Wohnungsmangel gibt, hat mehrere Ursachen.

1.   In den zehn Jahren CDU-Regierung unter Ole von Beust (2001-2011) wurde der soziale Wohnungsbau komplett eingestellt. Erst mit Bürgermeister Scholz wird seit 2012 wieder gebaut, aber der Rückstand ist gewaltig.
2.   Hamburg geht es dank der besseren Weichenstellungen unter der SPD ökonomisch wieder sehr gut; es gibt weniger Arbeitslose und die Menschen verdienen mehr. Wer mehr Geld hat, möchte eine schönere Wohnung oder kann seine Kinder früher aus dem Haus werfen und bei der ersten eigenen Wohnung helfen. Es entsteht mehr Bedarf.
3.   Millionenstädte sind attraktiv. Auch Hamburg wächst. Eine zahlreichere Bevölkerung braucht mehr Wohnungen.
4.   Langsam drängen auch die Kriegsvertriebenen aus Syrien und Afghanistan auf den normalen Wohnmarkt.
5.   Es werden viel zu wenig günstige und kleine Wohnungen gebaut, weil die Renditen bei Luxuswohnungen mit Elbblick größer sind.
6.   Statt Wohnraum wird trotz des Büroleerstands immer noch auf gewerblich nutzbare Immobilien gesetzt, weil man dort höhere Mieten kassiert.

Die Mieter, die sich „etwas fürs Alter zurückgelegt“ haben, die private Rentenvorsorge wie politisch propagiert in Form von Anleihen oder Wertpapieren oder Lebensversicherungen, betrieben haben, stehen vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Es gibt nirgendwo noch Zinsen. Im Gegenteil, es droht sogar eine Strafgebühr, wenn man 20.000,- oder 40.000,- angespart hat.
Was liegt also angesichts der Misere auf dem Mietmarkt und der Null-Prozent-Zinsen näher als sich selbst eine Eigentumswohnung anzuschaffen?
Schön wäre eine Neubauwohnung, weil man da mutmaßlich für Jahrzehnte keine großen Sanierungen vor sich hat und im Fall, daß man sie selbst vermieten möchte, von der Mietpreisbremse ausgenommen ist.
In der Praxis ist das aber für Normalsterbliche nicht möglich, weil Neubauten auch aufgrund der vielen Bauauflagen unfassbar teuer sind.
Normalverdiener müssen Bestandsimmobilien aus den 1960ern oder 1970ern ins Auge fassen. Also die hässlichen Dinger, die alle noch teure energetische Dämmungen vor sich haben.
Die Wohnungen, die man als Nichtmillionär gerade nicht kaufen sollte, weil sie sich als üble Kostengräber entpuppen können.
Aber selbst das geht oft nicht, weil EU und Bundesregierung die Regeln bei der Immobilienkreditvergabe so angepasst haben, daß de facto nur noch diejenigen Geld von den Banken bekommen, die ohnehin schon einen Batzen davon haben.
Bei Merkel gilt weiterhin das Motto „der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“.

[…] Die neue Immobilienkredit-Richtlinie hilft niemandem
Im Gegenteil: Sie erschwert die Finanzierung eines Eigenheims für genau diejenigen, die es besonders nötig hätten. […] Der 21. März 2016 könnte sich für viele Bundesbürger nachträglich als Schwarzer Montag herausstellen. An dem Tag trat, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, eine neue Richtlinie zu Immobilienkrediten in Kraft. Seitdem sind erst acht Wochen vergangen. Es gibt noch keine gesicherte Datenbasis, erste Berichte aber lassen Schlimmes befürchten: Die Richtlinie könnte dazu führen, dass viele Deutsche das gewünschte Eigenheim oder dessen Renovierung nicht mehr finanzieren können - und zwar gerade jene, die es besonders nötig hätten: Durchschnittsverdiener und Rentner.
[…] Vor allem zwei Dinge sind es, die Immobilienkredite künftig erschweren. […][…]
Die Quote der Immobilienbesitzer ist in Deutschland deutlich geringer als im europäischen Vergleich, etwa in Spanien oder Italien. Jetzt holen die Deutschen auf. Das liegt auch an der Geldpolitik: In Zeiten, in denen erspartes Geld auf der Bank keine Zinsen mehr bringt, legen die Bürger es lieber in Wohneigentum an. Hinzu kommt, dass eine abbezahlte Immobilie eine der besten Formen der Altersvorsorge ist, weil im Alter keine Miete mehr anfällt.
Es müsste deshalb gesellschaftlich gewünscht sein, dass die Bundesbürger zu mehr Wohneigentum kommen. Die neue Richtlinie zu Immobilienkrediten erschwert dies aber, anstatt es zu erleichtern. […]

Man muß im Merkeldeutschland schon Vermögen haben, um weiteres Vermögen anzuhäufen. So erklärt sich das politisch offenbar gewollte immer weitere Aufklaffen der sozialen Schere.
Normal- und Geringverdiener werden von der GroKo alleingelassen. Das ist eine vollkommen falsche politische Weichenstellung.
Darum profitieren nur wenige Menschen vom Immobilien-Boom.

[…] Obwohl die Bauzinsen seit Jahren sinken, obwohl so viele Menschen in Arbeit sind wie nie zuvor, obwohl die Löhne steigen, ändert sich nichts an der sogenannten Wohneigentumsquote: Nur 44 Prozent aller Haushalte bundesweit leben in eigenen vier Wänden. Die restlichen 56 Prozent wohnen zur Miete. In keinem anderen Euro-Land ist der Anteil der Eigentümer so niedrig. […] Es sind vor allem wohlhabende Menschen, die in Immobilien investieren; der Boom geht an der breiten Masse vorbei. So rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor: Seit 2010 ist die Eigentumsquote vor allem im reichsten Fünftel der Bevölkerung gestiegen, auf knapp 70 Prozent. "In den anderen Einkommensgruppen gab es hingegen kaum Veränderungen", sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts.
[…] Das ist ein ungesunder Befund in Zeiten, in denen die Ungleichheit größer und die Altersvorsorge unsicherer wird. Denn wer im Alter mietfrei im abbezahlten Haus leben kann, genießt einen finanziellen Vorteil, den man heute kaum beziffern kann. Wer weiß schon, wie stark die Mieten in den Ballungszentren noch steigen werden.
[…] Mit den Preisen steigt der Betrag, den man mindestens auf der hohen Kante haben muss, um überhaupt kaufen zu können. "Viele Banken verlangen 20 Prozent Eigenkapital, wenn sie ein Haus oder eine Wohnung finanzieren sollen", sagt IW-Experte Voigtländer. Hinzu kommen Notarkosten und Grunderwerbsteuer, die man nicht kreditfinanzieren kann. Je höher der Kaufpreis, desto höher diese Nebenkosten. "Das macht es Menschen mit niedrigem Einkommen nahezu unmöglich, zum Eigentümer zu werden", sagt Voigtländer. […]

Wenn man ohnehin schon so reich ist, daß man mehrere Wohnungen hat, wird man auch noch zusätzlich von Schäuble mit Geld überhäuft, indem man Reparaturen als Werbungskosten erstattet kriegt.
Wer ganz wenig Kohle hat und sich gerade mal eine Wohnung leisten kann, die er auch selbst bewohnt, kann er nichts absetzen und muß alles selbst zahlen.
Selbst wenn sich ein Durchschnittsverdiener ganz erheblich streckt, um eine Einzimmerwohnung zu kaufen und zu vermieten (Stichwort "private Alterssicherung") wird er noch mal gegenüber den Reichen benachteiligt, weil er zwar theoretisch Werbungskosten absetzen kann, aber gar nicht genug Steuern zahlt um in diesen Genuss zu kommen.

Diese drastische Ungerechtigkeit zu Gunsten der Reichen wollen CDU und CSU nun noch einmal verschärfen statt für die weniger Betuchten, die es viel nötiger hätten, Hilfen bereit zu stellen.

In der Union wächst der Druck auf die Bundesregierung, für eine Steuererleichterung der Bürger zu sorgen. Nach Bayerns Finanzminister Markus Söder fordert auch der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU, die Bürger bis zum Jahr 2020 um rund 30 Milliarden Euro zu entlasten. Die Mittelstandsvereinigung (MIT) stellte dafür ein Steuermodell vor, das für die Jahre 2018 bis 2020 drei Reformstufen vorsieht.
Zunächst soll 2018 die Werbungskosten-Pauschale von 1000 auf 2000 Euro erhöht werden.
(NTV, 08.08.2016)

Der SPD, die mit in der GroKo sitzt, kann man in diesem Fall schwerlich einen Vorwurf machen. Sie stemmt sich gegen diese Politik, unterliegt aber der Unionsmehrheit.
Um der von der Union gewollten Vermögenskonzentration am Immobilienmarkt mildernd entgegen zu wirken, bekam die SPD die „Mietpreisbremse“.
Das von Haiko Maas maßgeblich formulierte Gesetz ist nun ein gutes Jahr in Kraft und bringt vielleicht nicht nichts, weil man nicht weiß wie die Mieten ohne das Gesetz gestiegen wären.
Der Mietanstieg ist womöglich gebremst, aber die Mieten steigen dennoch weiter an.

Der Grund dafür sind Verwässerungen zu Gunsten der Vermieter, die Merkels Mannen in das Gesetz gepresst haben, um es unwirksam zu machen.

Über die Mietpreisbremse können Vermieter nur lachen
[…] So werden in diesem Sommer etwa in Hamburg, München und Köln Wohnungen zu sechs Prozent höheren Mieten angeboten als vor einem Jahr. […] Hier versagt die große Koalition: SPD-Minister Maas hat ein wirkungsloses Gesetz entworfen. Unter anderem, weil die Union auf viele Ausnahmen besteht.
Der größte Fehler: Dem Vermieter, der sich nicht an das Gesetz hält, drohen keine Strafen. Schlimmstenfalls muss er die zu viel bezahlte Miete zurückzahlen; Bußgelder gibt es nicht. Es kostet Vermietern nichts, den Rechtsbruch auszuprobieren.
[…] Ursprünglich hatte die SPD gefordert, die ortsübliche Miete solle künftig auf der Grundlage von Verträgen der vergangenen zehn Jahre ermittelt werden. Bislang ziehen Mietspiegel nur die vergangenen vier Jahre heran; das ist genau die Zeit der starken Preissteigerungen. Der jüngste Gesetzentwurf beziffert den Zeitraum nur noch mit acht Jahren. Gut möglich, dass sich die Koalition letztlich auf sechs Jahre einigen wird. Der Effekt wäre: nahe null.
Bleibt - Stand jetzt - noch, die Mieterhöhungen nach Modernisierungen zu begrenzen. […] Doch auch mit dieser Idee stößt die SPD auf Widerstand. So argumentiert etwa die Union, Vermieter bräuchten weiterhin einen Anreiz, in zeitgemäße und energieeffiziente Wohnungen zu investieren. […]

Für die SPD, die sich mal wieder sagenhaft schlecht vermarktet ist die Wohnungspolitik ein Desaster.
Maas muß jetzt nachbessern und versuchen die Vermieter doch ein bißchen mehr zu piesacken. Der Schwarze Peter liegt also im Bundesjustizministerium, während CDU, CSU und Immobilienlobby feixend daneben stehen.

Mir ist es unverständlich wieso Gabriel, Nahles (lebt die eigentlich noch?) und Hendricks nicht aus vollen Rohren auf Merkel schießen und dem Volk erklären, daß sie, die SPD alles versucht haben, um den Mietanstieg zu bremsen, daß aber die CDU massiv zu Gunsten der Vermieter eingriff.
Wer günstigere Wohnungen haben möchte sollte also besser nicht CDU oder CSU wählen.



Montag, 15. August 2016

Ich bin dicker als Marco Koch.



Zu den zivilisatorischen Errungenschaften gehört es, daß wir Menschen nicht mehr aufgrund ihrer äußerlichen Erscheinung abwerten.
Wir behandeln Menschen mit dunkler Hautfarbe respektvoll, wir machen uns nicht über kleine Busen oder dicke Bäuche lustig, wir werfen nicht mit Steinen auf das Kind, das humpelt, wir schlagen keine Behinderten, wir gehen mit dem Mädchen aus, das diese dicken Brillengläser hat, wir kriminalisieren niemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung und wir lassen sogar Menschen an Bundestagswahlen teilnehmen, die gar keinen Penis haben.
Die längste Zeit war das alles nicht selbstverständlich. Diese gelebte Akzeptanz mußte über Jahrhunderte gegen den erbitterten Widerstand der organsierten Christen durchgekämpft werden.

Es gibt wenige Ausnahmen, die es erlauben explizit auf angeborene  Eigenschaften in diskreditierender Weise hinzuweisen.

Wenn ein sehr fettleibiger Pastor mit ewiger Höllenstrafe für die Todsünde der Unzucht droht, darf man ihn öffentlich daran erinnern, daß sein Gott auch Völlerei als Todsünde ansieht.

Man darf eine konservative Klemmschwester, die öffentlich homophob auftritt, outen.

Bei dem Verkäufer für Haarwuchsmittel ist es angebracht darauf zu verweisen, daß er eine Perücke trägt, wenn er eine Glatze hat.

Und dann sind da noch die deutschen Schwimm-Olympioniken, die mit Null Medaillen die Wettkämpfe von Rio beendeten und nun laut beklagen, ihre Siegprämien wären viel zu schmal bemessen.

Das sagt Markus Deibler. Deibler? Mußte ich googeln. Der Typ sieht sympathisch aus, ist 26 Jahre alt, lebt in Hamburg und betreibt hier zwei Eisdielen.
Klingt für mich alles gut. Er war (ist?) außerdem ein international erfolgreicher Schwimmer und kennt sich aus mit dem Sportförderungssystem.

[….] In einem Land, in dem ein Olympiasieger 20.000€ Prämie bekommt und ein Dschungelkönig 150.000€ sollte sich niemand über fehlende Medaillen wundern.
Deutschland hat eine schlechte Förderung und sehr gute Dopingkontrollen. Damit können wir nicht mit Ländern konkurrieren, die sehr viel fördern und beim Thema Doping nicht so genau hinsehen oder es sogar betreiben. [….]

In derselben Zeitung, in der ich Deiblers Statement zum ersten Mal las, war auch ein großes Bild Marco Kochs.
Koch, 26, geboren in Darmstadt, Brustschwimmer, brachte es im Finale auf Platz sieben.





Als jemand, der wirklich nichts von Schwimmsport versteht, wage ich aber doch angesichts des Kochschen Hüftgoldes zu bezweifeln, ob es nur an der mangelnden finanziellen Motivation lag, daß er US-Typen mit Figuren wie Michael Phelps hinterher schwamm.


Man macht sich nicht über die Figur anderer Menschen lustig, aber wenn ein Mann mit Speckrollen beklagt aufgrund des knappen Geldes nicht gewonnen zu haben, muß ich leider doch diesen Punkt ansprechen.

Deiblers Vergleich mit dem Dschungelcamp zeugt von einer eigenartigen Selbstwahrnehmung.
So ein Marco Koch ist ca zwei Minuten unter Wasser zu sehen; da hält sich der Unterhaltungswert außerordentlich in Grenzen.
Sollten Deibler oder Koch außer ihrer Fähigkeit zu schwimmen noch Entertainmentqualitäten entwickeln, können sie wie ihr Kollege Thomas Rupprath im Jahr 2011 auch beim RTL-Dschungelcamp mitmachen und entsprechend bezahlt werden.

RTL bietet mit seinem Dschungelcamp 17 Tage durchgehend Unterhaltung, die offensichtlich viele Millionen Leute interessiert und die ausschließlich privat von einem Konzern finanziert wird.
Der Staat gibt keinen Cent dazu.
Für die Übertragungsrechte an den Olympischen Spielen von 2016 haben ARD und ZDF 130 Millionen Euro quasi aus Steuermitteln gezahlt.
Allein die Sportförderung des Bundesinnenministeriums beträgt mehrere Hundert Millionen Euro.
Hinzu kommt eine vielfache Summe aus Länder- und Gemeindehaushalten, aus der Wirtschaft, von der Bundeswehr, von der Polizei, aus Stiftungen.
Deibler und Koch schwimmen freiwillig. Niemand hat sie dazu gezwungen.
Dennoch müssen sie weder den Trainer, noch ihre Badehose, weder die Flüge, noch die Unterkünften in den Trainingslagern der Südsee selbst bezahlen.
Ich finde, Schwimmsportler haben es sehr gut getroffen, daß sie auf Kosten anderer Menschen in der Welt umhergeflogen und bewundert werden.
Natürlich verdienen andere Sportler noch mehr Geld, aber wenn es darum geht, steht Herrn Deibler doch offen Boxer oder Fußballer zu werden.
Es sei denn, er ist nicht begabt genug, um als Golfer oder Formel1-Pilot zig Millionen im Jahr zu verdienen.
Das ist zwar bedauerlich; aber willkommen im Club. So geht es 99,999% der Deutschen, die sich auch nicht darüber beklagen, daß sie keine sechsstelligen Euro-Prämien bekommen.

In einem Punkt will ich allerdings Herr Deibler gern unterstützen.
Die deutschen Sportfunktionäre machen gerade einen erbärmlichen Job.
Dabei klammere ich mal die Doping-freundliche Agenda des Putin-Liebchen Thomas Bach aus.

Ernsthaft bedenklich finde ich aber, daß sie in Punkto Ästhetik und Humor bei Leni Riefenstahl stehengeblieben sind.
Da gibt es einen Christoph Harting (auch 26, offensichtlich sind alle deutschen Olympioniken 26), der irgendwas geworfen hat und dafür einen dieser Gold-Taler bekam.
Bei der obligatorischen Siegerehrung zur deutschen Nationalhymne brachte es Harting aber nicht fertig mit stählernem Blick zu salutieren oder den Hitlergr.., sondern er gab sich auf dem Podest betont locker und grinste.
Das ist der Hamburger Morgenpost heute die gesamten ersten vier Seiten der Ausgabe wert. Harting habe sich nicht heldenhaft genug verhalten.
Michael Vesper, einst grüner Bauminister in NRW, inzwischen zum nationalen Großfunktionär gewandelt, rügte als „Chef de Mission“ sofort, daß Harting nicht zackig-militärisch genug aufgetreten wäre.
Andere Sportler, wie die CSU-Wählerin Maria Höfl-Riesch twitterten empört:

Besser Silber mit Stil als Gold ohne Stil... @AngeliqueKerber #Harting #Rio2016

Man staunt.


Nun, er hat olympisches Gold geholt - und diesen Triumph nicht so gefeiert, wie es 80 Millionen Besserleber für angemessen erachten. [….] Wir sehnen uns nach Typen. Aber wir halten sie im Grunde genommen nicht aus. Lautstark verlangen wir permanent nach Leuten mit Ecken, Kanten und erfrischender Persönlichkeit. Wir wollen Zlatan - aber haben gerade mal die Nerven für Reus. Zu schnell haben wir die Finger am Hashtag, um noch eben kundzutun, dass "DAS ja mal gar nicht ging!" Und wer denkt da mal eigentlich an die Kinder! [….]

Noch absurder der schlimme, schlimme Fall der Zwillinge Lisa und Anna Hahner, die beim olympischen Marathon Platz 81 und 82 erreichten.
Nicht der zeitliche Rückstand gereichte zur nationalen Schaden und einem pangermanischen Shitstorm, sondern daß die zwei verlotterten Hippies es wagten Hand in Hand über die Ziellinie zu laufen.
Die deutschen Funktionäre mutierten sofort zur Stahlhelmfraktion des Sports.

In ungewöhnlicher Schärfe hat der Deutsche Leichtathletik-Verband den Marathon-Auftritt der Hand ins Hand über die Ziellinie gelaufenen Zwillinge Lisa und Anna Hahner bei den Olympischen Spielen kritisiert. "Einen olympischen Lorbeer haben sich die Hahner-Zwillinge mit ihrem Auftritt und ihren Leistungen nicht verdient", schimpfte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen in Rio de Janeiro. "Hand in Hand geht man spazieren, aber nicht über eine olympische Marathon-Distanz."
[….] "Es wirkte so, als absolvierten sie einen Volkslauf und nicht die olympische Entscheidung", wetterte Kurschilgen.

Diese Hahner-Hühner und der unzivilisierte Harting gehören ins Zuchthaus; denen muß man Anstand eingeprügelt werden.
In solchen Fällen ist eigentlich die GSG9 gefordert und diese Luschen zu disziplinieren.
Heil, Sportminister de Maizière.