Donnerstag, 28. November 2019

Rekanakisierung


Wie derb und unschicklich ein Wort konnotiert wird unterliegt starken Schwankungen.
Als Grundschüler brachte ich das Wort „geil“ mit nach Hause und löste damit so ein Entsetzen aus, daß mir ausdrücklich verboten wurde es jemals wieder zu verwenden. Das geschockte Gesicht meiner Mutter sehe ich heute noch vor mir.
Davor war das ein Begriff aus der Botanik für schnell wachsende Triebe, aber nun wurde er auf einmal drastisch-sexuell verwendet.
Wenige Jahrzehnte später hat sich diese Schock-Konnotation abgeschliffen. Geil ist nur noch eins unter vielen Synonymen des Wortes „gut“.

Eine genau umgekehrte Entwicklung nahm das Wort „Neger“, das meine Elterngeneration noch als ganz neutralen Begriff verwendete.
Stolpert man heute in einem Mark Twain-Buch darüber, schaudert es einen vor Entsetzen. Das Wort ist so eindeutig verletzend und rassistisch, daß sogar die meisten AfD-Politiker es scheuen.

Manchmal kapern auch die mit einem drastischen Begriff diskriminierten Minderheiten einen Begriff und versuchen seine Assoziation zu verändern.
Sehr gut funktionierte das mit dem einst ebenfalls derb beleidigenden Begriff „schwul“, den erst die Schwulen selbst adoptierten und der heute allgemein gebräuchlich ist.
Schwarze Rapper nennen sich selbst und gegenseitig „Nigga“ oder „Nigger“ – aber in dem Fall ist die Verwendung des Begriffes nur streng innerhalb der Gruppe der Schwarzen möglich. Kein Weißer darf sich das erlauben.

Eine etwas ähnliche Entwicklung bahnt sich bei dem Wort „retard“ an. Derzeit gilt der Begriff noch als stark abwertend.
Sarah Palin wurde sehr sehr böse, als ihr 2008 mit Down-Syndrom geborener Sohn Trig retarded (geistig behindert) genannt wurde, obwohl sie ihn selbst gelegentlich als „retard“ bezeichnete.
Inzwischen verwenden immer mehr Menschen mit Trisomie21 selbst den Begriff, um ihn aus der Schmuddelecke zu holen.

Feridun Zaimoglu (*1964 in der Türkei) ist in vielerlei Hinsicht das diametrale Gegenteil seines Schriftstellerkollegen Akif Pirinçci (*1959 in der Türkei, Verurteilung wegen Volksverhetzung).
Er ist ausgesprochen sympathisch, hochintelligent, engagiert, belesen, witzig und mauserte sich zu einem ganz großen deutschen Schriftsteller.
Pirinçci, der in Ermangelung von Talent und Bedeutung inzwischen nur noch durch Verwendung bösartigster rassistischer Hetzbegriffe in Erscheinung tritt, ist ein armes Würstchen, der sein Metier nicht beherrscht. Er kann nicht mit Worten spielen, kreativ mit ihnen umgehen, sondern muss sich darauf beschränken die primitivsten Worte als verbale Keulen einzusetzen.
Zaimoglu ist ein Meister der deutschen Sprache, verwendet sie virtuos in seinen großen Romanen.
Schlagartig bekannt wurde er aber 1995 mit seinem Buch „Kanak Sprak“.
Vor 24 Jahren gefiel mir der Titel gar nicht.
Mein damaliges Konnotationssystem schlug bei dem Begriff „Kanake“ so negativ aus, daß ich strikt vermied diesen Terminus zu gebrauchen.
 Schon vor über 20 Jahren fühlte sich Zaimoglu von der wie immer sagenhaft verblödeten Gaby Hauptmann genervt, als sie ihn in der „III nach 9“-Talkshow als „Türke“ darstellte. Schon damals gab es 40 Jahre Integrationsgeschichte, ohne daß Politik und Journalisten die zweite oder dritte Generation überhaupt verbal zur Kenntnis nahm.


Faszinierend das heute zu sehen. Auch eine so kluge Frau wie Heide Simonis macht den in Deutschland lebenden Deutschen Zaimoglu gleich für die Türkei verantwortlich und pestet, sie dürfe schließlich in der Türkei auch nicht so reden.

Ignatz Bubis erzählte auch immer gern, wie ihn Spitzenpolitiker auf SEINEN Präsidenten ansprachen und er antwortete „Ja, was ist mit Roman Herzog?“.
50 Jahre nach dem Ende des Weltkrieges outeten sich die Volksvertreter mit der Ansicht Juden gehörten immer noch nicht nach Deutschland und wären Israelis.

Inzwischen ist eine weitere Generation migrantischen Lebens entstanden und immer noch werden diese Millionen Deutschen ignoriert.
Viele Menschen, deren migrantisches Erbe optisch sichtbar ist, oder die aus anderen Gründen vom rechten Mainstream nicht akzeptiert werden – PoCs* -  obwohl sie lange voll integriert sind, reagieren mehr und mehr genervt.

*PoC sind alle, die als "anders" wahrgenommen werden und damit nicht als "weiß" (=deutsch, christlich, europäisch). Es geht dabei nicht um die Beschreibung von Hautfarben - auch hellhäutige Frauen mit Kopftuch oder Männer mit Kippa sind of Color und nicht weiß.

Die großartige SPIEGEL-Journalistin Ferda Ataman (*1979 in Stuttgart) ist wütend.

[……]  Ich sage in jüngster Zeit häufiger "wir Kanaken" oder "wir Känäx" (Kanaks, englisch ausgesprochen). Ich sage das an Stellen, wo ich früher "Menschen mit Migrationshintergrund" oder "aus Einwandererfamilien" verwendet hätte. Ich mag aber nicht länger so tun, als würde es ums Einwandern gehen. Was haben Kinder, die heute in der dritten Generation in Deutschland geboren sind, mit Migration zu tun? Am Ende des Tages geht es darum, zu welcher "ethnischen" Gruppe man gehört. Also fühlt sich Kanaken als Bezeichnung ehrlicher an als Migranten. [……] 

Atamans noch prominentere Kollegin Ferdos Forudastan (*1960 in Freiburg), die Nachfolgerin von Heribert Prantl als Innenressortchefin bei der Süddeutschen Zeitung ist mit dem ehemaligen NRW-Minister, Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Olympischen Sportbundes, aktuell Präsidenten des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen, Michael Vesper verheiratet, geht bedauerlicherweise allerdings demnächst zur Civis-Medienstiftung und somit wirklich „angekommen.“

Auch sie macht die gleichen Erfahrungen, wird dauerhaft als Migrantin, als „Nicht-dazu-Gehörende“ wahrgenommen und beklagt Nichtbeachtung durch Politik und Medien.

[…..] Es ist ein grobes Missverhältnis: Wenn deutschstämmige Bürger fürchten, dass dieses Land sich mit der Aufnahme von Geflüchteten überfordert, sind etliche Politiker rasch zur Stelle. Sie hören zu, erklären, äußern öffentlich Verständnis. Wenn Menschen mit ausländischen Wurzeln fürchten, dass der Rechtsruck hierzulande ihr Leben erschwert, wenn sie Angst davor haben, dass Diskriminierung und Angriffe zunehmen, dann landet das vergleichsweise selten auf der Agenda vieler Träger von Amt und Mandat.
Wie fühlen sich Männer mit dunkler Hautfarbe oder Frauen mit Kopftuch dort, wo mindestens ein Viertel der Wähler für die AfD gestimmt haben? Wie geht es Einwanderern oder ihren Nachkommen, wenn zahlreiche Nachbarn oder Kollegen das Kreuz bei einer Partei gemacht haben, in der sich Rassisten tummeln? Auch zwei Wochen nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen sind das keine Fragen, die es nennenswert in den politischen Diskurs geschafft haben - weder im Osten noch darüber hinaus.
Das Abschneiden der AfD bei Wahlen und in Umfragen treibt viele Migranten und Menschen, die dafür gehalten werden, ebenso sehr um wie etwa der Hass gegen sie im Netz. […..]

Nur zu verständlich, daß man es satt hat sich anzubiedern, stromlinienförmig zum Vorzeigedeutschen zu werden. Daß man es satt hat verbal mit Samthandschuhen zu agieren, sondern an dem Punkt ankommt, an dem Zaimoglu schon vor einem Vierteljahrhundert war: Wir sind Kanaken.
Die radikale Fremdenfeindlichkeit der AfD, der fast niemand – außer vielleicht Johannes Kahrs – entgegentritt, macht es deutlich.
Niemand fühlt sich zuständig, niemand solidarisiert sich wirklich, niemand zeigt Empathie.

[……]  Stärkt es die Demokratie, wenn Rassisten in Parlamenten und Medien zu Wort kommen? Wer das so sieht, ist wohl selbst von Hass und Hetze nicht betroffen. Bei denen, die es sind, wächst das Unverständnis - und die Wut.


[……]  Viele Menschen mit Kanakenhintergrund sind alarmiert, weil sie öfter als sonst Nachrichten über mutmaßlich rechtsextreme Anschläge und Netzwerke hören. Ich finde, in Anbetracht der bedrohlichen politischen Lage legen Millionen von Menschen viel Ruhe und Gelassenheit an den Tag. Sie machen sich nicht bemerkbar. Doch die Ruhe ist nur oberflächlich. Innerlich brodelt es bei vielen. Sie sind wütend. Ich bin wütend.
Die Wut rührt nicht etwa daher, dass sich der braune Bodensatz inzwischen in allen Parlamenten wiederfindet und legitimiert fühlt. Der Zorn kommt vor allem wegen der Ignoranz der Mitte. Ich habe den Eindruck, Kanaken und die weiße politische Mitte - das sind zwei Welten, die gerade auseinanderdriften.
Ein Beispiel: Nur wenige Wochen nach dem antisemitischen und rassistischen Terroranschlag in Halle war das große Thema in sämtlichen Medien, dass sich viele Deutsche in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt fühlen. Keine Ahnung, in welcher Parallelgesellschaft diese Opfer der Meinungsfreiheit leben, aber spielt es denn gar keine Rolle, wie so eine Debatte bei Juden und anderen People of Color* ankommt, die in den vergangenen Jahren beobachtet haben, dass man den Holocaust relativieren oder Menschen als Parasiten bezeichnen kann, ohne dass das Konsequenzen hat? [……]  In meinem privaten Umfeld merke ich das Brodeln bereits beim Smalltalk, wenn die Frage kommt, "und was ist dein Plan B für Deutschland?" Ich bin jedes Mal wieder erstaunt, wie viele schon eine Antwort darauf parat haben.
Vielleicht habe ich sie auch überhört, aber ich kenne keine einzige politische Ansprache, die das berücksichtigt und sich explizit an Deutsche of Color und Eingewanderte richtet. So etwas wie: "Keine Sorge, da wollen gerade ein paar Rechtsextreme Taten statt Worte walten lassen, aber wir dulden das nicht. Wir werden mit aller Härte des Rechtsstaats dagegen vorgehen." Ich sage es mal ganz pauschal: Wir Kanaken sind von den etablierten Parteien enttäuscht. [……] 

Lange Zeit glaubte ich mir vorstellen zu können wie sich Ausländer in Deutschland fühlen.
Ich habe auch keinen deutschen Pass, einen eigenartigen Namen, den niemand aussprechen kann und lebe in vieler Hinsicht außerhalb der Norm.
Ich empfand es als latent beleidigend, wenn mir Freunde mit dunklerem Teint sagten „du kannst dir nicht vorstellen wie das ist…“
Inzwischen glaube ich aber auch, daß die optische Sichtbarkeit – dunkle Haut, Kippa, Schläfenlocken, Kopftuch die Erfahrung von ständiger Ausgrenzung auf ein anderes Niveau hebt.
Vermutlich können sich Weiße das tatsächlich nicht wirklich vorstellen.

Mittwoch, 27. November 2019

Post-Trump – Teil II


Vor 24 Stunden endete ich mit „Dann bleibt eben Trump Präsident.“
Keiner weiß wie sehr sich die amerikanische Demokratie weiter destabilisiert.
Wahlmanipulationen im großen Stil durch finstere Mächte sind längst keine Verschwörungstheorie oder Fiktion (wie in Staffel 7 der Serie „Homeland“) mehr, sondern russische Bots, „Cambridge Analytica“ und den allmächtigen Zuckerberg gibt es wirklich.

Die gute Nachricht ist aber Trumps Geburtsdatum: 14. Juni 1946! Der Mann ist 73, frisst sehr ungesund, ist zu dick, regt sich immer wieder ganz fürchterlich auf und scheint offensichtlich Aufputschmittel zu konsumieren.
Also gibt es irgendwann eine biologische Lösung, wenn er den Löffel abgibt.
Schwer vorstellbar, daß tatsächlich eins seiner debilen Bälger nachfolgen würde.

Gut möglich, daß die Amerikaner dann auch wirklich erst mal die Nase voll haben von übergewichtigen Geronten mit losem Mundwerk und Grabsch-Fingern, die sie nicht bei sich behalten können.
Die Hoffnung der Demokraten auf die sich verändernde Demographie ist ebenfalls real. Die US-Bevölkerung wird weniger weiß und diverser.
Zumal Amerika aufgrund der abstrusen Verteilungs- und Gesundheitspolitik die einzige Industrienation mit deutlich sinkender Lebenserwartung sind.

[…] Drogen, Alkohol, Suizide in den USA -  Land der begrenzten Lebensmöglichkeiten.
Während in vielen Ländern die Lebenserwartung stetig steigt, sind die USA auf umgekehrtem Weg, dort sinkt sie schon das dritte Jahr in Folge. Forscher ergründen, woran das liegt. [….]

Daß all diese Faktoren automatisch zu einer liberalen politischen Stimmung führen, halte ich aber nicht für zwingend.
Die sozialen Medien, der Bedeutungsverlust seriöser Zeitungen und TV-Sender, die dramatische Unterfinanzierung öffentlicher Schulen, das mangelnde internationale Interesse, die sich radikal verschärfenden sozialen Unterschiede, die Religiosität und das Homeschooling bringen sagenhaft konservative Jung-Amerikaner hervor, deren Borniertheit uns Europäer immer wieder fassungslos zurücklässt.
Die Streuung ist zwar groß – es gibt also auch gebildete, polyglotte, interessierte und polylinguale Amerikaner – aber man kann durchaus ein gutes Leben mit Dr.-Titel und einem schönen Haus in der Vorstadt führen, ohne je das Land verlassen zu haben und in einer steinzeitlichen Moralwelt zu leben.
Promisekeeper, also junge Teenagerinnen, die in grotesken pseudo-inzestuösen Zeremonien ihren Vätern versprechen keinesfalls vor der Ehe Sex zu haben, sind ebenso an der Tagesordnung, wie Rassisten, Waffenfanatiker, Evolutions-Leugner und Verschwörungstheoretiker aller Art.
Vielleicht werden in der Post-Trump-USA nicht unbedingt geistig retardierte Senile mit hanebüchenen Ansichten (Pence, Bachmann) das Land übernehmen.
Aber ob die chronisch zerstrittenen Demokraten, die 90% ihrer Zeit für Nischenthemen und Political Correctness aufwenden, zum Zug kommen, muss man ebenfalls mit einem Fragezeichen versehen. Insbesondere, da sie legendär schlechte Wahlkämpfer sind, sich nicht auf Agenda-Setting verstehen und immer wieder arglos von der republikanischen Talking-Points-Front abprallen.
Unglaublich, die demokratische Partei steht seit drei Jahren dem schlechtesten und skandalösesten Republikaner-Präsidenten aller Zeiten gegenüber und hat es nicht vermocht sich auf einen Kandidaten zu einigen. Sie tritt mit einem wählerverwirrenden kakophonischen Chor an, dessen lauteste Sänger alle schon an der 80-Jahre-Marke kratzen. Als neuester Hoffnungsträger steigt nun der frühere republikanische Politiker Michael Bloomberg ins Rennen ein. Er ist 50 Milliarden Dollar schwer und wird in ein paar Wochen 78 Jahre alt.
Glückwunsch, das wird die Millennials an die Wahlurnen treiben. Noch ein superreicher Opa.

Wenn Trump endlich tot oder abgesetzt ist, wird wohl eher die Stunde geschmeidiger junger Ultrarechter wie Josh Hawley schlagen.

Hawley, 39, in der tiefsten Provinz von Arkansas geboren, wuchs in Missouri auf, studierte Jura und ist derzeit der jüngste US-Senator.

Er ist schlank und gutaussehend, tritt so locker vor der Presse auf, daß man fast vergisst welche zutiefst fundamentalistischen menschenfeindlichen illiberalen Ansichten er vertritt.

Er arbeitete für den radikalen Becket Fund for Religious Liberty, schrieb Gutachten für die Hosanna-Tabor Evangelical Lutheran Church und sitzt im Vorstand der ultrakonservativ-evangelikalen Blackstone Legal Fellowship.
Hawley lehnt die allgemeine Krankenversicherung strikt ab, klagte gegen den Affordable Care Act (Obamacare).
Er liebt Waffen, kämpft gegen jede Beschränkung für gun-owner und sieht nahezu jedes Übel als Folge der liberalen 60er und der Verwendung von Verhütungsmitteln.
Er bestreitet vehement das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe, will jede Form der Abtreibung unter Strafe stellen, bejubelte Trumps Entscheidung Kinder von ihren Eltern zu trennen und in Käfige zu sperren und das größte Übel ist für ihn natürlich vor- und außerehelicher Sex.

[….] Der erzkonservative US-Senator Josh Hawley bringt sich für die Zeit nach Trump in Stellung und tritt auf wie die Kennedys. Mit Facebook und Google hat er ein ähnlich großes Problem wie mit Sex vor der Ehe.
[….] Hawley, den alle nur Josh rufen und der vom Auftreten her so ein bisschen an die Kennedy-Brüder der Sechzigerjahre erinnert, ist ein Republikaner neuen Typs: modern, tech-affin und flexibel genug, um da, wo es passt, mit den Demokraten zu kooperieren, zugleich ultra-konservativ, gläubig und so geschmeidig, dass er problemlos Präsident Donald Trump nach dem Mund reden kann. Er lehnt Sex vor der Ehe sowie Abtreibungen ab und bezeichnete den internationalen Menschenhandel einmal als das Ergebnis der sexuellen Revolution. [….] Sollte Trump kommendes Jahr wiedergewählt werden, könnte Hawley einer sein, der 2024 bereitsteht, um zu übernehmen. [….]

Dienstag, 26. November 2019

Post-Trump – Teil I


Im Oktober 2016 bei der großen presidential debate sagte Donald Trump live im US-TV etwas so Ungeheuerliches, daß ein Sieg für ihn ausgeschlossen schien.
Den Nukleus der Demokratie, die „peacefully transition of power“ werde er womöglich nicht akzeptieren. Wahlergebnisse in Trumpistan sollen nur gelten, wenn sie ihm genehm ausfallen. „I’ll keep you in suspense.“


Für jeden halbwegs anständigen Amerikaner musste nun klar sein, daß man nur Hillary Clinton wählen konnte.
Sie würde einen Erdrutschsieg über Trump erringen.

Aber der „I’ll keep you in suspense“-Moment war nur ein Weiterer in einer Kette von derartigen Ungeheuerlichkeiten, die jede für sich schon die Wahl Trumps zum US-Präsidenten ausschlossen:
Das Verstecken seines Steuerbescheides, die Schweigegeldzahlungen an Pornodarstellerinnen, das Pussy-gabbing-Prahlen, der ostentative Rassismus, die nie dagewesene Vulgarität, das Nachäffen Behinderter, die abscheuliche Frauenfeindlichkeit.

Heute sind wir dreifach schlauer.

1.) Trump wurde mit zweieinhalb Millionen Stimmen weniger als Hillary Clinton zum US-Präsident.
2.) Alle Regeln des politischen Anstandes sind für ihn außer Kraft gesetzt.
3.) Verglichen zum Wahlkampf mäßigte er sich als sitting president nicht nur nicht, sondern wurde immer vulgärer, bösartiger, fauler und log immer dreister.

Schon kurze Zeit nach seinem Amtsantritt brachte Bill Maher den gruseligen Gedanken ein, daß Trump womöglich nicht abwählbar wäre, weil er einfach nicht gehen werde, keine anders lautendes Wahlergebnis akzeptieren werde.

Inzwischen ist auch das ein naheliegendes Szenario.
Wir wissen durch die Mueller-Untersuchungen und die laufenden Amtsenthebungs-Anhörungen, daß Trump zutiefst kriminell ist, zweifellos abgesetzt werden muss, daß sich das amerikanische Volk aber nicht dafür interessiert. Anders als zu Nixons Zeiten gibt es auch nicht den kleinsten Funken rudimentären Anstandes bei den GOP-Parlamentariern; sie werden garantiert nichts unternehmen, um die US-Verfassung, auf die sie eingeschworen sind, zu schützen.
Die Zustimmung zum Impeachment sinkt.
Die Presse hält zu Trump und dann ist da noch sein größter Trumpf: Der Supremecourt, den #IQ45 mit tiefkorrupten Vergewaltigern wie Kavanaugh besetzt hat.

Es ist offensichtlich so weit: Trump setzt für sich und seine Mob-Regierung Recht und Gesetz außer Kraft und die Majorität der amerikanischen Wähler nimmt es schulterzuckend hin.
Die vom Kongress mit Strafandrohung vorgeladenen Mitarbeiter des Weißen Hauses – Subpoena – kümmern sich ebenso wenig um die ureigenen Rechte der Legislative wie Urteile der Judikative.

[…..] Der frühere Leiter der Rechtsabteilung des Weißen Hauses, Don McGahn, muss einer Vorladung eines Ausschusses des Repräsentantenhauses Folge leisten und im Parlament aussagen. Er könne sich nicht auf die Immunität hoher Regierungsmitarbeiter oder Gründe der nationalen Sicherheit berufen, erklärte Bundesrichterin Ketanji Brown Jackson.
Es stehe auch nicht in der Macht des Präsidenten, einen seiner Mitarbeiter davon zu befreien, einer solchen Vorladung des Kongresses Folge zu leisten, so Jackson. "Ganz einfach gesagt, lehren uns 250 Jahre amerikanischer Geschichte: Präsidenten sind keine Könige."
Niemand stehe über dem Gesetz, erklärte die Richterin weiter. […..] (SPON, 26.11.19)

Die Grundpfeiler des amerikanisches Staates und der Verfassung wackeln also nicht nur, sondern sind bereits umgefallen.
Trump kann das tun; das Volk fällt ihm eben nicht in den Arm.
Selbst die Generäle, mit denen Gaga-Mann sich anfangs so gern umgab, sind allesamt aus dem Weißen Haus geflüchtet. Die Trump-Administration entmachtete und verunglimpfte das Militär ebenso leicht wie die angeblich so allmächtigen 17 US-Geheimdienste.
Es leistet keiner mehr Widerstand.

Es ist gut möglich, daß der/die demokratische Präsidentschaftskandidat/in in elf Monaten am 3. November 2020 wie schon Al Gore und Hillary Clinton die meisten Stimmen (popular vote) erringen wird.
(Ich bevorzuge gegenwärtig übrigens ein Ticket Warren/Buttigieg oder Warren/Harris)
Möglicherweise wird es auch eine demokratische Mehrheit des entscheidenden „electoral college“ geben.
Aber ich prophezeie, daß Trump das Weiße Haus dennoch nicht räumen wird.
Seine irren Verschwörungstheoretiker wie beispielsweise Rudy Giuliani und Alex Jones werden die abstrusesten Lügen ersinnen, um das Wahlergebnis anzuzweifeln. FOX, Breitbart, Facebook und Co werden diese Dolchstoßlegenden für Arme begeistert ventilieren.
All die Rednecks in den dünnbesiedelten Binnenstaaten werden sich vor dem ausbrechenden Kommunismus fürchten und daher leider nicht nur mit Mistgabeln und Forken, sondern mit schweren automatischen Waffen aufmarschieren.

Da die schlimmsten Heuchler und Lügner des Kongresses – Devin Nunes, Jim Jordan, Lindsey Graham – mutmaßlich ebenfalls ihre Mandate verloren haben werden, gibt es für sie ebenfalls nichts zu verlieren. Sie werden an ihren Sitzen kleben und das Parlament Zeter und Mordio-brüllend lahmlegen.

Unterdessen werden die superreichen Milliardärfreunde Trumps in Furcht vor der kommenden demokratischen Steuerlast bereitwillig Vermögen ausgeben, um Stimmung gegen das  Wahlergebnis zu machen.
Schmierige Trump-Enabler wie David Pecker, der CEO of American Media werden ihre Giftschränke öffnen, um Militärs, Polizeieinheiten und Staatsbedienstete dahingehend zu beeinflussen nichts gegen Trump zu unternehmen.

In einer national-euphorischen „Keep-America-great“-Welle wird ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung mit Fackeln und Trump-Bildern so lange das Land lahmlegen, bis die Demokraten wie bei ihrem legendären Al-Gore-Move 2000 zu der Erkenntnis gelangen, ein Bürgerkrieg ist ein zu hoher Preis, um das Wahlergebnis durchzusetzen.
Bolsonaro, Putin, Johnson, Erdogan, Orban, Selensky, Duterte werden Trump ermutigen und ihm gratulieren: Endlich lasse sich jemand nicht mehr von linksgrünen Mainstream einschüchtern.
Usurpatoren, Diktatoren und Autokraten in aller Welt werden sich ebenfalls heimlich die Hände reichen. Was für ein Segen für Xi, Kim, Salman, MBS, MBZ: Die Demokratie hätte endlich als Herrschaftsform versagt.

Angesichts dieser Übermacht der Antidemokraten und der ernsthaften Befürchtungen ihre Exporte könnten leiden, die deutsche Autoindustrie könnten Absatzschwierigkeiten bekommen wird auch Merkel lediglich Steffen Seibert mit einer Missbilligung Trumps losschicken – wohlwissen, daß das unter der US-Wahrnehmungsschwelle liegt.

Dann bleibt eben Trump Präsident.

Montag, 25. November 2019

Rechristianisierung abgeschlossen.


Ach ja, das war so schön.
Als am 27.10.1998 das erste rotgrüne Bundeskabinett eingeschworen wurde, Vizekanzler Fischer lässig den Bundeskanzlerausweis für „Gerd“ unterschrieb und erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Regierungschef auf die Gottesformel beim Amtseid verzichtete.

(…..)Aus Sicht der konservativen Merkel und Schäuble würde nun das „rotgrüne Chaos“ ausbrechen, die Unternehmer in Massen das Land verlassen und somit die deutsche Wirtschaft in den Abgrund gesaugt.
Das Unheil begann aus Merkels Sicht schon mit dem Amtseid, den Schröder als erster und einziger Kanzler ohne die Formel „so wahr mir Gott helfe!“ sprach und gleich sieben Minister, nämlich Joschka Fischer, Bodo Hombach, Otto Schily, Walter Riester, Jürgen Trittin und Edelgard Buhlman wurden ebenfalls ohne Gottesformel eingeschworen. (….)

Die fromme Oppositionsführerin Angela Merkel gruselte sich, sie schauderte und pöbelte. Es kam wie Frau Merkel befürchtete; die Gottlosen taten viele schreckliche Dinge, die es vorher bei den gottesfürchtigeren Kanzlerin nie gegeben hatte:

Zwangsarbeiterentschädigung, Homoehe, Ausstieg aus der Atomenergie, ökologische Steuerreform, Reduzierung der Rüstungsexporte, Weigerung am Irak-Krieg teilzunehmen, starke Intensivierung der Beziehung zu Frankreich, Green-Card-Initiative, eine Rentenreform, drastische Senkung der Einkommensteuer, Entkriminalisierung der Prostituierten.

Wie grauenhaft. Es sollte bis 2009 dauern, als endlich die Christin Merkel ohne Sozis regierte und diese atheistischen Irrungen abschaffen konnte.
Wiedereinstieg in die Atomenergie, Geschenke für die Superreichen, massive Zunahme der Rüstungsexporte. So wahr mir Gott helfe. Endlich wieder.

[….] Als bislang einziger Bundeskanzler verzichtete Gerhard Schröder (SPD) bei seinen Vereidigungen auf den Gottesbezug. 1998 löste dies eine breite gesellschaftliche Diskussion aus; die Gottlosen hätten nun das Ruder übernommen, hieß es, Religion werde vollends aus dem öffentlichen Raum gedrängt. Der damalige Erfurter Bischof Joachim Wanke gab zu bedenken, dass mit der fehlenden Rückbindung an eine transzendente Instanz auch andere "letzte Überzeugungen" verloren gingen.
Schröder selbst begründete seinen Verzicht auf den Gottesbezug indes mit dem Hinweis, der Glaube sei Privatsache. Schon als Ministerpräsident von Niedersachsen hatte er – obwohl Mitglied der evangelischen Kirche – die religiöse Formel bei den Vereidigungen vor dem Parlament weggelassen und sich dabei auch auf die Bergpredigt berufen. Dort heißt es: "Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron, noch bei der Erde" (Mt 5,34f.). [….] Der Verfassungsrechtler und spätere Bundespräsident Roman Herzog schrieb mit Blick auf den Gottesbezug im Eid einmal: Ein Politiker, der die religiöse Beteuerung verwende, wolle "den rechtlichen Bindungen des Grundgesetzes eine weitere, für ihn besonders verpflichtende, hinzufügen". Dass es in der Tagesarbeit vielleicht nicht immer gelinge, dieser hohen Anforderung gerecht zu werden, sei "kein Beweis gegen den Sinn dieser Selbstverpflichtung". Allerdings, so Herzog weiter, entbehre es "nicht jeder Pikanterie", dass sich ein weltanschaulich neutraler Staat der Gläubigkeit seiner wichtigsten Amtsträger bediene, damit sie sich "weit über die Rechts- und Verfassungsbindung hinaus binden lassen".[….]

Vier Jahre später wiederholte sich das schaurige Schauspiel.
Schröder will keine Hilfe von oben“ heiß es dazu im SPIEGEL.

Aber auch das Jahr 2002 scheint aus heutiger Perspektive weit entfernt.
Gottlose Minister gab es kaum jemals wieder.
Nur Brigitte Zypries verzichtete in einer Merkel-Regierung auf die Gottesformel. Inzwischen sind wieder alle Minister fromme Christen.
Selbst die, die es nicht sind, machen es wie in den USA; sie schwören trotzdem auf Gott, weil sie bei Weitem nicht das Rückgrat haben wie Trittin, Fischer oder Schröder, die aus Überzeugung handelten und dem folgenden konservativ-gläubigen Shitstorm trotzen.

Die entsetzlich frommen SPD-Frauen Nahles und Griese haben die säkularen Sozis marginalisiert, die einst so konfessionsferne FDP, die sich in den 1970ern vielfach in der „Humanistischen Union“ engagierte und für die Trennung von Kirche und Staat kämpfte, ist seit Westerwelle und Rösler eine zutiefst kirchenfreundliche Partei, besetzt ihre Reihen mit schweren Religioten wie Pascal Kober, der als Theologe für die Liberalen im Bundestag sitzt.
Auch die Linke verfügt beispielsweise mit Ministerpräsident Bodo Ramelow über zutiefst gläubige engagierte Kirchisten.

Die Grünen boten ebenfalls schon seit ihrer Gründung Pastoren, Theologen und insbesondere Vertretern evangelischer Laienorganisationen eine Heimat.
Antje Vollmer, Christa Nickels, Andrea Fischer hießen die wichtigsten grünen Frommen damals. Heute sind es die evangelische Kathrin Göring-Kirchentag und der Hardcore-Katholik Winfried Kretschmann, die alte Atheisten wie Jürgen Trittin wegmobben.

So unangenehm und anmaßend und überheblich und unangemessen und fehlgeleitet und borniert ich Göring-Kirchentag und Kretschmann finde, so gestehe ich ihnen wenigstens zu, daß sie den Unsinn, den sie reden selbst glauben.
Sie sind vermutlich einfach nicht die hellsten Kerzen auf der Torte.

Schlimmer ist aber Robert Habeck, der sich voll dem neuen Grünen Credo verschrieben hat auf gar keinen Fall mehr irgendetwas zu sagen, mit dem man anecken könnte.
Es gilt jetzt der allgemeine „Kuschelkurs Grün“:
Kein Streit, keine Wähler verschrecken, keine Programmatik, bloß nicht konkret werden.
Und wenn sich doch mal eine Kontroverse anbahnt wie die um die Homöopathie, dann wird die Diskussion auf dem Parteitag von der Parteiführung radikal unterdrückt.


Dr. Robert Habeck spielt eine besonders unangenehme Rolle, weil er schlau ist und es besser weiß.
Er wurde 2000 zum Doktor der Philosophie mit einer Arbeit über literarische Ästhetizität promoviert und windet sich heute rückgratlos mit solchen lahmen Sprüchen um jegliche Kontroverse.


Vermutlich ist er zufrieden damit wieder nirgends angeeckt zu sein. Mit dem Spruch sollten doch Christen und Atheisten zufrieden sein.
Außer mir. Ich frage mich:

Welche Werte meint er genau?
Den Antisemitismus?
Die Frauenverachtung?
Sklaverei?
Religionszwang?
Sippenhaft?
Kinder verprügeln?
Todesstrafe?
Homophobie?

Die WERTE des Christentums haben seit 2000 Jahren Terror und Genozid bedeutet.
Ich empfehle Dr. Habeck die zehn Bände Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums."