Sonntag, 1. September 2019

Impudenz des Monats August 2019


Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Es sind, wie könnte es anders sein, die neuen Nazis in den Ost-Bundesländern.

Also diesen Monat kann sich kein Ossi darüber beklagen zu wenig Aufmerksamkeit zu bekommen, nicht gehört zu werden.

Reporter, Politologen, Soziologen und natürlich auch Politiker schwärmen schon das ganze Jahr aus, befragen jeden einzelnen Sachsen und Brandenburger persönlich und verbreiten ihre Erkenntnisse wohlwollend.

Sie fühlen sich abgehängt, mit Denk-Tabus belegt, minderbeachtet und möchten, daß man sich mehr um sie kümmert.

[….] An der Straße treffen wir Florian. Er lebt von 1.500 Euro, sagt er, ist freiberuflicher Handwerker. Sein Vater arbeitete hier in der LPG und verlor seine Stelle nach der Wende. Die Familie zerbrach.
Florian: „Wir haben Berlin versorgt über Jahrhunderte und die haben uns einfach vergessen. Wir mussten … Die Turnhalle ist zu, Gemeinde kein Geld mehr, Kita ist zu, Grundschule ist zu. Dann muss ich ein Auto haben und muss die Kinder rüber, verstehst du? So und das ist nun mal historisch. Die haben uns einfach vergessen. Und dann erzählen mir Politiker, sie könnten nichts tun. Wer hat denn die Macht im Land, verdammte Scheiße? Und deshalb AfD, weil das sind die einzigen, die uns ernst nehmen hier. Und ich habe lieber ne Partei, wo die Inhalte noch so sind, weil sie neu ist, hab ich kein Problem.“
AfD aus Protest, Programm egal. Märkisch-Oderland ist AfD-Land. In einigen Ortschaften erreichte sie über 40 Prozent bei den Europawahlen. Die Partei gibt sich als der neue Kümmerer, neuerdings auch mit sozialen Parolen. Der Kandidat kommt aus Bayern. Blicken lässt er sich nur selten, hören wir. Viele Versprechungen, koste es was es wolle. [….]

Sie, „die Ossis“ sind dabei in Wahrheit nur ungefähr jeder Vierte.
75% wählen nicht AfNPD!
Die Gebildeten und Anständigen, die Urbanen und Erfolgreichen tun es weniger, die sogenannten „Abgehängten“, die Zurückgebliebenen in sterbenden dünn besiedelten Landstrichen sind umso mehr von Gefühlen dominiert:
Sie möchten endlich wieder an die Hand genommen werden und nicht mehr eigenverantwortlich sein. Sie wollen einen Nanny-Staat, verklären die DDR, die Wohnungen, Jobs, Absicherung, Krankenversicherung garantierte.
Dezent vergessen werden dabei der allgegenwärtige Mangel und die Tatsache, daß sich die DDR selbst die vergleichsweise niedrigen sozialen Standards (Wohnungen ohne Klo, kein Telefon, kein Auto, keine Auswahl in den Läden, kein internationales Fernsehen oder Musik) nicht leisten konnte und spektakulär pleiteging.

Über jede soziale oder Verteilungsfrage kann und darf man nicht nur diskutieren, sondern darüber wird auch diskutiert.

Aber ich staune über die Chuzpe mit der Ossis insbesondere in Sachsen meinen ihre sozialen Anliegen wären bei ganz Rechts gut aufgehoben, obwohl die AfD entweder gar keine Konzepte hat oder aber marktradikale Positionen vertritt, die die Abgehängten sehr viel schlechter dastehen ließe.
Mit der LINKEN gibt es eine Partei, die viel sozialere Politik propagiert. Aber die ist in 30 Jahren Sachsen noch nie in die Regierung gewählt worden. Seit Helmut Kohl 1990 wählen die Ossis auf Bundesebene schwarz und wundern sich, daß keine rote Politik gemacht wird, so daß sie es jetzt mit braun versuchen.

Noch viel erschreckender als diese sagenhafte Doofheit der Ossis (gemeint ist immer die deutliche Minderheit, die der völkischen AfD nachrennt und mit Pegida marschiert), ist aber die bornierte Geschichtsblindheit, mit der sie ausgerechnet am 01.09.19, also dem 80stgen Jahrestag des Überfalls der Nazis auf Polen, in dessen Folge die Deutschen ein Fünftel der polnischen Bevölkerung, 27 Millionen Bürger der Sowjet Union, sechs Millionen Juden und weltweit mehr als 60 Millionen Menschen töteten oder deren Tod mittelbar verursachten, wieder offen Nazi-affine Parteien unterstützen.

Der völkisch-nationalistische Andreas Kalbitz, Landesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD Brandenburg, sowie mächtiger Strippenzieher des ultrarechten „Flügels“ der Partei, hat nicht nur eine NPD-Vergangenheit, sondern passt sich auch optisch an Heinrich Himmler an.



Wir kennen das von Bernd Höcke, der sich auch ungeniert bei Goebbels und Hitler bedient, teilweise identische Formulierungen benutzt und von der daraus resultierenden Empörung profitiert.

 AfD wählende Ossis sind wie Trumpwähler. Sie stimmen nicht trotz der offensichtlichen Hetze und des Rassismus‘ für den „Flügel“, sondern gerade deswegen.
Nein, die Mehrheit der Ossis ist nicht so, aber jeder Vierte ist dennoch abartig viel.
Niemand kann behaupten, er wüßte nicht für was für eine Partei er heute in Sachsen und Brandenburg gestimmt hat.


Wer in den Landstrichen mit dem mit Abstand geringsten Ausländeranteil auf rassistischen Hasse gegen Zuwanderer setzt; wer bei nahezu vollständiger Abwesenheit von Juden dem Antisemitismus frönt, ist vermutlich für keine Partei mehr zu erreichen.

[….] Extremismus schadet der AfD nicht: Der Brandenburger AfD-Landeschef Andreas Kalbitz inszeniert sich gerne als freundlicher Mann von nebenan. Seine Teilnahme an einem Fest der rechtsextremen "Heimattreuen Deutschen Jugend"? Da sei er nur Gast gewesen. Seine Reise zu einem Neonazi-Aufmarsch in Athen? Habe bei ihm kein "weiteres Interesse" geweckt.
Dabei sollte eigentlich allen Brandenburgern klar sein, mit wem sie es da zu tun haben: Kalbitz war mehr als die Hälfte seines Lebens im rechtsextremen Milieu unterwegs. Heute ist er eines der Gesichter im völkischen "Flügel" innerhalb der AfD.
Auch der AfD-Landesverband in Sachsen gilt als besonders rechts. Doch die beiden Wahlen zeigen ganz deutlich: Bei einem großen Teil der Bevölkerung gibt es keine Hemmschwelle, eine Partei zu wählen, die sich an der Grenze zum Rechtsextremismus bewegt. Im Gegenteil: Die AfD ist - trotz oder wegen ihrer Radikalität - zu einem entscheidenden Faktor im Osten geworden. [….]

Ich meine, man macht es sich zu leicht, mit der Binsen-Feststellung „die Politik“ müsse sich mehr um die Abgehängten kümmern, den besorgten Bürgern zuhören. Dafür wird heute Michael Kretschmer von links bis rechts gefeiert. Er habe den Sachsen zugehört und mit allen gesprochen.
Dabei wird aber vergessen, daß Kretschmer selbst ein xenophober Rechtsaußen ist, daß sein CDU-Landesverband deutliche Überschneidungen zur rechten Szene hat und daß die AfD in seinem Bundesland so stark ist wie in keinem anderen.

Wer so rechtsextremen Typen wie Kalbitz und Höcke hinterherläuft, offene Verehrung für die Nazis zeigt und revanchistisch über den zweiten Weltkrieg denkt, ist für Demokratie und menschlichen Anstand verloren.
Diese Leute werden nicht durch „kümmern“ oder großzügige Sozialpolitik auf einmal zu besseren Menschen.
Ich kann das ewige Mantra von der „Wählerbeschimpfung“ nicht mehr hören. Im Gegensatz zu dem was 99% der AfD-Wähler laut Infratest-dimap-Analyse denken, daß nämlich ihre Partei das ausspricht, was man nicht sagen darf, ist das Kritisieren des Souveräns tatsächlich ein Tabu.
„Der Wähler“ wird immer ernst genommen, öffentlich üben sich abgestrafte Politiker in Demut, erklären „verstanden“ zu haben „besser zu werden“ und den Bürgern „zuzuhören“.
Ich sage dazu: Nein! Wer AfD wählt, tut das nicht weise und verdient deswegen schon gar keine besondere Aufmerksamkeit.
Ich meine, nun sollte man nicht noch mehr den AfD-Positionen hinterherlaufen, sondern ganz im Gegenteil endlich nicht nur die AfD-Politiker, sondern auch „das Pack“, das sie wählt kritisieren.
Ihr fühlt euch schlecht? Ihr fühlt euch ausgegrenzt? Ihr fühlt euch alleingelassen?
All das ist verständlich und verdient Gehör. Aber wer am Jahrestag des Überfalls auf Polens, das direkt neben Brandenburg und Sachsen liegt Nazis wählt, sollte nicht hofiert, sondern verdammt werden.

Zerrieben von dem Kopf an Kopf Rennen um den ersten Platz, einer blamablen Groko-Performance, einem Vakuum im Willy-Brand-Haus, Medien, die nur auf Grüne und AfD fixiert sind, sowie einer Linken, die jede noch so unfinanzierbare soziale Wohltat versprach, blieb die Sachsen-SPD erledigt zurück, abgeschlagen bei demütigenden 7,7%.
Das ist einerseits angesichts der Umstände und der völlig fehlenden Machtperspektive nicht verwunderlich. Es zeigt aber auch, daß bei Plebisziten wie einer Landtagswahl letztendlich auch eine Diktatur der Inkompetenz stattfindet.
Stundenlang habe ich mir am heutigen Wahlabend das Personal angesehen.
Zwei Personalien waren auffällig:

1.) Im Gegensatz zu allen anderen Parteispitzen ließ sich Annegret Kramp-Karrenbauer gar nicht blicken.
Sie tut ganz im Merkel-Stil so, als habe sie gar nichts mit Politik zu tun, will nicht mit schlechten Bildern und Ergebnissen assoziiert werden.
Die Unions-Parteivorsitzende ist völlig untergetaucht.

2.) Der mit Abstand sympathischste, kompetenteste und nebenbei auch noch attraktive Politiker des Ostens ist Martin Dulig, stellvertretender sächsischer Ministerpräsident und SPD-Chef.
Seit Jahren lobe ich ihn immer wieder, bewundere ihn und seine gesamte Familie für den Einsatz gegen den Rechtsextremismus.
Er ist ein wirklich Guter, ein Politiker, wie man ihn sich nur wünschen kann.  Gerechtigkeit gibt es aber nicht, wenn der Urnenpöbel entscheidet und mit Hunderttausenden Stimmen aus dem Nichtwählerlager für Nazis stimmt.
Dulig holte das schlechteste Landtagswahlergebnis aller Landesverbände seit 1949, unter acht Prozent.

[…..] Dulig: Wir sind coolster Landesverband
SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig gibt sich nach dem schlechten Ergebnis für seine Partei kämpferisch. Auf der SPD-Wahlparty in Dresden sagte er: "Wir haben das schlechteste Wahlergebnis - wir sind aber der coolste Landesverband." Die sächsischen Sozialdemokraten hätten über die Jahre gelernt demütig zu sein und immer wieder aufzustehen. [….]

Zwei weitere Erkenntnisse des Wahlabends:
Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine haben der LINKEN mit ihrem völkischen Ansatz schwer geschadet, weil wie immer, wenn Parteien rechts blinken, doch nur das Original gewählt wird. Die AfD holte in Sachsen und Brandenburg Rekordergebnisse. Die Linken fliegen aus der Postdamer Regierung und sind ind beiden Ländern gerade mal eben noch knapp zweistellig. Minus 7,9 Prozentpunkte in Brandenburg und minus 8,6 Prozentpunkte in Sachsen.
Kleiner Trost des Abends – auch der immer wieder braun blinkende Lindner machte die Erfahrung, daß sich rechts blinken und gegen Grüne pesten nicht lohnt.
Die FDP scheiterte bei beiden Wahlen an der 5%-Hürde.

Samstag, 31. August 2019

Geld oder berufliches Ansehen?


Wie lange wird Deutschland schon von Kabarettisten als PISA-Krüppel ausgelacht?

Fast zwanzig Jahre liegt der Pisa-Schock zurück. Seither wird analysiert was an Deutschlands Schulen schief geht.
70.000 Jugendliche verlassen jedes Jahr ohne Abschluss die Schule, es gibt fast 10% funktionale Analphabeten, unsere Universitäten sind international völlig abgehängt, 50.000 Lehrer-Stellen sind nicht besetzt und zudem sinkt das Niveau der Abschlüsse so stark, daß viele Chefs sich gezwungen sehen ein Abitur statt Realschulabschluss zu verlangen, weil ihr Azubis sonst nicht rechnen können.
Es ist ein Elend. Ein deutsches Elend. Ein Merkel-Elend. Denn nach wie vor scheint niemand in der CDU dem Thema Priorität einzuräumen. Merkel setzt Bildungsminister völlig ohne Kompetenzen ein. Die aktuelle Bundesbildungsministerin war so ahnungslos, daß sie erst einmal ein Jahr abtauchte, um sich in das Thema einzuarbeiten. Mittlerweile ist sie in Vergessenheit geraten.
50.000 qualifizierte Lehrer stehen ja nicht auf der Straße, deswegen könne man nicht einfach genügend von ihnen einstellen, hieß es vor 20 Jahren. Die müssten erst mal ausgebildet werden.
Aber wir haben 2019. Wie lange dauert so ein Lehramtsstudium? Länger als von 2000 bis 2019?
Es tut sich nichts. Das Studium ist offenbar immer noch eine Katastrophe. Erst nach den akademischen Abschlüssen kommt das Referendariat.
Ein Wahnsinn; das sollte doch besser zu Beginn oder besser schon vor dem Studium getestet werden, ob sich jemand praktisch dafür eignet vor Schülern zu stehen, genügend Respekt und Vertrauen auszuströmen.

Unzählige Analysen und Reportagen haben sich mit den PISA-Siegern beschäftigt. Was läuft da besser? Das Skandinavische offensichtlich weit überlegene System kann Deutschland nicht übernehmen, da es weitgehend aus Gesamtschulen besteht, die in Deutschland wegen der völligen ideologischen Verbohrtheit nicht gewollt werden. Wir leisten uns weiterhin ein Dreiklassen-Schulsystem in dem Kinder schon mit acht oder neun oder zehn Jahren eingeteilt werden in „wird nie was“ und „gibt noch Hoffnung“.

Abgesehen von dem maroden System mangelt es an guten Lehrern, weil der Lehrerberuf nicht mehr attraktiv ist.
Wer sollte das auch noch machen wollen, in einem System, das nur die Gymnasiallehrer gut bezahlt und je jünger die Kinder sind und je prekärer die Verhältnisse, auch die Lehrer umso schlechter bezahlt. Dabei wird umgekehrt ein Schuh draus: Gerade in Brennpunkt-Kitas und Hauptschulen müssen die allerbesten Pädagogen sitzen.
Auch das ist lange bekannt und kann aus ideologischer Verbohrtheit nicht geändert werden.

(….) Es dürfte sogar noch viel schlimmer werden, wenn die asozialen und desintegrierten gegenwärtigen Klein-Bälger erwachsen werden.
Lehrer berichten von unfassbaren Zuständen an den Schulen.

„Pinsel und Malutensilien werden verteilt – und die Klopperei beginnt! Es wird laut, Kinder müssen ihrem Nachbarn ins Gesicht schreien, dass sein Bild doof (das Wort war ein anderes) ist.“
„Einige werden maulig, geben unpassende Kommentare ab und antworten auf Fragen von Frau G. mit Fäkalsprache.“
„Wir malen noch einmal auf dem Fußboden der Sammlung – eigentlich eine tolle Erfahrung für Kinder. Freud- und anstrengungslose Versuche vieler Kinder, Striche aufs Papier zu bringen.“   „Endlich stehen alle, da trampeln Kinder mit dreckigen Schuhen über die Bilder! Absichtlich! Am nächsten Tag wird mir ein Kind erklären, dass ihm langweilig war – und dass es dann ja wohl klar ist, dass es das tun kann.“  „Ältere Herrschaften steigen über Butterbrotpapiere, Rucksäcke und Kinder. Den Kindern kommt das nicht einmal komisch vor. Als ich sie auffordere, Platz zu machen, schauen sie mich verständnislos an – und essen in Ruhe weiter!“
„Die Mitschüler werden angeschrien, geboxt, getreten und Rucksäcke umhergeschleudert. Ein älterer Herr bekommt auch einen ab. Eine Entschuldigung ist nicht zu erwarten.“
„Kinder lassen die Hälfte ihrer Sachen liegen in der Erwartung, dass es ihnen schon jemand hinterhertragen wird.“
„Es ist für die Kinder nicht einsehbar, dass wir in dem wuseligen Hauptbahnhof dicht zusammenbleiben müssen. Ich komme mir vor wie ein Schweinetreiber.“
„In der Bahn plötzlich vertraute Geräusche. Rülpsen! Kein Versehen, sondern volle Absicht. Wer kann es am lautesten? Sie denken: Die redet sicher von meinem Nachbarn? Falsch: Gehen Sie davon aus, dass ich auch von Ihrem Kind spreche – es gibt nur sehr wenige Ausnahmen!“
[…]   „Kinder kommen bereits um 8 Uhr früh gut gefüllt mit einer Stunde Super RTL, gewalttätigen und blutrünstigen Gameboy-Spielen und einem beachtlichen Blutzuckerspiegel in die Schule.“
„Sie springen mit erhobenen Fäusten wie Ninjakämpfer in die Klasse, semmeln erstmal drei Mitschüler über den Haufen und merken es nicht einmal.“

Und wenn man Philipp Möllers brillantes und lehrreiches Buch „Isch geh Schulhof“ gelesen hat, möchte man sich bei dem Gedanken an die Zukunft gleich erschießen.
Dabei ist das Unfassbare, daß wir sehenden Auges in die Katastrohe schlittern. Wir wissen wie man es besser machen kann; Möller hat das in seinem Buch alles dargelegt. Wir wissen auch aus den PISA-Spitzenländern, warum ihre Schulen so viel besser als die Deutschen sind. Aber Kleinstaaterei, Phlegma und Ideologie verhindert, daß Deutschland endlich was ändert.

Dabei wäre es viel zu simpel „der Politik“ dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Denn der Stillstand ist vom Volk gewollt. (….)

Schlecht ausgestattete Schulen und mies bezahlten Quereinsteiger-Lehrer ohne Festanstellung sind das Eine.
Es werden aber auch bei leidlich besserer Bezahlung kaum genügend hochqualifizierte Grund- und Hauptschullehrer oder Kindergärtner zu finden sein, so lange diese Berufe einen so niedrigen sozialen Status haben.
Wer will in dem Wissen auf Lehramt studieren, später einmal dafür bedauert zu werden nur Lehrer, oder gar nur Grundschullehrer zu sein?

Das ist der Schlüssel des Erfolges in Finnland und Norwegen. Dort haben Kinderbetreuer ein sehr hohes soziales Ansehen. Das sind respektierte Berufe, die bewundert werden.

Etwas ganz Ähnliches hörte ich kürzlich von der weißrussischen Pflegerin Natasja.

(….)  Zum Abschied des alten Herren habe ich mich noch einmal länger mit der sibirischen Pflegerin des ambulanten Dienstes unterhalten.
Natasja hat Nerven aus Stahl, ist immer geduldig und freundlich.
Sie arbeitet bei der evangelischen Kirche; in dem Fall der Diakonie.
Den Job macht sie seit 1995, ist ausgebildete Krankenschwester und Altenpflegerin. Pro Tag hat sie 20 Patienten, für die sie jeden Tag – egal ob Sonntag oder Feiertag – kreuz und quer durch den alptraumhaften Hamburger Innenstadtverkehr rasen muss.
Einige Patienten sind schwerstpflegebedürftig, müssen im Bett gewaschen und mit Spritzen versorgt werden. Der Herr nach uns auf ihrer Tour ist ein ehemaliger Seniorpartner einer Rechtsanwaltskanzlei. Steinreich, lebt in einer großen Villa, sagt weder Bitte, noch Danke, begrüßt sie nicht. Sie muss ihm die Beine bandagieren und Thrombosespritzen geben.
Sofort beginnen kann sie aber nicht, weil er sie gern anherrscht „Du siehst doch, daß ich gerade ein Glas Rotwein trinke, in 15 Minuten habe ich Zeit!“
1.400,- bringt Natasja im Monat nach Hause.
Ihr weißrussischer Mann ist Kindergärtner in Norderstedt (nördlich von Hamburg) in einer Einrichtung für verhaltensauffällige Kinder. 15 von ihnen betreut er tagsüber allein und verdient ungefähr das Gleiche wie seine Frau im Monat.
Familienleben gibt es aufgrund des Schichtdienstes wenig, die beiden Kinder sind 9 und 11 Jahre alt. Es erfordert viel Koordination und Planung bei zwei berufstätigen Eltern die Kinder aufzuziehen.
Die Vier wohnen in Reinbek, östlich von Hamburg. Natürlich nicht in Hamburg, weil es mit normalen Gehältern unmöglich ist zentral eine Wohnung für vier Personen zu finanzieren.
Abends sitzen sie zusammen und studieren Sonderangebote, fahren gezielt Discounter ab, um immer das Billigste zu erwischen. (…..)

Mehr Geld wäre natürlich schön, aber vor allem wünscht sie sich besser behandelt zu werden und für ihren Beruf respektiert zu werden.
Kein Wunder, daß es Millionär Jens Spahn nicht schafft mehr Pflegepersonal zu rekrutieren.

(Jens Spahn, Mathe-Genie)
Und eins muss man sagen, Spahn schafft was weg (Merkel): Ein gutes Jahr nach seiner Ankündigung bundesweit 13.000 zusätzliche Pfleger einzustellen (gebraucht werden mindestens 50.000 Zusätzliche), hat er bundesweit schon fast 300 Neueinstellungen geschafft! Yippie, wenn das in dem Tempo weitergeht, sind die 13.000 Stellen in etwa 43 Jahren, also 2062 besetzt. Die 50.000 benötigten Kräfte wären dann im Jahr 2186 einsatzbereit.

Kluge Unternehmer und insbesondere Familienunternehmer, die ihren Betrieb noch Generationen fortführen möchten, wissen, daß ihre wertvollste Ressource nicht Fabrikhallen, Kundendateien, Patente, Ratings oder Kapitalreserven sind, sondern ihre Mitarbeiter. Erfolgreiche Chefs setzen sich immer und in erster Linie für ihre Mitarbeiter ein. Es genügt nicht diese Mitarbeiter zu „haben“, sondern sie müssen zufrieden sein. Sie müssen motiviert sein, sollten möglichst gern arbeiten und sich mit ihrer Firma identifizieren.
Beraterarmeen, Controlling, Rationalisierungen, Shareholder Value-Denken führen aber dazu, daß sich immer mehr Angestellte in „innerer Emigration“ befinden, nur das Nötigste tun.
Unzufriedene Angestellte führen zu Fehlern führen zu schlechter Stimmung führen zu unzufriedenen Kunden.

Viele Manager wären froh vor der Wahl zu stehen ihre Mitarbeiter gut oder schlecht zu behandeln.
Sie haben viel zu wenig Personal, müssen daher die Produktion drosseln. Aufträge ablehnen oder gar Niederlassungen schließen.

Als Sozialdemokrat verstehe ich die Kurzsichtigkeit solcher Unternehmer nicht.
Wie ist es möglich, daß bei der allgemein bekannten Personalnot über die Hälfte der deutschen Krankhäuser überhaupt keine Menschen ausbilden?
Wie kann man so borniert sein sich Geld und Mühe und Zeit für die Ausbildung von Pflegern und Ärzten zu sparen und sich anschließend wundern, wenn keine frisch ausgebildeten Kräfte an der Tür klopfen, die für einen arbeiten wollen?

Der geringe soziale Status von KITA-Betreuern, Hauptschullehrern oder Altenpflegern trifft auch auf andere Branchen zu.
In Hamburg schließen Geschäfte, weil es ihnen unmöglich ist genügend Verkäufer zu finden. Offenbar möchte niemand mehr Verkäufer werden, weil es anstrengend ist, mies bezahlt wird und auch noch ein schlechtes Image hat.
Allein im Hamburger Einzelhandel sind im Jahr 2019 den Arbeitsagenturen 2.500 Verkäuferstellen gemeldet worden. Über die Hälfte konnte nicht besetzt werden.

[….] Kerstin Horbach hat alles getan, was man tun kann, wenn man als Geschäftsinhaberin auf der Suche nach Verstärkung beim Verkaufspersonal ist: Plakate im Schaufenster, Stellenausschreibungen über die Arbeitsagentur und Jobportale im Internet, Hilferufe in den sozialen Medien. „Es hat alles nichts gebracht“, sagt die 41-Jährigen, die vor knapp zehn Jahren ihren ersten Laden in Hamburg eröffnete. In dem Geschäft namens Elbprinz und Alstergöre an der Großen Brunnenstraße in Ottensen verkauft sie seitdem schicke Kleidung für kleine Kinder. Vier Jahre später kam das zweite gleichnamige Geschäft dazu. [….] „Es läuft ganz gut“, sagt sie. Trotzdem hat sie einen weitreichenden Entschluss gefasst: Der zweite Laden wird wieder geschlossen. „Der einzige Grund ist, dass ich einfach nicht genug geeignetes Personal finde.“ [….]

Das lehrt uns wie die Beispiele Schule, Handwerk und Pflege, wie grundsätzlich unsere Gesellschaft in Schieflage geraten ist, wenn dringend benötigte Berufe nicht mehr ausgeübt werden wollen.
Derzeit sind die Hamburger Zeitungen voller Klagen über das Baustellenchaos. Besonders schlimm trifft es gerade meinen Stadtteil. Die CDU versucht sich krampfhaft gegen den rotgrünen Senats damit zu profilieren, fordert Mehrschichtenbetrieb, Wochenend- und Nachtarbeit.
Sehr witzig, antworten die Bauunternehmer. Das würden sie gern tun, wenn sie dafür genügend Bauarbeiter hätten. Schon jetzt müssen sie laufend Aufträge ablehnen.

Deutschland braucht also selbstverständlich:

1.) Mehr Zuwanderung
2.) Verantwortungsvolleres Management
3.) deutliche höhere Löhne
4.) ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, damit solche Berufe höher geachtet werden.

Klar ist, mit der Wahl von CDU, CSU, FDP oder AfD wird das nie klappen.

Und bitte alles in mutigen Schritten.
Ein paar Euro mehr, damit man nach 40 Berufsjahren mit 900 Euro Altersrente da sitzt, reichen nicht.

[…..]  Geschäftsaufgabe nicht wegen Kunden-, sondern wegen Personalmangels – das ist in Hamburg keine Ausnahme mehr. „Es sind vor allem kleinere Geschäfte, die aus diesem Grund für ein oder zwei Tage in der Woche schließen. Oder komplett aufgeben“, sagt Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord in Hamburg. […..]  Es gibt kaum Aussicht, dass der Verkäufermangel bald beendet sein wird. Denn auch viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Nach Angaben des Handelsverbands Deutschland waren zu Beginn des Ausbildungsjahres Anfang August von den bundesweit 35.000 Lehrstellen für Einzelhandelskaufleute 16.000 noch zu vergeben. Von den 21.000 Verkäuferlehrstellen waren es mit 11.500 sogar mehr als die Hälfte. […..]  im Juli seien die Gehälter um drei Prozent gestiegen – obwohl der Einzelhandel nur zwei Prozent Umsatzwachstum erwarte. Zudem werde im Wettbewerb um Mitarbeiter teils mehr als der Tariflohn gezahlt.
Heike Lattekamp, die bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di in Hamburg für den Einzelhandel zuständige Fachbereichsleiterin, verweist dagegen auf die Arbeitsbedingungen der gut 70.000 festangestellten Verkäuferinnen und Verkäufer in der Stadt. […..]  Und in der Lohntabelle des Tarifvertrags sei bei 2656 Euro brutto im Monat Schluss – für eine Vollzeitstelle mit 37,5 Stunden pro Woche. Von den Arbeitgebern angeboten würden aber häufig Teilzeitstellen, etwa für 30 Wochenstunden. „Wenn man dann noch eine ungünstige Steuerklasse hat, bleibt nicht viel übrig“, sagt Lattekamp. […..]  Lattekamp sieht aber selbst Vollzeit-Verkäufer auf dem Weg in die Altersarmut: „Wer 40 Jahre lang gearbeitet hat, bekommt gerade mal um die 900 Euro Monatsrente. […..]  (Abendblatt, 31.08.2019)

Freitag, 30. August 2019

Der Christ des Tages – Teil XC


In dieser illustren Reihe der personellen Argumente für die Religiosität soll heute gezeigt werden wieso Jesus die Geldwechsler aus dem Tempel vertrieb.
1500 Jahre bekämpfte die christliche Kirche daher Zinsen und Banken.

(….) Während es im Islam heute noch  Zakat und Zinsverbot gibt, ist völlig in Vergessenheit geraten, daß die  Katholische Kirche die längste Zeit ihrer Existenz kein Herz für Kredithaie und Wuchergeschäfte hatte.

Im Gegenteil; die Bibel verbietet dies.

35 Wenn dein Bruder verarmt und sich neben dir nicht halten kann, sollst du ihn, auch einen Fremden oder Halbbürger, unterstützen, damit er neben dir leben kann. 36 Nimm von ihm keinen Zins und Wucher! Fürchte deinen Gott und dein Bruder soll neben dir leben können. 37 Du sollst ihm weder dein Geld noch deine Nahrung gegen Zins und Wucher geben.
(Levitikus 25)

20 Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen. 21 Ihr sollt keine Witwe oder Waise ausnützen. 22 Wenn du sie ausnützt und sie zu mir schreit, werde ich auf ihren Klageschrei hören. 23 Mein Zorn wird entbrennen und ich werde euch mit dem Schwert umbringen, sodass eure Frauen zu Witwen und eure Söhne zu Waisen werden. 24 Leihst du einem aus meinem Volk, einem Armen, der neben dir wohnt, Geld, dann sollst du dich gegen ihn nicht wie ein Wucherer benehmen. Ihr sollt von ihm keinen Wucherzins fordern.
(Exodus 22)

20 Du darfst von deinem Bruder keine Zinsen nehmen: weder Zinsen für Geld noch Zinsen für Getreide noch Zinsen für sonst etwas, wofür man Zinsen nimmt. 21 Von einem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, von deinem Bruder darfst du keine Zinsen nehmen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem, was deine Hände schaffen, in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen
(Deuteronium 23)

Insbesondere ab dem 12. Jahrhundert hat eine Vielzahl unfehlbarer Päpste das Zinsverbot als „unveränderliches kirchliches Gebot“ bestätigt.

Seinen Ausgangspunkt nahm das schon altkirchliche Zinsverbot im Mittelalter mit dem Zweiten Laterankonzil von 1139, dem Decretum Gratiani, einem ausdrücklichen Zinsnahmeverbot durch Papst Innozenz III. von 1215 und dem Konzil von Vienne von 1311. Danach war es verboten, Zinsen auf geliehenes Geld zu verlangen.
[…] Noch 1745 wandte sich Papst Benedikt XIV. in der an die hohe Geistlichkeit Italiens adressierte Enzyklika Vix pervenit entschieden gegen den Zins. In § 3, Absatz I heißt es: Die Sünde, die usura heißt und im Darlehensvertrag ihren eigentlichen Sitz und Ursprung hat, beruht darin, dass jemand aus dem Darlehen selbst für sich mehr zurückverlangt, als der andere von ihm empfangen hat […] Jeder Gewinn, der die geliehene Summe übersteigt, ist deshalb unerlaubt und wucherisch.
(Wiki)

In den nächsten Jahrhunderten fand man allerdings auch im Vatikan heraus wie wunderbar einfach man sich mit Geldverleih eine goldene Nase verdienen kann.
Insbesondere katholische Ritterorden waren extrem kreativ dabei die biblischen und Vatikanischen Regeln zu umgehen.
Im 19. Jahrhundert waren Zinsen dann inzwischen so alltäglich geworden, daß es überhaupt keinem mehr auffiel als Papst Pius VIII. am 18. August 1830 alle vorherigen Zins-Gesetze aufhob.  (…………….)

Das Zins- und Wucherverbot hat man ganz vergessen. Scheiß auf die Bibel. Was kümmert die Kirchen schon Gottes Wort.
Nun beklagt man Zinsen nicht mehr, sondern besitzt selbst Banken und erhebt Zinsen. (…..)

Auch der gegenwärtige Papst ist ein großer Fan der Armut, idealisiert und verklärt die Armut beinahe täglich.
Und wie könnte man den frommen Gläubigen besser dabei helfen Jesus Christus durch Armut nahe zu kommen, als sie von dem lästigen Geld zu befreien?
Großherzig und selbstlos nimmt die Kirche ihren Gläubigen den fürchterlichen pekuniären Ballast ab.
Reiche kommen nicht ins Himmelreich, so lange sich keine Kamele oder Schiffstaue durch Nadelöhre quetschen können.

Armut ist das Gebot Jesu und deswegen sehen Trump und Trumps Anhänger Trump als „the chosen one“.
Diese Zierde der Bescheidenheit verkörpert alles, was Jesus in seiner Bergpredigt aussagte.

Bergpredigt Jesus von Nazareth, Lukas-Evangelium, 6, 35
“Aber dagegen: Weh euch Reichen! Denn ihr habt euren Trost schon gehabt. 25 Weh euch, die ihr jetzt satt seid! Denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht! Denn ihr werdet weinen und klagen. 26 Weh euch, wenn euch jedermann wohlredet! Denn das Gleiche haben ihre Väter den falschen Propheten getan. (…)
Vielmehr liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.”


Auch Trumps Nächstenliebe und Altruismus gebietet es ihm die anderen Menschen vom Schwarzer Peter „Geld“ zu befreien und ihnen den schrecklichen Mammon abzunehmen.

Vorbildlich befreit auch der Christ des Tages Nr. 90 seine Gläubigen von der schweren Last des Geldes.
Monsignor Joseph McLoone aus Pennsylvania entnahm der St. Joseph Catholic Church in Downingtown 100.000 Dollar.
Der 58-Jährige Topkleriker investierte das viele Geld der Gläubigen sorgsam – für Stricher, Lustreisen, Grindr und ein privates Fick-Haus am Strand.

[….] Investigators claim that McLoone opened a secret checking account in 2011 and diverted parishioner donations into that account and misappropriated other church funds undetected for the next seven years.
According to prosecutors, McLoone used the funds to pay for dinners, travel, and a beach home in Ocean City, New Jersey.
Investigators say that when he was confronted by the Archdiocese of Philadelphia about the money, he also admitted to paying for “personal relationships” with other men with the church funds. According to the police complaint filed in court, McLoone sent thousands of dollars to men he met on the social networking app Grindr using online payment methods such as Square and J-Pay. [….]

Joseph McLoon
Eins muss man sagen, das Bistum Philadelphia hat ein Händchen für Personal.
Die Gemeindemitglieder der St. Joseph Church in Downingtown haben großes Glück, denn auch Monsignore McLoons Vorgänger Monsignore William Lynn war ein Hirte, auf den sie stolz sein konnten.

[….] McLoone took over as pastor of St. Joseph's Parish in Downingtown in 2011 after Monsignor William Lynn, the first senior official convicted in the U.S. for covering up a sex abuse scandal, was indicted and incarcerated. That November, McLoone opened a bank account named the "St. Joseph Activity Account" and, over the next six years, diverted about $125,000 in donation checks written to the church into the account, the criminal complaint alleges.
McLoone allegedly used the account to take all of the money collected during the All Souls' celebration each year and convert it into checks written out to himself and others within the church, a total of nearly $40,000. [….]