Freitag, 12. Juli 2019

Viralität


Echter investigativer Journalismus stirbt langsam aus, weil die seriösen Zeitungen alle sparen. Die klickenden Konsumenten haben eine zu kurze Aufmerksamkeitsspanne und wollen auch kein Geld ausgeben.
Gab es früher in großen Redaktionen auch Dokumentare, die alle verbreiteten Fakten überprüfen, findet man die inzwischen kaum noch, außer beim SPIEGEL und der SZ.
Vor einigen Jahren löste der Springer-Verlag seine gesamte Dokumentation auf, entließ weit über 100 Rechercheure in Hamburg.
Googeln tut es doch auch und kostet nichts.
Investigativer Journalismus ist das natürlich nicht mehr.
Ein investigativer Journalist übernimmt nie irgendwelche Daten aus Dritt-Quellen, sondern spricht mit allen Betroffenen persönlich.
Das ist aufwändig, dauert lange und kostet eine Menge Reisespesen.
Aber nur so können gute Medien ihre Gatekeeper-Funktion erfüllen.

Blogger sind keine Journalisten. Blogs sind im besten Fall eine feuilletonistische Betrachtung des Geschehens oder schlicht eine Plattform, um seine eigene Meinung zu verbreiten.
Blogger bedienen sich dabei allen erdenklichen Quellen, die sie hoffentlich immer kenntlich machen und deren Relevanz sie einschätzen können.

Der Schreiber dieser Zeilen berichtet nicht objektiv, sondern versucht seine persönliche Meinung zu begründen. Dabei verwendet er die Informationen „richtiger Journalisten“, die er für seriös hält.
BILD, Focus oder RTL gehören selbstverständlich nicht dazu und tauchen daher auch nie in Verlinkungen auf.

Es fließen persönliche Erlebnisse und Erfahrungen ein, aber völlig neue Erkenntnisse sind auf nicht-investigative Art nicht zugänglich.
Blogger, die zu Hause am Schreibtisch sitzen, können große Mengen Informationen zusammentragen, aber nicht eigenständig große Skandale aufdecken.

Rätselhaft bleibt, wie genau sich öffentlich zugängliche Informationen verbreiten.
Weshalb werden offen zu Tage liegende Fakten über Jahrzehnte zwar regelmäßig von Journalisten beschrieben finden aber keinerlei Wiederhall bei den Lesern/Zusehern?
Obschon ich keinen religiösen familiären Hintergrund habe, wußte ich schon als Teenager genau, daß es ein Karfreitags-Tanzverbot gibt, daß Bischöfe vom Staat und nicht etwa aus der Kirchensteuer bezahlt werden.
Wann immer ich das in den nächsten Dekaden erzählte, stieß ich aber auf großes Staunen.

Viralität bezeichnet die schnelle Informationsweitergabe von Mensch zu Mensch. Eine kommunikative Botschaft wird in einem Sozialen Netzwerk von User zu User weitergetragen. Besonders soziale Netzwerke wie Facebook verfügt über ein hohes Maß an Vernetzung und Viralität, da hier eine Botschaft in kurzer Zeit eine große Reichweite entwickeln kann. Durch den Share Button wird diese Weitergabe zusätzlich vereinfacht. [….]

Es gibt auch klassische wiederkehrende Informationen, die jährlich, oder alle paar Jahre für Empörung und Verblüffung sorgen.

Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt.
Pfingsten wird gefeiert, weil an dem Tag der Heilige Geist ausgegossen wurde.
Bei Bundestagswahlen wählt man eine Partei und damit die Zusammensetzung des Bundestags, aber natürlich nicht den Bundeskanzler.
Der Bundeskanzler ist hierarchisch nur die fünft-mächtigste Person in Deutschland.

Außerdem gibt es durchaus wichtige Informationen, die nach meinem Eindruck sogar fast vollständig außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung passieren, obwohl sie selbstverständlich mit drei Klicks für jeden zugänglich sind.

Wie kommt man in den Rundfunkrat und wer sitzt da eigentlich? Wer bestimmt das TV-Programm und die politische Ausrichtung eines öffentlichen Senders?
Wer wählt die Bundesrichter aus? Wie entscheidet sich wer Vorsitzender einer der Kammern des Bundesverfassungsgerichts wird?

Darüber hinaus gibt es bekannte Irrglauben, die sich erstaunlich hartnäckig halten, obwohl die Realität gar nicht verheimlicht wird.

Nicht der Bundesgesundheitsminister oder das Parlament bestimmen wesentliche Teile der Gesundheitspolitik, sondern der allmächtige Gemeinsame Bundesausschuss GBA.

Solange ich zurückdenken kann, weiß ich, daß katholische Priester massenhaft Kinder quälen und vergewaltigen.
Schon Ende der 1960er Jahre wurde publik in welch massenhaften Ausmaß Kinder und Jugendliche in christlichen Heimen brutal ausgenutzt, gefoltert und entrechtet wurden.
Das gehörte bekanntlich zur journalistischen Arbeit der Konkret-Redakteurin Ulrike Meinhof.
Seit es diesen Blog gibt (ab Juni 2007) schreibe ich regelmäßig über solche Vorgänge. Nicht, weil ich das exklusiv selbst recherchiert hätte, sondern weil das durchaus auch in den „normalen Medien“ (Panorama, Monitor, Spiegel) berichtet wurde.
Aber 2010 kam das Canisius-Outing und urplötzlich sprach man darüber. Bischof Laun erklärte damals in einer Talkshow, man habe innerhalb der RKK nichts dagegen unternehmen können, da diese Ungeheuerlichkeiten ja erst jetzt (2010) bekannt wurden.
Da staunte ich nicht schlecht.
Ich als atheistischer Laie, der keinen Fuß in die Kirche setzt und nie Messdiener war, lese seit Jahrzehnten diese Pädo-Stories in der Süddeutschen und im Spiegel, aber ein Bischof, der mitten drin sitzt und exklusiven Zugang zu allen geheimen Informationen bekommt, hat davon nie etwas bemerkt?

[…..]Wir erinnern uns alle mir Schrecken daran wie in den Jahren 2010/2011 über 90% der Nation, bis weit in den linken Bereich dem Charme des Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg verfielen, ihn für einen Messias hielten, obwohl er von Anfang an ein Blender und Betrüger war. Interessanterweise wurden KTGs dreiste Lügen schon 2009 aufgedeckt und beispielsweise von PANORAMA (und auch in diesem bescheidenen Blog) veröffentlicht.
Aber Fakten sind irrelevant in einem verführbaren Volk wie dem Deutschen. […..]

Neuestes Beispiel für eine völlig verzögerte Wahrnehmung der Masse ist die Homöopathie.
Seit 200 Jahren gibt es nicht den geringsten Nachweis einer Wirkung.
Das ist von vorn bis hinten Humbug.
Homöopathie ist weder pflanzlich noch ein Naturheilverfahren.
Und als Chemiker freut es mich immer mal wieder drauf hinzuweisen, daß sowohl pflanzliche, wie Homöopathika, Naturheilmittel als auch natürlich klassische schulmedizinische Medikamente allesamt CHEMIE sind.
Es gibt nichts Nicht-Chemisches.
Die Besonderheit an Globuli und HÖ-Tropfen ist bloß, daß das verkaufte Wasser oder die gestampfte Lactose keinerlei therapeutisch wirksamen Inhaltsstoff enthalten. Es ist reine Fake-Medizin, kompletter Unsinn, Abzocke.

Seit Jahrzehnten regt es alle Eingeweihten auf, wieso dieser Schwachsinn von den Krankenkassen und somit der Allgemeinheit finanziert wird – nur damit sich ein paar Scharlatane die Taschen füllen können.
Zwecklos. Landesministerinnen in NRW und ostdeutsche Ministerpräsidentinnen treten öffentlich für diese ganz große Verarschung ein.

Aber ich habe den Eindruck, das Thema promoviert gerade von der öffentlich bekannten auf die tatsächlich öffentlich wahrgenommene Ebene.
Der Ausstieg Frankreichs aus der HÖ-Bezahlung ist die Initialzündung, aber diesmal ergreift es auch weite Teile der Presse. Viele Parteien (außer der Linken!) schließen sich den Forderungen an, endlich die HÖ-Verrückten ihr sinnloses Hobby selbst bezahlen zu lassen.

[….] Es geht nicht darum, Homöopathie zu verbieten oder den Verkauf von homöopathischen Arzneimitteln zu stoppen. Jeder, dem diese Therapieformen wichtig sind und bei dem sie helfen, soll sie weiterhin anwenden können. Keine Frage.
[….] Es geht um die Frage, was gesetzliche Krankenkassen ihren Mitgliedern bezahlen sollen und müssen. Homöopathie gehört nicht dazu.
[….] Wer kurzsichtig ist, muss seine Brille zu großen Teilen selbst bezahlen. Wer kranke Zähne hat, muss oft viel eigenes Geld auf den Tisch legen, damit er wieder kauen kann. Mit anderen Worten: Für einige wirklich wichtige Funktionen des menschlichen Körpers – Sehen und Essen – geben die Krankenkassen viel weniger Geld aus, als sie sollten.
Für jede Pillenpackung ist eine Zuzahlung fällig. Ärzten wird das Honorar gekürzt, wenn sie zu viele Patienten behandeln oder zu viel Arznei verschreiben. Pflegekräften wird kein höheres Gehalt gezahlt. Aber für Zuckerkügelchen – die berühmten Globuli – und für maximal verdünnte Flüssigkeiten ist genügend Geld da? Ernsthaft? [….]  Der TV-Satiriker Jan Böhmermann hat die Homöopathie neulich aufs Korn genommen. Er hat den Inhalt von zwei Flaschen Globuli in einer Schale zusammengeschüttet und dann gesagt, niemand könne jetzt mehr nachweisen, welches Zuckerkügelchen aus welcher Flasche kam. Plastischer kann man die Homöopathie nicht entlarven. [….]


[….] Zwei von drei gesetzlichen Kassen in Deutschland zahlen ihren Versicherten nicht nur moderne Medizin, sondern auch Zuckerkügelchen ohne Wirkungsnachweis und Behandlungsmethoden aus vorwissenschaftlicher Zeit. Dass die geheimnisvollen, unbedingt mit Plastik- oder Porzellanlöffelchen zu verrührenden Globuli und Tröpfchen tatsächlich über den Placebo-Effekt hinaus wirken, hat noch keiner der für diesen Ausgabeposten Verantwortlichen behauptet. [….]


 [….] In Frankreich erstatten die Krankenkassen ab 2021 die Kosten für Homöopathie nicht mehr. In Großbritannien ist es schon heute so. Ein solcher Schritt ist auch im deutschen Gesundheitssystem überfällig. Sogar die Kassenärztliche Bundesvereinigung will es inzwischen nicht mehr verstehen, warum eine teure, gen Erdmittelpunkt geschüttelte Zuckerlösung weiter von der Solidargemeinschaft gezahlt werden soll.
[….] Es kann nicht sein, dass Kassenpatienten über ihre Beiträge gezwungen sind, für Arzneimittel zu zahlen, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist. [….] Das Geld der Versicherten, das in die Homöopathie fließt wäre anderswo sinnvoller angelegt: beispielsweise im Kampf gegen Krankenhaus-Keime oder in der Antibiotika-Forschung. [….]

Donnerstag, 11. Juli 2019

Rechts ist schlecht.


Inzwischen sorgen sich auch herkömmliche bürgerliche Politiker über das rechtsextreme Eigenleben von ostdeutscher Polizei, dem Verfassungsschutz und Teilen  der Bundeswehr.

  […..] Der Fall Lübcke zeigt, dass der Verfassungsschutz reformiert werden muss.
Rechtsextreme bedrohen unsere Demokratie – und bisher scheitert der Staat an deren Bekämpfung. Wir brauchen endlich strukturelle Änderungen. [….]

Es ist schön, daß auch ehemalige zuständige Minister das Problem erkennen.
Für den nicht sehr weit rechts stehenden Teil Deutschlands sind diese Erkenntnisse allerdings nicht neu; im Gegenteil. Die deutlich rechts der Mitte verorteten persönlichen Einstellungen der Verfassungsschützer sind allgemein so bekannt, daß Witze über Nazi-freundliche Schlapphüte immer funktionieren.


Allerdings fallen die Chefs dieser Dienste und deren Einstellungspolitik nicht vom Himmel. Sie werden von den zuständigen, zumeist bei der CDU angesiedelten Innenministern ausgesucht.
Superminister Bundeshorst war noch vor kurzer Zeit so dermaßen begeistert von seinem AfD-Berater Hans-Georg Maaßen, der vor linksradikaler Unterwanderung der SPD warnte, daß er ihn um mehrere Gehaltsstufen zu seinem Staatssekretär befördern wollte – mit Zustimmung Merkels und Nahles‘.
Diese Beförderung hätte Maaßen auch bekommen, wenn die SPD, wie von allerlei Linken gefordert, die Groko verlassen hätte.
Da sie aber ein Teil der Regierung ist, konnte ein Basis-Aufstand der Sozen ihre Parteichefin umstimmen und so den Verfassungsschutzpräsidenten in den Ruhestand schicken.
Von dort aus twittert der Mini-Trump mit der Brille eines Siebenjährigen geradezu manisch seine verschwörungstheoretischen, ultrarechten Ansichten heraus, teilt mit Vorliebe BILD-, INSA-, Junge-Freiheit-, Werteunion- und AfD-Inhalte. Offensichtlich die Art „seriöse Quelle“, auf die sich auch die Erkenntnisse der Bundesschlapphüte stützen.


Ehem. Präsident des BfV / Nüchterner Realist, der sich große Sorgen um die Zukunft Europas macht / Hans-Georg Maaßen (hgm)

Kein Wunder, daß deutsche Innenminister bei der Terrorabwehr völlig von den Informationen der US-Dienste abhängig sind.
Die letzten fähigen deutschen Geheimdienstler wurden 1989/1990 mit dem Untergang der DDR abgewickelt.


[…..] Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat am Dienstagabend mit einem Tweet eine Debatte im Netz ausgelöst. Maaßen teilte einen Link zu einem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“ mit der Überschrift: „In deutschen Städten sieht die Mehrheitsgesellschaft ihrem Ende entgegen“.
Darin heißt es weiter: „Frankfurt am Main, Offenbach, Heilbronn, Sindelfingen - in diesen und anderen Städten sind Deutsche ohne Migrationshintergrund nur noch die grösste Gruppe, stellen aber keine absolute Mehrheit mehr dar.“ Maaßen schrieb dazu: Für mich ist die NZZ so etwas wie „Westfernsehen“. [….]

Mit solchen Sicherheitsbehörden lässt sich auch erklären wieso seit zehn Jahren kontinuierlich kommunale Politiker, die sich für Humanität einsetzen von Rechtsradikalen attackiert werden, ohne daß Polizei und Co etwas unternehmen.
Allein in Berlin-Neukölln gab es in der letzten Dekade anderthalb Dutzend Brandanschläge auf Lokalpolitiker.

[….]  Immer wieder trifft es Menschen, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren.
[….]  Die Neuköllner SPD-Fraktionsvorsitzende Mirjam Blumenthal, 46, sah, wie vor ihrem Haus das Familienauto in Flammen aufging. [….]  Oder Gabriela Gebhardt, SPD-Abgeordnete im Neuköllner Kommunalparlament, und Peter Scharmberg, ebenfalls SPD, der sich für Flüchtlinge und gegen Rassismus einsetzt. Er wurde zwei Mal Opfer, 2014 konnte er gemeinsam mit einem Nachbarn löschen, zwei Jahre später hörte er einen lauten Knall um halb drei Uhr morgens. Das Auto, ein Feuerball. [….]  Umso irritierender ist die Erfolglosigkeit der Sicherheitsbehörden und der Berliner Justiz. Fast zehn Jahre dauert diese Anschlagswelle, aber es gibt keine Verurteilung, keine Verhaftung. Es gibt immerhin Hauptverdächtige, zwei bekannte Neonazis, "lange und schmutzig vorbestraft", wie ein Berliner Strafverfolger sagt. [….]  Was sagt es aus über die Bekämpfung rechtsextremer Gewalt in diesem Land, wenn es fast zehn Jahre nicht gelingt, auch nur einen der Täter im Kiez zu überführen? [….]  Am 15. Januar 2018 hörte der Verfassungsschutz dann aber ein Telefonat [….] mit [….]   Einer fuhr offenbar gerade einem Auto hinterher. Eine Art Beschattung. Die Neuköllner Rechtsextremen, schien es, spähten ein potenzielles Opfer aus, das nichts bemerken sollte. [….]  Das war zwei Wochen vor dem Anschlag auf den Linkenpolitiker Kocak. Es wäre noch Zeit gewesen, ihn zu warnen. [….] am 1. Februar 2018 wurde dann der Smart von Ferat Kocak völlig ungehindert und unbeobachtet in Brand gesteckt. [….]  Polizeibeamte als heimliche Helfer von Radikalen? Das ist ein ungeheuerlicher Verdacht, er ist durch nichts bewiesen und doch kann man ihn auch nicht so einfach abtun. Im Dezember 2018 flog in Berlin ein Polizist auf, der heimlich Drohbriefe an Mitglieder der linken Szene verschickt und dafür vertrauliche Daten aus Polizeidatenbanken entwendet hatte. Er schrieb seinen 42 Opfern, er werde ihre Privatadressen an die Neurechten von der Identitären Bewegung weitergeben oder gleich "an die Bullen". Es gab eine Geldstrafe. Ein Monatsgehalt. Polizist durfte er bleiben.
Bei den Staatsschützern des Landeskriminalamts (LKA), die gegen den Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri ermittelten, schrieb ein Beamter seinem Chef einmal per SMS, er solle "sich von Merkel & Co und ihren scheiß Gut-Menschen" fernhalten, wie eine interne Ermittlung ergab. Der Beamte schloss seine Nachricht mit dem Abschiedsgruß "88", dem Zahlencode für "Heil Hitler". Aus dem Dienst entfernt hat man ihn bis heute nicht. [….] 

Mittwoch, 10. Juli 2019

Das Problem von der Leyen.

Das Unangenehme und Erbärmliche an einer Politikerin des Typus von der Leyen, ist nicht das Berufungsverfahren, das sie ins Amt spülte.

Nicht, daß sie eine Deutsche  ist, eine konservative Christin, die auf Orban-Ticket in den EU-Chefsessel rutscht, weil sie zufällig eine Fremdsprache spricht.
Noch nicht einmal, daß sie in ihren vorherigen Jobs immer versagte.

Ein Problem sind schon eher ihr mieser Egoisten-Charakter und der geradezu manische Drang ständig zu lügen.

Das größte Problem ist aber, daß von der Leyen ganz offensichtlich immer noch nicht begriffen hat in welch existentiellen Krise die EU steckt.
Brüssel wird zwischen Asien und Amerika zerrieben, ist unfähig eigene Antworten zu finden, lässt sich von rechtsextremen Regierungen im Osten gängeln, zeigt erbärmliche Schwächen in internationalen Konflikten, ist noch nicht mal in der Lage beim Iran-Atom-Deal Ross und Reiter zu nennen.
Die EU ist grausamer als Trump, weil sie nicht in der Lage ist ein transnationales Verteilersystem zu errichten und daher seit Jahren achselzuckend zusieht, wie tausende Menschen unter elenden Folterqualen verrecken.

Sogar ein CSU-Bundesminister, dessen Parteifreund Seehofer zufrieden grinsend mit Kickl und Salvini posiert, um die zum Verrecken ins Meer gescheuchten Menschen zu feiern, wird deutlich.

[…..]  Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat einen sofortigen internationalen Rettungseinsatz für die Flüchtlinge in Libyen gefordert. "Notwendig ist eine gemeinsame humanitäre Initiative von Europa und Vereinten Nationen zur Rettung der Flüchtlinge auf libyschem Boden. Die neue EU-Kommission muss sofort handeln. Wir dürfen keinen Tag länger abwarten", sagte Müller im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Die Menschen in den dortigen Elendslagern haben die Perspektive, in den Camps durch Gewalt oder Hunger zu sterben, auf dem Rückweg in der Wüste zu verdursten oder im Mittelmeer zu ertrinken."
[…..]  "Aber wollen wir zulassen, dass das Mittelmeer endgültig das Meer des Todes wird und wir wegschauen? Die neue EU-Kommission muss auch hier eine neue Initiative starten, um die Mittelmeeranrainer zu unterstützen, und darf nicht länger auf ein Einvernehmen aller EU-Mitglieder warten."
[…..]  Der Klimawandel werde die Flüchtlingskrise noch verschärfen, warnte Müller mit drastischen Worten: "Wird es heißer als 50 Grad und fällt kein Regen, stirbt erst die Pflanze, dann das Tier und dann der Mensch." Er selbst habe an der äthiopisch-somalischen Grenze viele Klimaflüchtlinge getroffen. Dort regne es seit drei Jahren nicht mehr. Der Tschadsee sei nahezu ausgetrocknet. "Millionen Menschen in der Region sind bedroht, weil Dürren zunehmen", sagte Müller. "Prognosen sagen, wenn die Erderwärmung ungebremst weitergeht, könnten bis 2050 weltweit viele Millionen Menschen ihre Heimat verlieren." [….]

So kann es in der Tat nicht weitergehen.
Es braucht nun an der EU-Spitze dringend eine elektrisierende Person, die für Europa brennt und Macron-artig voller Schwung und Elan alle anderen mitreißt, um jetzt endlich mal zu Potte zu kommen und die unerträglichen dysfunktionalen alten Strukturen aufzubrechen.
Wir brauchen eine mutige Person, die sich nicht scheut den alten Blockierern in Gesicht zu brüllen was die Stunde geschlagen hat.
Jemand, der wirklich reformiert und radikale Verbesserungen, Verschnellerungen und Effektivierungen durchsetzt.

Von der Leyen aber ist das diametrale Gegenteil. Ihr geht es um ihren Posten und ihr persönliches Wohl.
Sie wirbt in Brüssel intensiv für sich selbst, weicht aber wie gewohnt allen drängenden Fragen aus, traut sich nicht jemand vor den Kopf zu stoßen, laviert und hangelt sich durch die Fragen, während sie merkelig versucht allen weißzumachen, es brauche sich nicht wirklich etwas ändern.
Keine klaren Ansagen nirgends. Stattdessen vage wabbelweiche Allgemeinplätzchen

 […..]  Am Mittwoch konnten die Europaabgeordneten endlich die nominierte Präsidentin der EU-Kommission ausführlich befragen - wirkliche Erkenntnisse dürften sie aber nicht gewonnen haben. Stundenlang versuchten die Parlamentarier Ursula von der Leyen auf konkrete politische und personelle Aussagen festzulegen. Der Erfolg war überschaubar. Von der Leyen parierte die Fragen ebenso routiniert wie inhaltsarm - ihr Hauptziel war es offenbar, im Parlament ein wenig gute Laune zu verbreiten. […..]   Bei der "Renew Europe"-Fraktion stößt sie zwar auf weniger Feindseligkeit als bei den Sozialdemokraten - doch ein glänzender Erfolg ist es nicht, das liegt auch an ihren inhaltlich vagen Antworten. […..]   "Ich bekenne mich zu dem Ziel, die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen." Das aber ist bereits die erklärte Politik der aktuellen EU-Kommission, also nichts Neues. Und wie genau sie das 2050-Ziel erreichen will, verrät von der Leyen nur in groben Umrissen […..]  Die Fragen [der Grünen]  sind schärfer formuliert als bei den Liberalen. Von der Leyen aber antwortet ähnlich oder gar identisch, ansonsten oft ausweichend.
[…..]  In Sachen Migration etwa seien "die Dinge in erschreckendem Maße verhakt", diagnostiziert sie. Doch was Wege zur Lösung der Blockade unter den EU-Staaten betrifft, scheint von der Leyen so ratlos zu sein wie der Rest der EU.[…..] 

Nun senken Grüne, Liberale und Sozialdemokraten die Daumen, weil von der Leyen ganz offensichtlich desinteressiert und unvorbereitet ins Amt stürmt. Konkretes sagt sie nicht, hat keine Pläne, keine Vorschläge, offenbar so gar keine Leidenschaft für irgendein europäisches Thema.
Bis auf das eine offensichtliche Thema: Sie will der Boss werden.

Dienstag, 9. Juli 2019

Bombenstimmung


Der Iran-Irak-Krieg, gelegentlich auch „erster Golfkrieg“ genannt, war unglaublich brutal. Vom 22. September 1980 bis zum 20. August 1988 starben bis zu einer Millionen Menschen in einer der verlustreichsten militärischen Aktionen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Iran wurde dabei derartig zerstört, daß man allein mit 650 Milliarden US-Dollar Schäden an der Infrastruktur rechnete.
Schon damals erschien es aus iranischer Sicht „vernünftig“ sich möglichst schnell eine Atombombe anzuschaffen. Ich erinnere mich, wie wir in der Schule im Politik-Unterricht darüber sprachen.
Der Iran war nämlich in vielerlei Hinsicht isoliert:
Perser unter lauter Arabern. Gottesstaat unter lauter Monarchien. Schiiten unter lauter Sunniten. Und natürlich als alleiniger großer Gegner „des Westens“, während der Irak militärisch von den USA unterstützt wurde.
Der frühere und spätere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war von 1977 bis 1985 Sondergesandter der USA im Irak, traf dort immer wieder Saddam Hussein persönlich.
Bei einer derartigen Einkesselung war es absolut naheliegend sich mit A-Bomben abzusichern.

(….) Die grundsätzliche Frage ist: Wieso dürfen eigentlich die ABC-Macht Israel und die ABC-Macht Amerika einem großen und bedeutenden Land wie dem Iran aufoktroyieren niemals zur ABC-Macht zu werden.
Was Jerusalem und Washington ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen; nämlich über ein modernes Atomwaffenarsenal zu verfügen; sollen andere niemals dürfen.
Im Gegenteil; wenn sie nur daran denken sich ansatzweise das anzueignen was Israel und Amerika schon lange haben, ist das ein Beweis für deren Bösartigkeit, ja sogar ein Grund für einen Angriffskrieg.
Dabei erscheint es Kongress-Republikanern und Israelis noch nicht einmal zu lächerlich zu sein seit 15 Jahren dringend davor zu warnen, daß der Iran nun aber wirklich unmittelbar davor stünde eine Atombombe zu bauen; innerhalb von weniger als einem Jahr wäre Teheran so weit.

Jacque Chirac sagte einmal sinngemäß als er noch im Amt war; na und, was würde es schon ausmachen, wenn Teheran wirklich eine Atombombe hätte? Er könne die ja ohnehin nicht einsetzen, da noch bevor die irgendwo einschlüge, Israel von seinen überall verteilten U-Booten aus hundert Atombomben auf den Iran abschießen würde. Der Einsatz einer Atomwaffe gegen Israel bedeute die absolut sichere Auslöschung des gesamten Staates Iran. Und so irre sei niemand, das zu riskieren.

Bei außenpolitischen Konflikten ist der Schlüssel zur Entspannung immer der, sich in die Position des anderen hinein zu versetzen und zu verstehen was er fürchtet, was er erreichen möchte.

In unserer zunehmend manichäisch geprägten Berichterstattung ist das aber geradezu verpönt.
Wer auch nur versucht darüber nachzudenken, was aus Sicht des Kremls bedrohlich wirkt, wird sofort zumindest als „Russlandversteher“ verhöhnt.

Die Sicht des Irans auf seine Nachbarn scheint mir allerdings recht leicht zu deuten zu sein. Er war als rein schiitischer Staat lange Zeit nur von Feinden umzingeln. In diesem Pulverfass mit dem extrem reichen und hochgerüsteten Gegenspieler Saudi-Arabien in Reichweite, spielen Sicherheitsaspekte eine große Rolle. Zu oft ist man schon bombardiert worden, zu grauenvoll waren die Erfahrungen mit dem maßgeblich von den USA angezettelten Irak-Iran-Krieg 1980-1988, bei dem Donald Rumsfeld persönlich nach Bagdad zum Shakehands mit Saddam Hussein reiste, um den Irak so aufzurüsten, daß der Iran eine Million Tote zu beklagen hatte.
Was passiert, wenn einem die USA auf dem Kieker haben – und das ist man als Teil der Washingtoner „Achse des Bösen“ ja offensichtlich  - konnte Teheran 2001 bei seinem direkten östlichen Nachbarn Afghanistan und 2003 bei seinem direkten westlichen Nachbarn Irak erleben: Man wird angegriffen und vom US-Militär viele Jahre lang platt gemacht.
Irak und Afghanistan passierte das, weil sie eben KEINE MASSENVERNICHTUNGSWAFFEN hatten und sich nicht wehren konnten.
Das einzige Land der „Achse des Bösen“, das tatsächlich über Massenvernichtungswaffen, nämlich vermutlich zwei bis fünf Atomsprengköpfe,  verfügt ist Nordkorea und wurde genau deswegen NICHT von den USA angegriffen. Pyönyang ist sicher.

Was liegt also näher für Teheran, als sich möglichst auch die Dinger anzuschaffen – zumal beide Erzfeinde, USA und Israel, Atomwaffen haben und immer wieder bewiesen, daß sie durchaus andere Länder militärisch angreifen. (…..)
(Psychopolitik, 04.03.2015)

Das war der Stand der Dinge vor vier Jahren, als die US-Republikaner gegen den mit Teheran verhandelnden Barack Hussein Obama pesteten.
Obama und den Europäern gelang allerdings ein Wunder.
Der Iran-Atom-Vertrag, der dem Gottesstaat die Perspektive bot von den Sanktionen befreit zu werden, als normales Mitglied in die Weltgemeinschaft zurück zu kehren, wenn er dafür die Atomprogramme aufgibt und das engmaschig von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) überwachen lässt.

Und es geschah ein weiteres Wunder. Der Iran erfüllte buchstabengetreu die Bedingungen, kooperierte ohne irgendwelche Beanstandungen mit der IAEO.
Vertragsbrüchig wurde hingegen der Westen in Gestalt des orangen Lügen-Proleten aus Washington. Ohne Not zerschlug der Wahnsinnige alle Friedensbemühungen und stellte die Uhren wieder auf Krieg.
Teheran reichert nun wieder Uran an – und Washington tobt noch viel mehr.

[…..] Israels Premier Benjamin Netanyahu verurteilte Irans Atompolitik als "sehr, sehr gefährlichen Schritt". […..] Dagegen unterstützten die beiden verbliebenen nichteuropäischen Vertragspartner, China und Russland, die Position Irans:
    Konstantin Kossatschow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im russischen Förderationsrat, erklärte nach Angaben der Agentur Interfax, Irans Schritt sei zwar bedauerlich, aber juristisch nachvollziehbar. Schließlich seien es die Vereinigten Staaten gewesen, die aus dem Atomabkommen ausgestiegen seien und auch die EU habe sich bei der Einhaltung ihrer Verpflichtungen schwergetan. "Der Ball liegt auf der amerikanischen Seite", wird er zitiert.
    Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte, China bedauere zwar Irans Schritt. Doch die Schuld an der Eskalation trügen die USA mit ihrem "unilateralen Drangsalieren" Irans. […..]

China und Russland haben natürlich vollkommen Recht. Das wissen auch alle anderen Regierungen außer den unzurechnungsfähigen Gestalten Bolton, Pence, Pompeo und Trump.
Allerdings haben sich die EU-Europäer kollektiv selbst die Testikel ausgerissen, weil sie sich nicht trauen für das Recht und das Richtige einzustehen, sondern lieber vor dem tobenden IQ 45 kuschen.

Dafür steht exemplarisch der vor Gibraltar beschlagnahmte panamaische Öltanker "Grace 1", der zwei Millionen Barrel iranisches Rohöl an Bord haben soll und diese angeblich nach Syrien bringen will.
Die USA haben allen EU-Staaten mit schweren Sanktionen gedroht, wenn sie iranisches Öl nach Syrien exportieren sollten.
Bekanntlich ist der Iran aber nicht Mitglied der EU und wird ohnehin von den USA maximal sanktioniert.
Rechtlich gesehen kann die EU nicht Drittstaaten ihre eigenen Sanktionen aufzwingen.
Es ist völlig absurd, daß Europa sich zu Trumps Polizei-Hiwi auf See macht, aber Gibraltar gehört zu England und London kann es sich durch den Brexit am Allerwenigsten leisten den Zorn Trumps auf sich zu ziehen. Insbesondere nachdem die für IQ45 so peinlichen Darroch-Depeschen durchgestochen wurden.
Also kriecht London devot vor Washington und hält ohne Rechtsgrundlage einen panamaischen Tanker fest.
Damit tut Europa genau das, was es gar nicht will – den Konflikt mit dem Iran eskalieren lassen. Wider besseres Wissen, aus Angst vor Washingtons Rache.

Iran wird also weiter anreichern, die Zahl der Zentrifugen erhöhen, Abschusssysteme testen.

Trump zeigt die Heuchelei der USA besser als alle anderen Präsidenten: Die Schurkenstaaten, die Atombomben haben, werden von ihm bewundert und sogar mit Liebesbriefen versehen.
Trump turtelt immer wieder öffentlich mit dem Atombombenbesitzer Kim Jong Un, begeistert sich für die Atommächte Russland und Israel.
Der Iran hingegen, der sich vertragstreu daran hielt keine Atombomben zu entwickeln, wird existenziell aus Washington bedroht.
Teheran wäre verrückt, wenn es sich nicht an Nordkorea ein Beispiel nehmen würde. Solche Leute werden von Trump hofiert und ins Weiße Haus eingeladen. Nicht trotz, sondern weil sie Atombomben haben.

Was also tun?
Da gibt es kaum eine Antwort, solange die radikal Bornierten im Oval Office sitzen.
Trump und Pence wissen es nämlich selbst nicht. Sie sind viel zu dumm, um über die Konsequenzen des von ihnen angerichteten Chaos‘ nachzudenken.
Jetzt haben sie den Schlamassel.

[….]  Was will der US-Präsident im Iran eigentlich erreichen? Einen „besseren“ Nuklearvertrag? Die Selbstabdankung des Regimes mittels der Unterwerfung unter die amerikanischen Maximalforderungen? Oder einen durch Krieg und militärische Besetzung des Landes erzwungenen Regimewechsel?
Vermutlich wissen Präsident und seine Berater das selbst nicht so genau – jenseits ihrer Wunschvorstellungen, die nicht erreichbar sind – denn nichts von alledem wird es geben.
Die unter Präsident Obama geschlossene Nuklearvereinbarung aufzukündigen, obwohl sie bis dahin vom Iran eingehalten worden war, dies war ein vorrangiges Wahlkampfversprechen Trumps gewesen. Aber nun, wie weiter?
Eine der wenigen berechenbaren Konstanten in Trumps Politik ist die Tatsache, dass der Präsident konsequent auf die Zustimmung seiner Kernwählerschaft achtet. Und diese will definitiv keinen neuen, noch größeren Krieg im Mittleren Osten. Maximalen Druck ja, Krieg nein, scheint auch Trumps Maxime zu sein. [….]  Aus maximalem Druck kann sehr schnell eine heiße militärische Konfrontation werden. [….] Die Handlungsfreiheit der USA im Nahen Osten hat sich aber seit 2003 erheblich verringert. Irans regionale Position ist heute wegen des Kriegs im Irak wesentlich stärker als damals. Das Land würde im Ernstfall materiell und diplomatisch auch durch Russland und China unterstützt, wäre also mitnichten isoliert.
[….] Für Trump allerdings könnte sich sehr schnell im iranischen Irrgarten, den er mit seiner Aufkündigung der Nuklearvereinbarung ohne Not betreten hat, die wenig ansprechende Alternative auftun, zwischen völligem Gesichtsverlust und militärischer Konfrontation wählen zu müssen.  [….]