Dienstag, 26. März 2019

Wie man sich an das nicht Tolerierbare gewöhnt.


Selbst unter Verbrechern gibt es offenbar noch eine moralische Hierarchie.
Im Knast stehen Bankräuber und Schläger über Vergewaltigern und die stehen klar über den Pädophilen, die nun wirklich jeder so sehr hasst, daß auch Mörder nichts mit ihnen zu tun haben wollen.
Man könnte die Ethik hinter so einer Delikthierarchie hinterfragen. Zumindest, wenn man Pädosex-Täter hartnäckig als „krank“ bezeichnet.
Vielleicht ist dem ein oder anderen aufgefallen, daß ich in nie den Begriff „krank“ nie in diesem Zusammenhang verwende, weil sich damit automatisch die Frage der Schuldfähigkeit anschließt. Kann ein „Kranker“ überhaupt etwas dafür, was er tut? Ist es nicht weniger verwerflich ein Verbrechen zu begehen, wenn es durch eine psychische Disposition, mit der man geboren wurde einen starken Trieb dazu gab, als wenn man sich als Nicht-Triebhafter bewußt zu einem Verbrechen wie einem Bankraub entscheidet, obwohl man es auch lassen könnte?
Aus der Täter-Perspektive ist also eine Kindervergewaltigung womöglich schneller geschehen als ein Bankraub.
Aus der Opfer-Perspektive verhält es sich genau anders herum, weil „die Bank“ nicht so leidet, wie ein kleines Kind.
Problematisch wird eine psychologische Bewertung durch die nicht vorhandenen scharfen Grenzen zwischen sexuell auf Kinder Fixierten und sogenannten „Normalen“, deren sexuelle Gelüste sich auf Erwachsene beschränken.
Es gibt eine Vielzahl Studien, die zeigen, daß sich auch sehr viele „Normale“ zusätzlich auch pädophil oder ephebophil erregen lassen.
Hat man quasi ein breiteres Spektrum zur Verfügung, fällt es womöglich leichter sich von Kindern fernzuhalten. Weil man eine andere Triebabfuhr hat. Aber solche Menschen haben es natürlich schwerer als diejenigen, die sich gar nicht von Minderjährigen angezogen fühlen.
Ich habe schon oft über dieses Phänomen nachgedacht, weil ich rein zufällig zum genau entgegengesetzten Spektrum gehöre. Ich bin gewissermaßen „pädophob“ und finde Kinder und Jugendliche eher abstoßend.
Ich kann nicht nachvollziehen worin der sexuelle Reiz von Menschen unter 30 liegt.
Insofern wundere ich mich seit Jahrzehnten darüber wie in Literatur und Medien der Reiz, die Schönheit von Adoleszenten befördert wird. Stichworte sind „Lolita“-Romane, „knospende Weiblichkeit“, der allgemeine Wahn jegliche Genitalbehaarung zu entfernen, um möglichst präpubertär zu wirken. Ein weltweit vorkommendes Motiv in allen Kulturen ist die Erhöhung von Jungfrauen.
Jungfräulichkeit erhöht den Wert einer Frau, wer die Jungfräulichkeit verloren hat, gilt als „gefallen“ und der durchschnittliche IS-Kämpfer freut sich auf seine 72 Jungfrauen im Himmel.
Warum bloß?
Betrachtet man Sex, wie die Katholische Kirche als reines Übel zur Fortpflanzung und preist die Mutterschaft, ist damit doch automatisch das Gegenteil von Jungfräulichkeit verbunden.
Und die aufgeklärteren Geister unter uns, die Sex nicht nur widerwillig in Missionarsstellung zur Produktion von Kindern ansehen, sondern zum Vergnügen kopulieren, sollten ebenfalls von Jungfrauen ablassen, da man erst lernen muss mit seinem Körper umzugehen.
Auch das ist ein gängiges Motiv in der Literatur: Der peinliche und unangenehme erste Sex.
Meines Erachtens ist es also völlig widersinnig in Werbung und Popkultur der Jugend und den Teenagern zu huldigen, sich gegen das Älterwerden zu sperren.
Besonders ekelhaft ist es natürlich, wenn alte weißhaarige Geistliche im Kleid anfangen von der Reinheit der Kinder, der Unschuld ihrer Messdienerchen zu schwärmen.
Noch heute dürfen erwachsene Frauen in der katholischen Kirche nicht den Altarraum betreten, weil sie durch die Menstruation als „unrein“ gelten.
 Was für ein Blödsinn.
Natürlich ist auch ein 18–Jähriger Junge, der bereits mit seiner Freundin geschlafen hat nicht „unreiner“ als sein jungfräulicher 14-Jähriger Bruder.

[…..] Geschlechtliche Unreinheit
Des Weiteren stehen verschiedene die Geschlechtsorgane betreffenden sowie die mit Zeugung und Geburt zusammenhängenden Erscheinungen im Fokus der Vorstellungen von rein und unrein. Eine Wöchnerin ist nach der Geburt eines Jungen sieben und nach der Geburt eines Mädchens vierzehn Tage unrein; nach einer weiteren Frist von 33 (bei einem männlichen Kind) bzw. 66 (bei einem weiblichen Kind) Tagen, in der sie sich zu Hause aufzuhalten hat, muss sie vom Priester ein Brand- und ein Sündopfer darbringen lassen, um ihre Reinheit definitiv wieder herzustellen (Lev 12,6-8).
Im Status der Unreinheit befindet sich eine Frau auch, wenn sie ihre Regel (Lev 15,19) bzw. außerzyklischen Blutfluss (Lev 15,25) hat. Wer die betreffende Frau anrührt, wird unrein bis zum Abend; auch Gegenstände, die in direkten Kontakt mit dieser Frau kommen, wie ihr Sitzplatz oder ihr Lager, werden unrein und können diese Unreinheit dann an einen Menschen, der diese Gegenstände berührt, weitergeben. Gleichzeitig verunreinigt sich auch jeder Mann, der mit einer menstruierenden Frau Umgang hat (Lev 15,19-31; vgl. die Anspielung darauf in Ez 18,6). Der Mann wiederum wird durch Ausfluss (Lev 15,13), Pollution (Lev 15,16) sowie durch Geschlechtsverkehr (Lev 15,18) unrein (vgl. 1Sam 21,5-7). Auch hier gilt, dass sich diese Unreinheit über Lager und Sitzplatz weiter ausbreiten kann.
Aber auch sexuelles Missverhalten kann die Quelle für Unreinheit bilden; hier wird der Umgang mit der Frau eines Stammesgenossen sowie der Umgang mit einem Tier ausdrücklich genannt (grundlegend Lev 18,20.23 und Num 5,20-29; s.a. Gen 34,5.13.27; Ez 18,15; Ez 22,11; Ez 33,26). [….]

Die biblischen/göttlichen Vorschriften sind nicht nur offensichtlich unsinnig – wieso sollte eine Mutter nach der Geburt eines Sohnes weniger unrein als nach einer Tochter sein? – sondern auch noch absurd widersprüchlich.

So begeistern sich Geistliche über alle Maßen für die kindliche Reinheit der Seele, werden aber davon gleichzeitig so stark sexuell erregt, daß sie sofort unreine Gedanken bekommen und den Knaben verunreinigen wollen.
Wäre es nicht sinnvoller etwas für besonders reinlich zu erklären, das einen nicht sofort dazu bringt „unrein“ zu werden?

[……] Als das Christentum aufkam, in der Antike, hat sich die Kirche dafür eingesetzt, dass Kinder genauso heilig und unverfügbar sind wie Erwachsene. Und zwar alle Kinder, auch die von Sklaven. Deren Söhne und Töchter zu missbrauchen, sie sogar zu töten, war damals weder verboten noch sonderlich verpönt. Später gab es das Problem sexueller Übergriffe aber auch in mittelalterlichen Klöstern. Man kann das daran ablesen, dass die Orden versucht haben, den körperlichen Kontakt mit Knaben zu verhindern. Überall dort, wo Kinder der Kirche anvertraut wurden, waren Schutzvorschriften notwendig.
[……] Zum Beispiel durften nur ältere Mönche den Schlafsaal der Kinder überwachen, die dort als "pueri oblati", also "dargebotene Knaben", zu Mönchen ausgebildet wurden. Der Begriff des Missbrauchs war damals noch unbekannt, aber die "Reinheit" der Kinder galt als vorbildlich und musste bewahrt werden. Das galt natürlich ebenso für die "Reinheit" der Mönche. Diejenigen, die sich an den Knaben vergangen hatten, mussten Bußstrafen leisten. [….]

Der sexuelle Aspekt der christlichen Reinheit ist und bleibt mir ein Rätsel.
Die Notwendigkeit Gitter in Beichtstühlen anzubringen, weil sich sonst die Priester nicht beherrschen können und den kleinen beichtenden Jungs in den Schritt greifen müssen, ist an sich schon ein Beleg dafür, daß der Priesterberuf Männer mit besonderen Veranlagungen anzieht.
Mich schockiert aber immer noch das Vokabular, das in diametralem Gegensatz zu all dem steht was ich mit Kindern konnotiere: Nämlich Unreinheit im Sinne von klebrige Finger, kleckern, schmatzen, Virenschleudern (niesen, rotzen, husten ohne sich die Hand vor den Mund halten), vollgeschissene Hosen, in Pfützen springen, mit vollem Mund sprechen, Windeln, Unordnung machen.
Unreiner als Kinder geht gar nicht.
Deswegen breiten sich Epidemien auch immer in Kitas aus, weil die kleinen Siffbirnen alles angrabbeln, in den Mund stecken und sich nicht die Hände waschen. Ist eins der Kinder krank, haben es am nächsten Tag alle.

Priester sind also doppelt pervers. Erstens weil sie ausgerechnet die kleinen Drecksspatzen als „rein“ loben und zweitens weil sie das auch noch geil macht.

Bis in die allerjüngste Zeit spart sich die katholische Kirche eine strafrechtliche Bewertung der pädosexuellen Handlungen.
Sie verdammt homosexuelle Taten, aber das Ficken von Kindern nur indirekt, weil damit die „Reinheit des Priesters“ beschädigt wird.
 Die Opfer sind im Kirchenrecht immer noch relativ irrelevant.

[….] Eines [….]  unterscheidet die katholische Kirche von allen übrigen gefährlichen Gesellschaften: Sie unterhält eine eigene Strafjustiz, die solche Vergehen ahndet. [….]  [….]
Was also hat es mit dem kanonischen Recht auf sich? Man denunziert es nicht, wenn man ihm bescheinigt, dass es sich mit weltlichen Maßstäben nicht verträgt. Es gehorcht völlig anderen Strafzwecken als sein staatliches Pendant.
Sehr speziell ist schon die wenn nicht verschämte, so doch höchst indirekte Sprache. Begriffe wie sexueller Missbrauch oder sexuelle Handlung tauchen nicht auf. Einschlägig ist der Codex Iuris Canonici von 1983, ergänzt um prozessuale Regeln, die Johannes Paul II. 2001 zum "Schutz der Heiligkeit der Sakramente" erlassen hat und die insbesondere die Kongregation für die Glaubenslehre als allein zuständig für die Verfolgung solcher Vergehen festlegt. Alle Gesetze sprechen nur von der "Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs".
Unvermeidlich wird allein damit das große Buch des zweitausendjährigen Kampfes der Kirche gegen Homosexualität aufgeschlagen, mehr noch, es reicht bis in die Anfänge des Alten Testaments zurück, zur Genesis (1. Moses 19, 1 ff.) und der Geschichte von Sodom und Gomorrha. [….] Bedeutsam dabei ist die Systematik, unter der die Strafbarkeit läuft. So wie der Erlass von Johannes Paul II. dem Schutz der "heiligen Sakramente" dient, so definiert der Codex von 1983 die Verstöße gegen jenes sechste Gebot als Vergehen der "Amtsanmaßung" oder der Verletzung besonderer "Verpflichtungen".
Geschützt wird also primär nicht, wie im weltlichen Strafrecht, die sexuelle Selbstbestimmung der Opfer. Geschützt wird vielmehr die Reinheit des "Bußsakramentes" der Beichte (der Priester darf diesen sakralen Akt nicht durch sexuelle Annäherung an den Beichtenden pervertieren) oder sonstiger weihevoller Amtspflichten. Selbst beim Missbrauch von Minderjährigen wird diesen kein autonomes Schutzrecht zugestanden.
Folgerichtig droht die schwerste Strafe nicht für Sexualverkehr mit Kindern, sondern Priestern, die einem "Mitschuldigen an einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs die Absolution erteilen". Diese gelten, vor jeglichem Urteil, schon mit der Tat als exkommuniziert. Hier drückt sich der kanonische Perspektivenwechsel am drastischsten aus. Nicht etwa schlimmere Tatumstände beim Missbrauch des Opfers begründen hier die scharfe Strafe, sondern der Missbrauch des Absolutionsrechts. [….]

2.000 Jahre kirchliches Kinderkopulieren haben das bewirkt, was in modernen Gefängnissen unmöglich wäre: Man hat sich daran gewöhnt, daß Katholische Priester und Mönche extrem überproportional oft Kinder missbrauchen, quälen, vergewaltigen.
Pädophile werden ohnehin von den frauenfeindlichen, ehelosen Strukturen des Priesterseminars angezogen.
Hinzu kommen aber noch all die ganz normalen Homo-, Bi- und Heterosexuellen mit den eingangs erwähnten leichten Überschneidungen in den ephebophilen Bereich, die durch den Zölibat und die Verdammung von Sex auf die ephebosexuelle Variante ausweichen. Ihren Sexualtrieb können sie eher mit Kindern ausleben, weil sie sich sexuell betrachtet selbst noch auf einer kindlichen Entwicklungsstufe befinden und weil der Akt an sich so sündig ist, daß sie sich nicht leisten können erpresst oder geoutet zu werden.
Nur ein schutzbefohlenes Kind können sie effektiv genug einschüchtern, um es davon abzuhalten alles weiter zu erzählen.

Sexuelle Gewalt an Messdienern mag also auch einigen Priestern als „Ventil“ dienen, das bei anderen Rahmenbedingungen, wenn sie nämlich akzeptiert und legal mit erwachsenen Männern und Frauen schlafen könnten, gar nicht benötigt würde.

Die Geheimhaltung klappt in den Zeiten des Internets und der sozialen Medien immer weniger. Deswegen wissen wir nun von den Myriaden Opfern der sexuellen Gewalt durch perverse Penetrations-Priester.
Man sollte meinen, daß die RKK dadurch mehr als nur einen leichten Imageverlust erleidet.
Aber der Gewöhnungsprozess ist zu weit fortgeschritten.
Die deutschen Parteichefinnen Nahles und Kramp-Karrenbauer verteidigen leidenschaftlich Papst und RKK.
Sie lachen die Opfer aus.

Wir wissen das lange, seit Jahren prangern Gerichte, Journalisten und sogar die UN das Verhalten der Katholiken.
Nahles ist es wurscht.

[….] U.N. Report: Vatican Policies Allowed Priests To Rape Children The United Nations heavily criticized the Vatican on Wednesday for what it said was a systematic adoption of policies allowing priests to rape and sexually abuse tens of thousands of children.
The devastating report published by the U.N. Committee on the Rights of a Child said the Vatican must "immediately remove" all known or suspected child abusers within the clergy.
It said the Holy See had "systematically placed preservation of the reputation of the church and the alleged offender over the protection of child victims."
In response, the Vatican said in a statement published on its website that some points made in the report were an "attempt to interfere with Catholic Church teaching."
The Vatican said it would examine the report thoroughly and reiterated its commitment to defending and protecting child rights in accordance with the U.N. guidelines and "the moral and religious values offered by Catholic doctrine." [….]

Kinderficken ist nicht nur kein Tabu mehr, sondern es wird offensichtlich von weiten Teilen der Öffentlichkeit toleriert.
So ist sie eben, ihre katholische Kirche.

Montag, 25. März 2019

Evangelische Heilung


So ca 2013 muss das gewesen sein. Mein Vater hatte eine Lungenentzündung verschleppt, weil Monsieur natürlich nicht ins Krankenhaus geht und landete auf der Intensivstation des UKE.
Das war eine doppelt interessante Erfahrung für mich als Besucher. Ich kannte bis dahin nur die kardiologischen Intensivstationen.
Der arme Mann war total hinüber auf der Thorax-Röntgenaufnahme sah man nur noch eine weiße Fläche. Bis dahin wußte ich gar nicht, daß es Pneumonien auch ohne Fieber gibt. Das war die erste erstaunliche Erkenntnis. Mein Vater lag im tiefen Koma. Die totale Apparatemedizin mit Dutzenden Schläuchen, die einen tot erscheinenden Körper beatmeten und die Brustkorb hoben und senkten.
Noch verblüffter war ich aber, daß mich eine Krankenschwester reinholte, sich mit mir an sein Bett setzte und ausführlich jedes medizinische Detail erklärte. Anschließend holte sie den Stationsarzt und forderte mich auf alle Fragen zu stellen.

Der Gesundheitszustand meines Vaters war gruselig, aber von der Betreuung war ich geradezu begeistert. Seit wann kümmert man sich so mitfühlend und geduldig um die Angehörigen?
Wie sich rausstellte, wußten die Jungs und Mädels des UKE auch was sie taten und nach wenigen Tagen kehrte das Leben in ihn zurück.
Man verschob ihn auf die IMC-Station und nur einen weiteren Tag später auf die normale Station. Endlich genug Platz am Bett und ich rückte mit seinen persönlichen Dingen an – Brille, Lesestoff, Uhr, Blocks, Stifte.
Unglücklicherweise fand ich ihn nicht mehr. Der Mann war verloren gegangen.
Typisch mein Vater; er sprach schlecht deutsch, konnte sich keine einzige Telefonnummer merken und war ohne mein Wissen in ein anderes Krankenhaus verlegt worden.
Bei geriatrischen Fällen fackelte das UKE offenbar nicht lang und hielt sich nicht damit auf Angehörige zu verständigen, sondern schob sie in das  „Evangelische Krankenhaus Alsterdorf“ ab. Mit denen besteht offenbar ein Kooperationsvertrag?

[….] Das Evangelische Krankenhaus Alsterdorf ist akademisches Lehrkrankenhaus des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und versorgt Patienten in sieben Fachbereichen. Es gehört zur Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Das Krankenhaus hat als einzige Hamburger Klinik einen besonderen Versorgungsauftrag für Menschen mit Behinderung. [….]
(EKA)

Alsterdorf also. Das Gebäude war so nagelneu, daß es draußen noch nicht mal Parkplätze, sondern nur Schotterpisten gab.
 Ich fand meinen Vater auf einer dieser typischen Geriatrien. Dreibettzimmer, beißender Uringeruch, Movicol-Overkill und kein Arzt zu finden.
Es gab einige dringende Angelegenheiten zu besprechen, weil die Antikoagulationstherapie unterbrochen war, die aber unbedingt erforderlich war wegen seiner diversen Ersatzklappen im Herz.
Auf seiner Station gab es aber noch nicht mal ein Ärztezimmer. Man musste in einen anderen Flügel gehen und dort wie in einem Gefängnis durch einen kleinen Schlitz betteln, daß man irgendjemand vom medizinischen Personal sprechen konnte. Ich ahnte das schon und hatte eine Kopie meiner notariellen Vollmacht dabei, aber selbst damit wurde ich abgeschmettert und auf die Sprechzeiten am nächsten Tag verwiesen.

An derselben blöden Klappe hatte ich schon mal ein Jahr zuvor gestanden, als mich mein Orthopäde wegen eines Handgelenkganglions dringend dahin verwiesen hatte. Dort säße Hamburgs beste Handchirurgin; nur sie käme für so einen Eingriff in Frage.

[….] Das Evangelische Krankenhaus Alsterdorf ist seit mehr als 20 Jahren darauf spezialisiert, erkrankte Hüft- und Kniegelenke durch künstliche Gelenke zu ersetzen. Zu den Spezialgebieten gehören auch Operationen von Schulter, Hand, Ellenbogen, Sprunggelenk und Fuß. [….]

Die derart patientenfeindliche Behandlung und die unschöne Kombination aus meiner Privatversicherung und einer Ärztin, die diese grauenvolle Erkrankung sofort operieren wollte, ließ mich skeptisch werden.
Ich hörte mich ein wenig um, erfuhr, daß im Gegensatz zum Eindruck der EKA-Leute Handgelenkganglien doch nicht die gefährlichsten Krankheiten der Welt sind, beschloss zu prokrastinieren und während ich das tat, verschwand das Ganglion von ganz allein.

Nun ging es aber darum meinen Vater möglichst schnell aus den Krallen des EKA zu befreien. Der schlechte Ruf der Evangelen kommt nicht von ungefähr in Hamburg.

[…..] 1863 gründete der ehemalige Michel-Pastor Heinrich Matthias Sengelmann die "Alsterdorfer Anstalten". Er kümmerte sich zunächst um Kinder mit geistiger Behinderung, später auch um Erwachsene. Sengelmann legte Wert darauf, die Kinder in der Schule zu unterrichten und Arbeitsmöglichkeiten für die Erwachsenen zu schaffen.
Als Sengelmann 1899 stirbt, leben mehr als 600 geistig, körperlich und seelisch behinderte Menschen sowie 140 Mitarbeiter und ihre Familien in den Alsterdorfer Anstalten. Die Stiftung ist weit über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannt und Vorbild für andere Einrichtungen der Behindertenhilfe.
[…..] Ein dunkles Kapitel ist die Zeit von 1939 bis 1945. Auch in Alsterdorf gab es Ärzte, die im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie handelten. Das Krankenhaus wurde Standort der „Alsterdorfer erbbiologischen Gutachterstelle“ und der „Erbgesundheitsdatei“. Kinder verlegte man ins Krankenhaus Rothenburgsort, wo sie zu medizinischen Versuchen missbraucht wurden; viele Bewohner wurden zwangssterilisiert. Und mehr  als 600 Bewohner wurden in Konzentrationslager deportiert und dort ermordet. [….]

Auf den Seiten der Evangelischen Stiftung Alsterdorf heißt es nur, daß die „Dunkle Zeit“ im Jahr 1981 aufgearbeitet wurde.

[…..] Unter dem Motto „Erinnern für die Zukunft“ gibt es jährlich am 8. Mai eine Gedenkfeier der Ev. Stiftung Alsterdorf für diese Opfer des Nationalsozialismus. [….]

So war das mit Hitlers willigen Helfern der Deutschen Christen (DC): Nach 1945 in paar Jahrzehnte eisernes Schweigen und dann ein Gedenkfeier mit Gebet und gut ist.

Die Dunkle Zeit kann allerdings bei Evangelen auch mal länger anhalten. Auch wenn die progressive Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs im Stiftungsrat sitzt.
Fehrs, die sehr zerknirscht, aber auch sehr vage im Jahr 2019 bekennt, die Diakonie habe Schuld auf sich geladen.

[….] Bei einem Gottesdienst zum Tag der Kriminalitätsopfer in der Hauptkirche St. Jacobi hat sich Bischöfin Kirsten Fehrs zur Verantwortung der Kirche in Sachen Gewalt bekannt: „Es gibt an dem Versagen der Kirche nichts, aber auch gar nichts zu beschönigen. Wir sind schuldig geworden, auch als Institution.“
Die Bischöfin sagte, dass Kinder in kirchlichen Heimen in den 1950er-Jahren „drangsaliert, geschlagen und erniedrigt“ worden seien: „Einige der Betroffenen sind hier – ich bin dankbar und finde wichtig, dass sie uns mahnen, immer wieder.“ [….]

Ja, die grausamen 1950er.
Nun ist ja alles so viel besser.

[….] Die Evangelische Stiftung Alsterdorf ist eine eigenständige Stiftung privaten Rechts. Sie wird geleitet von einem vierköpfigen, hauptamtlichen Vorstand. Er wird eingesetzt und kontrolliert vom Stiftungsrat der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. [….]Stiftungsrat: Uwe Kruschinski, Vorsitzender, Bernd Seguin, stellv. Vorsitzender, Landespastor Dirk Ahrens, Bischöfin Kirsten Fehrs
[….]Menschen sind unser Leben.«  Das ist unser Leitsatz und so sollen die Menschen unsere Arbeit wahrnehmen: Als Unternehmen für Menschen. Der unmittelbare Dienst von Menschen an Menschen ist der rote Faden unserer Arbeit, ganz gleichgültig ob in unseren Assistenz- und Arbeitsangeboten, in unseren Krankenhäusern, in unseren Schulen, in der Arbeit für Menschen in sozialen Notlagen, für alte und pflegebedürftige Menschen. [….]

Wie die Pfaffen und Bischöfe das Leitbild „Menschen sind unser Leben“ verstanden, ist eindeutig christlich.

[…..]  Ein Foto aus den 70er Jahren zeigt die grauenhaften Zustände in den Alsterdorfer Anstalten. Es gab keine Betreuung. Bewohner wurden wie Gefangene behandelt, geschlagen, gequält, zwangssterilisiert.
[…..] Wer nicht spurte, wurde geschlagen, isoliert, an Heizkörper oder ans Bett gekettet. Menschen wurden gedemütigt, als billige Hilfskräfte missbraucht, mit Medikamenten vollgepumpt. All das ist in Hamburg in den Alsterdorfer Anstalten passiert. Wer jetzt denkt, hier ist von der Nazi-Zeit die Rede, der irrt. Wir reden von den 50er, 60er, 70er, ja sogar von den 80er Jahren.
Der heute 72-jährige Werner Boyens ist einer von denen, die durch die Hölle gingen. „Mein Leben ist nicht die Hälfte wert“, sagt er. Will heißen: Was ihm widerfahren ist, ist nicht wiedergutzumachen. Zwar hätten sich die Alsterdorfer Anstalten bei ihm entschuldigt, räumt er ein. Aber das will er nicht akzeptieren, denn es hätten sich diejenigen entschuldigen müssen, die ihm das angetan haben. „Aber die leben ja gar nicht mehr“, sagt er.
[…..] Werner Boyens kam 1947 nach Alsterdorf. Er war ein halbes Jahr alt. Diagnose: Epilepsie, obwohl er, wie er sagt, nie Anfälle hatte. 35 Jahre wurde er in Alsterdorf festgehalten – bis er 1982 floh. Sieben Jahre hatte er seine Flucht geplant. Er wollte endlich sein eigenes Leben leben.
Und das hat er dann auch: Er holte den Hauptschulabschluss nach, heiratete, erlernte zwei Berufe: Bootsbauer und Elektriker. Kinder hätte er gerne gehabt. Ging aber nicht. Weil er in Alsterdorf gegen seinen Willen sterilisiert worden war. Heimlich. Weil irgendwer meinte, er wäre es nicht wert, sich zu reproduzieren.
[…..] Karin Schmüser (88) lebt seit 81 Jahren in der Stiftung Alsterdorf: Sie erzählt, dass sie geschlagen wurde. Kontakt mit Männern war verboten. Für „Fehlverhalten“ gab es drakonische Strafen.
[…..] „Abends wurden wir mit dem Fuß ans Bett angekettet, damit wir nicht weglaufen“, erzählt Boyens. Gebadet wurde nur einmal die Woche. „Und wenn sich einer von uns nass gemacht hat, hat man uns einfach nur ein bisschen mit dem Lappen abgewischt.“ Wer den Pflegern nicht aufs Wort gehorchte, wurde geschlagen. Manche hatten richtig Spaß dabei.
Das Personal hat die „Pflegebefohlenen“, wie die Bewohner genannt wurden, nicht etwa beim Namen gerufen, sondern mit Nummern. „Ich hatte die Nummer 967“, sagt Boyens. Weil er aufsässig war, wurde er oft schwer bestraft. „Packung“, so hieß die Folter. Die Pfleger wickelten ihn ganz dick in Decken, hoben ihn in eine volle Wanne, so dass sich der Stoff vollsog. So legten sie ihn auf ein Bettgestell. 14 Tage […..]


Sonntag, 24. März 2019

SPD-Briefwechsel


Wenn es offiziell wird drücke ich mich natürlich etwas höflicher aus als in den Tammox-Rants und so schickte ich eine zivilisierter Version meines Wutanfalls nach dem letzten Klingbeil-Verdikt wider die Säkularen unter Klarnamen an die verschiedenen SPD-Gliederungen.
Der Hamburger Landesverband antwortete ebenso wenig wie der Parteivorstand oder gar Andrea Nahles selbst.

Zu Dokumentationszwecken veröffentliche ich den Wortlaut:

Meine lieben Genossen!

Vor zwei Wochen erhielt ich von meiner Hamburger Landeschefin Leonhard ein Glückwunsch-Schreiben zu meinem 25-Jährigen.
Dafür möchte ich mich bedanken und anlässlich dieses runden Datums ein paar Gedanken äußern.

Ich weiß noch genau aus welchen Gründen ich Anfang 1994 in die Partei eintrat, der ich mich ohnehin immer am engsten verbunden fühlte. Es war meiner Ansicht nach eine schwere Fehlentscheidung Rudolf Scharping zum Chef zu wählen. In einem Verfahren, das ohne einen zweiten Wahlgang offensichtlich auf ihn zugeschnitten war, um Gerd Schröder zu verhindern.
Hier in Hamburg hielten alle meine Freunde das für einen offensichtlichen groben Fehler und erklärten unter diesen Umständen nicht die SPD im 1994er Wahlkampf mit dieser absurden Troika, die von dem Schwächsten der drei geführt wurde, zu unterstützen. Uns schien die heißersehnte Möglichkeit Helmut Kohl endlich abzuwählen damit vertan. Und wir sollten Recht behalten.
Im Gegensatz zu meinen Altersgenossen, die sich frustriert von der SPD wegdrehten, dachte ich „jetzt erst recht!“ und trat in die Partei ein, weil ich fand, man müsse mitarbeiten, statt zu kritisieren.

Es kamen auch bald viel bessere Zeiten.
 1995 der Durchmarsch Lafontaines in Mannheim, als mir zum ersten mal auch meine JUSO-Chefin Nahles auffiel, die von einem Kamera-Team der Küppersbuschen WDR-Sendung „ZACK“ begleitet dort einmarschierte und theatralisch verkündete, es ginge nun darum „den Rudolf zu wählen!“
Ich konnte es nicht fassen. Wieso merkte ausgerechnet die Juso-Frau so gar nichts von der brodelnden Anti-Scharping-Stimmung in der SPD?
Es bedurfte nur einer hervorragenden Rede und weg war ihr Rudolf.
Leider sollte es in den folgenden zweieinhalb Dekaden zum Markenzeichen der heutigen Fraktions- und Parteivorsitzenden werden die Stimmung in der Partei spektakulär falsch einzuschätzen: Causa Müntefering/Wasserhövel, Außenminister Schulz, Maaßen-Beförderung – um nur drei eklatante Beispiele zu nennen.

Die Partei ist aber keine einzelne Person; es kamen tatsächlich viele bessere Momente.

1998 zum Beispiel.
Das war die Zeit, als ich stolz auf meine SPD war. Mutig, säkular und fortschrittlich gab sich die SPD-Regierung, das Kanzleramt geführt von einem der prominentesten Atheisten Deutschlands: Rolf Schwanitz.

Deutlich niedrigere Eingangssteuersätze (15% statt 26%!), Homo-Ehe, Zwangsarbeiterentschädigung, Staatsbürgerschaftsrecht, Ökosteuerreform, Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure, Atomausstieg, bis hin zu der Möglichkeit, daß Prostituierte sich krankenversichern lassen können, etc.
Besonders aber hat man Schröder für ewig dankbar zu sein, daß wir eben NICHT mit im Irak stecken, weil nämlich Schröder und Fischer sich mit aller Macht gegen Bush stemmten und schließlich den ganzen UN-Sicherheitsrat überzeugten, so daß USA und GB isoliert waren.

Oder 2011, als Olaf Scholz mit einer absoluten Mehrheit die schwarzgrüne-Chaos-Regierung in Hamburg wegfegte.

Ach Hamburg. Da hat man es schwer als SPD-Kritiker.

Hamburg verfügt über die vermutlich beste Landespartei der SPD, produziert die mit Abstand besten Wahlergebnisse, stellt mit dem introvertierten Wissenschaftler Peter Tschentscher einen sehr guten SPD-Bürgermeister, macht wirklich ausgezeichnete Stadtpolitik (Kriminalität und Arbeitslosigkeit auf Tiefststand, Flüchtlingsintegration klappt vorbildlich, sozialer Wohnungsbau boomt) und zudem ist Olaf Scholz‘ Nachfolgerin als Landeschefin, Melanie Leonhard, die 41-jährige promovierte Historikerin und Sozialsenatorin prima!
Hier bin ich gern Sozi.

Aber nach 25 Jahren Parteimitgliedschaft haben es Nahles und Klingbeil so weit gebracht, daß ich es fast nicht mehr vor mir selbst rechtfertigen kann zahlendes Mitglied der Bundes-SPD zu sein nachdem seit Tagen das erneute Verbot eines säkularen Arbeitskreises durch die Presse geht.

[….] Wer nicht kirchlich orientiert ist, hat es schwer in der SPD: Die „Säkularen Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen“ wollen einen Arbeitskreis in der Partei gründen – so wie Christen, Muslime und jüdische Genossen jeweils einen haben. Aber die weltlich Gesinnten dürfen nicht. Mehr noch: Generalsekretär Lars Klingbeil verbietet ihnen mit Hinweis auf die Parteijustiziarin, sich als „Sozialdemokraten“ auszugeben. „Das gilt auch für öffentliche Auftritte, zum Beispiel im Internet“ schreibt Klingbeil in einem Brief an die Gruppe, welcher der F.A.Z. vorliegt. [….]

Ich kann noch nicht mal sagen angesichts dieser Ungeheuerlichkeit fassungslos zu sein; schließlich ist mir der hartnäckige Katholizismus der Parteichefin und mehrerer anderer Parteiprominenter (Thierse, Griese) lange bekannt.

Erst vor einem Monat machte sich Andrea Nahles gehässig und brutal über die Zehntausenden von katholischen Priestern missbrauchten Kinder lustig, indem sie während des Vatikanischen Missbrauchsgipfels den Papst, der demonstrativ Pädophilenschützer wie Babarin unterstützt und sich weigert Strukturen zu ändern, so daß jetzt weiterhin Kinder durch Priester missbraucht werden, lobte:

 [….] Auch in der katholischen Kirche werde es irgendwann einmal Priesterinnen geben, versicherte sie und warb für Verständnis, dass eine Weltkirche nicht schnell zu reformieren sei. "Erst vor einigen Jahren hat der Papst offiziell festgestellt, dass es keine Lindwürmer gibt. Manchmal braucht das etwas." [….]

Manchmal braucht es etwas, lacht die SPD-Vorsitzende die weltweit über 100.000 von Priestern missbrauchten Opfer aus und verteidigt den Mann, der dafür sorgt, daß weiterhin die RKK-Strukturen Pädophile anziehen.
Wie ist es nur möglich, daß eine Sozialdemokratin so vollkommen gefühllos und mitleidslos spricht?

Nahles ist keine Privatkatholikin sondern zwingt ihre antihumanistischen Überzeugungen auch anderen auf.
Das ist leider typisch für Religion; sie beinhaltet Intoleranz und steht dem Pluralismus im Weg.
Wer nicht so denkt wie Nahles und Klingbeil, darf sich nun noch nicht mal mehr „Sozialdemokrat“ nennen. Das widerspricht so ziemlich allem was ich unter plural und aufgeklärt verstehe.
Hätten sich Sozialdemokraten in den letzten 150 Jahren immer so an die katholische Kirche geklammert wie Nahles, gäbe es heute noch kein Frauenwahlrecht und Kinderarbeit.
Katholikin Nahles hat offensichtlich Angst vor Argumenten, weil sie ihrer religiösen „wir sind besser als die“-Ideologie frönt, die es grundsätzlich ausschließt, daß auch andere Recht haben könnten.

Evolutionäre Humanisten wie ich, die Nahles und Klingbeil in der SPD verbieten,  verfolgen genau den diametral entgegengesetzten Weg: Wir argumentieren, diskutieren und sind immer bereit eine These zu Gunsten einer Besseren aufzugeben. Es gibt immer mal wieder neue Themenfelder, die Humanisten vor 100 Jahren noch nicht in den Sinn kamen – Tierrechte, Verbot der Kinderarbeit, §218, Frauenrechte, Beschneidungsverbot, Transident-Ehe – die wir aber in unsere Agenda integrierten.
Möglicherweise gibt es im Jahr 2119 Sozialdemokraten, die sich wundern, daß die Humanisten von heute an für sie ganz wichtige Themen noch gar nicht dachten.
Bei Kirchisten verbietet sich dieser evolutionäre Ansatz; sie haben schon vor 2.000 Jahren ex cathedra gehört was das einzig Richtige ist. Für sie gilt die Bibel, in der Jesus den Sklaven vernietet sich gegen ihre Besitzer aufzulehnen, den Frauen gebietet in der Gemeinde zu schweigen, den Hass auf Juden ausdrückt.

Eine ungeheuerliche Demütigung, daß ausgerechnet die traditionell kirchenfernen Sozialdemokraten, die sich gegen die der Obrigkeit verpflichteten Pfaffen stellten, nun von einer religiösen Extremistin geführt werden.

Als säkularer Sozialdemokrat, als Humanist, trete ich für die Rechte von Religiösen ein, würde immer dafür kämpfen, daß jeder glauben darf was er möchte, daß jeder privat so katholisch sein kann wie er will.
Das sind sozialdemokratische Werte: Toleranz, Freiheit, Solidarität.
Der katholische Parteivorstand hingegen agiert diametral umgekehrt: Er setzt sich nicht nur nicht für die Freiheit etwas anderes zu glauben ein, sondern verbietet ausdrücklich Gedankenfreiheit, will Säkulare per order di mufti auf Kurs bringen.

Dabei sind wir Säkulare im Gegensatz zu Katholiken nicht mit einer schwulenfeindlichen, frauenfeindlichen Ideologie verknüpft, die allein in Deutschland Zehntausende Kinder quälte und missbrauchte.
Und ganz nebenbei bemerkt, wir Säkularen sind eine relative Mehrheit in Deutschland. Es gibt mehr deutsche Konfessionslose als Katholiken und wir werden jedes Jahr mehr.
Und wir wenden uns von der SPD ab.

Ich würde jederzeit dafür kämpfen, daß eine SPD-Vorsitzende Katholikin sein darf, aber sie darf nicht anderen ihre metaphysischen Überzeugungen aufzwingen und andere ausgrenzen.

2019 ist offenbar die religiöse Wende vollzogen, die Parteispitze der SPD ist sicher nichts mehr, auf das man stolz wäre. Die Kirchen-Mitglieder haben übernommen. Statt bei Schröders bundesweiten 41% liegen wir nun bei 15%.

Kein Wunder, denn das Überstülpen von Klerikalen freiheitsfeindlichen Ansichten, die von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden – ich nenne nur Verbot der Sterbehilfe, Einschränkungen bei der Patientenverfügung, Beschneidungsdebatte – treibt die Menschen von der SPD weg.

Die bedeutenden sozialdemokratischen Intellektuellen Ingrid Matthäus-Maier und Rolf Schwanitz werden kalt gestellt und dafür kommt nun die rheinisch-schlichte katholische Karnevals-Fraktion.
Projekt Fünfprozenthürde?

Die Konfessionslosen sind heute nicht nur heimatlos; sie werden von ostentativ frommen Führungsfiguren der SPD-Parteiführung abgeschreckt.

Ich glaube nicht, daß ich noch SPD-Mitglied bin, wenn ein nächstes rundes Datum anstünde, zu dem eine Landesvorsitzende einen Glückwunschbrief schreiben würde.

Mit freundlichen Grüßen

Immerhin eine Reaktion gab es.
Vom Generalsekretär Lars Klingbeil.

(….)
vielen Dank für die Mail und die damit verbundene Nachfrage! Es ist immer wichtig, sich direkt auszutauschen, damit kein falscher Eindruck entsteht.

Die Mitglieder der SPD gehören unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften an und es gibt auch viele konfessionsfreie Menschen in der SPD. Alle sind herzlich eingeladen, sich in der SPD zu beteiligen.

Die Nutzung des Parteilogos und des Namens der SPD allerdings ist klar geregelt. Grundsätzlich steht die Nutzung neben unseren Funktions- und Mandatsträger*innen im Rahmen der Parteiarbeit nur offiziellen Organisationseinheiten und Gremien zu. Und welche das sind, darüber entscheide nicht ich, sondern ein Parteitag oder der Parteivorstand. Für die Einhaltung dieser Regeln bin ich als Generalsekretär verantwortlich.

Als SPD bekennen wir uns zum jüdisch-christlichen und humanistischen Erbe Europas und zur Toleranz in Fragen des Glaubens. Grundlage und Maßstab dafür ist unsere Verfassung. Kernanliegen der „Säkularen Sozis“ ist die strikte Trennung von Kirche und Staat. Das ist eine legitime Position. Es ist allerdings nicht die Position der SPD, so wie es auch nicht die Position des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist. 2011 hat der SPD-Parteivorstand daher die Einrichtung eines laizistischen Arbeitskreises einstimmig abgelehnt.

Natürlich darf sich jeder der säkularen Mitstreiterinnen und Mitstreiter Sozialdemokrat nennen, so wie alle Mitglieder der SPD. Wo kämen wir denn da hin? Nur die säkulare Gruppierung, die nicht offiziell von der Partei als Arbeitskreis anerkannt wird, darf die Bezeichnung SPD sowie Sozialdemokrat nicht verwenden. Gegen die Bezeichnung „Säkulare Sozis“ bestehen z.B. hingegen keine Bedenken. Diese Regeln gelten selbstverständlich für alle.

Ich habe den säkularen Sozis vor gewisser Zeit zur Klärung des Sachverhalts ein Gesprächsangebot gemacht, das bisher nicht angenommen wurde. Vielleicht nutzt die aktuelle Debatte, den Gesprächsfaden doch noch einmal aufzunehmen. Ich würde es mir wünschen.

Beste Grüße
Lars

Lars Klingbeil
Generalsekretär

SPD-Parteivorstand
Willy-Brandt-Haus
Wilhelmstraße 141
10963 Berlin