Dienstag, 26. Februar 2019

Schamlosigkeit Extrem


Was hält man von einem Mann, der sich für den Job als mächtigster Mann der Welt bemüht und als erstes offen rassistisch Ausländer zu Kriminellen und Drogendealern herabwürdigt und auf offener Bühne ein Behinderten verspottet und imitiert? So geschehen im November 2015, als Trump den an Arthrogryposis leidenden New York Times Reporter Serge Kovaleski “ridiculete”.


Trump-Fan und Möchtegern-potus Chris Christie saß neulich bei Bill Maher und erzählte, wie er sich im Juli 2015 zu einem Strategiemeeting mit Jeb Bush traf nachdem Donald Trump über John McCain hergefallen war.


Der fünfmalige Vietnam-Drückeberger vergeht sich am Nationalhelden McCain, der jahrelang in Vietcong-Gefangenschaft so schwer gefoltert wurde, daß er bis an sein Lebensende davon gezeichnet war.
Veteranen sind ohnehin heilig in den USA. Noch heiliger sind sie den Republikanern. Und noch heiliger als normale Veteranen sind ehemalige POW (prisoners of war). Aber die allerhöchste Stufe der Heiligkeit ist ein POW, der über Jahre gefangen und gefoltert wurde. Von dieser allerhöchsten
Heiligenkategorie gibt es wiederum nur einen, der es anschließend zum legendären GOP-Senator und GOP-Präsidentschaftskandidaten brachte; John McCain.

[….] Republican presidential candidate Donald Trump slammed Sen. John McCain (R-Ariz.), a decorated Vietnam War veteran, on Saturday by saying McCain was not a war hero because he was captured by the North Vietnamese.
“He’s not a war hero,” Trump said. Sarcastically, Trump quipped, “He’s a war hero because he was captured.” Then, he added, “I like people that weren’t captured.” [….]

Man kann nicht John McCain derartig beleidigen und das politisch überleben. Schon gar nicht, wenn man auf GOP-Ticket reist. „End of the run“ – anders ging es gar nicht-
Das war für Bush und Christie so klar, daß sie überlegten, ob sie nach dem nun unvermeidlichen Ausscheiden Trumps aus dem Rennen nun als gemeinsames Ticket antreten würden.

POW

Bis heute ist nicht wirklich klar wieso die elementarsten Regeln des Anstandes und über Jahrhunderte geltende moralische Standards der US-Gesellschaft nicht für Trump gelten.


Heilig wie POW-Familien sind/waren immer auch Gold-Star-Familien, also Angehörige eines gefallenen US-Soldaten.
Auch diese Hürde riss Trump, als er ein Jahr später mehrfach lästernd über das Goldstar-Paar Khizr Muazzam Khan Ghazala Khan herfiel, deren Sohn Captain Humayun Khan (1976 – 2004) im Irakischen Baqubah bei einer suicide attack zerfetzt wurde und posthum als Kriegsheld mit Purple Heart und Bronze Star geehrt wurde.
Trump, der five-time-draft-dodger, aus dessen Familie kein einziges Mitglied jemals Soldat war müsste eigentlich besonders vorsichtig sein, aber für ihn gelten keine Regeln.

 [….] Republican presidential hopeful Donald Trump has attracted outrage by mocking a dead US Muslim soldier's mother.
Ghazala Khan stood silently next to her husband as he attacked Mr Trump in an emotional speech to the Democratic National Convention on Thursday.  Mr Trump suggested she may not have been allowed to speak.
[….]  "If you look at his wife, she was standing there," he said, "She had nothing to say... Maybe she wasn't allowed to have anything to say. You tell me."
But former president Bill Clinton, the husband of Democratic nominee Hillary Clinton, said: "I cannot conceive how he can say that about a Gold Star mother." [….] Ohio Governor John Kasich, a former rival to Mr Trump for the Republican nomination, tweeted: "There's only one way to talk about Gold Star parents: with honour and respect."
In an interview for ABC on Saturday, Ghazala Khan said: "When I was standing there, all of America felt my pain, without a single word. I don't know how he missed that." [….]

Trump ist immun gegen die tödlichsten politischen Waffen, die jeden anderen Präsidentschaftsbewerber in Sekunden ausknocken würden.

Es gab noch das “Access Hollywood”-Tape, das nur einen Monat vor der Präsidentschaftswahl veröffentlicht wurde.

Wieder war die Welt sicher, daß er nun aus dem Rennen wäre.

[….]  Trump: I moved on her, actually. You know, she was down on Palm  

Beach. I moved on her, and I failed. I’ll admit it.
I did try and fuck her. She was married.
No, no, Nancy. No, this was [unintelligible] — and I moved on her very heavily. In fact, I took her out furniture shopping.
[….] I moved on her like a bitch. But I couldn’t get there. And she was married. Then all of a sudden I see her, she’s now got the big phony tits and everything. She’s totally changed her look.
Billy Bush: Sheesh, your girl’s hot as shit. In the purple.
Trump: Whoa! Whoa!
Bush: Yes! The Donald has scored. Whoa, my man!
Trump: Look at you, you are a pussy.
[….] I better use some Tic Tacs just in case I start kissing her. You know, I’m automatically attracted to beautiful — I just start kissing them. It’s like a magnet. Just kiss. I don’t even wait. And when you’re a star, they let you do it. You can do anything.
[….] Bush: Whatever you want.
Trump: Grab ’em by the pussy. You can do anything. [….]

Solche Sprüche würde ein Kanzlerkandidat noch nicht mal im viel liberaleren Deutschland überstehen.
Aber im prüden Amerika?
Und dann auch noch ein konservativer Kandidat, der die höchsten Zustimmungsraten bei evangelikalen Christen genießt?

Dieser Trump brachte es in zwei Jahren Präsidentschaft bisher auf 8.000 öffentliche Lügen und schafft es alle, die seine Lügen aufdecken, als „Fake News“ zu diskreditieren.

 [….] Since taking office, Trump has made 7,645 ‘false or misleading claims’. In October he said 1,200 things that were false or misleading, according to Fact Checker database. [….]

Nur dieser in GOP-Drachenurin Gebadete bringt es fertig als US-Präsident nach Vietnam zu fliegen und sich dort als Held zu inszenieren.

[….]  Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un sind zu ihrem zweiten Gipfel in Hanoi eingetroffen. [….] der US-Präsident spekuliert offenbar auf den Friedensnobelpreis.


[….] Trumps und Kims erstes Treffen in Singapur war eine PR-Show, nun müssen sie fassbarere Erfolge bringen. Blumige Absichtserklärungen reichen nicht mehr. Ohne "konkrete, überprüfbare Fortschritte bei der Denuklearisierung", wie es nicht nur die US-Demokraten fordern, wäre auch dieser Gipfel eine Luftnummer.
 Für Trump werden diese zwei Tage im schwülen Hanoi zu einer der wichtigsten Bewährungsproben seiner Präsidentschaft - die zugleich diese Woche mal wieder überschattet wird von den immer dramatischeren Skandalen daheim. Doch Trump liebt das Risiko: Er selbst soll diesen Gipfel forciert haben - mit Blick auf die Wahlen. [….] Doch keiner in der US-Delegation hat eine schlüssige Antwort auf die Frage, was Trump und Kim hier überhaupt erreichen sollen - und wie. [….] Zudem hat jeder seine eigene, konfuse Agenda. Die Pläne der Amerikaner ändern sich zum Beispiel je nachdem, wen man fragt. Seit Singapur verschiebt Trump selbst immer wieder die Messlatte. [….] Er lässt oft durchblicken, dass er auch, wie sein Vorgänger Barack Obama, einen Friedensnobelpreis verdiene, weil er - so behauptet er - schließlich einen Atomkrieg verhindert habe.






Einstweilen überhäufen sich Trump und Kim mit Komplimenten und Schmeicheleien. Wie ein "verknallter Teenager", so die "Washington Post", zeige Trump gerne Kims "Liebesbriefe" herum. Darin preise Kim die Ausdauer und Weisheit des mehr als doppelt so alten US-Präsidenten. [….] (Marc Pitzke, 26.02.19)


Montag, 25. Februar 2019

Im Lapsus-Modus


Merkel ist nicht so schlecht wie manche Andere.
Ich stehe zu meiner gestrigen Aussage; man muss sich nicht in Grund und Boden schämen für ihre Auslandsauftritte. Sie wird wohl eher nicht anderen Regierungschefs in den Schritt greifen oder das Tafelsilber stehlen.
Blöderweise kann man in der Außenpolitik sowohl mit Taten wie mit Nichtstun Schaden anrichten.
Da die Kanzlerin allerdings über keinerlei Polit-Instinkt verfügt und bei Personalentscheidungen bemerkenswert sicher stets ins Klo greift (man denke nur an die Parade der versagenden CDU-Generalsekretäre und Bundespräsidenten, die sie aussuchte, Oettinger, Juncker), fährt sie üblicherweise tatsächlich besser damit so zu tun, als ginge sie Politik generell nichts an.
Kirchhof-Flattax, Gesundheitskopfpauschale, bedingungslose Unterstützung GWBs und des Irakkrieges, fortwährende Interventionen bei der EU zu Gunsten der Autoindustrie und zu Ungunsten des Klimas, kategorische Verteidigung der Atomindustrie, Ablehnung der Ehe für alle und stupides Beharren auf einem Austeritätskurs (außer in Deutschland!!) bis in Italien und Griechenland Rechtsradikale in der Regierung saßen.
In den wenigen Fällen, in denen sich Merkel festlegt, wählt sie immer die Verliererseite.

 [….] Europa flucht und lacht zugleich über den Brexit - warum auch nicht? Fluchen als Anklage des Realitätsverlusts britischer Politik. Und Lachen zur Bewältigung. Aber dann wieder stellt die EU selbst nichts anderes her als einen Dig-xit, also ihren digitalen Exit. Beiden Exits ist gemein, dass die herrschende Generation aus egozentrischem Unwillen, die Perspektive auch nur um ein My vom eigenen Nabel zu lösen, auf Jahre die Chancen und Möglichkeiten der Nachfolgenden mindert oder ruiniert.
Schlaglicht auf Deutschland, die treibende Kraft des EU-Digitaldebakels, das dem Brexit strukturell so ähnelt: Angela Merkel hinterlässt Deutschland als digitale Trümmerlandschaft der Infrastruktur und macht sich darüber auch noch lustig. Auf einer Konferenz am 19. Februar 2019 in Berlin erzählte sie den großartigen Premiumwitz, dass man in Brandenburg mancherorts schon froh wäre, wenn man 2G hätte. Seit 2005 ist Merkel Kanzlerin, seit spätestens 2007 sind von ihren verschiedenen Bundesregierungen immer und immer wieder Versprechungen zur digitalen Infrastruktur gemacht und gebrochen worden, und 2019 reißt Merkel einen Witz über ihr eigenes Versagen, unter dem andere leiden. Was für eine Unverschämtheit.
[….] Zur Merkels antidigitalem Vermächtnis gehört die gegenwärtige EU-Urheberrechtsreform. [….] Digitalstaatsministerin Dorothee Bär sitzt im Publikum und wird mit witzigem Augenzwinkern in der Stimme abgefertigt: "Wir vertreten etwas unterschiedliche Positionen." Ja, so kann man es auch ausdrücken, wenn die eine auf Basis von Fakten argumentiert, aber die andere ist halt Kanzlerin. [….]

Offensichtlich ist das Internet tatsächlich immer noch #Neuland für Angela Merkel. Sie hat keine Ahnung von den Mechanismen der modernen Medien und ist über die Benutzung von SMS nie herausgekommen.
Anders ist ihr Total-Lapsus bei der Sicherheitskonferenz nicht zu erklären, als sie die inzwischen meme-haft berühmte schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg als so eine Art Fake-News oder Russen-bot darstellte:
So viel Klima-Engagement könne gar nicht sein, erklärte die Kanzlerin dem staunenden Publikum.
Kinder, die sich für das Klima interessieren und online das Treiben einer Aktivistin verfolgen? Kann ja gar nicht sein!

[….]  Angela Merkel hat neulich etwas sehr Unkluges gesagt - sie scheint selbst zum Opfer von Wladimir Putins "hybrider Kriegführung" geworden zu sein. [….] Für die sonst so bedachte Kanzlerin Angela Merkel war das ein bemerkenswerter Fehler, vergangene Woche bei der Münchner Sicherheitskonferenz: In ihrer Rede sprach sie zunächst von Russlands "hybrider Kriegführung". Direkt danach sagte sie:
    "In Deutschland protestieren jetzt Kinder für den Klimaschutz. Das ist ein wirklich wichtiges Anliegen. Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder, nach Jahren, ohne jeden äußeren Einfluss, plötzlich auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen."
Doch, das kann man schon. Wenn man sich mal mit ein paar politisch interessierten Kindern und Jugendlichen darüber unterhält, was sie so von den bisherigen Anstrengungen der Erwachsenen in Sachen Klimakatastrophe halten, kann man sich das schnell vorstellen.
Wie aber kommt die Kanzlerin dann auf diese seltsame Idee? Dass da ein "äußerer Einfluss" eine Rolle gespielt haben müsse?
[….][….] Und genau hier liegt das Problem mit Merkels Äußerung: Das Schüren und Befeuern von Verschwörungstheorien gehört zum Kerngeschäft der Propagandisten von heute. Wenn Russlands real existierende hybride Kriegführung aber dazu führt, dass legitime Protestbewegungen grundsätzlich für Ergebnisse russischer Propaganda gehalten werden - dann hat die russische Regierung eines ihrer Ziele schon erreicht. […..]

Sonntag, 24. Februar 2019

Zufriedenheit des alleruntersten Niveaus.


Wenn Angela Merkel reist und offiziell die Bundesrepublik Deutschland vertritt, setzt sie natürlich keine Glanzpunkte, wie Brandt oder Schmidt, wie aber auch gelegentlich Schröder oder Fischer.
Sie ist keine Charismatikerin, wird nie an schillernde Persönlichkeiten wie Jitzchak Rabin, Felipe González, Olof Palme, Bruno Kreisky, Ylva Anna Lindh, José Luis Zapatero, Zoran Đinđić, Anwar as-Sadat, Bill Clinton, Golda Meir oder Susanna Agnelli heranreichen.
Sie ist halt bloß die pyknische Physikerin aus der Uckermark, die hinter dem Eisernen Vorhang in ganz kleinen Verhältnissen als Pfarrerstochter aufwuchs.
Sie ist diese erstaunlich unprätentiöse, umodische, unwitzige, nicht schlagfertige Frau mit den ungepflegten Fingern, den viel zu kurzen, schlecht sitzenden Blazern, der Helmut Kohl hinterherschleuderte, als sie schon Kanzlerin war, daß sie nicht ordentlich mit Messer und Gabel essen könne und nicht wisse, wie man sich bei Auslandsbesuchen zu benehmen habe.
Sie wird nie eine mitreißende Rednerin werden, entwickelt keinerlei Gespür für die Stimmung im Publikum. Sie verbreitet rhetorische Landweile, vermag keinen Enthusiasmus zu wecken. Wie auch, wenn sie selbst nie weiß in welche Richtung sie will?

[….]   Im Kern plagen das Kanzleramt zwei Defizite: ein personelles und ein strukturelles. Zum einen mangelt es an straffer Leitung; dem Amt fehlt Führung an der Spitze, auch wichtige Abteilungen waren schon stärker besetzt.
Zum anderen ist die Organisation der Regierung überholt: Nach wie vor dominiert das Ressortprinzip. Gemäß Grundgesetz ist die Regierungsgewalt geteilt zwischen den Ministerien. Das Kanzleramt soll kontrollieren und koordinieren. Doch in einer Zeit, in der viele Probleme Ressortgrenzen sprengen, steigt zwangsläufig die Bedeutung der Zentrale.
So erscheint das Merkel-Amt als real existierendes Paradoxon: An der Spitze steht eine Kanzlerin mit Richtlinienkompetenz, die aber, wenn irgend möglich, keine Richtlinien vorgibt. Ihr assistiert ein Kanzleramtschef, der Konflikte ausräumen und Entscheidungen beschleunigen soll, stattdessen aber Streit schürt und Beschlüsse ausbremst.
[…]    Der eigentliche Hebel einer Kanzlerschaft besteht in der Deutungshoheit. Wirkmächtig agieren kann der Regierungschef, wenn er Strategien formuliert - indem er Volk und Welt eine Idee davon vermittelt, wohin man gemeinsam will, und diese Idee dann konkretisiert. Verfassungsrechtler nennen das Richtlinienkompetenz.
Im Zentrum der Macht herrscht inhaltliche Leere
Ideen? Konzepte? Strategien? All das ist Merkels Sache nicht. Im Zentrum der Macht herrscht eine bedrückende inhaltliche Leere.
Das beklagen auch Topentscheider des Regierungsapparats selbst, die die Stiftung Neue Verantwortung kürzlich befragen ließ. Um in einem immer unsichereren Umfeld managen zu können und den Ereignissen seltener hinterherzurennen - "vor die Lage" zu kommen, wie Ministeriale das nennen -, wünschen sich die meisten Befragten mehr strategisches Denken und mehr Koordination.

Ihr weltpolitisches Gewicht verdankt sie ihrer Fähigkeit das einzige durchzusetzen, das ihr wirklich wichtig ist: Sie mag gern Kanzlerin sein.
Nach fast zwei Dekaden CDU-Vorsitz, 29 Jahren als Ministerin/ Oppositionsführerin/Kanzlerin an der absoluten Spitze der Politik kennt sie jeder und sie kennt jeden. Insbesondere zeigt diese fast drei Jahrzehnte währende Spanne als Toppolitikerin, daß sie fähig ist alle anderen zu überleben.
Diese Zähigkeit verdankt sie ihrer Taktiererei, ihrer Vorsicht, ihrem Desinteresse und insbesondere ihrer persönlichen Geheimwaffe: Sie ist immun gegen Beleidigungen. Alpha-Männer in aller Welt und jede Menge Beta-Männchen zu Hause haben versucht ihr ans Schienbein zu pinkeln. Aber sie bemerkt das gar nicht.
Hillary Clinton charakterisierte Trump zutreffend als extrem leicht zu provozierenden Mann.

"A man you can bait with a tweet is not a man we can trust with nuclear weapons."

Merkel ist das diametrale Gegenteil. Falls Deutschland jemals mit Atomwaffen angegriffen werden sollte, ist es gut möglich, daß sie das bloß achselzuckend zur Kenntnis nehmen würde.
Seehofer kann sie minutenlang wie ein Schulmädchen auf offener Bühne unter dem Gejohle angetrunkener rotnäsiger CSUler abkanzeln. Ministerpräsident Berlusconi versuchte es bei einem Gipfel mit einer ähnlichen Methode. Er gab 2009 beim Natogipfel am Rhein den Seehofer als er Gastgeberin Merkel minutenlang auf dem roten Teppich stehen ließ und erst mal telefonierte. Eine extreme diplomatische Unflätigkeit.
Das perlt einfach an ihr ab.

Eine Episode aus dem Kanzler-Airbus im Mai 2011 zeigt das sehr eindrücklich. Mit Merkel und Vizekanzler Westerwelle an Bord war die Regierungsmaschine in Richtung Indien gestartet. Alle Staaten haben sich verpflichtet andere Regierungsmaschinen stets passieren zu lassen; also war es ein diplomatischer Eklat, als Iran plötzlich die Überflugrechte verweigerte und die Kanzlermaschine zwang zwei Stunden über der Türkei zu kreisen.
Westerwelle, der wie kein Zweiter darauf achtete geehrt und bewundert zu werden, tobte vor Wut. Mitreisende Journalisten erlebten einen Chefdiplomaten im Rumpelstilzchen-Modus, der das Verhalten Teherans als persönlichen Affront wertete und gespreizte Drohungen ausstieß.
Als schließlich auch Merkel vom zeternden Westerwelle geweckt wurde, winkte sie nur ab. Diese Spielchen waren ihr ganz egal; im Gegenteil, die zwei Stunden zusätzlichen Schlafes nahm sie gern.

[….] Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte daraufhin den iranischen Botschafter einbestellt. Staatssekretär Born unterstrich bei dem Gespräch, dass eine Überflug-Genehmigung vorgelegen habe und es sich deswegen um einen "präzedenzlosen Vorfall" handele, der internationalen Gepflogenheiten widerspreche. Born äußerte die Erwartung der Bundesregierung, dass sich so etwas nicht wiederhole. Der iranische Botschafter habe zugesichert, seine Regierung "unverzüglich über die Haltung der Bundesregierung zu unterrichten", hieß es in der Mitteilung des Auswärtigen Amts.
Westerwelle hatte zunächst empört auf die Reisebehinderung der Kanzlerin reagiert: "Das ist eine Respektlosigkeit gegenüber Deutschland, die wir nicht hinnehmen werden", sagte er.
Die Bundeskanzlerin, die während des Zwischenfalls geschlafen hatte, zeigte sich gelassener. Es sei "sicherlich vernünftig, mal zu fragen, was gewesen ist", kommentierte die CDU-Politikerin die Einbestellung des Botschafters. Dabei gehe es aber "überhaupt nicht um Verärgerung", sondern um Aufklärung, betonte die Kanzlerin. [….]

In der Welt von 2019 vergleicht man Merkel aber nicht mehr mit diplomatischen Ikonen und intellektuellen Staatsmännern, sondern mit korrupten, malignen, bösartigen Narzissten wie Jarosław Kaczyński, Theresa May, Boris Johnson, Silvio Berlusconi, Recep Tayyip Erdoğan, Mike Pence, Jair Bolsonaro, Bibi Netanjahu, Rodrigo Duterte oder dem hier:



Merkels erste Auslandsreise als Kanzlerin führte sie nach London und wurde wohlwollend rezipiert.
Volker Pispers regte sich noch jahrelang über die eigens für Merkel erfundene Bewertungskategorie „besser als erwartet“ auf.
Mit der Methode absolvierte sie beispielsweise auch ihre Kanzlerduelle im TV. Sie war dann doch besser als erwartet.

„Was haben die denn erwartet?“, giftete Pispers, „daß sie auf den roten Teppich kotzt oder Tony Blair in den Schritt greift?“.

Das sind inzwischen keine allzu abwegigen Kategorien mehr in Zeiten, in denen Politiker stolz sind anderen an die Pussy zu grabben, auf der Bühne andere Regierungschefs wegschubsen, lügen wie gedruckt, Präsidenten die Haare verwuscheln oder schlicht und ergreifend völlig desinformiert und desinteressiert umherbanausen.


Immerhin, das muss man bei Merkel nicht befürchten.
Wenn sie irgendwo einfliegt, weiß sie doch in welchem Land sie sich gerade befindet, ist in der Lage elementare Regeln der Höflichkeit einzuhalten.
Sie gibt allen die Hand und die Deutschen müssen sich nicht für sie in Grund und Boden schämen, wie es Amerikaner, Polen oder Ungarn inzwischen für ihre Regierungen gewöhnt sind.

Wenn Merkel sich ausnahmsweise mal, wie zuletzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz halbwegs deutlich ausdrückt und zu einer Selbstverständlichkeit, wie dem Multilaterismus bekennt, sind das in der Trump-Pence-Erdogan-Welt schon Gründe geradezu zufrieden mit der CDU-Frau zu sein.
Man wird ja so bescheiden. Da wallen in der deutschen Presse sofort Huldigungsorien auf.

[….] Auf der Sicherheitskonferenz mahnte die Kanzlerin zu Zusammenarbeit. Ihr Loblied auf den Multilateralismus fand Zustimmung, ihre Gedanken werden lange nachwirken. [….]

[….] Merkels Bekenntnis. Kanzlerin Merkel wandte sich mit einer Grundsatzrede an die Sicherheitskonferenz: Umweltverschmutzung, Klimawandel, Kampf um Ressourcen - das alles habe globale Folgen. [….]

Samstag, 23. Februar 2019

Müssen die Deutschen den Amis alles nachmachen?


Unter all den korrupt-fanatischen, hochverblödeten Multimillionären und Milliardären, die sich einen Ministerjob bei Donald Trump gekauft haben, sticht Betsy de Vos etwas hervor, weil sie so dumm ist, daß sie es sogar mit ihrem Chef aufnimmt.
Als Bildungsministerin kämpft sie gegen öffentliche Schule und setzte schon zu Trumps Amtseinführung einen Tweet mit Grammatik- und Orthographie-Fehlern ab.
Selbst für GOP-Verhältnisse ist die Schwester des Blackwater-Gründers Eric Prince, die über 200 Millionen Dollar an Rechtsaußen stehende GOP-Senatoren spendete eine Schande. Kein Auftritt, bei dem sie sich nicht durch entwaffnende Ahnungslosigkeit blamiert.

[….] "Bildungsministerin Betsy DeVos stolpert durch pointiertes '60 Minutes'-Interview" titelte etwa die "Washington Post". Und wer die Reaktionen auf Twitter las, konnte schon fast Mitleid mit der Frau bekommen.
[….] Wenngleich schnell deutlich wurde, dass auch Interviewerin Stahl keine ausgewiesene Anhängerin von DeVos ist, offenbarte die Ministerin neben ein paar Wissenslücken auch ein sehr bizarres Weltbild. So verteidigte sie weiterhin ihre Ansicht, dass bewaffnete Lehrer eine "Option" sein sollten. [….]  Dann stellte sie die These auf, die USA hätten "Milliarden und Milliarden und Milliarden ausgegeben, aber null Ergebnisse erzielt", so DeVos. Auf die Entgegnung der Interviewerin, dass die Behauptung so nicht stimme, da es nachweislich Fortschritte an vielen Schulen gebe, konnte die Bildungsministerin nichts entgegnen.
[….] DeVos ist bereits ein Jahr im Amt und besticht weiter durch ein auffallend hohes Maß an Nicht-Wissen. So konnte sie nicht einmal sagen, wie sich die Lage öffentlicher Schulen in ihrem Heimatstaat Michigan entwickelt habe. Und auch nicht die Frage beantworten, ob die Zahl von gemeldeten sexuellen Übergriffen nun höher oder niedriger sei als die Zahl der tatsächlichen Vorfälle. Eine Auskunft dazu wäre interessant gewesen. Denn sie war es, die eine Verordnung aus der Obama-Zeit zu Gunsten von Beschuldigten geändert hat. Weil nach ihrer Ansicht zu viele Männer fälschlich der sexuellen Gewalt beschuldigt würden, wurde es für diejenigen, die Beschuldigungen erheben, schwieriger gemacht, diese Anschuldigungen auch zu beweisen. [….]

Angesichts des Geisteszustandes von #45 ist die Personalie deVos nicht verwunderlich.
Aber wie ist es zu erklären, daß Angela Merkel ein deVos-Lookalike als Bundesbildungsministerin einsetzte?

Anja Maria-Antonia Karliczek, 47, Diplomkauffrau, beeindruckt nicht nur durch Arbeitsverweigerung und radikale Ahnungslosigkeit, sondern genau wie ihr Vorbild Betsy deVos als Wissenschaftsfeindin.
Die Katholibanin lebt mindestens 500 Jahre vor unserer Zeit, glaubt die Wissenschaft sollte sich dem Christentum unterordnen.
Müßig zu erwähnen, daß sie als Hardcore-Religiotin gegen die LGBTI-Gemeinde agitiert.
Eine Auswahl.

Internet? Wird überbewertet. Das braucht man doch nicht überall.

[….] Mit der Milchkanne hat es Anja Karliczek (CDU) endlich in die Nachrichten geschafft. Als Bildungsministerin geht sie der Internet-Ausbau eigentlich nicht viel an. „5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig“, sagte sie dennoch. Vielerorts sei der etwas langsamere Mobilfunkstandard 4G auch ausreichend, der Ausbau habe folglich Zeit. [….]

Mehr Geld für Forschung? Wozu? Das versteht die Ministerin nicht. Wissenschaft solle sich erst mal verständlich ausdrücken.

[….] Bundesbildungsministerin Anja Karliczek irritiert die Universitäten. Bildungsministerin Karliczek (CDU) fordert energisch, dass Forschung anwendbar und verständlich sein muss. Finanzielle Hoffnungen dämpft sie. Das kommt nicht überall gut an. [….]

Den Begriff „Algorithmus“ kannte sie nicht und musste erst mal in ihrer TV-Zeitschrift nachlesen, worum es bei dem ominösen Wort geht, das die Jugendlichen jetzt dauernd benutzen.

[….] Kennen Sie »Prisma«, diese Zeitungsbeilage? Die liegt bei uns zu Hause, und da habe ich neulich einen Artikel gelesen, Titel: Was ist ein Algorithmus? Den fand ich hilfreich. Viele Forscher und Akademiker gebrauchen ständig Begrifflichkeiten, von denen sie sich nicht vorstellen können, dass sie für andere eben nicht Alltag sind. [….]

Ebenso wenig versteht sie den Begriff „Künstliche Intelligenz“. Unglücklicherweise wurde „KI“ noch nicht in der Karliczekschen Fernsehzeitschrift erklärt. Aber macht auch nichts. Was nicht der Bibel entspricht, hat laut der Forschungsministerin nichts in der Forschung zu suchen. Dieses IT- und KI-Zeug sollen doch China oder die USA machen, Deutschland ist ein christliches Land und braucht den neumodischen Kram nicht.

[….] Wir sind nicht in China. Totale Kontrolle durch den Staat werden wir niemals akzeptieren. Wir sind aber auch nicht in den USA. Wir gehen einen anderen, einen eigenen Weg. Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild leiten. Jeder technologische Fortschritt hat sich dahinter einzureihen. Wir sind überzeugt: Künstliche Intelligenz muss dem Menschen dienen. Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und individuelle Freiheit sind die Grundlagen unseres Zusammenlebens. [….]
Immerhin, eins weiß die Bildungsministerin: Schwule sind schlecht. Und deswegen dürfen die keine Kinder haben.

[…..] Bundesbildungsministerin Anja Karliczek will in einer Langzeitstudie klären lassen, welche Auswirkungen es für Kinder hat, in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft aufzuwachsen. In der n-tv Sendung "Klamroths Konter" sagte die CDU-Politikerin, es sei "eine spannende Forschungsfrage", dieses Thema "wirklich langfristig zu erörtern".
Auf die Frage von Moderator Louis Klamroth, ob sie im Jahr 2018 wirklich noch Studien brauche, um sich bestätigen zu lassen, dass Kinder von homosexuellen Paaren genauso glücklich und gut erzogen seien, antwortete Karliczek: "Es geht nicht um 'glücklich' und um 'gut erzogen'. Es geht um etwas grundsätzlich anderes. […..] Karliczek hatte im Juni 2017 im Bundestag gegen das "Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" gestimmt. Bei "Klamroths Konter" sagte sie, es sei ein Fehler gewesen, gesellschaftliche Strukturen "mal eben so im Federstrich" zu verändern. [….]

Diese ostentativ und stolz vorgetragene bornierte Ahnungslosigkeit macht auch Hartgesottene fassungslos.

Da sie mit Wissenschaft und Forschung fremdelt, möchte sie akademische Titel im Handwerk einführen. Kann man sich nicht ausdenken.

[….] Die Idee der Einführung von einem Berufsmaster und -bachelor für Ausbildungsberufe kam jüngst aus dem Bundesbildungsministerium. Folgt der habilitierte Backmeister?
Der neueste Streich des Bundesbildungsministeriums sind der Berufsmaster und der Berufsbachelor für Ausbildungsberufe. Ministerin Karliczek will damit ein Amtsversprechen wahrmachen und in lebhafter Erinnerung an ihren eigenen Bildungsweg die berufliche Bildung aufwerten. Weil in dieser Angelegenheit praktisch noch kaum etwas geschehen ist, versucht sie es jetzt mit einem Raubzug im Hochschulrevier. Dort gibt es so schöne Wörter wie Bachelor und Master, und sage niemand, dass sie urheberrechtlich den Hochschulen gehören. [….]

Ähnlich wie die amerikanische Kollegin taugen ihre Auftritte in erster Linie als Gag-Lieferant für Satiriker aller Art.


Man ist kein Merkel-Anhänger, wenn man koinzidiert, daß sie sehr viel klüger als der US-Regierungschef ist.
Trump tauscht deVos nicht aus, weil er es nicht besser weiß.
Insofern ist Merkels Festhalten an Karliczek sogar noch schlimmer.
Läge ihr etwas an dem Land, das sie regiert, an der Zukunft Deutschlands und hätte sie noch Kraft als Regierungschefin, hätte sie die debakulierende Wissenschaftsministerin längst gefeuert.
Aber Merkel beweist einmal mehr wie wenig Interesse sie an Politik hat.
Es ist ihr schlicht egal.