Samstag, 15. Dezember 2018

Als ich mal Kapitalist werden wollte – Teil II


Wenn ich auf mein Geburtsdatum gucke ist eins klar: Die längere Zeit meines Lebens liegt hinter mir.
Gesundheitlich geht es bergab, Kinder, die ich später mal anbetteln könnte, habe ich nicht.
Die öde Begriff Alterssicherung, dieses unglaublich spießige Wort, nichts könnte weniger sexy sein, spukt in meinem Kopf herum.
Das war wirklich ein Vorteil ein Jugendlicher zu sein. Solche Begriffe spielten keine Rolle. Man kannte sie entweder gar nicht, oder aber man assoziierte sie nicht mit einem selbst.

Soweit war ich schon vor ein paar Monaten, als ich mich deswegen um einen Immobilienkredit bemühte.

Wohnungen werden immer teurer, die Mieten steigen. Das wird auch jeden Tag in den Zeitungen beklagt.
Aus Immobilienkäufersicht steigen die Mieten aber noch viel zu wenig, oder, umgekehrt formuliert: Die Kaufpreise steigen viel schneller als die Mieten.

Inzwischen werden mir für 400 Euro kalt vermietete Anderthalbzimmerwohnungen, 40 qm, Nordseite, ohne Balkon in mittelguten Gegenden in maroden Zustand, 4. Stock ohne Lift angeboten, für die 163.000,- aufgerufen werden. Macht über 180.000,- mit Kaufnebenkosten.
Auch wenn man 180.000,- bar rumliegen hätte und keinen Kredit aufnehmen müsste, ist die Rendite erbärmlich. Schließlich muß man als Vermieter ca die Hälfte des Hausgeldes zahlen. Es blieben also etwa 300 EURO monatliches Einkommen, das man auch noch versteuern muss.
Außerdem kommen in so einem alten Haus laufend Instandsetzungsarbeiten hinzu. Gut möglich, daß von den 3.600 EURO Mieteinnahmen in Jahr auch mal ein großer Teil als Sonderumlage für bessere Fenster, eine Dachsanierung oder eine neue Heizungsanlage draufgeht.
Das klingt nicht wie eine lohnende Investition für kleine Leute, die davon ihren Lebensabend absichern wollen.

Ein Besuch bei meinem Steuerberater brachte mich auf neue Ideen.
Steuerlich am ungünstigsten sind Einkünfte aus Gewerbebetrieben, weil dann zusätzlich Gewerbesteuer anfällt, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dürften in meinem Fall etwa mit 40% versteuert werden. Das Beste wären Einkünfte aus Kapitalvermögen, die mit pauschal 25% Abgeltungssteuer veranschlagt werden. Ach ja, das Modell Quandt. Einfach besitzen, Däumchendrehen, für Nichtstun kassieren und dann auch noch viel weniger Steuern zahlen, als jeder, der dafür arbeiten muss.
Meine Unmutsäußerungen über das System nahm er lächelnd hin; der Staat greife eben auf die zu, derer er habhaft werden könne. Wir wären sein Fußvolk, das nicht abhaue. Das Kapital aber schon. Das verschwände einfach, wenn es zu hoch besteuert würde.
Das ist die eigentliche Perversion:
Die steuerliche Bevorzugung eines Milliardärs gegenüber einer Krankenschwester ist ungerecht, aber tatsächlich der beste Deal, den der Staat für sein Fußvolk rausholen kann. Solange nicht ALLE Nationen der Erde eine gemeinsame Steuerpolitik machen (=nie), kann der Multimilliarden-Jetset im Gegensatz zur Aldi-Kassiererin oder dem Grundschullehrer  immer dahin gehen, wo er am wenigsten zahlen muss.
25% von einer Milliarde sind für den Staat natürlich besser als 50% von nichts.

Also Aktien und Finanzprodukte? Sollte das etwas für mich sein?
Bisher hatte ich das immer aus grundsätzlichen moralischen Überlegungen ausgeschlossen. Es ist asozial Gewinne aus einem Unternehmen abzuziehen, für das ich gar nicht arbeite, während die Mitarbeiter nicht an den Ausschüttungen beteiligt werden.
Allerdings lese ich seit Jahren über „ethische Investitionen“. Es gibt Finanzprodukte, die ausdrücklich nicht in Rüstungsfirmen oder Nahrungsmittelspekulanten investieren.
In Skandinavien gibt es schon gesetzliche Regelungen, nach denen Rentenfonds nur in ESG-Geldanlagen (Environment (E), Social (S), Governance (G)) investieren dürfen. Gemeint sind damit nachhaltige Aktionen.
In Deutschland sind wir noch lange nicht so weit, da investieren auch Kirchen in Waffengeschäfte und Gentechnik.

Aber ich könnte doch vorangehen und meine paar Kröten sozial und ökologisch anständig investieren.

Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von „Brot für die Welt“ und Schatten-Entwicklungshilfeministerin unter Peer Steinbrück 2013 bietet so etwas an.

[…..] Andererseits glaube ich, dass Menschen durchaus eine Sehnsucht haben zu teilen, und gar nicht so begeistert sind, dass jeder nur noch nach sich selbst strebt. Zum Beispiel haben wir das Konzept für einen Investmentfonds entwickelt, der sich konsequent an ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien orientiert. Der investiert nur in Firmen, die Menschenrechte, Umweltstandards, Mitbestimmung garantieren. Auch bei uns hatten viele Sorgen, ob das überhaupt laufen wird. [….]

Aktien kann ich nicht am Kiosk kaufen, also bat ich erneut um einen Beratungstermin in der Bank.
Diesmal war ich in der Deutschen Bank. Nicht aus Liebe zu dem Institut, sondern weil sie nach wie vor die Größte ist und überall ihre Finger drin hat. Wenn der Deutsche Bank-Chef irgendwo anruft, wird er auch durchgestellt.

Ich bilde mir nicht ein selbst Börsianer zu sein, sondern brauche einen Banker, der sich damit auskennt.

Zunächst einmal die guten Nachrichten: Ich wurde von zwei Beratern wirklich sehr nett und höflich empfangen. Mit Kaffee und Gebäck in einem gemütlichen Büroraum. Beide waren geduldig und hörten sich all meine Laien-haften Fragen an:

Wie viel verdienen SIE an einer Aktientransaktion? Welches Risiko besteht für mich? Werde ich immer informiert? Mit welchen Gewinnen kann ich rechnen, wenn ich vorsichtig bin? Was passiert, wenn ein Handelskrieg ausbricht?

Aktienmärke sind aber nicht nur Geld, sondern bekanntlich auch Psychologie und Politik. Gesunde Unternehmen mit nachhaltig erwirtschafteten Gewinnen und glücklichen Mitarbeitern können ebenfalls in große Schwierigkeiten kommen, wenn Trump Amok läuft, wenn Italien den Euro in den Abgrund reißt, wenn Zollschranken hochgezogen werden, wenn ein ungeregelter Brexit Panik an den Märkten verursacht, wenn ein Handelskrieg angezettelt wird oder wenn der Nahe Osten so explodiert, daß die Ölpreise verrücktspielen.

Mit Aktien kurzfristige Gewinne zu erzielen ist Kleinstinvestoren nicht möglich.
Ich sollte einen langen Atem von mindestens zehn Jahren haben und nur Geld investieren, daß ich aktuell nicht brauche.
Aha! Von den paar Millionen Euro, die ich vielleicht noch in einer Sofaritze finde, sollte ich also nur die Hälfte dem Deutsche-Bank-Berater „zum Spielen“ geben.
A propos, eine Vermögensberatung bei der Deutschen Bank, die alle Märkte im Blick hat und einen Mix anbietet, der bis zu 100% Aktien beinhalten kann, wird angeboten ab EUR 250.000!

Statt auf diese nebensächliche Petitesse einzugehen („nein, ich habe nicht gerade zufällig eine Viertelmillion Euro rumliegen, die ich gar nicht brauche“), blieb ich tumb sitzen und ließ mir noch mehr Zahlen zeigen. Wenn man schon mal da ist…


Graphik 1 zeigt, daß praktisch weltweit jeder Mensch im Jahr 2018 Geld mit Aktien verloren hat. Es ging überall bergab. Hauptsächlich wegen politischer Irritationen und nicht aufgrund mieser Geschäfte.

Ich gab mich immer noch als potentieller Millionär und verkündete, das wäre aber nicht gerade eine Werbung dafür ebenfalls in Aktien zu machen.
„Doch, doch!“, denn die zehn Jahre davor wäre es schließlich immer bergauf gegangen und gerade weil nun alles nach unten zeige, wäre es besonders günstig einzusteigen.
Aha, so denken also Banker, die mit dem Geld anderer Leute spekulieren.

Außerdem könne ich ein aktiveres Modell wählen, bei dem ich selbst jedes einzelne Investment bestimmte. Das müsse ich sogar tun, da in der DB-Vermögungsberatung keine ESG-Kriterien berücksichtigt werden. Wenn ich also nicht in Amazon oder Rheinmetall investieren wolle, müsste ich schon jeden einzelnen Deal selbst anschieben.
Das immerhin, könne sich lohnen, da die DAX-Mitglieder ganz unterschiedlich „performten“.


Aha, der mit Abstand schlechteste Performer, mit über 50% MINUS im letzten Jahr ist übrigens die Deutsche Bank.
Da war ich ja offenbar bei genau dem richtigen Institut gelandet.

Als der gute Mann immer mehr mit eingedeutschten Englisch um sich warf und begann sich selbst zu übersetzen, griff ich noch mal kurz ein.
„Ich bin übrigens US-Amerikaner, Sie brauchen nicht ins Deutsche zu übersetzen.“

-      Ach, das hört man ja gar nicht, haben Sie zwei Pässe?
-      Nein, nur den US-Pass
-      Dann können wir nichts für Sie tun.

Kein deutsches Geldinstitut darf für US-Staatsbürger aktiv werden. Danke Trump. Da ich aber nur über solche Institute überhaupt Geldmarktprodukte erwerben kann, hat sich das Thema „Anlagen“ grundsätzlich erledigt.
Das ist für mich rechtlich nicht möglich.

Da wurde die Gesichter sehr lang, nun blieben nur noch „Einlagen“.
Während ich noch an orthopädische Schuhe dachte, erklärte die freundliche Dame, ihr Institut zahle 0,01% Zinsen auf Geldeinlagen.
Es gäbe aber kurzfristige Zinsgeschäfte, die ich über das Onlinebanking ansehen könne. Da bekäme ich für bestimmte Zeiträume auch mal 0,5% Garantie-Zinsen.

Nun bin ich zum zweiten Mal leider nicht Kapitalist geworden.

Freitag, 14. Dezember 2018

Norddeutsche christliche Botschaften

Die christliche Botschaft ist etwas mau und altbacken.

Es gibt viele Bibelstellen, die so grausig sind, daß man von Facebook verbannt wird, wenn man sie postet.
Man braucht dafür nicht einmal das Alte Testament; auch im Neuen gibt es beispielsweise Antisemitismus pur. Jesus („Gott ist Liebe“) verkündet dort, wie sehr er die Juden hasst.

14 Denn ihr, Brüder, seid Nachahmer der Gemeinden Gottes geworden, die in Judäa in Christus Jesus sind, weil ihr dasselbe erlitten habt von euren eigenen Volksgenossen wie sie von den Juden.
15 Diese haben auch den Herrn Jesus und ihre eigenen Propheten getötet und haben uns verfolgt; sie gefallen Gott nicht und stehen allen Menschen feindlich gegenüber,
16 indem sie uns hindern wollen, zu den Heiden zu reden, damit diese gerettet werden. Dadurch machen sie allezeit das Maß ihrer Sünden voll; es ist aber der Zorn über sie gekommen bis zum Ende!
(1, Thess, 2)

Da ist es nur folgerichtig, daß Martin Luther, der Urvater der rund eine Milliarde Protestanten auf der Erde (~620 Mio Pfingstkirchler, ~440 Mio Evangelische) als einer der übelsten Antisemiten der Geschichte zum Ideengeber Adolf Hitlers wurde.

So lange Menschen dumm und ungebildet sind, kann man sie mit den Horrorbotschaften aus der Bibel, den Drohungen, Einschüchterungen und faden Versprechungen gut in Schach halten.
Über Jahrtausende der Menschheitsgeschichte war Homo Sapiens schlicht zu blöd, um irgendetwas über Meteorologie, Thermodynamik oder Plattentektonik zu wissen, fürchteten Menschen sich bei jedem Donnerschlag oder Blitzeinschlag. Da hatten es die Typen leicht, die solche unerklärlichen Dinge mit der Allmacht Gottes deuten konnten.
Je größer aber das Wissen des Menschen, desto mehr schrumpft Gottes Himmelreich. Natürlich gibt es in vielen Gebieten der Erde heute immer noch genügend Doofe, aber dort wo der Analphabetismus gegen Null geht, es eine solide finanzierte allgemeine Schulpflicht und kostenlose Hochschulen gibt, bleiben die Menschen entweder aus Bequemlichkeit in der Kirche, oder weil sie sich davon Vorteile versprechen – nur als Mitglied einer Kirche bekommt man vielerorts einen Kitaplatz oder einen Job in einer Pflegeeinrichtung – geht aber nicht mehr zu Gottesdiensten, befolgt nicht die christlichen Regeln (kein Sex außerhalb der Ehe und auch da nur zum Kinderkriegen und ohne Verhütungsmittel) und glaubt natürlich nicht den ganzen Unsinn in der Bibel.
Und viele andere – Hunderttausende jedes Jahr in Deutschland – treten ganz aus, lassen die Kirchen schrumpfen und schrumpfen. Nur noch drei bis vier Jahre, dann werden die Christen in Deutschland unter die 50%-Marke sinken und erstmals in 1500 Jahren wieder eine Minderheit bilden.
In Hamburg haben wir diese symbolische Marke glücklicherweise längst geschafft.
Die Menschen wandern in großen Strömen von der Kirche ab; allein der Kirchenrkeis Hamburg-Ost muss nun 300 kirchliche Gebäude schließen.

Dank Steuerbefreiung, zahlreicher Privilegien und Milliarden staatliches Zuschüsse ergibt sich ein atypisches Bild bei den Kirchenfinanzen; die Kassen quellen über; sie könnten massenhaft Pfarrer einstellen, um uns nordische Heiden zu rechristianisieren.
Könnten. Theoretisch. Am Geld scheitert es nicht.
Es will nur niemand diesen blöden Job machen, bei dem man dem Volk die aggressive, outdatete, diskriminierende, misogyne, antisemitische, xenophobe und homophobe Uralt-Lehre einer primitiven Hirtenkultur vermitteln soll.

[…..] Adventsempfang von Hamburgs und Lübecks Bischöfin Kirsten­ Fehrs. Neben ihr steht in der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen erstmals Ulrike Hillmann, Präsidentin des Landgerichts Kiel. […..] Angesichts der demografischen Entwicklung rechnet die Nordkirche damit, dass von den heute rund 1700 Pastorinnen und Pastoren bis zum Jahr 2030 etwa 900 in den Ruhestand treten. Dagegen können voraussichtlich nur 300 Stellen neu besetzt werden. Kirchliche Personalentwickler sprechen davon, dass die Nordkirche wie auch andere Organisationen und Unternehmen mit einem „eklatanten Fachkräftemangel“ konfrontiert sei.
Präses Hillmann möchte sich dafür einsetzen, dass es für die Nachwuchskräfte genügend Anreize gibt, Pastor und Pastorin in einer Region zu werden. […..]  Die Berufsaussichten für Theologiestudenten, heißt es im Prediger- und Studienseminar der Nordkirche, seien „sehr gut“.
[…..] Zum Glück sprudeln die Kirchensteuern noch kräftig. Im kommenden Jahr werden es voraussichtlich 533 Millionen Euro sein. […..]

Also, wer soll den Job noch machen für die evangelische Kirche?
Die Antwort ist einfach: Idiotinnen.
Dafür muss man schon schwer auf den Kopf gefallen sein, wie die Topklerikerinnen Margot Käßmann oder die kaum weniger einfältige Susanne Breit-Keßler.
Die nächst niedrigere Hierarchie-Stufe der Pröbstinnen  bietet adäquate Nachwuchs-Hohlköpfen eine Chance sich mit flachen, inhaltsleeren Selbstbeweihräucherungen so zu blamieren, daß die Noch-Kirchenmitglieder schreiend vor ihnen wegrennen.

(…..)
Da sich gebildete und intelligente Menschen beiderlei Geschlechts ohnehin von der Kirche abwenden, bleiben offenbar keine durchschnittlichen Frauen der rapide schrumpfenden Kirche als Pfarrerinnen erhalten, sondern es sind die geistig Schlichtesten, die sich zu Geistlichen entwickeln.

(…..) Frappierend ist insbesondere die Unfähigkeit dieser Kategorie der Plapper-Bischöfinnen über ihren eigenen Tellerrand hinauszublicken.

Genau wie Kollegin Käßmann, nimmt auch Breit-Keßler stets sich selbst und ihr eigenes Leben zum Maßstab.
In ihren Texten erzählt sie aus ihrer Familie, ihrem Alltag, beschreibt was ihr gefällt und überträgt das dann flugs auf alle anderen.

Die ganze bischöfliche Theologie ließe sich auf den Kernsatz: „Seid alle so wie ich, dann wird alles gut!“ reduzieren.

Auch in der heutigen Kolumne geht das so. (….)

Die frömmelnden Frauen im Norden halten sich ebenfalls streng an dieses Muster.

  Den Begriff Schuld kann man auf viele Arten und Weisen betrachten [….] Ich erinnere mich noch gut an eine Situation, in der ich als Kind einen Freund aus Wut beschuldigt habe, etwas getan zu haben, und er dann eine Strafe von seinen Eltern erhielt, die er eigentlich gar nicht verdient hatte. Ich hatte hinterher Scham-und Schuldgefühle, konnte schlecht schlafen. Als mein Kumpel mir vergab, fühlte ich mich wie von einer Last befreit.  [….] Und vielleicht kann auch der Glaube helfen, wenn man sich sicher ist, dass Gott immer zu einem hält, egal was man gemacht hat.

 „Und wo bleibt das Positive?“, wurde der Schriftsteller Erich Kästner seinerzeit  immer wieder gefragt, wenn er seine zeitkritischen Gedichte und Kolumnen veröffentlichte. [….] Witze, die mitunter gerade aufgrund ihrer Arglosigkeit, in der sie daherkommen, umwerfend wirken, uns erheitern und im selben Moment zum Nachdenken bringen. Zu diesen gehört für mich jener: „Was sagt eine Schnecke, die auf dem Rücken einer Schildkröte sitzt? – Hui!“ Das ist nicht nur einer der besten Schneckenwitze, die ich kenne. Er ist darüber hinaus auch tiefsinniger, als er zunächst klingt. Ich sehe zumindest sofort die Schnecke vor mir, der der Fahrwind die Fühler um die Ohren schlenkert. [….]

[….] wenn ich in die Kirche gehe, ist für mich der Segen am Schluss des Gottesdienstes immer ein Höhepunkt. Weil er Kraft gibt, vielleicht
Auch beruhigend ist. Ich habe danach immer das Gefühl, unter Gottes Schutz zu stehen – zumindest für den Tag oder den Anfang der Woche [….] Manche empfinden es als Segen, Freunde oder eine nette Familie zu haben. Und das Schönste ist, jeder kann ihn geben: Die Eltern ihrem heiratswilligem Sohn, die Ehefrau ihrem Mann auf den Arbeitsweg, eine Kollegin einer anderen für eine Reise.
[….]

„Ich musste sofort an die Worte meiner Mutter denken: Auch in brenzligen Situationen ruhigbleiben.“ Entscheidend ist zudem ein festes Wertegerüst, ein Glaube oder eine Hoffnung. Kürzlich erzählte mir eine Freundin, sie stecke in Gedanken jede gute Erfahrung in ihrem Leben in einen imaginären „Mutmachkoffer“. Bei Bedarf schöpfe sie aus diesem Fundus, wenn sie verzagt sei und sich selbst Mut zuspreche. Ganz ähnlich ist es mit unserer christlichen Tradition:
Sie ist ein unerschöpflicher Fundus von Mutmachgeschichten.

Ich lese gerade begeistert ein Buch über Hummeln. [….] Nicht nur, dass die pummeligpelzigen Tierchen die Gesetze der Erdanziehung überlisten und darin ein Wunder sind. Wie viele Abermillionen von Tomaten, Gurken und Johannisbeeren werden jährlich durch sie bestäubt! Was für einen riesigen Nutzen wir von diesen putzigen Lebewesen haben, war mir bis dahin nicht bewusst.[….]

Die norddeutschen Top-Theologinnen erstaunen nicht nur mit der sagenhaften Banalität ihrer Gedanken, sondern auch mit einer geradezu unheimlichen Unfähigkeit zur Abstraktion. Sie scheinen allesamt überhaupt nicht über ihren eigenen Horizont hinausblicken zu können und sehen die Gesellschaft als glückliches Abziehbild der 1950er Jahre, als der Mann arbeiten ging, die glückliche Hausfrau ihm auf dem Weg ihren Segen wünschte und alle zufrieden in die Kirche gingen. (……)

Mit den der Kirchen zur Verfügung stehenden Milliarden können sie sich eine gewaltige Aufmerksamkeit verschaffen. In Norddeutschland geschieht das durch beispielsweise durch die auflagenstarken kostenlos verteilten Zeitungen „Chrismon“ oder das dem Abendblatt beigeeordnete Kirchenbelobingungsorgan „Himmel und Elbe.“

In der Oktoberausgabe preist sich Pröbstin Kleist mit einer selbstgemalten Illustration selbst durch eine Geschichte von einem Urlaubsflug (Jerusalem natürlich), auf dem eine Passagierin ihre Brille verlor und sie, Kleist so unheimlich hilfsbereit war der Fehlsichtigen auf dem Flughafen zu ihrem Anschlussflug zu helfen.


Auch diese Kolumne geht strikt nach dem Muster: Primitive Begebenheit aus MEINEM Alltag, in der ich besonders gut und vorbildlich aussehe.

Im Juli 2018 prahlte sie davon, wie sie auf einem Seminar die Teilnehmer mit ihren Geschichten von einer Büchersammlung in der Elbphilharmonie begeisterte.


Und im April 2018 hatte Kleist mich mit der bahnbrechenden Geschichte beeindruckt wie sie mit einer Freundin spazieren ging, obwohl sie erst gar keine Lust hatte und dann war es aber doch ganz nett.


Donnerschlach, nun überlegt sie sogar mal allein spazieren zu gehen. Was für eine tiefsinnige Geschichte. Fast hat sie mich schon so weit in die Kirche einzutreten. Nur Gott kann einer Pröbstin so intellektuelle Gedanken einpflanzen.

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Wenn die Realität zubeißt – Teil II


Solange die USA noch nicht vollkommen verrückt waren,  konnte es für einen Politiker keine schlimmere Schmach geben als für einen Government-Shutdown verantwortlich gemacht zu werden. Dieser Schwarze Peter wurde trickreich immer den anderen zugeschoben. Was könnte es auch für ein ultimativeres Versagen geben für diejenigen, die das Funktionieren des Staates garantieren sollten, als eben diesen Staat lahm zu legen und die Angestellten unbezahlt nach Hause zu schicken?

Aber wir sind im Jahr 2 nach Trump und da ist der Irrsinn Normalität.


Noch vor wenigen Jahren wären solche Sprüche der Untergang eines Präsidenten. Daher auch das hämische Verhalten Pelosis und Shumers.
Aber der Wahnsinn ist so weit fortgeschritten, daß Trumps Fans ihn dafür lieben alles kaputt zu schlagen. Sie halten das für seine Methode die Mauer durchzusetzen und die Ausländer rauszuwerfen.

Aber womöglich bekommen auch Trump-Fans die Realität bald in ihren Portemonnaies zu spüren. Jobabbau, Rekord-Handelsbilanzdefizit und natürlich auch Rekord-Schulden sind die schnöde Wirklichkeit Amerikas.

[…..] 2018 ist das Defizit im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent gestiegen. Amerika steht heute mit 21,2 Billionen bei seinen Gläubigern in der Kreide. Dramatischer als die Lage allerdings ist die Dynamik der Entwicklung. Schon 2019 dürfte der Fehlbetrag zwischen Einnahmen und Ausgaben die Eine-Billion-Marke knacken [….]

Seit Oktober befindet sich der Dow Jones auf Talfahrt; es könnte weiter bergab gehen.

[….] Bereits in den Vortagen hatten wir vor einem erhöhten Korrekturrisiko aus markttechnischer Sicht gewarnt. Und auch nach dem ersten Ausverkauf bleibt der Dow Jones Industrial Index weiterhin gefährdet. Insbesondere auf längere Sicht drohen Kurse unterhalb der 24.000er-Marke. [….]
(Börse online, 06.12.18)

Übel sieht es aber auch in der gesellschaftlichen Realität aus.
Trumps desaströse Krankheitspolitik bringt mehr Menschen denn je in den Drogentod, weil sie nicht versichert sind und schwere Krankheiten zunehmend nur noch mit Opioiden „behandeln“ können.

[….] So far in 2017, more than 72,000 Americans have died from drug overdose deaths, which is a new record according to the Centers for Disease Control and Prevention. By 2013, according to a study in Medical Care journal, the economic burden of the U.S. opioid crisis had already grown to about $78.5 billion. [….]

Da Trump und Konsorten kontinuierlich Hass säen, steigt natürlich auch die Zahl der Hass-Verbrechen rasant.

[….] Die Gewalteskalation in Charlottesville ist nur eines von insgesamt 7175 Hassverbrechen, die sich in 2017 in den USA ereignet haben. Um 17 Prozent sind die "Hate Crimes" im vergangenen Jahr laut einem neuen FBI-Bericht gestiegen. Eine deutliche Zunahme, und das bereits im dritten Jahr in Folge. 2016 waren es noch 6121 Hassverbrechen gewesen.
Von einem "Hate Crime" sprechen Ermittler, wenn ein Opfer wegen seiner Rasse, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Herkunft, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung oder seiner körperlichen oder geistigen Behinderung ausgewählt wird. Als Motiv für das Gewaltverbrechen geben die Täter stets Hass auf die jeweilige Gruppe des Opfers an. [….]

Aber auch Trumps radikaler Einsatz für Schusswaffen zeigt Wirkung. In seinen Staaten wird gemordet wie nirgends sonst. Über 100 Menschen werden in den USA jeden Tag erschossen.

[….] Fast 40.000 Menschen starben 2017 in den USA durch Schusswaffen - so hoch war die Rate seit den Neunzigern nicht mehr. [….] 39.773 Menschen wurden demnach im vergangenen Jahr durch Schusswaffen tödlich verletzt - im Schnitt 109 Menschen pro Tag. Damit gab es 2017 mehr Tote durch Schusswaffen als durch Verkehrsunfälle (37.133).
Pro 100.000 Einwohner wurden in den USA 2017 zwölf Menschen erschossen [….]. Zum Vergleich: In Japan liegt der Wert bei 0,2; auch in Großbritannien (0,3), Deutschland (0,9) und Kanada (2,1) ist er weitaus niedriger. [….]

Trumpmerica ist so ein unerfreuliches, unfreundliches und gnadenloses Land, daß immer mehr Amerikaner den finalen Ausweg suchen.

[….] The suicide rate is the highest it’s been in decades, the latest warning sign of a worsening public health issue in America that needs far more attention.
According to a new report by the Centers for Disease Control and Prevention, 47,000 Americans died by suicide in 2017. Put another way, the suicide rate was 14 people in every 100,000 — up 33 percent from 10.5 people per 100,000 in 1999.
The suicide rate is at a 50-year peak, according to the AP. The new data shows that there were 2,000 more deaths from suicide last year than in 2016, the year when suicide became the second-leading cause of death for Americans between the ages of 10 and 34 and the fourth-leading cause for middle-aged Americans. [….]

Herzlichen Glückwunsch, Mr. President, you really made America great again.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Krankheitsminister.


Depressionen sind eine sehr gefährliche und ernsthafte Krankheit. Man nimmt an, daß es dabei eine Mortalität von bis zu 15% gibt. 15 von 100 Patienten leiden also so schwer, daß sie den Selbstmord einem weiteren Leiden vorziehen. Damit sind Depressionen tödlicher als diverse Krebsarten.
91 von 100 Menschen überleben Prostatakrebs.
Es gibt bei depressiven Erkrankungen allerdings einen besonders tragischen Aspekt: Sie sind eigentlich fast immer heilbar mit einer Kombination aus Therapien, aber erstens sind diese Therapiemöglichkeiten nicht immer zugänglich, zweitens wird die Krankheit stigmatisiert und drittens reagiert das persönliche Umfeld oft kontraproduktiv und verschlimmert das Leiden noch, indem es nicht ernst genommen wird.
Ich konnte das Anfang des Jahres nach meinem Krankenhausaufenthalt erleben; da war meine Verletzung sehr sichtbar, weil ich durch den vielen Stahl in meinem Flunk kaum gehen konnte und mit diesen Krücken rumkraxelte.
Da erfährt man viel Mitleid. Jeder spricht einen an: Was haben Sie denn gemacht???
Und noch heute höre ich in jedem zweiten Laden Fragen nach meinem Bein.
Dabei war Mitgefühl in diesem Fall für den Heilungsprozess irrelevant. Menschliche Knochen wachsen eben wieder zusammen, wenn sie durch chirurgische Maßnahmen stabilisiert sind.
Das ist wahrlich keine Frage von Leben oder Tod. Aber niemand käme auf die Idee gebrochene Beine als Petitesse zu behandeln oder mit „Reiß dich mal zusammen!“ zu kommentieren. Jeder sieht das automatisch als erhebliche Verletzung an.
Depressionen werden inzwischen lange nicht ehr so stigmatisiert wie vor 30 oder gar 60 Jahren, aber insbesondere Männer schämen sich immer noch für die Diagnose und verheimlichen ihr Leid. Das ist gesellschaftlich aufoktroyierte Scham, für die es keine medizinische oder ethische Rechtfertigung gibt.
Man könnte sich hingegen durchaus für so manchen Beinbruch schämen, den man sich durch eigene Blödheit zugezogen hat.
Menschen auf Krücken wird aber sehr oft Hilfe angeboten und Mitgefühl bedeutet, obwohl diese supportive Haltung des Umfelds viel wichtiger und wesentlicher bei Depressionen wäre.

Ein weiterer Grund für den häufigen Suizid von Depressionspatienten liegt in der Unterversorgung mit Therapiemöglichkeiten.
Komme ich mit gebrochenem Bein in ein Krankenhaus, wird das ganz sicher noch am selben Tag versorgt und sofern eine Operation notwendig ist, wird die auch in den nächsten 24 Stunden stattfinden.
Depressive hingegen müssen oft Monate warten, bis sich ein Psychotherapeut erbarmt. Sie werden über Monate von diesem Gesundheitssystem allein gelassen – unter Inkaufnahme schwerster und vermeidbarer Leiden.

[….] Psychisch kranke Menschen müssen oft monatelang auf eine Therapie warten, das kritisierte die Bundespsychotherapeutenkammer am Dienstag in Berlin und forderte ein Sofortprogramm. Dieses soll möglichst schnell 1500 neue Zulassungen für Psychotherapeuten außerhalb von Großstädten, also in Vororten und auf dem Land schaffen - dort sei der Mangel am größten. Auf lange Sicht fordert die Kammer 7000 neue Zulassungen. "Die Wartezeiten sind definitiv zu lang", sagte der Präsident der Kammer, Dietrich Munz. "Die einzige Lösung dafür ist, die Zahl der Kassensitze aufzustocken. Alle anderen Kapazitäten sind bereits ausgeschöpft." […..]

Im Gegensatz zu der abenteuerlichen Situation bei den Pflegediensten, die einfach keine Mitarbeiter finden, ist die psychotherapeutische Unterversorgung ein reines Versagen der Gesundheitspolitiker. Es gibt ausreichend ausgebildete Therapeuten, die gern arbeiten würden, aber das Gröhe/Spahn-Ministerium und der mächtige Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) schaffen keine Zulassungsmöglichkeiten.

Das passiert eben, wenn Kanzler wie Merkel immer wieder das so wichtige Gesundheitsministerium mit völlig fachfremden Laien besetzt, die entweder irgendwie versorgt werden mussten (Gröhe) oder sich dringend profilieren wollen (Spahn).

Spahn brauchte nur wenige Wochen, um sich als disqualifiziert, herzlos und überfordert herauszustellen.

Nach seinem Scheitern bei der Kampfabstimmung um den CDU-Vorsitz haut der 37-Jährige Rechtsaußen gleich wieder Klopfer raus, um auch dem letzten Menschen zu beweisen, daß er ein Schwätzer ist, der seinen Job nicht kann.

[….] Gesundheitsminister Spahn will psychisch Kranke vor ihrer Therapie künftig von anderen Experten "voruntersuchen" lassen. Dagegen regt sich heftiger Protest.
Mit Petitionen hat Jens Spahn so seine Erfahrungen. Nachdem der CDU-Politiker vor einem Dreivierteljahr kundgetan hatte, dass Hartz IV nicht gleichbedeutend mit Armut sei, verlangten 210.000 Unterzeichner von ihm, selber mal einen Monat lang vom Arbeitslosengeld II zu leben. Spahn weigerte sich, versuchte das Thema mit der Initiatorin bei Kaffee und Kuchen abzumoderieren, trug politische Blessuren davon. Im September verlangten dann 224.000 Menschen von ihm, die Berufssituation von Physiotherapeuten und anderen Heilberuflern zu verbessern. [….] Drei Monate später [….] erwarten ihn schon wieder 130.000 Unterschriften. Diesmal geht es um Psychotherapie. Die Petenten ärgern sich, dass der Minister vor der Behandlung von psychisch Kranken noch eine weitere Hürde einziehen will. Die Patienten hätten sich demnach, bevor sie eine Therapie beginnen können, künftig erst mal von anderen Experten, die sie sich nicht auswählen können, „voruntersuchen“ zu lassen. Erst danach würden sie an ihre eigentlichen Therapeuten weiterleitet. [….]

Das ist also das Rezept der CHRISTLICHEN Politiker: Menschen, die an schweren Krankheiten leiden, wird der Zugang zu Therapie und Heilung systematisch erschwert und verkompliziert.
Auf daß sich nur Privatpatienten und Selbstzahler in den Städten überhaupt noch Hilfe leisten können.
Spahn dringt auf meiner persönlichen Sympathieskala inzwischen bist fast ganz zu Trump herunter.

 [….] Antriebslosigkeit gehört zu den typischen Symptomen einer Depression, die neben Angststörungen die häufigste psychische Erkrankung in Deutschland ist. Betroffene haben keine Kraft, sich um irgendetwas zu kümmern. Entsprechend schwer fällt es ihnen, sich einen Termin zu ergattern bei jemandem, der helfen könnte. Schaffen sie es doch, bei einem Psychotherapeuten anzurufen, warten sie im Schnitt 20 Wochen bis zum Beginn der Behandlung. Deutschlands Therapeuten sind ausgebucht. Verantwortlich dafür ist eine Gesundheitspolitik, die das Angebot künstlich knapp hält, obwohl die Nachfrage riesengroß ist.
Gesundheitsminister Jens Spahn kennt das Problem und verspricht, es zu lösen, indem er eine neue Vorinstanz einführt. Künftig sollen bestimmte Ärzte vorab feststellen, welcher Patient wie dringend eine Therapie benötigt, bevor diese beginnen kann. Für die Patienten ist das eine weitere Hürde in einem Prozess, der schon jetzt aus Dutzenden Anrufen, monatelangem Warten, mehreren probatorischen Sitzungen, Anträgen, Ablehnungen, Einsprüchen und neuen Anträgen besteht. Dabei bräuchten gerade psychisch Kranke niedrigschwellige Hilfe.
Hinter Spahns Vorstoß steht das Klischee, dass es unter psychisch Kranken genügend Hypochonder gibt, die sich ihr Leiden einbilden und die man daher von den Wartelisten streichen müsse. [….] Die Deckelung der Kassensitze ist ein gesundheitspolitisches Steuerungsinstrument, das ursprünglich Ärzteschwemmen vermeiden sollte. Inzwischen aber wird das Instrument zum Sparen missbraucht. [….]