Mittwoch, 4. November 2015

Personeller Niedergang.



Warum geht die aktuelle SPD-Generalsekretärin Fahimi zur Ex-Generalsekretärin Nahles?
Wollte sie weg, oder wollte Sigmar Gabriel sie loswerden?
Man liest, Nahles habe sie regelrecht abgeworben, weil Staatssekretär Jörg Asmussen einen (wesentlich besser bezahlten) Posten bei der staatlichen Förderbank KfW angenommen habe und sie die Stelle neu besetzen mußte.
Halb zog sie ihn, halb sank er hin. Und ward nicht mehr gesehn.
Es bleibt Spekulation was im Willy Brandt-Haus wirklich vorgefallen ist, aber es gehört zumindest nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen wie schwierig die Zusammenarbeit mit Gabriel ist, der seine Meinungen gelegentlich radikal ändert und damit engste Mitarbeiter brutal brüskiert.
Wenn sich Fahimi als Generalsekretärin total wohlgefühlt hätte und überzeugt gewesen wäre die kommenden Wahlkämpfe zu wuppen, hätte sie sicher nicht Nahles zugesagt.
Es gibt auch die Theorie, Gabriel denke strategisch an kommende Machtoptionen, schare nun Superwahlkampfprofis um sich. So angelte sich Gabriel PR-Mann Hüser, zu dem Fahimi einfach nicht gepasst habe.

(……) Und diesen Spin-Doktor hat Gabriel nun gefunden. Es ist ein Mann, der nicht nur das Ansehen der SPD beim Wähler ruinieren soll, sondern der dazu auch noch Gabriels Standing in seiner eigenen Partei möglichst nachhaltig zerstört.
Und was soll man sagen?
Der blinde Siggi pickte soeben das ideale CDU-Korn auf.

Sigmar Gabriel hat einen neuen Berater, der den SPD-Vorsitzenden zurück auf die Erfolgsspur führen soll. Doch der Essener PR-Anbieter Thomas Hüser könnte eher zum Problem für Gabriel werden. Wie die »Welt am Sonntag« berichtete, setzte Hüser noch vor ein paar Monaten auf eine SPD-Niederlage bei der Bundestagswahl 2017. [….]
Hinzu kommt: Hüser war bis vor kurzem noch Mitglied der Partei von Angela Merkel - gegen die Gabriel bei der Bundestagswahl antreten könnte. Nachdem er im Frühjahr die Beratung des SPD-Mannes übernommen hatte, war Hüser - Spitzname »Schwarzer Abt« - im Mai nach zehn Jahren aus der CDU ausgetreten. Das sei aber keine Bedingung Gabriels gewesen.

    »Kurt Schumacher, einer der Amtsvorgänger von Sigmar Gabriel, hatte die treffende Bezeichnung für die SED: ›rotlackierte Faschisten‹. Nun tragen die SED-Wölfe Gabriels frischgewaschene Schafspelze - und schalmeien gemeinsam in der rot-rot-grünen Einheitsfront. Der Wähler wird’s merken: Gabriel wird beim nächsten Mal wieder 20 plus x einfahren …. Und das ist gut so.«
 Thomas Hüser, 6. Dezember 2014


Ich glaube, Merkel ist gar kein Polit-PR-Genie, sie wäre vermutlich gar nicht so beliebt, wenn ihre Konkurrenz nicht so unfassbar dumm wäre.
Bravo Vizekanzler – falls noch ein paar SPD-Mitglieder übrig waren, die er beim VDS-Schwenk und der Demütigung Maas‘ noch nicht vergrault hat, wird das nun mit dem „schwarzen Abt“ Hüser klappen.

[…]   So einen hat es vielleicht noch nicht gegeben in den 150 Jahren der deutschen Sozialdemokratie. Thomas Hüser sitzt in der Düsseldorfer Kneipe "Zicke" und trägt ein blaues Hemd, in dessen Brusttasche seine Initialen eingestickt sind. Das sieht eher nach Arbeitgeberverband aus als nach SPD-Ortsverein. Und Hüser war bis vor Kurzem noch in der CDU. Er war auch gar nicht unzufrieden mit der Partei. […]  Das Verhältnis zwischen Gabriel und diversen weiteren Spitzengenossen ist seit einiger Zeit angespannt. Gabriels Agieren in den Debatten über die Vorratsdatenspeicherung und den Umgang mit Griechenland hat die Spannungen zuletzt noch verschärft. Als dann kürzlich der Name Hüser bekannt wurde, erregte das im Willy-Brandt-Haus erhebliches Misstrauen. Berater von außen sind in der Parteizentrale ohnehin nicht allzu hoch angesehen. Und solche mit dem politischen Hintergrund von Thomas Hüser erst recht nicht.
Hüser betreibt in Essen eine PR-Agentur mit einem ansehnlichen Kundenstamm. Heikel ist allerdings die Tatsache, dass nicht wenige Auftraggeber aus dem Dunstkreis von Bodo Hombach stammen, mit dem er gut befreundet ist. […]  Eine Freundschaft mit Hombach kann sehr einträglich sein, sie verhilft aber nicht unbedingt zu einer Karriere in der SPD - zumindest nicht in Nordrhein-Westfalen, wo Hombach verhasst ist, weil er gegen SPD-Landeschefin Hannelore Kraft stänkerte und mit deren CDU-Kontrahenten Jürgen Rüttgers fraternisierte. Wenn Gabriel Anlauf aufs Kanzleramt nehmen will, braucht er die NRW-Genossen und die Unterstützung von Kraft. Doch es war ausgerechnet Hombach, der ihm den PR-Mann Hüser empfahl. […] 

Kurioserweise ist Hüsers neuster Aufsatz, der seine zukünftige Arbeit für die SPD einleitet, eine recht zutreffende Bestandsanalyse.
Er hat natürlich recht mit seiner Verdammung der Merkelschen Nicht-Politik und prangert völlig richtig „die Selbstverzwergung der SPD“ an. (……)

Gegen Gabriels Professionalisierungs-Theorie spricht aber massiv, daß er mit Katarina Barley eine Fahimi-Nachfolgerin mit noch viel weniger Erfahrung als Fahimi aussuchte.
Es spricht nicht für Gabriels Charakter, daß er offenbar keine starke Führungspersönlichkeit neben sich duldet. Ralf Stegner, der schon vor zwei Jahren gern den Posten übernommen hätte, ließe sich nicht rumschubsen.

Parteien und ihre Generalsekretäre; ein Trauerspiel.

(……) Bei Deutschen Parteien haben Generalsekretäre den Parteiapparat zu leiten, Wahlkämpfe zu organisieren, die Parteiprogrammatik zu entwickeln und gleichzeitig Wadenbeißer zu sein, die den politischen Gegner in die Schranken weisen und die eigenen Standpunkte pointiert dem Wähler vermitteln.
Das waren einmal sehr wichtige Posten. Natürlich können Parteigeneräle nur dann dynamisch schalten und walten, wenn der Vorsitzende stark und selbstbewußt genug ist, um nicht verdrängt zu werden.

Helmut Kohl duldete einst noch selbstständige Denker und strategische Planer wie Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler.
Seit Merkel Chefin ist, fungieren sehr kleine Leuchten eher als Parteiverwalter: Ruprecht Polenz, Laurenz Meyer, Volker Kauder, Ronald Pofalla, Hermann Gröhe und Peter Tauber.

Es gab auch durchaus interessante und konstruktive FDP-Generäle; Karl-Hermann Flach, Günter Verheugen oder Cornelia Schmalz-Jacobsen zum Beispiel.
Aber irgendwann kamen nur noch Vollpfeifen.
 Nach der aktuellen Wahlkampfchefin Nicola Beer müssen vermutlich 99% der Deutschen erst mal googeln, weil sie so eine politische Null ist, daß noch niemand den Namen gehört hat. Aber damit passt sie ja zu ihren Vorgängern wie Werner Hoyer, Cornelia Pieper, Dirk Niebel oder Patrick Döring.

Die folgende Generalsekretär-Liste kommentiere ich lieber nicht, weil ich mich sonst strafbar mache:

Franz Josef Strauß | Josef Brunner | Heinz Lechmann | Friedrich Zimmermann | Anton Jaumann | Max Streibl | Gerold Tandler | Edmund Stoiber | Otto Wiesheu | Gerold Tandler | Erwin Huber | Bernd Protzner | Thomas Goppel | Markus Söder | Christine Haderthauer | Karl-Theodor zu Guttenberg | Alexander Dobrindt | Andreas Scheuer.

Die Sozis hatten von allen Altparteien am längsten selbst denkende, strategisch fähige Generalsekretäre. Da sind eine Menge gute Namen auf der Liste.

Hans-Jürgen Wischnewski, Holger Börner, Egon Bahr, Peter Glotz, Anke Fuchs, Günter Verheugen, Franz Müntefering und Olaf Scholz.
Aber mit Benneter und Heil zog auch in der SPD die C-Klasse in das Generalsekretärsamt, bevor es dann 2009 zum GAU kam und die frömmelnde Verwirrte Andrea Nahles vier Jahre lang die Mitglieder aus der Partei trieb.
Die heutige Arbeitsministerin hatte echt ein Händchen, das mich bis heute beeindruckt: Was sie anfasste, ritt sie sofort knietief in die Scheiße.
Man erinnere sich an ihr totales Scheitern beim versuchten Sarrazin-Parteiausschluss, ihr bockiges Verbot einer säkularen AG innerhalb der SPD oder das verblödete Wahlkampfmotto „Das wir entscheidet“ – welches sie ausgerechnet bei einer ausbeuterischen Zeitarbeitsfirma gestohlen hatte.
Schlimmer als Nahles geht einfach nicht; da kann sich die unerfahrene Nachfolgerin Yasmin Fahimi noch so große Mühe geben. (……)

Wer kann eigentlich ohne zu googeln aus dem Stehgreif sagen wie die Generalsekretäre, bzw Bundesgeschäftsführer der FDP, Linken und Grünen heißen?
Michael Kellner ist seit Oktober 2013 im Amt, Matthias Höhn bereits seit Juni 2012 und Nicola Beer wurde im Dezember 2013 gewählt.
Erinnert sich jemand an einen einzigen bedeutenden Beitrag dieser drei zur aktuellen Politik?
Was für ein Armutszeugnis!

CDU-Kollege Peter Tauber, auch bereits fast zwei Jahre im Amt, war unterdessen schwer damit beschäftigt seiner alten, schwerfälligen Partei eine grundlegende Strukturreform zu verpassen.
Da auch Tauber keinerlei inhaltliche Beiträge zur Politik ausbrütet und ganz offensichtlich nicht in der Lage ist strategisch zu denken, weiß man wenigstens was er die vergangenen 23 Monate angestellt hat.
Parteistrukturreform!

Und wie sehen seine Ergebnisse aus?

Nach nur einem Jahr kassiert die CDU eine von Generalsekretär Peter Tauber eingeführte Strukturreform für die Parteizentrale. Die neue Kommunikationsabteilung unter Leitung von Taubers Vertrautem Frank Bergmann, die vor allem für das Internet zuständig war, wird abgewickelt und anders im Konrad-Adenauer-Haus verteilt.

Glückwunsch! Immerhin passt Tauber zu den anderen Führungsfiguren seiner Partei. Die kommen auch nie zu Ergebnissen und beeindrucken mit sinnloser Zeitverschwendung.

Aber ich will nicht ungerecht sein und deshalb Taubers mutigen Sprung in die sozialen Netzwerke ausdrücklich loben.

Die CDU präsentierte unter seinem Kommando überragende Werbeclips auf Youtube. Endlich wieder klare politische Aussagen!


Der Youtube-Kanal CDU-Land Bremen brachte es inzwischen auf beeindruckende 14 Abonnenten! Da müssen sich Adele und Smosh warm anziehen! Der Europa-Wahlspot der CDU wurde sagenhafte 43 mal angeklickt!

Andere CDU-Verbände können das auch.
So wird die CDU bei den jungen, Computer-affinen Usern wieder attraktiv.


Sachsen-Anhalts CDU ist ebenfalls total netzaffin, auch wenn ihr eigener Youtube-Kanal bisher erst Null Abonnenten hat, aber es gibt ihn ja auch erst fünf Jahre. So schnell geht das nicht.


Ähnlich wie Palin oder Bachmann hat es die CDU-Bundespartei noch nicht begriffen, daß ihre Youtube-Aktivitäten als reine Satire wahrgenommen werden und produzieren fleißig weiter Gaga-Clips.


Extrem innovativ. Aber immerhin bekommen Comedians etwas zu tun.



Danke, Peter Tauber!


Dienstag, 3. November 2015

Arbeiten



Dieser Tage empören sich die Medien darüber, daß BILD-Vize Bela Anda gegen den auf Mallorca urlaubenden Thomas de Maizière wettert.

Mit dieser Art der Kritik tue ich mich auch extrem schwer.
Es gehört sich nicht für einen Spitzenpolitiker öffentlich über sein Arbeitspensum zu lamentieren, da er sich den Job selbst ausgesucht hat – wohl wissend, daß er wie jeder kleine auf selbständiger Basis Arbeitende möglicherweise auf Krankheiten keine Rücksicht nehmen kann, sich trotz Fiebers ins Büro schleppen muß.

Spitzenpolitikern aber generell Faulheit zu unterstellen oder ihnen Dienstwagen und Bezahlung zu missgönnen, ist allerdings unterstes PEGIDA-Niveau.
Zweifellos arbeiten Minister und Kanzler so viel, daß sie deutlichen Raubbau an ihrer Gesundheit und ihrem sozialen Umfeld treiben. Kinder leiden, Ehen zerbrechen.

Ginge es Merkel und Co nur ums Geld, könnten sie problemlos in Stellen des öffentlichen Dienstes mit wesentlich mehr Gehalt und viel mehr Freizeit wechseln – mal ganz abgesehen von den Summen, die in der „freien Wirtschaft“ gezahlt werden.
Man kann Merkel viel unterstellen - und in diesem Blog kritisiere ich sie seit über acht Jahren fast jeden Tag – aber es ist nicht die Geldgier, die sie antreibt.

In Wahrheit lachen Manager natürlich über die kleinen Gehälter der Bundesminister.
Kein Dax-Vorstand würde für Gabriels und Schäubles Gehalt morgens aufstehen.
Ich wäre natürlich offen für eine Begrenzung von Managergehältern.
Zumindest würde ich mir wünschen, daß diese a) offengelegt werden und daß Manager b) auch mit ihren Einkünften haften, wenn sie die Firma ruinieren.

Etwas anderes sind die hohen Gehälter in den Chefetagen der kommunalen Unternehmen.
Als Olaf Scholz 2011 Regierungschef in Hamburg wurde, legte er als erster Ministerpräsident überhaupt die Gehälter der Geschäftsführer öffentlicher Unternehmen offen.
Man staunte nicht schlecht.
Er selbst steht als Regierungschef mit rund 170.000 Euro im Jahr weit hinter dem Hochbahnchef (360.000 Euro), dem Flughafen-Chef (355.000 Euro) oder gar dem UKE-Chef Martin Zeitz mit 455.000 Euro Grundgehalt ohne Zuschläge.
Deutlich mehr als Olaf Scholz kassieren auch die Geschäftsführer der Saga, von Hamburg Wasser, der Hafenverwaltung HPA oder der Messe, die schon mit ihrer festen Vergütung alle klar oberhalb von 200.000 Euro liegen:
255.000 Michael Beckereit, Hamburg Wasser, 185.000 Bernd Aufderheide, Hamburg Messe und Congress, 230.000 Willi Hoppenstedt, SAGA Hamburg, 265.000 Lutz Basse, Saga Hamburg. (Zahlen von 2012)
Da es sich hier um öffentliche Unternehmen handelt, kann man ein Missverhältnis diagnostizieren. Entweder die Jungs verdienen zu viel oder Bürgermeister und Kanzlerin mit der ungleich größeren Verantwortung verdienen zu wenig.
Auch hier ist eine Neiddebatte allerdings kaum angebracht, da die Summen insgesamt zu vernachlässigen sind – verglichen mit den 9- und 10- und 11-stelligen Summen, die durch falsche politische Entscheidungen und Steuergeschenke verprasst werden.

Was man allerdings vielen Bundesministern vorwerfen muß, ist daß sie ihre eigentliche Arbeit nicht tun.
Sie setzen nicht das um, was zum Wohle des ganzen Landes offensichtlich auf der Tagesordnung steht.
Die Gründe für dieses Nichthandeln reichen von Unfähigkeit über Angst bis zu Bestechung.
Oft steht ein machttaktisches Kalkül dahinter: Wen würde eine notwendige Reform verärgern, wie stark wird der sich wehren und wie wirkt sich das auf meine Chancen aus wiedergewählt zu werden?
Schuld ist auch der Urnenpöbel, der noch viel manipulierbarer als der einzelne Abgeordnete ist und stoisch die politische Trägheit belohnt.

Dafür sind die beliebtesten CDU-Politiker Schäuble und Merkel die besten Belege. Beide beeindrucken durch ihr Ignorieren und Verschieben der Probleme.

Seit sechs Jahren ist Schäuble Bundesfinanzminister, der ohne eigenes Zutun durch die Arbeit seiner Vorgänger das seltene Glück sprudelnder Steuereinnahmen genießen kann.
Hinzu kommt, daß er sich auf riesige parlamentarische Mehrheiten stützen kann. DIE Gelegenheit endlich die überfälligen Steuerreformen anzupacken.
Aber Schäuble sagte bisher jede Reform einfach ab. Er handelt faul und feige!


Die Berechnung der Mehrwertsteuer, dieser Irrsinn im Quadrat, bleibt bestehen.

Offenbar fürchtet Schäuble, der zurzeit im Krankenhaus liegt, massive Widerstände gegen die Steuerpläne.
Der Regierung liegt ein Gutachten vor, wonach der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent allein für Lebensmittel gerechtfertigt sei. Die Vergünstigung beispielsweise für Schnittblumen, zahntechnische Leistungen oder Zeitungen seien dagegen steuerlich nicht zu begründen. Die Gutachter empfehlen, für diese Güter den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu berechnen. Der Finanzminister will dieser Empfehlung nicht folgen. In der Koalition wird Schäubles Weigerung mit Verwunderung aufgenommen, da sich der Finanzminister die Gelegenheit entgehen lasse, die Staatskasse zu füllen.
Die Regierung vertagte eine Entscheidung in dieser Frage immer wieder. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass eine Kommission den Katalog der ermäßigten Steuersätze überprüfen soll.
(Stuttgarter Zeitung 05.10.10)

Nun bleibt es bei dem Schilda-artigen Dickicht.
7% für Hotelübernachtungen, Windeln 19%, Rennpferde 7%, Apfelsaft 19 Prozent, aber Äpfel 7%. Aufgebrühter Kaffee 19 Prozent. Auf Kaffeebohnen, Haustauben, Bienen und Chicoree, Speisesalz (aber nicht in wäßriger Lösung!) gibt es 7 %.
Die schwarz-gelbe Steuersenkungskoalition hat in ihrem ersten Gesetz das Chaos noch vergrößert - wider alle Vernunft.
Inzwischen blickt keiner mehr durch und die Merkelregierung mit ihrer dicken Bundestagsmehrheit legt tatenlos die Hände in den Schoß.
Schäuble fällt aus und sagt Vereinfachungen ab.

So bleiben die ermäßigten Mehrwertsteuersätze ein Fall für Comedians.

So ist Esel nicht gleich Esel: Denn nicht nur für Hengste, Wallache, Stuten und Fohlen gilt der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent, sondern auch für Kreuzungen zwischen Eselhengst und Pferdestute (Maultier) sowie Pferdehengst und Eselstute (Maulesel). Der ermäßigte Satz ist auch für reinrassige Esel fällig, aber nur für geschlachtete. Schließlich wird ja auch "Fleisch von Pferden, Eseln, Maultieren oder Mauleseln, frisch, gekühlt oder gefroren" begünstigt. Für lebende "Hausesel und alle anderen Esel" gilt der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Reichlich Stoff für Büttenredner bietet auch diese Klarstellung: Genießbare getrocknete Schweineohren unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent, auch wenn sie als Tierfutter verwendet werden. Getrocknete Schweineohren, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, werden mit dem vollen Satz belegt. Zum Kuriositäten-Katalog gehört ferner: Ermäßigte Mehrwertsteuer für Hausschweine, normaler Satz für Wildschweine - und Flusspferde; ermäßigter Satz für Kartoffeln aller Art, aber Regelsatz für Süßkartoffeln; ermäßigter Satz für Tomatenmark und Tomatensaft, normaler Satz jedoch für Tomatenketchup und Tomatensoße. Oder: Pilze und Trüffel, ohne Essig haltbar gemacht: ermäßigt; Pilze und Trüffel, mit Essig haltbar gemacht: normaler Steuersatz. Und so weiter.
(Evang. 2.12.09)

Diese Koalition ist ein einziger Witz - ob ein Minister mehr oder weniger arbeitsfähig ist, spielt keine Rolle mehr.

Die finanzielle Ungleichheit in Deutschland wächst rasant weiter an, weil Schäuble sich darum drückt endlich auch die überfällige Erfassung der Kapitalerträge zu regeln.

Schäuble arbeitet sicher viel, aber seine ureigentlichen Aufgaben als Finanzminister läßt er liegen.
Seine Untätigkeit hat dramatische Folgen.

[….]  Steuerausländer haben in Deutschland mehr als 2500 Milliarden Euro steuerfrei angelegt und nur ein Prozent davon bisher an die Heimatfinanzbehörden gemeldet. Das geht aus dem am Montag in Berlin veröffentlichten Schattenfinanzindex 2015 hervor. [….] Deutschland gilt nach wie vor als Steueroase. Im Ranking der weltweit "schädlichsten Schattenfinanzplätze" belegt die Bundesrepublik den achten Platz. [….] Der Schattenfinanzindex sei "das größte Projekt weltweit zur Messung von schädlicher Geheimhaltung im Finanzsektor und zeigt, wo Kriminelle, korrupte Eliten und Steuerflüchtlinge am besten mit ihrem Geld untertauchen können", sagte Markus Meinzer, Projektleiter beim Tax Justice Network und Autor des gerade erschienenen Buches "Steueroase Deutschland".[….] Meinzer zufolge spielt die Bundesrepublik politisch nicht mit offenen Karten. Auf europäischer Ebene würden Transparenzreformen wie etwa die Angabe der Eigentümer von Firmen oder zu länderspezifischen Berichtspflichten abgelehnt.

Dieses Generieren von Megaproblemen durch Unterlassung beherrscht auch der absolute Minusminister Thomas de Maizière.
Niemand würde sich darüber aufregen, wenn der Innenminister ein paar Tage auf Mallorca ausspannt, wenn man den Eindruck hätte, er habe vorher effektiv gearbeitet.
Dem ist aber nicht so. De Maizière ist der Hauptverantwortliche für den absurden Zustand, daß in Deutschland ankommende Flüchtlinge bis Sommer 2016 warten müssen, um überhaupt einen Termin für das Stellen eines Asylantrages zu bekommen. Ein Antrag, der dann noch weitere lange Monate bearbeitet wird, so daß locker anderthalb Jahre Zeit vergehen, in der der Heimatvertriebene nicht arbeiten darf und nicht gefördert werden darf.

In diesen Tagen richtet sich der Blick auf ihre Politik in den vergangenen Monaten. Und da zeigt sich, dass der erfahrensten Regierungschefin des Kontinents Fehler unterlaufen sind, die sich nur mühsam korrigieren lassen. Viel zu spät realisierte das Kanzleramt die historische Dimension der Krise. Schon im Februar riefen Kommunen um Hilfe. Im Mai bereitete sich das Transitland Serbien auf größere Flüchtlingsbewegungen vor. In Berlin tat sich nichts. Das Innenministerium verweigerte dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge neue Stellen für Asylentscheider. Tausende Altfälle blieben liegen. Später, als klar wurde, dass der zuständige Amtschef mit seiner Aufgabe überfordert war, blieb er noch wochenlang im Amt. Im Juni warnten CDU-Landräte aus Baden-Württemberg in Berlin vor einem Kollaps, doch die Regierungszentrale dachte überhaupt nicht daran, in den Krisenmodus hochzuschalten.
(DER SPIEGEL 45, 31.10.2015, s.27 f)

Genau wie der Innenminister versagte auch die Kanzlerin durch ihre Untätigkeit auf europäischer Ebene.

Ein auch nur halbwegs fähiger Innenminister würde nun endlich mal anfangen Integrationshemmnisse abzubauen und zumindest das tun, was seit 10 Jahren jeden Tag gefordert wird: Sprachkurse anbieten und akademische Abschlüsse anerkennen.
De Maizière begreift es aber einfach nicht, tut das diametral Falsche; läßt weiter abschrecken.

Doch die Flüchtlinge und Helfer scheitern oft noch an den Strukturen in Deutschland, deren Motto scheint: "Abschrecken statt einbinden". Denn in deutschen Gesetzen und Verordnungen wimmelt es noch von Paragraphen, die eine Integration schwer machen, sagt etwa Prof. Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. "Wir haben lange versucht, Asylbewerber und Flüchtlinge abzuschrecken. Menschen, die man in ihre Heimatländer zurückschicken will, versucht man gerade nicht in den Arbeitsmarkt zu integrieren, versucht man nicht auszubilden, versucht man nicht sprachlich zu fördern. Das ist alles Gift für die Integration."

Es ist wie ein schlechter Witz. Auch wenn der phlegmatische Sachse es lange zu verheimlichen suchte: Es kommen dieses Jahr 800.000 bis 1.000.000 Heimatvertriebene nach Deutschland.
Hunderttausende sind lange da und im ganzen Jahr 2015 schafft es de Maizière gerade mal Deutschkurse für 1.500 Menschen zu organisieren.

Dramatisch de Maizières Versagen beim Rechtsextremismus.
Er füttert Pegida und AfD an, statt seiner eigentlichen Aufgabe als Verfassungsminister nachzukommen.
Er sollte endlich Vorurteilen entgegen treten, statt diese aktiv zu fördern, indem er immer wieder bösartige Gerüchte („falsche Syrer“, „IS-Unterwanderung“) über die zu uns kommenden Menschen in die Welt setzt.

Was de Maizières ureigene Aufgabe wäre, ist die folgende Rede zu halten.
Aber leider mußte Monitor-Chef Restle einspringen.

Wer sich die Bilderflut der letzten Wochen angeschaut hat, kann ja tatsächlich auf den Gedanken kommen, über Deutschland sei so etwas wie eine Naturkatastrophe ungeahnten Ausmaßes hereingebrochen. Dabei reden wir von bisher rund 400.000 registrierten Flüchtlingen, die aus größter Not in diesem Jahr nach Deutschland gekommen sind. 400.000, das klingt für manche ziemlich viel. Klingt allerdings gar nicht mehr so viel, wenn man sich die Zahlen der Flüchtlinge anschaut, die Deutschland in der Vergangenheit schon aufgenommen hat. Allein in den vier Jahren nach dem zweiten Weltkrieg sind rund 12 Millionen Menschen aus den sogenannten ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Deutschland geflohen oder vertrieben worden. 12 Millionen, die Arbeit und Wohnraum in einem völlig zerstörten Land suchten. Die zweite große Zuwanderungswelle dann in den 60er und 70er Jahren. Vor allem die sogenannten Gastarbeiter. Allein im Jahr 1973 kamen rund eine Million Ausländer nach Deutschland; insgesamt waren es zwischen 1969 und 1973 sogar 3,4 Millionen. Der nächste Höhepunkt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Fall der Mauer. Spätaussiedler und Asylbewerber aus Osteuropa, allein im Jahr 1992 waren es rund 700.000. Insgesamt kamen zwischen 1988 und 1993 3,1 Millionen Menschen nach Deutschland. Hat das Land alles gut überstanden. Auch deshalb täte uns allen ein bisschen weniger Drama vielleicht ganz gut - trotz aller Herausforderungen. Herausforderungen, auf die die deutsche und europäische Politik fast nur eine Antwort zu kennen scheint. Zäune hoch und Grenzen wieder dicht, wenn’s sein muss auch innerhalb Europas.

Wenn man so viel Arbeit nicht tut, muß man sich auch nicht wundern, daß die BILD höhnisch über den Mallorca-Urlaub berichtet!