Montag, 21. September 2015

Carly Pinocchio.



Diese sechs Stunden Hardcore neulich haben sich durchaus für mich gelohnt.
Ich brauchte dringend mal ein GOPer-Update.
Bei den usual suspects der Doofheit – Michele Bachmann und Sarah Palin – habe ich inzwischen die Fähigkeit verloren zwischen O-Tönen und Satire zu unterscheiden.
Die beiden Hohlbratzen sind selbst für amerikanische Verhältnisse derart verblödet, daß man sie schlicht und ergreifend nicht mehr persiflieren kann. Es gibt keine Möglichkeit sie noch satirisch zu überhöhen.

Vice presidential candidate-cum-Facebook ranter Sarah Palin thinks 14-year-old Texas 9th grader Ahmed Mohamed should have been arrested for making a clock at home and bringing it to school to show his teacher.
In a winding Friday night post, Palin aired her suspicions that the “obstinate-answering” boy was really up to no good and Irving police and school officials have been wrongly maligned in the “reactionary-slash-biased media!” The case has generated outrage amid the belief that Mohamed was arrested due to anti-Muslim bias and not any genuine threat posed.
“Yep, believing that’s a clock in a school pencil box is like believing Barack Obama is ruling over the most transparent administration in history. Right. That’s a clock, and I’m the Queen of England,” Palin opined. Throughout the post, she spelled Mohamed’s name “Muhammad,” which is the spelling commonly used in the English-speaking world for the prophet of Islam.


The half-term Governor of Alaska goes on to say that other kids have been ‘disciplined and/or kicked out of school for bringing squirt guns to school,” so therefore she must think it’s OK that the 14-year-old was handcuffed, brought into juvenile detention and after repeatedly asking, he was denied a phone call to his parents.
“Or the student out deer hunting with his dad early one morning who forgot he had a box of ammo in his truck when he parked in the school’s lot later that day,” Palin writes.
“By the way, President Obama’s practice of jumping in cases prematurely to interject himself as the cool savior, wanting so badly to attach himself to the issue-of-the-day, got old years ago. Remember him accusing police officers doing their job as “acting stupid”; claiming if he had a son, he’d look like Trayvon Martin; claiming he needed to know who was a fault in an industrial accident so he’d “know who’s a** to kick”; etc., etc,” she continues to screech.

Diese Irre ist im Gespräch unter einem Präsidenten Trump Energie-Ministerin zu werden. Aber wen wundert es? Immerhin einigte sich die gesamte Republikanische Partei schon einmal darauf sie für die US-Vizepräsidentschaft zu nominieren.
Im Jahr 2015 sehe ich aber neben Ted Cruz hauptsächlich Carly Fiorina als abstoßendste Republikanerin aller Zeiten. Sie ist eine extrem unseriöse, brutale, raffgierige, bösartige Aggro-Politikerin, die mit so massiven persönlichen Angriffen und Beschimpfungen auffiel, daß mir dagegen Donald Trump schon gemäßigt und eher euphemistisch formulierend erschien.
Die Konsequenzen bei den GOPer Sympathisanten sind klar, wenn sich ein(e) Kandidat(in) als so extrem abscheulich inszeniert: Sie bekommt sofort mehr Fans.

Der Vorsprung des umstrittenen Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump vor den übrigen republikanischen Anwärtern ist einer Umfrage zufolge deutlich geschrumpft. In der am Sonntag veröffentlichten Umfrage des US-Senders CNN und der Beratungsfirma ORC liegt Trump mit 24 Prozent Zustimmung bei den Anhängern der Republikaner zwar immer noch vorn, büßte allerdings ganze acht Prozentpunkte im Vergleich zu der vorherigen Befragung ein.
Rasant aufgeholt hat demnach die Ex-Managerin Carly Fiorina, die nach nur drei Prozent in der vorherigen Umfrage nun 15 Prozent der republikanischen Wähler hinter sich brachte und den früheren Neurochirurgen Ben Carson von Rang zwei verdrängte. Die frühere Managerin des IT-Konzerns Hewlett Packard hatte die zweite große TV-Debatte der elf bestplatzierten republikanischen Bewerber am Mittwoch genutzt, um sich zu profilieren.
(NTV 21.09.15)

Die Republikaner hatten bekanntlich schon 2012 das „Post-Truth-Zeitalter“ ausgerufen und wollten sich nicht mehr von der lästigen Realität und Fact-Checkern einschränken lassen.
Die Wirklichkeit ist nur etwas für Weicheier, Schwule und Demokraten.
GOPer erschaffen sich ihre eigene Scheinwelt, in der die Bösen klar zu identifizieren sind. Da argumentiert man nicht mehr umständlich mit Fakten, sondern mit Ideologie und Angst.
Republikaner fürchten sich vor dem was sie nicht verstehen und daher haben sie Angst vor allem.

Die GOPer leben in einem Universum der Furcht und daher sehnen sie sich alle nach einer strengen Herrin, die den Liberalen mal richtig Feuer unter dem Hintern macht.
Und genau so inszenierte sich Fiorina.



Was Republikaner vermutlich nicht ahnen: Fiorina lügt, daß sich die Balken biegen.



So zog es sich durch die ganze Debatte, bei der sie zum Beispiel auch vehement gegen Marihuana-Freigabe argumentierte. Sie wurde höchst emotional („gets personal“), als sie bei dem Thema den Eindruck erklärte, sie wisse von den Gefahren der Drogen, da ihre kleine Tochter durch Marihuana ums Leben kam.
Was kann es schlimmeres für eine Mutter geben, als ihr Kind zu verlieren?

Ein Schlüsselmoment der Debatte, der ihr enorme Sympathien gebracht haben dürfte.

Unnötig zu erwähnen, daß auch das weitgehend erlogen war.


Klimawandel? In Fiorinas Sicht der Dinge darf man nichts dagegen unternehmen. Sie setzt stattdessen auf KOHLE-Verstromung in der Energiepolitik.

Sehr gerne und ausführlich verweist Fiorina auf ihre Managerqualitäten.
Sie würde Amerikas Ökonomie wieder in Gang bringen.


[….] Nach der Zweiten republikanischen Vorwahl-Fernsehdebatte feiern Mainstreammedien in den USA und in Deutschland die ehemalige HP-Chefin Carly Fiorina als Anti-Trump. [….]  Als sie 2010 kalifornische Senatorin werden wollte, verlor sie unter anderem deshalb krachend, weil ihre demokratische Gegenkandidatin Barbara Boxer [….] thematisierte, was passierte, nachdem die Italo-Amerikanerin [….]  HP-CEO wurde: Sie setzte 30.000 der damals 85.000 Mitarbeiter frei, während sie sich selbst 100 Millionen Dollar und eine Luxusjacht und dem Management fünf neue Firmenjets gönnte. Trotzdem (oder gerade deshalb) verfehlte das Unternehmen Gewinnprognosen und der Aktienkurs ging in den Keller.
Die Techniker, die sie zugunsten der Manager entmachtete, werfen ihr vor, dass sie dem IT-Konzern damals die Innovationskraft nahm und deshalb langfristig massiv schadete. Technology Review schrieb 2005, nachdem Fiorina schließlich selbst entlassen wurde, tanzten die HP-Angestellten "wortwörtlich in ihren Büros". Auf die Frage nach eigenen Fehlern meinte die entlassene Managerin lediglich, sie hätte noch früher noch mehr Leute entlassen sollen.
Bevor sie zu HP ging, war Fiorina bei bei Lucent Technologies tätig - einer Firma, deren Aktien in den Nuller Jahren auf weniger als einen Dollar Wert sanken, bis sie schließlich mit Alcatel fusionierte. Fortune zeigte 2010, dass Fiorinas oft an sehr kurzfristigem Scheinerfolg orientierte Entscheidungen maßgeblichen Anteil an diesem Niedergang. [….]

Fiorina zeigt sich in den Debatten außerdem als außenpolitische Falkin – mit China, Russland und dem Iran würde sie noch nicht einmal reden, sondern das Militär massiv aufrüsten.

Auch das ein radikal verlogenes Ansinnen.

Even as she talks tough against the regime in Iran, it turns out she defied an Executive Order and sold millions of dollars in HP computers and printers to that same Iran regime. Suddenly, it appears we have the first real scandal of the 2016 election cycle.
It turns out this wasn’t a one-time thing either. At one point Carly Fiorina was illegally selling so much HP product to Iran that the company had nearly half the printer marketshare in the rogue nation. Worse, she tried to hide it by using a third party company. According to MSNBC, the sales were in violation of an Executive Order in place from President Bill Clinton. Ultimately the SEC caught her red handed, according to the Boston Globe, and put a stop to the law-breaking.

Irgendwie lustig, daß Fiorina Hillary Clinton dafür angreift eine Lügnerin zu sein.


That being said, she’s a terrible candidate. Sure, if she has time to prepare weeks ahead of time for a debate she will perform very well. The problem is, if you really listen to what she’s saying, there’s almost no substance to any of it. Aside from her suggesting she would like to start WWIII with Russia and lying about Planned Parenthood, I have absolutely no clue where she actually stands on the issues. I can guess based on the fact that she’s a Republican, but I’ve never heard her actually spell out specifics for anything she claims she supports. Not only that, but one of her most memorable moments from the second debate, when she spoke about the Planned Parenthood videos, got absolutely shredded by fact-checkers. Well, during an interview with Fox News’ Chris Wallace on Sunday morning, Fiorina was confronted with the truth that she lied during the debate – and she proceeded to double-down on her lie. “Do you acknowledge what every fact-checker has found?” Wallace asked. “As horrific as the scene is, it was only described on the video by someone who claimed to have seen it. There is not, no actual footage of the incident you just mentioned.”


Sonntag, 20. September 2015

Der Minusmann – Teil VII



Unter all den Versagerministern Merkels mauserte sich Thomas de Maizière aus dem rechtsextremen sächsischen Wahlkreis Meißen inzwischen eindeutig zum Schlechtesten von allen.
Eine echte Leistung des frommen Multiministers auch solche Blitzbirnen wie Kristina Schröder, Alexander Dobrindt und Hans-Peter Friedrich hinter sich gelassen zu haben!
Immerhin brachte es Merkels angebliche Allzweckwaffe aufgrund seiner ungeheuerlichen Fehlleistungen schon mehrfach zur Impudenz des Monats.

Wie schon als Verteidigungs- und Kanzleramtsminister ist der Bundesinnenminister nicht nur unfähig und faul, sondern auch noch feige. Wenn  - wieder einmal – etwas unter seiner Regie schief geht, läßt der siebenmalige Minusmann die Köpfe von Bauernopfern rollen.

Zuletzt traf es den BAMF-Präsidenten Manfred Schmidt:

Das ist ein klassisches Bauernopfer. Die politische Verantwortung für das Chaos im Amt liegt im Bundesinnenministerium. Thomas de Maizière muss jetzt endlich seinen Job machen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitsfähig machen. Seine nachgeordnete Behörde braucht dringend mehr Personal und Verfahrenserleichterungen, damit Anträge schneller bearbeitet und die Laufzeiten deutlich verkürzt werden. Personalentscheidungen sind derzeit nicht das Hauptproblem der deutschen Flüchtlingspolitik, sondern richtige politische Prioritätensetzungen. Daran mangelt es dieser Regierung eindeutig.
(Katrin Göring-Eckardt, 17.09.2015)

Seine völlige Verkennung der Problematik machte de Maizière noch einmal dadurch deutlich, daß er Frank Weise als neuen Bamf-Chef bestimmte – als ob das Flüchtlingsproblem eine Petitesse wäre, die der Chef der Bundesanstalt für Arbeit auch nebenbei erledigen könnte.


Noch nicht einmal in der eigenen Partei gibt es – außer Angela Merkel – noch Unterstützer des Minusministers.

 […] Am Dienstagabend erreichte die schwelende Unzufriedenheit mit de Maizière beim Bund-Länder-Treffen im Kanzleramt einen Höhepunkt, als der Minister nach verbreiteter Einschätzung in der Runde schlecht vorbereitet war und nicht gut genug im Stoff stand. In einigen Punkten wurde er selbst von der Kanzlerin korrigiert, die sich dann teils auf die Länderforderungen einließ und nicht auf die Position ihres Innenministers.
Schon am Tag zuvor hatte de Maizière keinen guten Eindruck hinterlassen, als er im Fernsehen sagte, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe den Mitgliedstaaten, die sich gegen eine Flüchtlingsverteilung nach Quote wehrten, mit Kürzungen von EU-Mitteln gedroht. Er finde das richtig, hatte der Innenminister hinzugefügt. Juncker ließ umgehend dementieren, auch Angela Merkel will von solchen Drohungen nichts wissen. Dass beim EU-Innenministertreffen am Montagabend keine Lösung erreicht wurde, hat de Maizières Position zumindest nicht gestärkt.
[…] Die Unzufriedenheit der Länderchefs mit de Maizière und dem Bamf hat sich über Monate aufgebaut, zuletzt auch auf Unionsseite. Der Minister und sein Behördenchef gelten als zu bürokratisch und zu wenig flexibel. […] Als die Ministerpräsidenten im vergangenen Dezember darauf hinwiesen, dass man 2015 mit deutlich höheren Zahlen zu rechnen habe, gingen de Maizière und Kanzleramtsminister Peter Altmaier nicht darauf ein. 2014 waren es insgesamt knapp 203.000 Anträge gewesen. Diese Zahl war in diesem Jahr dann schon im Juli erreicht, die Länderchefs fühlten sich bestätigt, die schon lange mit 500.000 Anträgen im Gesamtjahr gerechnet hatten – während de Maizière weiterhin mit 300.000 kalkulierte. […] Noch im April ließ de Maizière erklären, dass er die Diskussion darüber für „abgeschlossen“ halte. […]

Der immer wieder der massiven Lügen überführte Thomas de Maizière gibt sich immer noch als hilfloses Opfer, der einfach von den Flüchtlingszahlen kalt erwischt wurde.
Es ist ganz ähnlich wie zum Beispiel bei der Eurohawk-Affäre, als er 800 Millionen Euro in den Sand setzte, weil er angeblich keine Kenntnis davon hatte was da schiefgeht – obwohl es genau in seinem Haus seit Jahren massive Warnungen gab.

[…] Hätten wir früher damit begonnen, uns auf den Ansturm vorzubereiten, wäre es nun nicht so schwierig, die Ankömmlinge zu registrieren, sie zu verpflegen und sie unterzubringen. An manchen Orten herrscht totales Chaos. […] Doch so groß kann die Überraschung für die Bundesregierung nicht gewesen sein. Denn schon seit Monaten ist klar, wie viele Menschen kommen werden. Das Problem: Die Bundesregierung ignorierte die Warnungen.
So lagen dem Innenministerium nach Informationen der "Welt" bereits im ersten Quartal entsprechende Prognosen vor. "Eine Million kommen in 2015", warnte die Bundespolizei damals laut "Welt".   […] Erst jetzt spricht die Bundesregierung von einer Million Flüchtlinge, die dieses Jahr nach Deutschland kommen. Das Innenministerium wollte einfach nicht wahrhaben, was längst absehbar war. Oder es wollte sogar - so lange es eben geht - die Öffentlichkeit beruhigen. […]

95% der syrischen Flüchtlinge bleiben in den Nachbarstaaten Libanon, Jordanien und der Türkei.
Die relativ wenigen, die es nach Westeuropa schaffen, können ein riesiger Gewinn für uns sein.


Nach Jahren des Nichtstuns, überrascht der Bundesinnenminister heute mit einer neuen Volte der Unverantwortlichkeit.
ER, der Verfassungsminister will mit Verfassungswidrigkeiten punkten und erinnert damit an seinen Vorgänger Friedrich, der das Grundgesetz mit seinen unfassbaren Sprüchen von dem „Supergrundrecht Sicherheit“ aushebeln wollte.

[…] Das geplante neue deutsche Asyl-Abschreckungsrecht ist ein Frevel. Es hungert die Geflohenen aus.
Man hat in der Geschichte der Bundesrepublik schon viele seltsame, verwunderliche, bedenkliche, gefährliche, auch grundrechtswidrige Gesetzentwürfe lesen können. Dieser Gesetzentwurf nun, mit dem die Bundesregierung auf die Flüchtlingskrise reagiert, schlägt alles bisher da Gewesene.
Wenn dieser Entwurf wirklich ernst gemeint ist, woran man am liebsten zweifeln möchte, ist er frevlerisch: Er hungert die sogenannten Dublin-Flüchtlinge aus; er verspottet die vielen Menschen, die den Flüchtlingen jüngst auf den Bahnhöfen Hilfe geleistet haben; er verhöhnt Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Unantastbarkeit der Menschenwürde garantiert.
Wenn die Kanzlerin den Entwurf kannte, signalisiert er Panik
Das neue Recht garantiert missliebigen Flüchtlingen nur noch einen Apfel, ein Ei und eine Rückfahrkarte. Dieses neue Asylbewerberleistungs-Verweigerungsrecht könnte grundsätzlich auch für diejenigen Flüchtlinge gelten, denen die Kanzlerin Schutz und Hilfe versprochen hat. […]

Es ist überfällig, daß Merkels Versagerminister endlich aus dem Kabinett entfernt wird – zumal er ein Ressort okkupiert, auf das es im Moment wirklich ankommt.
De Maiziére treibt es inzwischen so weit, daß selbst Zickzack-Sigi nicht mehr ruhig bleiben kann.

[…] Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner fordert den Rücktritt des Ministers, falls es diesem nicht gelingen sollte, dafür zu sorgen, dass schneller über Asylanträge entschieden wird. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte hingegen der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“: „Ich halte das alles für Quatsch.“ Niemand sei darauf vorbereitet gewesen, dass bis zu eine Million Menschen in diesem Jahr nach Deutschland kommen könnten.
„Statt das Asylrecht zu schleifen, muss de Maizière endlich die Asylverfahren beschleunigen, wie das Länder und Kommunen seit vielen Monaten fordern“, hatte Stegner der „Bild am Sonntag“ gesagt. Wenn der Minister bei diesem Kernproblem weiter versage, reiche der Rücktritt des Chefs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht aus. „Dann sollte de Maizière als verantwortlicher Minister zurücktreten“, erklärte Stegner wörtlich.
Auch die Grünen warfen de Maizière Versagen vor. Der Kölner Bundestagsabgeordnete und Innenpolitiker Volker Beck sagte BZ/KSTA/MZ/FR: „Administrativ war das Innenministerium ein Totalausfall. Dafür trägt de Maizière die Verantwortung. 420 nicht besetzte Stellen beim BAMF – das hätte die Rechtsaufsicht nicht zulassen dürfen.“ […]

Wo ist denn Merkel mal wieder, die im aktuellen SPIEGEL als Mutter Teresa Europas hochgejubelt wird, während sich die Koalition zofft?
Es ist überfällig ihrem Ziehsohn endlich das volle Vertrauen auszusprechen.

Sehr geehrter Thomas de Maizière,
es ist schon mehr als befremdlich, wie Sie als Verfassungsminister das Grundgesetz auslegen. Dabei müssten doch gerade Sie es wissen: Das Grundrecht auf Asyl (Artikel 16a) gilt für ALLE politisch Verfolgten und die Menschenwürde (Artikel 1) für ALLE Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Wenn Sie also Obergrenzen für Asylbewerber schaffen wollen und Flüchtlinge quasi aushungern lassen, wäre dies nichts anderes als ein doppelter Bruch unserer Verfassung. Sie sind als Innenminister von Amts wegen dazu berufen, diese Verfassung zu schützen. Wenn Sie sich dazu offensichtlich nicht in der Lage sehen, dann sollten Sie die Konsequenzen ziehen - und zurücktreten.
(Georg Restle, MONITOR, 20.09.15)


Samstag, 19. September 2015

Irre Christen, die sich von Fakten nicht verwirren lassen.


Bekanntlich bin ich der festen Überzeugung, daß weder Staat noch Religion noch sonst irgendwer in persönliche Entscheidungen eingreifen darf – sofern man a) erwachsen ist und b) niemand anders dadurch verletzt.
Über viele Jahrhunderte wurden diese nur die eigene Person betreffenden Dinge von Staat und Kirche brutal sanktioniert. Bei einigen Aspekten bröckelt es aber gewaltig. Daß ein Mann mit einem anderen Mann Sex haben darf oder daß man Marihuana rauchen kann, wird in Deutschland die Mehrheit der Menschen nicht mehr bestreiten, auch wenn es an der Homofront noch kirchliche und an der Haschisch-Front noch staatliche Widerstände gibt.
Andere „Freiheiten,“ die Jahrhunderte nicht existierten, sind heute sogar noch unumstrittener.
Für das Onanie-Verbot oder den Glaubenszwang (wie er immerhin noch in der Bibel in den zehn Geboten steht), die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder die Regel, daß Frauen keine Hosen tragen dürfen wird man nur noch in homöopathischen Dosen Befürworter finden.
Gut so.
Es gibt aber auch Freiheiten, die ich für selbstverständlich halte, die immer noch hochumstritten sind, bzw sogar von großen Mehrheiten negiert werden.
Unter den beiden genannten Bedingungen (Volljährigkeit und niemand Dritten zu schaden) befürworte ich Mehrstaatlichkeit, die vollständige Drogenfreigabe, Ehe zu Dritt oder unter Geschwistern, jede Form der Selbsttötung, die weit gefasstesten Patientenverfügungen, Organtransplantationen, Präimplantationsdiagnostik, Leihmutterschaften und die Forschung an humanen Stammzellen.

Wenn ich viel Phantasie bemühe, kann ich mir vorstellen, daß ein konservativer Christ die Sache mit den Schwangerschaftsunterbrechungen anders sieht.
Er argumentiert gegen die Freiheit eines Menschen, indem er behauptet dies würde einen anderen Menschen umbringen.
Das ist zunächst einmal nicht völlig von der Hand zu weisen.
Allerdings ist ein Zellklumpen im Uterus kein Mensch.
Und es ist auch keineswegs unüblich, daß diese Embryonen absterben. Im Gegenteil; das ist das Urprinzip der Natur: Trial and Error. Alle Tiere produzieren zu viel Nachwuchs, weil einige von ihnen wieder absterben. Das können beim Mondfisch auch schon mal 300 Millionen Eier sein, von denen so gut wie alle Larven gefressen werden. Es gibt Kröten, die befruchtete Embryonen als Nahrung für die älteren Babys produzieren.

Kannibalen im Mutterleib […]  Der Sandtigerhai
[…] Zurzeit leben noch weniger als 1000, einigen Schätzungen zufolge sogar weniger als 300 Sandtigerhaie vor der Ostküste Australiens. Angesichts ihrer Bedrohung ist es nicht gerade hilfreich, dass sich diese Haiart einer auf den ersten Blick ausgesprochen unvorteilhaften Fortpflanzungsstrategie bedient.  "In den beiden Gebärmuttern des Weibchens wachsen jeweils etwa 40 Embryonen heran. Aber sobald sich die Zähne der Kleinen entwickelt haben, fangen sie an, ihre Geschwister im Mutterleib aufzufressen."  Am Ende der Schwangerschaft bleibt pro Gebärmutter nur ein Junges übrig. So bringt ein Weibchen bestenfalls alle zwei Jahre ein oder zwei Junge zur Welt. […]

Den Christen sei an dieser Stelle ins Stammbuch geschrieben, daß auch die meisten menschlichen Embryonen ganz natürlich absterben, bevor sie geboren werden. Das hat Gott so eingerichtet.
Gott ist somit der größte Abtreiber überhaupt. Letztendlich läßt er 9 Embryos absterben, um ein Kind zu erzeugen

How many embryos and fetuses never make it to birth?  How many babies die in natural childbirth?  How many infants die before reaching age five?  The statistics are not good.  The most hazardous journey of life is the first few months. According to the calculations of Gregory Paul (see his published articles here), who used the best figures from embryology and neonatal doctors, as few as one-quarter of all conceptions avoid reabsorption or miscarriage, and of those fetuses that do make it to full-term, another large percentage die during natural childbirth.  It’s obvious that embryos are not well-designed for making it to infancy.
The female body was not well-designed for childbirth, either, since the ratio of fetal skull size to female hip size doesn’t make for great odds for the mother.  Every year, more than half a million women die in pregnancy or childbirth.  Natural evolution, not religion, explains the tough compromises forced on the human body, and why few embryos make it to infancy and so many mothers die in the process.
Although the odds of a fertilized egg making it to a live birth are less than 1 in 5, another hazardous journey through infancy lies ahead.  Before modern medicine, around 20% of children in England and the United States died before the age of five, and that number was much higher in pre-industrial societies.  For most of the existence of our human species, over the past one hundred thousand years or so, probably only around half of all born babies reached the age of five.
All these poor odds add up to the fact that for most of human existence there had to be 10 pregnancies or more to guarantee the life of a single five year old child.

Der Christ des Tages - Teil LXII, Rudolf Gehrig, der mittlerweile 21-jährige glühende Ratzinger-Fan, der beim ultrakonservativen Christensender EWTN untergekommen ist, denkt nicht besonders klar:

Der Kampf für das menschliche Leben – aussichtslos?
Ich bin im September 2014 wieder in Berlin beim „Marsch fürs Leben“ gewesen. Unter der Organisation des Bundesverbandes für Lebensrecht (BvL) hatten sich dort etwa 6.000 Menschen versammelt, um in einem Schweigemarsch friedlich für den Schutz des menschlichen Lebens vom Mutterleib bis zu seinem natürlichen Ende zu demonstrieren. Die große Anzahl der jungen und motivierten Gesichter war beeindruckend. Und dennoch war es nicht ungefährlich. In geplanten Störaktionen beleidigten hauptsächlich linksradikale Gruppen die Teilnehmer mit Sprechchören, warfen vereinzelt mit Farbbeuteln, zerstörten Transparente oder sorgten mit Sitzblockaden für Verzögerungen. Ich fragte mich: Warum tue ich mir das an? Ich kann die verbreitete Abtreibungspraxis nicht stoppen, kann keine Gesetze ändern und wenn ich für meine Meinung auf die Straße gehe, werde ich behandelt wie der letzte Idiot und Schwerverbrecher. Warum lasse ich das nicht einfach bleiben?
Es ist eine feste Überzeugung, die mich immer wieder aufrichtet und stärker ist als jede Resignation: Diese Gesellschaft, die ihre eigenen Kinder tötet, weil sie behindert sind, nicht in den Zeitplan passen oder einfach nicht gewollt waren, die ihre Alten umbringt, weil sie lästig oder teuer werden und in der der Rest ratlos danebensteht und zusieht, wie die Humanität vor die Hunde geht, diese Gesellschaft frisst sich selbst. Das kann nicht lange gut gehen. Aber wenn die Menschheit eines Tages aufwacht und sich entsetzt fragt: „Wie konnte das nur passieren?“, dann möchte ich nicht derjenige sein, den man in der Rückschau als „Mitläufer“ oder gar als „Mittäter“ einstufen wird. Doch bis dieser Zeitpunkt da ist, werde ich mit meinen wenigen Mitstreitern diesen scheinbar aussichtslosen Windmühlenkampf für das Leben weiterführen müssen, damit das Erwachen umso schneller kommt. Am besten, bevor noch mehr Menschen sterben müssen.

Besonders erstaunlich an diesen engstirnigen Christen ist aber, daß sie zur Abtreibungsverhinderung auf ein bewiesenermaßen untaugliches Mittel setzten. Das Strafrecht.
Dabei kann man mit absoluter Sicherheit sagen, daß so Abtreibungen nicht verhindert werden.
In der Nazi-Zeit wurde Abtreibung sogar mit der Todesstrafe belegt. Dennoch haben verzweifelte Frauen abgetrieben – mit dem einzigen Unterschied, daß es nicht legal möglich war und somit viele von ihnen bei irgendwelchen Quacksalbern im Hinterhof verreckten.

Wir wissen aber darüber hinaus, daß in den Ländern mit liberaleren Abtreibungsrecht – Holland zB – die Zahl der Schwangerschaftsunterbrechungen sogar deutlich zurückgeht, weil die Frauen nicht mehr unter dem Druck stehen sich schnell entscheiden zu müssen und sich ggf. eine illegale Möglichkeit zu suchen.
Es ist schwer genaue Zahlen für Deutschland zu finden, aber man geht davon aus, daß es in den 1960er Jahren rund 400.000 Abtreibungen im Jahr gab. Heute sind es aufgrund der liberaleren Gesetze und der Sexualaufklärung nur noch 100.000.
Und es könnten noch weniger sein, wenn Schwangere nicht zu den absurden kirchlichen Beratungen gezwungen würden, sondern sich wirklich Zeit nehmen könnten selbstständig zu entscheiden.

Vollständig absurd wird aber die Position der verklemmten „Christdemokraten für das Leben“ und anderen sogenannten „kirchlichen Lebensschützern“ dadurch, daß sie die wirksamsten Methoden, um es gar nicht erst zu ungewollten Schwangerschaften kommen zu lassen, ebenfalls mit allen Mitteln bekämpfen:
Frühe Sexualaufklärung und freien, unkomplizierten Zugang zu allen Verhütungsmitteln.

Die Rudi Gehrigs dieser Welt sorgen also selbst für immer mehr Abtreibungen, während sie sich unter ihresgleichen dafür rühmen Abtreibungsgegner zu sein.

Heute haben sich die Schwachsinnigen wieder ordentlich in Szene gesetzt.

[…] Etwa 5000 Menschen haben am Samstag in Berlin mit dem sogenannten "Marsch für das Leben" gegen Abtreibungen demonstriert. […] Der "Marsch für das Leben" findet seit 2008 jährlich in Berlin statt - in diesem Jahr unter dem Motto "Ja zum Leben - für ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie!". Die Teilnehmer demonstrierten schweigend. Ihr Protest richtete sich gegen Abtreibungen, aber auch gegen Sterbehilfe und Präimplantationsdiagnostik.
[…] "Töten ist keine ärztliche Kunst" stand beispielsweise auf dem Schild der Teilnehmerin Madeleine Stahl. "Ich bin hier, weil ich für das Leben bin und gegen die Tötung von unschuldigen Lebewesen", sagte die 27-Jährige. "Ich bin gegen jede Art der Abtreibung, für mich ist das eindeutig Mord. Die Entscheidungsfreiheit von Frauen kann nicht so weit gehen, Lebenwesen zu töten."
[…] Grußworte zum "Marsch für das Leben" sendeten diverse Prominente wie Erzbischof Reinhard Kardinal Marx oder die Bundestags-Politiker Volker Kauder (CDU) und Johannes Singhammer (CSU). Auch Grünen-Politiker Volker Beck zählt das Bündnis in der Liste der Grußwort-Sendenden auf. […]

Freitag, 18. September 2015

Vorurteile im Wandel.


Im Sommer 1987 reiste ich zusammen mit meinem Vater die Donau entlang – Bayern, Österreich, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und dann über das Schwarze Meer nach Istanbul.
Freunde im meinem Alter konnten nicht verstehen, wieso ich freiwillig in den Ostblock gehe. Die Warschauer Pakt-Staaten hatte man damals überhaupt nicht auf dem Zettel. Das war die bizarre Welt hinter dem Eisernen Vorhang, die auch immer so bleiben würde. Eine Welt, die noch nicht einmal richtig negativ konnotiert war, weil niemand einen Gedanken daran verschwendete.
Noch absurder wäre es für jemanden meiner Generation in die DDR zu fahren. Das war Terra Incognita. Kannte man nur als nerviges Buchstabenkürzel aus dem Gemeinschaftskundeunterricht in der Schule.
Niemand hätte sich 1987 vorstellen können, was 1989 passieren würde.
Umso glücklicher bin ich natürlich alles noch vor der großen Zäsur gesehen zu haben.
Meine Eindrücke waren einerseits die beeindruckende Landschaft und das gute  Essen. Insbesondere mochte ich das Obst, das nicht wie bei uns zuhause hochgezüchtet war. Birnen, Pflaumen, Tomaten und Äpfel waren, klein, fest und hartschalig. Nicht so weich und saftig, wie sie hier sein mußten, um verkauft zu werden. Da hatte man zu kauen, aber umso intensiveren Geschmack.
Andererseits ist mir der allgegenwärtige Geheimdienst immer noch präsent. Vielleicht wurden wir als Amerikaner besonders streng beäugt, aber in Bulgarien und noch schlimmer in Rumänien konnte man de facto gar nicht in Kontakt mit den normalen Menschen kommen. Da gab es ganz offensichtlich Aufpasser und die Kellner oder Verkäufer reagierten auch dementsprechend übervorsichtig auf uns.
In Belgrad spürte ich gar nichts davon. Zwar war das auch irgendwie alles im Ost-Schick, weil beispielsweise die Taxis Trabbis waren und man die enge Kooperation mit der DDR erkannte, aber ganz klar war auch der Status als blockfreies Land. Tito hatte sich ja nie von irgendjemand im Kreml etwas sagen lassen und war so zu einer großen, geachteten Vaterfigur geworden.
Vielleicht habe ich damals nicht genau hingesehen, aber mir sind auch die verschiedenen Ethnien überhaupt nicht aufgefallen. Belgrad war einfach toll. Als Tourist auf Stippvisite habe ich jedenfalls keinerlei Einschränkungen der Bürgerrechte bemerkt. An zwei Abenden waren wir ziellos unterwegs und landeten jedes Mal in so einem Lokal, das voller feiernder Menschen war, die es sich gut gehen ließen, auf der Straße zu live-Musik sangen, soffen und lachten. Ein fröhliches, sympathisches und herzliches Völkchen. Es wäre schwer gewesen Beograd nicht zu mögen.
Was dann ab 1991 geschah, daß die Jugoslawische Volksarmee Kriege gegen Slowenen, Kroatien, Bosnier und Kosovo-Albaner führen würde, daß 1999 ganz Serbien von der NATO zu Klump bombardiert wurde, daß Belgrad brannte, geht bis heute nicht in meinen Kopf.

Budapest liebte ich von Anfang an. Eine großartige Stadt und sagenhafter Architektur. Ungarn war zwar ein Ostblockstaat, aber man merkte sofort was mit dem Begriff „Gulaschkommunismus“ gemeint war. Ja, man konnte wie auch in Rumänien gleich bemerken, daß es ein repressives Regime gab, aber die Ungarn schienen sich nicht sehr davor zu fürchten, sondern machten eher Witze drüber.
Sie nahmen die Staatsmacht nicht richtig ernst und/oder schimpften öffentlich über die Zustände. Die Budapester kamen mir vor wie die Anarchisten des Warschauer Paktes.
Erstaunlich viele Ungarn sprachen deutsch und kamen besonders offenherzig auf einen zu, wenn sie merkten, daß man aus dem (westlichen) Ausland stammte.
Abgesehen davon, daß Ungarisch im Gegensatz zu allen romanischen Sprachen, denen ich 1987 begegnete für mich völlig unverständlich ist (oft stand ich vor irgendwelchen Hinweisschildern und konnte wirklich überhaupt nicht erahnen worum es ging), wäre Budapest die Stadt gewesen, in der ich gerne gelebt hätte.
Ungarn wurde daher meine Lieblingsnation und daß die Ungarn, die sich ja schon beim Volksaufstand von 1956 als äußerst aufmüpfig und freiheitsliebend gezeigt hatte, auch im Jahr 1989 als erstes die Grenzen öffneten, um die Ossis durchzulassen, passte nur zu gut in mein positives Vorurteil. Die hatten keinen Bock auf Reglementierungen und fürchteten sich nicht vor sowjetischen Panzern.

[….] Der Vorhang für die Tragödie fiel am 23. Oktober 1956 während einer friedlichen Demonstration in Budapest. Das ungarische Volk protestierte damals für freie Wahlen und Pressefreiheit, außerdem verlangte es den Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen. Das war mutig, denn die Sicherheitskräfte eröffneten sofort das Feuer gegen die Teilnehmer. Es kam zu Straßenkämpfen und letztlich zu einem Volksaufstand, der von Sowjettruppen blutig niedergeschlagen wurde. Zehntausende Ungarn flüchteten aus ihrer Heimat. Ihren Höhepunkt erreichte die Massenflucht am 4. November 1956, als sich viele Soldaten den Aufständischen anschlossen und sich Ungarns Grenze öffnete. Gut 200 000 Menschen machten sich auf den Weg in Richtung Westen.
[….]. Ähnlich wie heute kamen die Menschen über Österreich nach Bayern, gut 80 000 Menschen mussten auf die Schnelle untergebracht werden.
Positive Einstellung zu den Flüchtlingen
[….] Die ersten Ungarn kamen am 16. November 1956 im Berchtesgadener Land an. "Als der Sonderzug mit 10 Minuten Verspätung langsam in den Bahnhof einlief, erhoben sich zahllose Hände zu herzlichem Willkommen, Kameras surrten, Fotoverschlüsse klickten. Gesichter erschienen an den Fenstern, die sorgenvollen Mienen der Flüchtlinge aus dem Grauen der letzten Tage erhellten sich . . ." [….] Auch 1956 mussten auf die Schnelle Auffanglager und Unterkünfte bereitgestellt werden. Als Sammelstellen für Ungarn-Hilfen eingerichtet wurden, gingen in kurzer Zeit fünf Millionen Mark ein, in jener Zeit eine gewaltige Summe. [….] (Hans Kratzer, 18.09.15)

Denke ich 2015 an Ungarn, kommt mir die Begeisterung, die ich vor knapp 30 Jahren für das Volk empfand, wie eine Nachwehe eines bizarren Traumes vor.
Ungarn, nur knapp größer als Bayern, etwas unter 10 Millionen Einwohner (Bayern 13 Mio) ist seit 1999 NATO-Staat und wurde 2004 EU-Mitglied, ist jetzt also „einer von uns“, konnte von der ganzen Welt profitieren, sich touristisch präsentieren und erhält jährlich etwa vier Milliarden Euro Finanzhilfen aus Brüssel. Sind das nicht beste Voraussetzungen, verglichen mit dem viel ärmeren und rückständigeren Polen, Bulgarien, Tschechien und Rumänien?


Wie konnte es passieren, daß zwei Drittel der Bevölkerung 2010 nach einer eher läppischen Affäre der bis dahin regierenden Sozialdemokraten die rechts-nationale Fidesz des Viktor Orbans wählten und zudem auch noch die Nazi-Partei Jobbik ins Parlament schickten, die neben dem immer noch mit absoluter Mehrheit herrschenden Orban bei den letzten nationalen Wahlen (2010) 20,5% erreichte?
Wie kann es sein, daß in ganz Ungarn offen Jagdszenen auf Juden und Roma stattfinden?


Ungarn ist heute der Paria Europas. Mit Regierungschef Orban treffen sich nur noch üble rechte Populisten – Horst Seehofer zum Beispiel.

Viktor Orbán in Bayern: Die CSU und ihre Spezln von rechts
    Schon mehrfach fiel die CSU damit auf, dass sie umstrittene internationale Politiker einlud.  Schon Silvio Berlusconi stand auf der Gästeliste, auch der österreichische Rechtspopulist Jörg Haider war einst als Gast im Gespräch. Kritik an ihrem Vorgehen perlt an der CSU ab.

Ungarns Regierung verhält sich derart repressiv, daß anderen EU-Regierungschef der diplomatische Kragen platzt.

Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann sein EU-Nachbarland Ungarn kritisiert. Er verglich die Flüchtlingspolitik von Ministerpräsident Viktor Orban mit der NS-Zeit.
"Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woandershin fahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents", sagte Faymann dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Es sei unerträglich, "Menschenrechte nach Religionen zu unterteilen". Der ungarische Regierungschef Orban betreibe "bewusst eine Politik der Abschreckung".
(Tagesschau 12.09.2015)

In Serbien sieht man die Selbstabgrenzung Ungarns mit Unbehagen. Man fürchtet Massenabschiebungen, der serbische Innenminister Aleksander Nikoli ist besorgt: "Ich bin mir nicht sicher, ob wir für die Rückführung von Flüchtlingen aus Ungarn bereit sind."
Auch die umliegenden Länder, auf die die Flüchtlinge nun ausweichen könnten, rüsten sich. In Kroatien, Slowenien und Rumänien bereitet man die Errichtung von provisorischen Aufnahmelagern vor.
Die serbischen Medien machen keinen Hehl aus ihrer Meinung über Orban. "Ein schlechter Nachbar" schreiben sie. Und "Faschist aus dem Herzen Europas" steht da über eine Bild von Viktor Orban. "Schande, Orban". "Der selbst ernannte Hüter Europas bedroht mit seinen miesen Methoden alles, was er angeblich verteidigt.", schreibt die serbische Zeitung "Blic".
Der serbische Premier Aleksandar Vucic will keine Zäune aufstellen, er erinnert sich nur 20 Jahre zurück, an die Zeit, wo viele Serben selbst auf der Flucht vor dem Jugoslawien-Krieg waren: "Vor uns stehen zahlreiche Probleme. Aber wir werden keine Mauern errichten, sondern Serbien wird seinen Teil der Verantwortung übernehmen."
(Heute.at 14.09.2015)

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter hat die harte Haltung des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban scharf kritisiert: «Herr Orban ist eine Schande als Regierungschef für jedes Land, aber er ist eine Schande für Europa, denn er tritt die europäischen Werte mit Füßen.»
«Und es ist grotesk, dass er sich aufs Christentum beruft bei seinen Maßnahmen. Das ist eine Beleidigung für jeden, der gläubig ist», sagte der Grünen-Politiker im ZDF-«Morgenmagazin».
(Welt 04.09.2015)

Am Abend hatte bereits EU-Ministerratspräsident Jean Asselborn kritisert, dass Ungarn keine Muslime aufnehmen will. Im ZDF-"heute journal" sagte er: "Der sagt ja, er will nur Christen haben, aber wenn Orban ein Christ ist, dann ist Kim Il Sung auch ein Christ."
(dpa 04.09.2015)