Freitag, 21. Februar 2014

Kleine Abwechslung



Da muß ich mich auch mal selbst loben:
Ist es nicht großartig, wie ich mich zusammenreiße und es großmütig unerwähnt lasse, daß sich unsere Bundestagsabgeordneten erst einmal um zehn Prozent höhere Diäten genehmigt haben, wenn schon sonst nichts klappt?
Populistisches Politiker-Bashing, das an die Neidgefühle des Mobs appelliert habe ich immer abgelehnt und daher auch ausdrücklich dafür geworben, daß die Regierungsmitglieder ordentliche Flugzeuge und Autos zur Verfügung haben.
Sie sollen auch anständig bezahlt werden.
Aber das Maß des Dilettantismus, welches wir im Moment erleben, erstaunt mich dann doch.
Und wie bei all den anderen großen Themen – Steuersystem, Rente, Pflege, Gesundheit,.. – hat die Hasenfußkoalition auch beim Thema Diäten die Hosen voll und traut sich nicht an eine echte Reform.
Also wird wieder rumgeeiert und ganz am Anfang der Legislatur in die Diätenkasse gegriffen, um einen möglichst großen Abstand zur nächsten Bundestagswahl zu erreichen. Bis 2017 wird der Urnenpöbel mit Sicherheit vergessen haben wann und wie die Diäten erhöht wurden.
Oder weiß irgendjemand jetzt noch aus dem Kopf wann zuletzt die Bezüge der Volksvertreter raufgeschraubt wurden?


Aber an die Diäten zu gehen, während man sich mit einer Tölpelei nach der anderen überbietet – Rücktritt Friedrich, Beinahe Rücktritt Oppermann, Rauswurf Staatssekretär Stéphane Beemelmans, auch der Abteilungsleiter Detlef Selhausen wurde entlassen, CDU-Schatzmeister Helmut Linssen mußte aufgeben – ist euphemistisch formuliert ein wenig ungeschickt.

 […..]  Wer noch das ein oder andere kleine Skandälchen hinzurechnet - nehmen wir nur die teure und zweifelhaft finanzierte Werbekampagne der Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) für das Rentenpaket -, der mag womöglich nicht so recht "nur" an einen verkorksten Start glauben. Der kann den Eindruck gewinnen, die große Koalition hat ein wesentlich erheblicheres, ein strukturelles Problem. Mit anderen Worten: Der Fisch stinkt vom Kopf.
Noch deutlicher als unter Schwarz-Gelb offenbart sich eine erschreckende Führungslosigkeit. Es geht schon jetzt nicht mehr um den Erfolg der großen Koalition. Es geht um Profilierung der eigenen Person, im besten Fall der eigenen Partei.
Der CSU-Politiker Friedrich machte sich mit seinem Wink an die SPD vor allem wichtig. Oppermann mit seinem Anruf auch. Er ruft BKA-Chef Ziercke an, einfach weil er es kann. Von der Leyen scheint als erste Frau in dem Amt beweisen zu wollen, wie hart sie durchgreifen kann. Für nichts anderes dürfte sie Beemelmans bis dato im Amt belassen haben.
Es scheint, die Regierung erodiert, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat zu arbeiten.
[…..] Und Merkel? Die Kanzlerin tut so, als wisse sie immer von: nichts. Nichts soll ihre weiße Weste beflecken, die ihre Wähler so an ihr schätzen. […..] Jeder macht in der großen Koalition, was er will. […..] Für einen Ministerrücktritt reichen ein paar dürre Worte im Rahmen eines Pressestatements mit dem Schweizer Bundespräsidenten.
Eine Kanzlerin, die führen will, hätte klargemacht, dass nichts ohne ihr Wissen passiert. Dass also Friedrich schon allein deswegen gefeuert gehört, weil er sie nicht unterrichtet hat vom Fall Edathy. Sie war immerhin seine Chefin. Durchgesetzt aber hat sich offenbar die Haltung, dass nichts zu wissen immer viel bequemer ist.

Stümpern, debakulieren und planlos irrlichtern.
Nur Merkel hat mit all dem rein gar nichts zu tun.

Genmais-Abstimmung, Edathy-Affäre und Krise in der Ukraine – nur von ihr hört man dazu wieder nichts: Angela Merkel (Sie erinnern sich? Unsere Bundeskanzlerin). Sollten Sie die Dame irgendwo sehen, dann geben Sie sie bitte beim Bundeskanzleramt ab. Danke.

 
Während sich die Kanzlerin also mit ihrer bewährten Vogel-Strauß-Taktik der Politik entzieht, versucht es die Bundes-SPD mit plumpen Populismus und drischt auf den ohnehin ins tiefste Loch gestürzten Parteigenossen ein.

Der Pädophile ist der Teufel unserer Tage. Er hat keine Rechte mehr, er hat keine Würde mehr, es reicht der Verdacht, um ihn zu erledigen: Der Pädophile ist der Feind, auf den sich alle einigen können.
Er wird ausgestoßen aus der bürgerlichen Gesellschaft, ausgestoßen aus der Partei, die ihm doch Heimat und Halt sein sollte - und es ist schwer nachvollziehbar, wie die SPD es mit ihrem Selbstbild verbindet, dass sie jemanden, der am Boden liegt, auch noch tritt.
Wo aber bleiben Gedanken wie Therapie, Hilfe, Resozialisation, eine andere Art, mit gesellschaftlichen und individuellen Problemen und Missständen umzugehen, als Überwachen und Strafen?
Da wird ein Mensch geopfert, gegen den bisher nur ein Anfangsverdacht vorliegt - das war die Botschaft, die Sigmar Gabriel dabei hatte, als er Anfang der Woche vor die Presse trat: Es war nicht sozialdemokratisch, weil es ohne jedes Mitgefühl war für die Nöte und Schwächen eines Menschen.
Es war die nackte Politik: Wir tun, was wir tun, um zu tun, was wir tun. Wenn man freundlich ist, nennt man das Utilitarismus. Man könnte auch sagen: Die SPD hat gezeigt, dass sie bereit ist, für die Macht Werte zu opfern.
Denn wie soll eine Politik gelingen, die Offenheit und Toleranz zum Ziel hat - wenn eine Partei mit einem emanzipatorischen Weltbild zurückfällt in Rituale der Ausgrenzung, wenn sie Stigmatisierung an die Stelle von Verstehen setzt, wenn sie damit ein Klima schafft der Angst, des Misstrauens und des Verdachts?
Das war der eigentliche Skandal der vergangenen Woche: Die SPD hat der Politik ihre ethische Grundlage entzogen. [….]

Es liegt mir fern hier als Edathy-Anwalt aufzutreten, aber ich möchte schon daran erinnern, daß er sich nicht illegal verhalten hat.

Da ich selbst nicht Jurist bin, zitiere ich an dieser Stelle einen Spezialisten, den ich extra gefragt habe:

Gerade gestern mußte ich mich schon wieder ärgern, denn ich habe die Talkrunde bei Günther Jauch gesehen. Dort haben dann zwar auch die Teilnehmer einräumen müssen, es sei möglicherweise überhaupt keine strafbare Handlung durch Edathy verübt worden (bzw. daß eine solche nicht beweisbar sei, was auf dasselbe hinauslaufe), die Spiegel-Gerichtsjournalistin Friedrichsen und Bosbach zogen aber das, was Edathy - dann ja wohl erlaubterweise - getan hat, erstmal gleich in die Igittigitt-Ecke: "Selbst wenn da nichts dran sein sollte, möchte ich aber trotzdem nicht, daß SO EINER im Bundestag sitzt und mich vertritt!"
 Was ist das denn für eine Herangehensweise für eine altgediente Gerichtsreporterin und einen mit allen Wassern gewaschenen Politiker? Privates ist privat und jeder hat einen Anspruch darauf, daß es das auch bleibt, insbesondere wenn es sich um möglicherweise etwas abseitige sexuelle Interessen handelt, bezüglich deren bekanntlich "immer was hängen bleibt".
Anders ist es nur, wenn das Private die Grenze zu einer strafbaren Handlung überschreitet, und im Fall der Kinderpornographie liegt diese Grenze ohnehin sehr niedrig. Wenn Edathy - was wohl unstreitig sein dürfte - keine Kinder angefaßt hat und darüber hinaus - auch unstreitig bzw. anderes ist nicht beweisbar - nur Bilder gekauft hat, die Kinder in unverfänglichen Posen, d.h. ohne Genitalbezug, zeigen, dann ist das in Ordnung. Derartige Bilder kann sich auch jeder selbst am Strand oder am Badesee verschaffen. […]  Geschädigt im strafrechtlich relevanten Sinne wird dadurch jedenfalls niemand. [….]
 (Dr. jur. L.P.)

Im Vergleich zu Edathy stehen Menschen, die mittelbar Tod, Folter und Verstümmelungen verursacht haben, indem sie als Deutsche Regierungsmitglieder Tausende Waffenexportgenehmigungen in die Krisengebiete der Welt genehmigt, bzw Kriegseinsätze angeordnet haben, sehr gut da.
Im Vergleich zu Edathy stehen Menschen, die als Landesinnenminister Elend, Tod und Verzweiflung verursacht haben, indem sie bei Nacht und Nebel Flüchtlingsfamilien auseinanderrissen und abschieben ließen bestens da.
Diese Woche ließ das Bayerische Innenministerium sogar eine Familie aus einer Pfarrei in Augsburg, also dem sogenannten „Kirchenasyl“ zerren.

Eine Augsburger Pfarrei hatte einer 38-jährigen Frau aus Tschetschenien und ihren vier Kindern im Alter zwischen 4 und 14 Jahren Zuflucht gewährt, um sie vor der Abschiebung zu schützen. Am Dienstagmorgen hat die Polizei die Familie nun mit Haftbefehl aus dem Kirchenasyl geholt, weil dem sogenannten Dublin-Verfahren zufolge das Erstaufnahmeland für das Asylverfahren zuständig ist. Kritiker empörten sich über diesen Tabubruch. [….] Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat bezeichnete es als "Skandal", dass das Kirchenasyl hier nicht respektiert worden sei. Die Familie sei keineswegs freiwillig mitgegangen. Der Pfarrer habe mit den Beamten verhandelt, hätte aber schließlich physisch Widerstand leisten müssen. "Natürlich hat er irgendwann nachgegeben."

Könnte man angesichts dieser alltäglichen Folter und Quälerei nicht Edathy etwas weniger hoch hängen – ich will gar nicht erst an die zwei Millionen Pflegefälle in Deutschland erinnern, die durch Abzocke der Heimbetreiber und Tatenlosigkeit der Gesundheits- und Sozialminister in teilweise Folter-artigen Verhältnissen leben müssen.
Jämmerlich und erbärmlich was SPD, CSU und CDU im Bund bieten.

Um nicht in Trübsal zu verfallen, muß ich doch kurz auf Hamburg verweisen. Hier gibt es einen wenig eitlen Regierungschef, der nie bei Showacts auftritt, keine Homestories zuläßt und niemals durch populistische Aktionen Zustimmung sucht.
Im Gegensatz zu Merkel tut er das aber nicht, weil er einfach gern Bürgermeister sein mag, sondern ARBEITET. Er tut sogar das was er versprochen hatte.
All das was in den zehn Jahren CDU-Regierung liegengelassen und vernachlässigt wurde, wird vom absoluten SPD-Senat kontinuierlich in Ordnung gebracht.
Die Bäume, die Schwarzgrün fällen ließ, werden wieder neu gepflanzt, die maroden Straßen werden neu asphaltiert, der Haushalt wird in Ordnung gebracht und sogar Megaprobleme Schule und Wohnungen werden massiv einer Lösung zugeführt.

Umfangreiche Statistiken sind bekanntlich etwas für ausgesprochene Zahlen-Fans. Doch die Zahlen, die Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstagmittag im Rathaus vorlegte, zeichnen ein sehr anschauliches Bild von den Rahmenbedingungen an den Schulen der Hansestadt: "Wir haben eine wachsende Zahl von Schülern in Hamburg, noch mehr Lehrer als bisher und viel mehr Ganztagsschulen", erklärte der Sozialdemokrat.
So seien 2013 insgesamt 15.327 Erstklässler eingeschult worden, 446 mehr als im Vorjahr und der höchste Wert seit fünf Jahren. "Zudem gehen Hamburgs Kinder und Jugendliche früher zur Schule und bleiben länger dort", so Rabe. So bereiteten sich 23.968 Jugendliche an den Stadtteilschulen und Gymnasien auf das Abitur vor – 1371 mehr als im Jahr zuvor.
[…]   Die Versorgung der Schulen mit Lehrern sieht der Senator auf Rekordniveau. So gibt es im laufenden Schuljahr 8,5 Lehrer pro 100 Schüler. "Ich wage zu behaupten: Pro Schüler gerechnet gab es noch nie so viele Lehrer wie in diesem Schuljahr", sagte Rabe. Davon profitieren insbesondere die Grundschulen und Stadtteilschulen.
Rekordverdächtig klein ist auch die durchschnittliche Klassengröße an Hamburgs Schulen. Die im Rahmen des Schulfriedens 2010 vereinbarten Obergrenzen werden im Durchschnitt deutlich unterschritten und liegen bei 26,1 Schülern an Gymnasien (Obergrenze 28), bei 21,9 Schülern an den fünften und sechsten Klassen der Stadtteilschulen (Obergrenze 23) und 23,9 Schüler in der Mittelstufe der Stadtteilschulen (Obergrenze 25).
An Grundschulen mit Schülern aus sozial belasteten Elternhäusern (Kess 1 und 2) besuchen im Schnitt nur 17,6 Schüler eine Klasse (Obergrenze 19), in besser gestellten Stadtteilen sitzen sind es 21,7 Schüler (Obergrenze 23). Damit habe die SPD ihr Versprechen eingelöst, so Rabe. "So kleine Schulklassen hatte Hamburg noch nie", sagte der Schulsenator.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz hat eine positive Zwischenbilanz der Wohnungsbaupolitik des Senats gezogen. Der neue Senat hat sich 2011 zum Ziel gesetzt, die Voraussetzungen für den Bau von jährlich mindestens 6000 neuen Wohnungen zu schaffen, 2000 davon sollen im sozialen Wohnungsbau entstehen. Allein im vergangenen Jahr sind 10.328 Baugenehmigungen erteilt und 2006 Neubauten von Mietwohnungen gefördert worden", sagte Scholz am Mittwochabend beim Neujahrsempfang des Zentralen Immobilien-Ausschusses in Hamburg. Aktuell werde in Hamburg an rund 11.000 zuvor genehmigten Wohnungen gebaut. […]
Scholz sagte, die aktuell erkennbare positive Tendenz sei Folge eines grundsätzlichen Kurswechsels in der Wohnungsbaupolitik nach dem Regierungswechsel 2011. Bewährt habe sich unter anderem, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA GWG wieder selbst in den Bau neuer Wohnungen eingestiegen sei: "1010 Wohneinheiten sind für dieses Jahr allein von SAGA GWG geplant", sagte Scholz. Verantwortlich für den Erfolg des Wohnungsbauprogramms sei in erheblichem Maße das "Bündnis für das Wohnen", das zu einer intensiven und konstruktiven Zusammenarbeit zwischen der Stadt Hamburg und der Wohnungswirtschaft beitrage.
Scholz betonte, Teil der städtischen Wohnungsbaupolitik sei auch eine Neuorientierung bei der Ausschreibung städtischer Grundstücke. Diese würden jetzt stärker nach der Qualität des Vorhabens und weniger nach dem Gewinn vergeben werden, den die Stadt erzielen kann. Auch werde der Leerstand von Wohnungen reduziert […] Nicht zuletzt wegen der öffentlichen Förderung habe das Wohnungsbauprogramm des Senats Fahrt aufgenommen. Jährlich stünden mehr als 100 Millionen Euro für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung.

Man glaubt es kaum, aber auch demoskopisch zahlt sich dieses klare sachliche Arbeiten aus.
72% der Hamburger sind mit der Arbeit des Scholz-Senates zufrieden oder sehr zufrieden. Die Opposition hingegen steht betoniert im tiefen Tal. Die CDU sei bei den nächsten Wahlen chancenlos, erklärt der Parteienforscher Prof. Elmar Wiesendahl.

Vom Hamburger CDU-Fraktionschef fiel einzig sein Coming Out als Schwuler positiv ins Gewicht.
Inhaltlich steht er blamiert da und vergeigt es sogar Scholz bezüglich der Ausschreitungen rund um die Rote Flora anzugreifen.


CDU-Chef: Schlinger-Kurs zur Roten Flora
CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich hat es nicht leicht. In Umfragen ist seine Partei weit abgeschlagen, thematisch hat sie nicht viel zu bieten. Was macht also Wersich? Lädt Journalisten zum Gespräch und bezweifelt einfach die Aussagekraft der jüngsten Umfragen.
[….]  Scholz kann sich entspannt zurücklehnen – vom Oppositionsführer geht derzeit offenbar keine Gefahr aus. Denn wer etwa den Umgang des Senats mit der Roten Flora kritisiert, sollte nicht ins Schlingern kommen, wenn er nach eigenen Lösungen gefragt wird. Wersichs Mantra: „Hamburg kann mit einem solchen Kulturzentrum leben, aber nicht, wenn von dort Gewalt geplant und durchgeführt wird.“
Nun gut. Aber was bedeutet das? Fordert Wersich den Abriss? Nein, damit habe das nichts zu tun. Wenn es aber Hinweise gebe, dass von Rotfloristen Gewalt ausgehe, könnten die nicht in der Flora bleiben. Also eine Räumung?
Wersich druckst rum – schließlich gilt er eigentlich als Liberaler. Der CDU-Fraktionschef merkt, dass er in der Sackgasse steckt – und wechselt alsbald das Thema.

Und noch ein paar unvermeidliche Zahlen:

Absolute Mehrheit für Scholz bei Abendblatt-Umfrage
In einem Jahr ist die nächste Bürgerschaftswahl. 48 Prozent der Hamburger würden die SPD wählen, die weiter alleine regieren könnte.
Ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl ist die politische Stimmung in der Stadt eindeutig. Wenn am Sonntag gewählt würde, käme die allein regierende SPD auf 48 Prozent der Stimmen und könnte ihre absolute Mehrheit halten, die sie 2011 mit 48,4 Prozent errungen hatte. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gess im Auftrag des Abendblatts.
Die CDU käme danach auf 24 Prozent und könnte sich leicht gegenüber 2011 verbessern, als sie bei 21,9 Prozent landete. Nahezu unverändert sind die Sympathien für die Grünen, die elf Prozent der Befragten wählen würden (2011: 11,2 Prozent). Nach dem Rauswurf aus dem Bundestag droht der FDP in der Bürgerschaft das gleiche Schicksal: Die Liberalen sacken von 6,7 auf drei Prozent ab. Die Linken schneiden besser ab als 2011 mit 6,4 Prozent und kommen jetzt auf acht Prozent.
Bemerkenswert ist, dass sich ein Jahr vor der Wahlentscheidung offensichtlich schon viele Menschen festgelegt haben. 78 Prozent der Befragten gaben ihre Wahlabsicht an, nur 14 Prozent bezeichneten sich als noch unentschlossen.
(HH Abla 15.02.14)


Donnerstag, 20. Februar 2014

Ausgeknipst



Als die Hamburger FDP-Landesvertreterversammlung am 7. Dezember 2012 im Bürgersaal Wandsbek zusammentrat, war das insofern mal eine halbwegs spannende Angelegenheit, weil die Überraschungs-Landesvorsitzende Canel ihre Muskeln spielen lassen wollte.
Die Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel gehörte zu der Handvoll FDP’ler, die immerhin noch Rudimente eines Rückgrats hatten und gelegentlich sogar gegen die schwarzgelbe Koalition stimmten.
Sie konnte sich sogar öffentlich vorstellen die Koalition der Katastrophen vorzeitig zu beenden. Zunächst war sie damit in Hamburg eine Querulantin, die niemand ernst nehmen mochte.
Als es aber 2012 galt den alten debakulierenden Landesvorsitzenden Salo durch die Lieblingsfrau der Bundesparteiführung und Westerwelle-Presseball-Begleitung Katja Sudig zu ersetzen, passierte etwas merkwürdiges.
Canel gewann am 5. April 2012 erstaunlicherweise gegen die Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion Katja Suding mit 66 zu 55 Stimmen und schwang sich zur Parteichefin an der Elbe auf.
Das war sehr peinlich für Fipsi und Guido, die alles getan hatten, um Suding zu unterstützen. Aber auch Canel gelang es nicht Autorität und Ansehen zu gewinnen.
Manch einer hörte da schon die Engelein vom Ende der Bundestags-FDP singen.
Nur mit Mühe konnte sich Canel im Dezember 2012 dann den Listenplatz 2 für die Bundestagswahl erkämpfen. Die Elbliberalen lagen – wieder einmal – am Boden.
Im Zuge dieser Verwerfungen auf Landesebene taten sich die weiteren blaugelben Bundestagskandidaten schwer damit Aufmerksamkeit zu erheischen.
Einem gelang es allerdings doch. Der zugezogene Chemiker Rehmelt machte sich einen Namen als „Baller-Mann der FDP“, indem er intensiv für private Schusswaffen warb und entsprechende Plakate aufhängen ließ.


Sein Plakat-Motto: „Schießsport ist Freiheit.“ Die Schützenlobby ist begeistert.
Ballern ist sein Hobby. Seine Lieblingswaffe: ein Revolver von Smith & Wesson (Kaliber 357 Magnum). Denn Rehmet steht auf große Kaliber: Seit 2009 ist der FDP-Politiker Vereinsmeister bei der „Altonaer Schützengilde von 1639“ in drei Waffengattungen, zugleich ist er Vorsitzender.
Nun haben Sportschützen seit diversen Amokläufen ein hartnäckiges Imageproblem, gerade in Großstädten. Doch die zahlreichen Schützen sind auch Wähler. Das hat Rehmet erkannt und sein Baller-Plakat im Internet über Facebook verbreitet – in einer Gruppe namens „Waffenlobby“. Bisher habe er nur positive Rückmeldungen. „Man könnte sagen, dass ich von einer Welle der Begeisterung überrollt worden bin“, sagt der Harley-Fan, der auf dem aussichtslosen Listenplatz 9 antritt.

Rehmet hatte zwar keine Chance, aber er nutzte sie. Recht schnell wurde er bundesweit bekannt, weil beispielsweise die Satiresendung Extra3 am 18.09.2013 über sein Baller-Thema berichtete.
Nach dem Motto „es gibt keine schlechte Publicity“ genoss der FDP-Hintermann alle Aktionen, die ihm Aufmerksamkeit verschafften.

Eine makabre Aktion überschattet den Bundestagswahlkampf in Erfurt. Ein gefälschtes Wahlplakat mit Logo und Farben der FDP und dem Spruch "Schießsport ist Freiheit" hing direkt vor dem Gutenberg-Gymnasium. An der Erfurter Schule hatte vor 11 Jahren ein Amokläufer 16 Schüler und Lehrer sowie schließlich sich selbst mit Schusswaffen getötet.
[……]  Der Plakatfälscher hatte dabei eine Parole aufgegriffen, die Roland Rehmet, der Bundestagskandidat der FDP in Hamburg, tatsächlich für seine Wahlwerbung benutzt. Auf dem in Erfurt aufgehängten Machwerk waren darüber hinaus Schussgeräusche und Schmerzensschreie schriftlich nachgeahmt.
Das Plakat wurde noch Dienstagvormittag entfernt und von der Kriminalpolizei sichergestellt. Gegen den Fälscher sei sofort Strafanzeige erstattet worden, teilte Florian Hartjen, der Direktkandidat der FDP für Erfurt mit. Üble Nachrede oder gar Verleumdung wirft Thomas Kemmerich, Vorsitzender des FDP-Stadtverbandes, dem illegalen Plakatkleber vor.  [….]

Im Bundestagswahlkreis 193 Erfurt - Weimar - Weimarer Land II holte die FDP am 22.09.2013 stolze 1,2%. Gut gemacht Rehmet.

Viele Menschen, zu ihnen gehöre ich auch, verstehen nicht wozu Menschen in ihrer Freizeit mit Waffen rumballern dürfen.
Rehmert genierte sich hingegen gar nicht und präsentierte in den sozialen Medien immer wieder stolz sein Können:


Die Hoffnung keimt: Glock 17 aus 25 Meter. — hier: Sporthalle Alsterdorf.


Kreismeister 2013 2.55

Offensiv diskutierte und diffamierte er auf Facebook.

Roland Rehmet, 27. August 2013:
Die FDP ist die einzige wählbare Partei in Deutschland, die ernsthaft für Datenschutz, Bürgerrechte und die freie Entfaltung der Persönlichkeit eintritt. Im Wahlprogramm ist ebenso das klare Bekenntnis zum privaten Waffenbesitz zu finden. Dieses Thema greife ich mit meinem Internet-Wahlplakat auf. Am 22.09.2013 FDP wählen!

Götz Loudercreek:
 Schön dass endlich mal jemand den Schießsport als das darstellt was es ist: ein Hobby für verantwortungsvolle Menschen aus unserer Mitte!
Keine Spinner, keine Psychos, keine potentiellen Amokläufer...
Meine Stimme haben Sie, Herr Rehmet - und 2.000.000 Sportschützen werden genau überlegen wo sie ihr Kreuz machen.
@ FDP-Führung: steht mal hinter diesem Mann, ER holt die Stimmen, nicht ihr da oben!

Uwe Becker, 19. September 2013:
 Ich will auch mal schießen. Mein Lehrer nervt voll, der Arsch. Ich würde euch wählen, bin aber erst 16,9

Roland Rehmet:
 Lieber Uwe Becker, lern erst einmal was vernünftiges, bevor Du Jungspund hier unqualifiziert herumquakst! Vielleicht wirst Du dann auch irgendwann mal 18. Vorerst: setzen, 6! Viele Grüße, Roland Rehmet

Roland Rehmet, 20. September 2013:
 Schießsport ist Therapie! (Aber bitte Schluß hier mit Gebrechen. Der Sozialdienst kann Euch zu den Urnen bringen. Ich meine die Wahlurnen!)

Chris Er Exzessiver:
 Gebrauch von Schusswaffen scheint sich wirklich nachteilig auf die Intelligenz auszuwirken. In welchem Kontext das wiederum mit einer Mitgliedschaft bei der FDP steht möchte ich hier nicht beantworten. Das müsste man mal untersuchen

Roland Rehmet, 21. September 2013:
 Ich mag alles, was Krach macht: Schießen, Motorrad, Aufsitzrasenmäher mit 150 PS, Zwiebeln essen etc. Schließlich bin ich Diplom-Chemiker. Es liegt in meiner Natur, ob intelligent oder nicht. Viele Grüße, Roland Rehmet

Mich hatte er aber immer noch nicht überzeugt. Ich kann nicht einsehen, wieso Menschen mit tödlichen Waffen spielen dürfen.

Bis heute.

Da wurde mir klar, daß Waffen auch Vorteile haben – wenn sie in den richtigen Händen sind.

FDP-Politiker Roland Rehmet erschießt sich
[…]  Dr. Roland Rehmet (48) war 2013 Bundestagskandidat der Hamburger FDP, Vorsitzender der Altonaer Schützengilde von 1639 und Aktivist für Väter-Rechte: Nun hat sich der Sportschütze mit einem großkalibrigen Revolver in seiner Eidelstedter Wohnung erschossen. […]  Als die Polizei die kleine Wohnung des Chemikers öffnete, fand sie den Toten. Unweit der Leiche lag die Waffe, mit der sich Rehmet erschossen hatte – ein Smith & Wesson-Revolver, Kaliber 357 Magnum, sowie ein blaues Weihnachtsmannkostüm.
Darin trat der FDP-Politiker als „Blauer Weihnachtsmann“ bei Mahnwachen oder Infoständen auf. […] 


Immerhin einer hält die Möllemannschen Traditionen in der FDP aufrecht.

Mittwoch, 19. Februar 2014

Debakulierende Demokratie



 Mal im Ernst: Eine echte Koalitionskrise kann es nicht geben, weil wir keine Alternative haben. Die Umfragen zeigen eine zementierte politische Stimmung. Würde die GroKo platzen, müßte sich Merkel mindestens ein halbes Jahr mit Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen abärgern, um dann am Ende des Gleiche wieder zu bekommen, oder aber mit den ungeliebten Herren Ströbele und Hofreiter ins Bett steigen.
Wie lange könnte das wohl gut gehen mit dem stets kurz vorm Platzen agierenden Crazy Horst an ihrer Seite?
Für die Sozis sieht es noch  grauer aus. Sie können nur verlieren und wären ihren schönen ministeriellen Einfluß gleich wieder los.
Ganz offensichtlich sind aber Nahles, Gabriel, Steinmeier und Schwesig sehr gerne Bundesminister.

Oppermann und Gabriel, die beiden Hauptziele des zornigen Zausels aus München geben sich daher auch sichtbar Mühe devot und servil um die CSU herum zu kriechen. Sie überschütten Friedrich, den schlechtesten Minister der letzten Jahrzehnte, mit Lob und Mitleid.
Sie jammern untertänig um Entschuldigung und flehen den Bayernkönig an wieder lieb zu ihnen zu sein.

Die CSU hat ihm schon indirekt den Rücktritt nahegelegt: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann steht in der Edathy-Affäre seit Tagen im Fokus der Kritik. Jetzt versucht der Sozialdemokrat mit Worten des Bedauerns, die Wogen zu glätten. "Mir tut aufrichtig leid, dass durch meine Veröffentlichung Hans-Peter Friedrich zum Rücktritt gebracht wurde", sagte Oppermann am Mittwoch, bevor er im Innenausschuss des Bundestags auftrat. Er ergänzte: "Es tut mir auch persönlich leid."
Trotz aller politischen Rivalität hätten beide bei den Koalitionsverhandlungen einander schätzen gelernt. "Ich bin absolut überzeugt, dass er nichts Unrechtes tun wollte", sagte Oppermann über Friedrich.

Auch der SPD-Parteichef überschüttet die „braune Faust Merkels“ mit Empathie. Friedrich habe es so gut gemeint….

Am Freitag erklärt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel: "Ich stell mir vor, er hätte uns das damals nicht gesagt und heute würde es rauskommen - man würde Herrn Friedrich heute den Vorwurf machen: 'Warum hast Du das damals nicht gesagt, bevor Menschen in ihre Ämter gekommen sind?'" Heute dröhnt uns der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl aus der Zeitung entgegen: "Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein SPD-Abgeordneter mutmaßlich kinderpornografische Schriften kauft und die einzige Konsequenz darin besteht, dass ein CSU-Minister zurücktritt."
Beide Aussagen sind Zeichen grenzwertiger politischer Denke: Erst die Partei, dann der Rechtsstaat. Der CSU-Minister ist zurückgetreten, weil er eine Grenze überschritten hat - und nicht, weil ein SPD-Abgeordneter möglicherweise illegales Material gekauft hat. Und Sigmar Gabriel kann sich ruhig vorstellen, was passiert wäre, wenn: Dann hätte vielleicht nicht der Bundestagsabgeordnete Edathy sein Mandat niedergelegt, dann wäre vielleicht der Staatssekretär Edathy zurückgetreten.
Und dann? Dann hätten die Menschen den berechtigten Eindruck gehabt, dass in diesem Land tatsächlich alle gleich behandelt werden. So müssen sie leider denken, dass Bundestagsabgeordnete, Parteichefs und Fraktionsfunktionäre irgendwelche nebulösen Sonderregeln für sich in Anspruch nehmen.


Fälschlicherweise verstehen die Mitglieder der Bundesregierung die derzeitige Krise immer noch als EDATHY-Problem und versuchen sich daher so scharf wie nur irgend möglich von ihm zu distanzieren.
In Wahrheit haben wir aber ein Koalitionsproblem, weil es in Merkels Umgebung von Dilettanten wimmelt.

Die Krise ruhte. Die Wirtschaft brummte. Und in der Politik herrschte Friede, Freude, Eierkuchen - bis vor wenigen Tagen. Die Edathy-Affäre brachte plötzlich etwas ans Tageslicht, was ansonsten verborgen bleibt: Wenn Regierende unter sehr großem Druck stehen, benehmen sie sich wie aufgescheuchte Hühner und neigen zu Kurzschlusshandlungen. Die Affäre zeigt auch, dass es keine Kontrollmechanismen gibt. Wenn der Druck erst mal groß genug ist, wird auf allen Seiten nur noch improvisiert. Und da sind wir bei einem Problem, das weit über diesen konkreten Fall hinausgeht.
[…]  Eines der Grundübel dieser Koalition ist, dass es kaum inhaltliche Gemeinsamkeiten gibt. Die Union duldet ohne Begeisterung die Programmatik des Mindestlohns und der Rente mit 63. Sie duldet den Kuschelkurs des Außenministers gegenüber Russland. Die SPD überlässt der Union die Führung in Fragen der europäischen Finanzpolitik sowie in der Innen- und Verteidigungspolitik. Kurz gesagt: Jeder macht hier sein Ding. Angela Merkel thront über dieser Konstellation ohne große eigene inhaltliche Vorstellungen. […]
Wenn eine Große Koalition Deutschland durch diesen Sumpf manövrieren will, bräuchte sie ein Maß an Geschlossenheit, Vertrauen, Kompetenz und Aufrichtigkeit. Das aber ist hier überhaupt nicht gegeben. Die Edathy-Affäre ist nicht um ihrer selbst willen wichtig. Sie zeigt uns, dass diese Regierung komplexen Aufgaben nicht gewachsen ist.

Ursprünglich ging es hier einmal um eine Einzelperson, um die deviante Sexualität eines Bundestagsabgeordneten, Bilder von nackten Jungen, staatsanwaltliche Ermittlungen. Nun erlebt Deutschland gerade etwas, was man sonst nur aus Ländern kennt, auf die die Deutschen gewöhnlich herabblicken: eine Regierungskrise. Dafür ist aber nicht die traurige Neigung des ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy verantwortlich, sondern der Mangel an Führungs- und Verantwortungsbereitschaft an der Regierungsspitze.   [….]
Hans-Peter Friedrich, Sigmar Gabriel und ein paar andere Polit-Profis haben gerade vorgemacht, dass man sich auch beim Sturz von einem Hocker verletzen kann. Als der Kinderporno-Verdacht gegen den damaligen SPD-Abgeordneten Edathy aus der Sphäre des BKA in die Sphäre der Politik sickerte, brannten dort offenbar alle Sicherungen durch. Anstatt sich an die Regeln zu halten - die des Gesetzes oder die der Vernunft - bewiesen sowohl der CSU-Mann Friedrich als auch die SPD-Größen Gabriel, Steinmeier und Oppermann ein erstaunliches Maß an Ungeschick. […]

Um sich aus dem selbstverschuldetem Sumpf zu ziehen, will Gabriel nun Edathy maximal abstrafen. Er soll raus aus der Partei.
Der SDP-Chef macht sich damit lächerlich. Edathy ist ohnehin gestrafter als jeder andere Deutsche, der gegen keine Gesetze verstoßen hat. Er ist politisch für immer erledigt und seine bürgerliche Existenz ist dauerhaft zerstört.
Und genau auf so einem trampelt Gabriel nun weiter rum – um den Blick vom politischen Führungsversagen abzulenken.

Dass die SPD über das Verhalten ihres Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy „entsetzt und fassungslos“ ist, wie es Sigmar Gabriel am Montag formuliert und in einem Rundbrief an alle Mitglieder seiner Partei geschrieben hat, ist absolut verständlich.
Ein Bundestagsabgeordneter, der von seinem Büro oder von zu Hause aus im Netz fragwürdige Nacktbilder von Minderjährigen bestellt, muss jeder Partei unangenehm sein, und Edathy bestreitet seinen Einkauf auch nicht. Mehr als das kann man Edathy aber nach allem, was man zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiß, nicht vorwerfen, und strafbar gemacht hat er sich damit noch nicht.
Dass Gabriel jetzt auch verlauten lässt, dass er Edathy am liebsten aus der Partei werfen würde, ist daher völlig überzogen. Gabriel ergreift die Flucht nach vorne und bedient mit solchem Populismus direkt die Stammtisch-Gefühle einer Gesellschaft, die ihr Urteil über Edathy längst gefällt hat. Und er tut das, um vom dilettantischen Krisenmanagement der SPD-Spitze in dieser Affäre abzulenken.
Wer die SPD schon etwas länger beobachtet, der reibt sich aber noch aus einem anderen Grund die Augen. Parteiausschluss, da war doch mal was? Richtig: Fast zwei Jahre lang quälte sich die Partei zwischen 2009 und 2011 durch zwei Parteiordnungsverfahren. Doch am Ende schaffte sie es nicht, einen Thilo Sarrazin vor die Tür zu setzen – und das, obwohl dessen rassistische Weltsicht und seine abfälligen Äußerungen über Muslime oder Hartz-IV-Empfänger allem widersprechen, wofür die SPD eigentlich stehen sollte.
Nun aber soll ein verdientes Mitglied der Partei, das sich als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschuss seine Meriten und parteiübergreifende Anerkennung erworben hat und fünf Mal aus seinem Wahlkreis in Niedersachsen direkt in den Bundestag gewählt wurde, wegen einer persönlichen Verfehlung einfach so aus der Partei geworfen werden? […]   Gabriel hat aus dem gefloppten Ausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin offenbar nichts gelernt. Wo seine Partei bei Sarrazin zu feige war, beweist er jetzt Gratismut.

Ich staune über so viel blinden Aktionismus eines Vizekanzlers und mächtigen Parteichefs. Mit zitternden Knien steht er vor den bayerischen Stammtischen und versucht sich einen schlanken Fuß zu machen, indem er den Pöbel umschmeichelt.

Im Kern geht es bei einem Ordnungsverfahren laut Parteiengesetz um die Frage, ob ein Mitglied "vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt". Edathy mag gegen die Grundsätze der SPD verstoßen haben. Und ja, er hat eine Koalitionskrise ausgelöst - aber eben nur mittelbar. Bislang waren nicht einmal geltungssüchtige Hinterbänkler auf die Idee gekommen, Edathys Neigungen den Sozialdemokraten vorzuwerfen und seinen Rauswurf zu fordern. Dass die SPD nun ohne Not ein Parteiordnungsverfahren anstrebt, geht an der Sache vorbei - und zum jetzigen Zeitpunkt zu weit.

Um Gabriels blinden Aktionismus noch zu unterstützen, robben sich auch Maas und Schwesig an den Urnenpöbel heran. Ganz wie einst Zensursula wollen sie jede Darstellung nackter Kinder aus der Öffentlichkeit verbannen.

Für den Parteichef geht es offenbar um ein deutliches Signal an die Öffentlichkeit, nach dem Motto: So etwas wird in der SPD nicht akzeptiert. Dass die sozialdemokratische Familienministerin Manuela Schwesig am gleichen Tag verkünden lässt, sie werde Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz überprüfen, könnte die SPD in der Edathy-Debatte wieder in die Offensive bringen.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erwägt ein Verbot des Handels mit Nacktfotos von Kindern. Niemand dürfe "mit dem Körper von Kindern und Jugendlichen Geschäfte machen", erklärte Maas in Berlin. "Wir wollen klären, wie wir das gewerbsmäßige Handeln mit Nacktbildern von Kindern oder Jugendlichen unter Strafe stellen können." Solche Fotos fänden sich oft jahrelang im Internet und "haben schwere Folgen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen", erklärte der Justizminister. "Wir werden den Kampf gegen Kinderpornographie mit der ganzen Härte des Rechts führen», fügte Maas hinzu.

Maas ist, wie ich mehrfach betonte, einer der Guten.
Er betont daher, daß er nicht Eltern kriminalisieren wolle, die ihre Kinder am Strand spielend knipsen.
Es wird aber gezielt der Eindruck erweckt als ob es legal sei Kinder nackt zu photographieren und dann diese Bilder im Internet zu verkaufen.
Das ist es natürlich nicht!
Der Mann, der sie Filme und Bilder für die Avoy-Film in Rumänien angefertigt hat, sitzt im Knast!

Der Produzent war ein Deutscher: Markus Rudolph R., etwas untersetzt, Brillenträger. 2001 kam er nach Rumänien, um für eine deutsche Holzfirma zu arbeiten. In seiner Freizeit umgab er sich gerne mit Jungen. [….]  Sie wussten nicht, dass R. in seiner Heimat bereits im Gefängnis gesessen hatte, wegen des Herstellens von Kinderpornographie. Er gewann das Vertrauen von immer mehr Kindern, sie mochten ihn, er lud sie oft zum Pizzaessen ein. Dafür zogen sie sich für ihn aus, in Gärten, in Hotels, in seiner Wohnung, die Kamera lief immer mit. [….] Im August 2010 brach R. mit vier Jungen im Auto nach Deutschland auf. Noch vor der Grenze wurde er verhaftet, ein Schäfer hatte das nackte Treiben beobachtet und die Polizei alarmiert. In der Wohnung des Videofilmers finden die Beamten Kinderkostüme wie eine Ritterrüstung aus Plastik, Spielzeug-Handschellen, Gleitmittel, Kinderunterhosen und Unmengen von Datenträgern. [….] R. wurde zu 20 Monaten Haft verurteilt. [….]

Offensichtlich hat hier der Rechtsstaat, sogar grenzüberschreitend funktioniert. Der Hersteller und die Verbreiter des Materials wurden gefunden und ins Gefängnis gebracht.

Darüber hinaus alle Kinderbilder mit einem Bann zu belegen, halte ich für höchst fragwürdig.

Meine Mutter ist ausgebildete Photographin.
Insbesondere als ihre Kinder klein waren schoss sie viele Photos von uns und filmte uns ausführlich im Garten spielend, im Wasser planschend mit einer Super-Acht-Kamera.
Immer mal wieder sah sie sich diese Filme an und lachte dann darüber wie groß ich inzwischen geworden wäre.
Nun bekommt das alles einen latent schmutzigen Anstrich.
Es ist aber nicht schmutzig, sondern völlig harmlos, moralisch und legitim. Und privat.

Klar, es könnte irgendwo auf der Welt jemanden geben, den diese Bilder sexuell stimulieren.
Aber deswegen solche Aufnahmen zu verbieten ist absurd.
Wo sollte das hinführen?

Wenn man anfängt an sich harmlose Bilder zu verbieten, weil jemand anders sich daran aufgeilen KÖNNTE, muß man am Ende alles Mögliche verbieten.

Ich zum Beispiel ekele mich vor nackten Füßen; ich halte es fast für eine Phobie.
 (Papst Franz war mir mit seiner öffentlich inszenierten Fußküsserei gleich unsympathisch – I GITT!)
Daher fällt mir dauernd in der Werbung auf, daß einem nackte Füße entgegengestreckt werden. Offenbar handelt es sich um ein extrem beliebtes Motiv, das sicher den meisten nicht auffällt, denen Füße egal sind.
ABER es gibt ja auch Fußfetischisten, die sich daran aufgeilen.
Das finde ich dann EXTREM widerlich, da ich ja schon Füße an sich ekelig finde.
 Also könnte ich der Schwesig-Gabriel-Maas- Intention folgend doch jetzt eigentlich verlangen, daß Fuß-Bilder generell verboten werden, oder?

Es gibt aber sicher für so ziemlich alle Körperteile Fetischisten. Es gibt ja auch Atemnophile, die auf Amputierte stehen und jede Menge Paraphile, die auf spezielle Binderungen abfahren, oder Gerontophile, die von Falten spitz werden.

Am Ende müßten wir also jegliche Darstellung von Menschen verbieten, weil sich unter ihnen 0.01% der Leute sich daran aufgeilen könnten.

Und das wäre noch nicht alles – einige masturbieren vor Bauwerken, weil sie auf Stahl oder Beton abfahren.
Und dann die Zoophilen…
Also müßte man sofort sämtliche Katzen- und Hunde-Pics von FB entfernen!