Mittwoch, 18. September 2013

Lobbypolitik der reinsten Sorte




 Selbstverständlich gibt es in Deutschland eine Zweiklassenmedizin.
Selbstverständlich haben Privatpatienten große Vorteile. Sie bekommen Einzelzimmer, Chefarztbehandlung, sie bekommen viel schneller Termine und dazu noch Behandlungsoptionen, die zu teuer für die gesetzlich Versicherten sind.
Wer das leugnet, ist entweder verrückt, oder FDP-Wähler.
Es stimmt aber nicht, daß Privatpatienten alle reich sind.

Zunächst einmal denkt jeder an die „Beitragsbemessungsgrenze“, also die Einkommensgrenze, deren Überschreiten überhaupt erst den Abschluß einer privaten Krankenversicherung möglich macht.

Die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist bundeseinheitlich festgesetzt. Sie erhöht sich gegenüber 2012 (50.850 Euro) auf 52.200 Euro (4.350 Euro/Monat). Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2002 versicherungsfrei waren, beträgt die Jahresarbeitsentgeltgrenze 47.250 Euro in 2013 (2012: 45.900 Euro).

Das stimmt allerdings nicht so ganz. Denn es reicht aus irgendwann einmal über der Beitragsbemessungsgrenze verdient zu haben, oder aber selbstständig zu sein.
Zur letzten Gruppe gehöre ich und ohne ins Detail meiner Einkommensverhältnisse zu gehen, darf ich doch verraten, daß ich erheblich weniger als 4.350 Euro/Monat verdiene.

Die Legende geht, daß sich insbesondere die FDP für Privatversicherungen einsetzte.
Das stimmt nur zum Teil. Die Hepatitisgelben tun alles für die Versicherungskonzerne.
Aber den privat Versicherten ging es nie schlechter als in den letzten vier Jahren mit einem Gesundheitsministerium unter FDP-Führung.
Diese extrem miese und bürgerfeindliche Politik erklärte ich zuletzt im Februar dieses Jahres:

In einem winzigen Punkt überschneiden sich meine persönlichen Interessen mit der FDP-Politik. Ich bin privat krankenversichert und niemand fördert so massiv die PKVen, wie Röslers Lobbyverein. 
 FDP-Mitglieder bekommen bei meiner Privatkrankenkasse sogar einen speziellen Rabatt von 5 %.

Die Nähe der Liberalen zur privaten Versicherungswirtschaft geht über politische Kontakte weit hinaus. Zwischen der FDP und der Deutschen Krankenversicherung gibt es auch eine geschäftliche Kooperation: ein vergünstigtes Rundum-sorglos-Paket allein für Parteimitglieder.
"Exklusiv für FDP-Mitglieder", so lautet das Angebot. Genauer: die "liberale Alternative zur Gesundheitsreform". So wirbt die Deutsche Krankenversicherung DKV, Europas größter Privatversicherer, auf der FDP-eigenen Internet-Plattform netzwerk-mit-nutzwert.de. Weitere Informationen? Nur für den, der sich als "FDP-Mitglied verifizieren" kann.
Auf den Seiten der DKV selbst wird es noch deutlicher. Das Logo der Liberalen prangt unter dem der DKV. Daneben drei glückliche Anzugträger und der Claim: "Freie Demokratische Partei und DKV - starke Partner".
Eine Partnerschaft, die sich auszahlt für FDP-Mitglieder und Mitarbeiter. Es gibt Fünf Prozent Rabatt. Vorerkrankungen sind - anders als üblich - kein Grund, den Versicherungsschutz zu verweigern.

 (Ich frage mich, ob ich einen bestimmten Aufpreis bezahlen müßte, wenn heraus käme, daß ich SPD-Mitglied bin.)

FDP eben, die Konzernbeglückungspartei.

Gegen eine kleine Aufwendung vom Hotelbesitzer Baron Finck („rechts vom Gustl steht nur noch Dschingis Khan“) an die FDP, genehmigte man großzügig Milliardensteuervorteile für Hoteliers.

Milliardär Finck, der auch ein großer Immobilienmogul ist - ihm gehören unter anderem die Clair Immobilien Deutschland GmbH und die Mercantor Verwaltungs GmbH - hatte sich mit Spenden an die CSU (2,4 Millionen Euro seit 2000) auch Freundlichkeiten für die Immobilienwirtschaft erkauft.

Ganz im Sinne des Immobilienmoguls dürfte sein, dass die Koalition etwa so genannte Real Estate Investment Trusts (REITs) stärken will. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, hier seien "überflüssige Hemmschwellen für den deutschen Markt abzubauen". Das entspricht ziemlich genau einer Forderung des Immobilien Verbandes Deutschland (IVB). "Schnellstmöglich sollten Reits eingeführt werden, damit den Anlegern eine international konkurrenzfähige Form der indirekten Immobilienanlage auch in Deutschland zur Verfügung steht", heißt es in einem Verbandspapier. Reits sollen dabei "möglichst wenig reguliert werden".
Im Klartext: Geldgeber sollen leichter als bisher auch mit Wohnimmobilien zocken dürfen.
Und es gab noch mehr Grund zu jubeln für die Immobilienwirtschaft.
"Im Bereich des Mietrechts greift der Koalitionsvertrag alle Forderungen von Haus & Grund Deutschland auf und übernimmt sie", frohlockte der Hauseigentümerverband in einer Stellungnahme zum Koalitionsvertrag.
Wichtigster Punkt: das Ende der "asymmetrischen Kündigungsfristen". In Zukunft sollen für Mieter und Vermieter gleich lange Kündigungsfristen gelten. So können ungewollte Mieter schneller vor die Tür gesetzt werden. Ausgehebelt werden soll auch das Recht auf Mietminderung, etwa während einer Gebäudesanierung. 

12 weitere Lobbyforderungen - 1:1 umgesetzt von den Pay-Policy-Parteien der schwarzgelben Regierung - listet allein die SZ auf.

Die Pharmalobby machte sich ihren Hauptverband FDP so gefügig,
daß drei Monate nach Regierungsantritt tatsächlich Deutschlands oberster Pharmakontrolleur Sawicki geschasst wurde.
Seine am Patientenwohl orientierte Position war zu wenig Pharma-freundlich.

Der private Krankenversicherung DKV räumt FDP-Mitgliedern Sonderrabatte ein und schon bekommt einer der wichtigsten PKV-Lobbyisten, Christian Weber, einen Job in zentraler Stelle des FDP-geführten Gesundheitsministeriums.

Sollte sich die FDP nicht wenigstens bezüglich der privaten Krankenversicherung um mich kümmern und meine Interessen durchsetzen? 
Immerhin stellt sie ja den Gesundheits- und Wirtschaftsminister.
Tatsächlich bin ich aber unter Schwarz-Gelb so  abgezockt worden, wie nie zu vor!
Wie kann das angehen???
Ganz einfach: Das Missverständnis ist, daß sich die FDP um die PrivatversicherTEN kümmern würde. 
Die sind ihnen aber vollkommen egal. 
Sie kümmern sich um die PrivatversicherUNGEN.
Als Miniselbstständiger, muß ich mich wie ein Kioskbesitzer, ein Ein-Mann-Fensterputzer oder ein Ich-AG-Friseur selbst versichern.
 Natürlich sind NICHT alle 9 Millionen Privatversicherten reich.
Dank der FDP-Protektion haben Privatversicherte auch nicht die Möglichkeit die PKV zu wechseln. Man ist an den einen Konzern, bei dem man den Vertrag abgeschlossen hat, sklavisch gebunden.

Dadurch blockiert die FDP den Wettbewerb zwischen den PKVen. 
Denn durch Wettbewerb um die bestehenden 9 Millionen Kunden wären sie gezwungen ihre Beiträge zu senken.

Die PKVen sind eigentlich eine Kombination aus Lebensversicherung und Krankenversicherung. Sie kassieren einen sogenannten „R-Satz“ für die Beitragsrückstellung. 

Bei mir beträgt der R-Satz rund 50 Euro im Monat. Sollte ein Bankkaufmann mitlesen, würde mich interessieren, wie viel Geld in einer Lebensversicherung angespart wäre, in die seit guten 40 Jahren jeden Monat 50 Euro eingezahlt wurden. 
Ich weiß das nicht und die DKV verrät es mir nicht.
Tatsache ist aber, daß ich bei Kündigung des Vertrages, oder beim Wechsel der Versicherung sofort diese Summe verliere – sie verfällt und geht an die DKV.

Eine extrem Konzern-freundliche und Kunden-feindliche Regelung. 
Sagte ich schon, DANKE FDP?
Ich müßte mich beim theoretischen Wechsel also neu versichern, ohne dieses Rückstellungspolster – und damit stiege mein monatlicher Beitrag schlagartig um noch einmal 241,64 Euro (!!!!!).
So lange wir eine rote Gesundheitsministerin hatten, war es nicht so schlimm privat versichert zu sein. Über viele Jahre zahlte ich rund 300 Euro im Monat. 
[….]
Allzu heftige Abzocke trauten sich die PKVen nicht, weil sonst Ulla Schmidt Rabbatz gemacht hätte.

Seit Fipsi, bzw Bahr Gesundheitsminister ist, sieht das aber ganz anders aus.
Im Wissen, daß ihre Kunden ohnehin nicht wechseln können und daß der FDP-Gesundheitsminister wohlwollend zusieht, zocken die PKVen richtig ab. 
Die Beiträge steigen jedes Jahr um rund 30%.
Soeben wurde mein Beitrag auf 615,08 Euro im Monat erhöht und läge sogar bei 860 Euro, wenn ich in eine andere Kasse wechselte.
[….]

Die Parteispendenorientierte Regierungspolitik geht aber noch weiter zu Gunsten der Versicherungskonzerne als ich bisher wußte.
Seit dem April 2007 besteht in Deutschland Krankenversicherungspflicht.
Das stellt aber insbesondere für einige ältere Bürger ein Riesenproblem dar. Haben sie außer ihrer Rente noch ein anderes (kleines) Einkommen, weil sie beispielsweise eine Wohnung vermieten, wird dieses ab dem Tag des Rentenbeginns, anders als zuvor, bei der Kalkulation des Versicherungsbeitrages miteingerechnet.
So gerät man ganz schnell an die Beitragsbemessungsgrenze und zahlt dann beispielsweise bei der Barmer GEK für die Vollversicherung 681 Euro im Monat.
Da zudem die Rente ohnehin in den meisten Fällen geringer als das vorherige Arbeitseinkommen ist, klafft dann auf einmal ganz leicht eine Lücke von 1000 oder 2000 Euro.
Man kann sich schlicht und ergreifend nicht mehr leisten versichert zu sein.
Ca 500.000 Alten in Deutschland ergeht es so.
Selbst wenn man sich später einmal einschränkt und doch wieder in die Gesetzliche Krankenkasse möchte, ist dieser Weg versperrt, weil man die Beiträge rückwirkend nachzahlen muß.
Ein 75 Jähriger Rentner, der sich heute wieder versichern möchte, muß also, wenn er regulär mit 65 in Rente ging und damals aus der GKV flog für zehn Jahre nachzahlen.
10 Jahre mal 12 Monate mal 681 Euro = 81.720 Euro. Plus Säumniszuschlag!
Nun beginnt man zu rechnen, wie lohnend es sein mag diese Summe aufzubringen, wenn man später aus der Pflegeversicherung über die GKV-Vollversicherung bei Pflegestufe I monatlich 235 Euro Beihilfe bekommt.
Das lohnt sich also eher nicht und so würde man gern unversichert bleiben.
Problem: Das ist illegal.
Man muß versichert sein.
Was also tun mit den unversicherten Rentnern, die aufgrund anderer Einkommenssituationen mit dem Renteneintritt die GKV verlassen haben, oder aber wegen der horrend steigenden Beiträge ihre zuvor bestehende PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG kündigen mußten?
Die Politik war gefordert und es stellte sich die Frage, ob man die nicht Versicherten, die früher einmal in der PKV waren ermöglichen müsse zurück in die PKV zu gehen.
Eine Horrorvorstellung für die privaten Versicherungskonzerne. Denn alte Menschen sind lediglich Kostenfaktoren für sie. Das PKV-Geschäftsmodell ist Rosinenpickerei. Sie suchen sich die jungen gutverdienenden Gesunden, die sie nichts kosten und drängen die armen alten und Kostenintensiven Menschen hinüber in die GKV.
Das ist die Perversion des Solidarprinzips.
Und genau hier schritten die Lobby-hörigen Sockenpuppen (vulgo: „schwarzgelbe Bundesregierung“) ein und führten eine für die PKVen maßgeschneiderte Regelung ein.

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen in einem schmalen Zeitfenster, das rein zufällig bis zum Ende der Legislaturperiode geht (…) arme, alte, teure Patienten zurücknehmen, ohne daß diese die Beiträge nachzahlen.
Der Solidargemeinschaft wird also der große Kostenfaktor aufgehalst, die PKVen bleiben verschont.

Wer bislang nicht versichert ist und das nachholen will, muss hohe Nachzahlungen und Säumniszuschläge leisten. Das ändert sich nun vorübergehend.
Nun gilt es. Die Frist läuft noch bis zum Ende des Jahres. Wer derzeit keine Krankenversicherung hat, sollte sich bis zum 31.12.2013 bei einer Kasse melden. Nur wer diesen Übergangszeit nutzt, erhält die Chance, alle ausstehenden Beitragszahlungen und die darauf fälligen Säumniszuschläge erlassen zu bekommen.
Nach dem "Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden", das am Freitag den Bundesrat passierte, sind die Krankenkassen in den nächsten Monaten zur Großzügigkeit verpflichtet. Ziel der von der schwarz-gelben Koalition angestoßenen Regel ist es, auch die Menschen für die gesetzliche Krankenversicherung zu gewinnen, die sich bislang aus Furcht vor hohen Nachzahlungen nicht bei ihrer Kasse gemeldet haben.
Seit dem 1. April 2007 gilt in der Bundesrepublik die allgemeine Versicherungspflicht. Alle, die sich nicht privat versichern müssen oder können, sind seit diesem Tag verpflichtet, zu einer gesetzlichen Krankenkasse zu gehen. Wer es trotzdem vermieden hat, sich bei einer Krankenkasse zu melden, musste bislang mit hohen Nachzahlungen rechnen: die Beiträge für jeden Monat plus ein Säumniszuschlag von fünf Prozent pro Monat.
Dadurch haben sich bei den Betroffenen Schulden angehäuft, die viele von ihnen unmöglich begleichen können. Sie meiden deshalb auch weiterhin den Kontakt zu einer Krankenkasse.

Die BLÖD-Zeitung bejubelt natürlich Schwarzgelb und verkauft diese 100%ige Lobbybeglückung  als „Gute Nachricht:“

Gute Nachricht für alle Menschen ohne Krankenversicherung in Deutschland: Union und FDP wollen ihnen bei Rückkehr in die Kasse alle Schulden erlassen! Die neue Regelung wird noch in dieser Woche im Bundestag beschlossen, erfuhr BILD.de aus Regierungskreisen.
Die Versicherungspflicht in einer Krankenkasse besteht für gesetzliche Kassen seit 2007, für Private seit 2009. Menschen, die seit Beginn der Versicherungspflicht keine Krankenversicherung haben, müssen sich bis 31. Dezember 2013 bei einer Kasse melden. [….]
Etwa 600 000 Menschen, die wegen Beitragsschulden aus der Krankenversicherung gefallen, aber bereits zurückgekehrt sind, müssen bisher Säumniszuschläge bezahlen. Auch diese sollen nach der neuen Regelung entfallen. Ob das auch rückwirkend gilt, ist noch offen. […] Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (36, FDP) sagte auf Anfrage von BILD.de: „Wir wollen Menschen helfen, in den Versicherungsschutz zurück zu kehren, die seit der Versicherungspflicht aus dem System gefallen sind.“
CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn (33) betonte gegenüber BILD.de: „Wir wollen den Nichtversicherten in Deutschland eine letzte Chance geben, ohne übermäßige Nachzahlungen wieder ordentlich krankenversichert zu sein.“
(BLÖD, 10.06.13)

So ein „Glück“ für die Privatkassen.
 Sie machen sich einen schlanken Fuß und die Gesetzlichen können zusehen, wie sie mit den bisher nicht zahlenden Altfällen zurechtkommen.
In den Chefetagen der PKVen sollten jetzt also die Champagnerkorken knallen.
Nicht ganz. Sie zittern nämlich davor, die schützende Hand im Bundesgesundheitsministerium zu verlieren.
Wer weiß, vielleicht kommt ja doch Rot/Grün an die Macht und verfällt auf die Idee die PKVen ebenfalls zur Solidarität zu zwingen. Es droht ihnen nicht nur eines fernen Tages die Bürgerversicherung, sondern schon ganz akut ein Gesetz, das sie zwingen könnte auch weniger attraktive Patienten zu versichern und nicht mehr die Möglichkeit zu haben alles zur GKV abzuwälzen.
Es schrillen schon die Alarmglocken.

Post von der Barmenia ist nur in Ausnahmefällen erfreulich. Die meisten Schreiben des privaten Krankenversicherers drehen sich um die Erstattung von Arzt- oder Arzneikosten, mit schöner Regelmäßigkeit kommen Beitragserhöhungen, gelegentlich eine Nachricht über Beitragsrückgewähr. Der Brief, der in dieser Woche bei 230000 Barmenia-Kunden eingeht, hat einen überraschenden Inhalt: Der Versicherer macht unverhohlen Wahlkampf - gegen SPD und Grüne. 'Geht es nach den Programmen einzelner Parteien, beispielsweise der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, soll eine Einheitskrankenversicherung eingeführt werden', schreiben Konzernchef Andreas Eurich und Vorstand Heinz-Werner Richter. Das werde ein gut funktionierendes Gesundheitssystem zerstören. 'Die Bürger(zwangs)versicherung führt zur echten Zwei-Klassen-Medizin', wettern die Versicherungsmanager. 'Wir setzen uns für den Erhalt unseres bewährten Gesundheitssystems ein. Bitte unterstützen Sie uns dabei.' Unausgesprochen, aber klar: Wählen Sie nicht SPD oder Grüne.
[…] Die Kosten ihrer Wahlkampfaktion will die Barmenia nicht nennen. 'Es waren weniger als 100000 Euro', sagt eine Sprecherin nur. Die Barmenia ist nicht allein mit ihrem Vorgehen. Marktführer Debeka hat zwar kein separates Schreiben verschickt, wohl aber eine Seite mit Informationen in seinen Brief zur Beitragsrückgewähr gelegt. Andere Versicherer nutzen ihre Kundenzeitschriften.
Hinter dem Wahlkampf der Unternehmen steckt pure Verzweiflung. Vor allem Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die in erster Linie von der privaten Vollversicherung leben, müssten bei Einführung der Bürgerversicherung um ihre Existenz fürchten. Die großen Aktiengesellschaften und Finanzkonzerne wie Allianz und Munich Re betreiben über Töchter ebenfalls private Krankenversicherer, sind aber weniger darauf angewiesen - und deshalb nach Ansicht ihrer Kollegen aus dem Lager der Vereine weniger enthusiastisch.

Nebenbei bemerkt haben Schwarzgelben bei dem ganz großen Thema Pflege erst gar nicht angefangen zu regieren.

Wer zu Hause einen Pflegefall hat und eine LEGALE und professionelle Pflege bezahlen möchte, sitzt auf Kosten, die schnell 15.000 Euro im Monat erreichen.
Die nicht Versicherten haben keinerlei Chance auf Hilfe.
Schwarzgelb läßt sie ohnehin im Stich.


Dienstag, 17. September 2013

Moralisches Desaster



Eigentlich sollte ich heute noch mal was zur FDP schreiben, die mir unter anderem mit einem Wahlinfostand vor meiner Tür auf die Nerven gingen. Dazu sind doch tatsächlich sämtliche FDP-Plakate mit Zweitstimmen-Jammerei überklebt. Geld genug haben die Typen offenbar.

Obdachlose, Bahnhofspunks und Osteuropäische Leierkastendarsteller in nahezu allen deutschen Großstädten laufen Sturm: Wahlkampfhelfer der FDP besetzen ihre Plätze auf der Jagd nach Zweitstimmen!   "Die betteln schlimmer als wir alle zusammen. Nicht auszuhalten.", so der Vorsitzende des Bettlerfördervereins Berlin-Moabit.

Was man von diesem unglaublich erbärmlichen Verhalten einer Versagerpartei, die nur Parteispenden-orientierte Gesetzgebung betreibt, halten soll, beschreibt beispielsweise Thorsten Denkler sehr passend.

Was man bei der Bundestagswahl wählen sollte – nämlich Grüne oder SPD – habe ich schon so oft beschrieben, daß ich dazu heute auch nur noch auf die Richtungsentscheidung verweise.
Es geht sechs Tage vor der Wahl um zwei Politikmodelle. Das Schwarzgelbe und das Rotgrüne. Ein Linkes oder ein Piratiges steht NICHT zur Debatte, weil nicht die geringste Chance besteht, daß eine der Parteien an der Regierung beteiligt sein wird.
Ob man will oder nicht; man muß sich entscheiden.  Auch Nichtwählen oder Piratenwählen ist eine Entscheidung – im Endeffekt PRO Merkel.

Es ist aber nicht egal ob Merkel oder Steinbrück regieren. Dazwischen liegen Welten.
Die politischen, gesellschaftlichen, sozialen und moralischen Gegensätze sind eklatant.
Die SPD-Konzeption ist etwas völlig anderes, als der Murx, den uns die Kanzlerin und ihre Lobbyistenorganisation FDP bieten.

Während ich bisher überwiegend die ökonomischen, außen- und sozialpolitischen Gegensätze zwischen rechts und links herausarbeitete, möchte ich heute auf eine zutiefst moralische Frage verweisen.

Thema „national befreite Zonen“.

85 Schüler des Goethe-Gymnasiums in Hamburg-Lurup (einer der ärmsten Stadtteile) begaben sich vor zwei Wochen auf eine Klassenreise nach Bad Schandau in Sachsen. Keine gute Idee.

Mitschüler von Tim hatten sich in einer Nacht Anfang September - trotz des Verbots der Lehrer - heimlich auf das örtliche Dorffest in Bad Schandau geschlichen, mitgefeiert und waren schließlich auf dem Marktplatz ungefähr zwölf teilweise betrunkenen Männern begegnet. Lautstark pöbelten diese die Schüler des Luruper Goethe-Gymnasiums, warfen mit rassistischen Parolen um sich.   Tim hatte sich nicht an dem Ausflug auf das Dorffest beteiligt. Schlaftrunken traf er auf der Toilette auf seine Peiniger. Drei "blonde, blauäugige, kräftige" Männer warfen ihn gegen das Pissoir, treten auf ihn ein und schlagen mit der Faust ins Gesicht. Tim ist deutsch-chinesischer Herkunft.
Als die Schläger endlich von dem Jugendlichen ablassen, kann der nur kurz vor Erleichterung durchatmen. Mit Verstärkung kehren die Neonazis zurück, sammeln sich vor der Jugendherberge, brüllen laut "Abendblatt" Parolen wie "NSDAP - wir vergessen nie" und heizen die Stimmung auf. Die Lehrer verbarrikadieren die Türen, aus Angst, die Männer könnten das Gebäude stürmen.
Bis zum Eintreffen der Polizei vergehen angeblich 30 Minuten. Keiner der Männer wurde von der Polizei festgenommen, es wurden lediglich zehn Personalien überprüft, wie eine Sprecherin des "Operativen Abwehrzentrum gegen Rechts" (OAZ) in Leipzig mitteilte. […]
So machte sich der Jahrgang am nächsten Tag auf den Rückweg gen Norden - erst zwei Stunden nach Abfahrt, Stunden nach der blutigen Tat, wurde die Mutter des Jungen angerufen. Mit dem Handy eines Lehrers. Den Schülern selbst waren auf der Reise keine Handys erlaubt worden. Für die Mutter, Cornelia M. (Name geändert), ein Skandal. "Ein Lehrer hat nach solch einer Tat die Pflicht anzurufen - egal ob es vier oder fünf Uhr morgens ist."
Denn die Doktoren vom UKE, das die Mutter mit ihrem Sohn bei seiner Rückkehr aufsuchte, sahen den Fall ganz anders. Sie röntgten Tim und operierten ihn unmittelbar.
Wenn es außerdem stimmt, was der Junge sagt, versuchten die Pädagogen, die Tat zu verharmlosen, den Schüler einzuschüchtern. Tim sei nur "in eine kleine Schlägerei" geraten und er solle sich "genau überlegen", was er zur Tat sagen werde.
Von dieser "Schlägerei" bleiben bisher eine Titanplatte in seinem Kiefer zurück, sein Auge ist mit einem sogenannten Patch stabilisiert. Wie sich das Ereignis psychisch bei ihm auswirkt, ist bisher ungewiss.

Noch ausführlicher berichtete das Hamburger Abendblatt und einen Tag später stellt sich die Stadt die Frage, ob Klassenfahrten in den Osten überhaupt zu verantworten sind.
Dürfen Hamburger Gymnasiasten, noch dazu welche aus Stadtvierteln, die relativ viele migrantische Schüler haben, in diese bekanntermaßen Skinhead-durchseuchte Gebiete fahren?
Egon Tegge, der Schulleiter des Goethe-Gymnasiums, will davon nichts wissen.

Tegge bedauert, dass der Angriff nun dazu führe, dass gefragt werde, ob man mit Schülern alle Landstriche in Deutschland bereisen könne ohne Gefahr zu laufen, irgendwie Schaden zu nehmen.
Peter Albrecht, Sprecher der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung, sagte: „Es ist nicht geplant, Vorschriften zu erlassen, wohin Klassenfahrten nicht durchgeführt werden dürfen.“ Die Schulen sollten weiter selbst entscheiden.

Es erinnert an den Fall Lutz Battke, den NPD-Fußballtrainer des 3000-Seelen-Städtchen Laucha an der Unstrut. 

Der Rechtsextreme Battke trainiert nicht nur die Kinder der Stadt, sondern ist außerdem Lauchas Schornsteinfeger, so daß jeder ihn kennt.

Im April 2010 geschah das Ungeheuerliche. Ein 17-Jähriger, der ebenfalls beim Lauchaer Fußballklub BSC 99 mitmachen wollte, wurde von Rechtsradikalen mit der Absicht das „Judenschwein platt zumachen“ schwer verletzt.
Angestiftet waren sie offensichtlich von ihrem Hitler-verehrenden Trainer Battke, der den Neuen aus vollem Herzen hasste, da dessen Mutter aus Israel stammt.

Als der Fall Schlagzeilen macht, stellen sich der  Präsident des BSC 99, Klaus Wege und Lauchas Bürgermeister Michael Bilstein nicht etwa vor das Opfer, sondern geben zu bedenken, was denn ein Jude ausgerechnet im Fussballverein zu suchen habe. 
Jeder wisse doch wie aktiv Trainer Battke in der rechtsradikalen Szene sei.
Einen Grund Battke zu entlassen konnten sie nicht erkennen. 
Er sei schließlich beliebt und ein guter Trainer.
Erst massiver Druck der überregionalen Presse sorgte schließlich dafür, daß Verein und Bürgermeister einknickten und Battke Ende August 2010 doch noch als Trainer entließen. 

Nicht allen Lauchanern gefiel das, Hunderte solidarisierten sich mit dem Geschassten.
Ende 2010 geht Battke sogar in das Rennen um das Bürgermeisteramt. Bei den Kommunalwahlen 2009 hatte die NPD in Laucha 13,5 % erreicht. Kandidat Battke konnte das Ergebnis verdoppeln.

Lutz Battke, der in den letzten Wochen für viel Aufsehen gesorgt hatte, wird nicht Bürgermeister der kleinen Gemeinde Laucha in Sachsen-Anhalt werden. Trotzdem wird das Städtchen in den nächsten Wochen wohl kaum zur Ruhe kommen: Fast jede vierte Person gab dem Rechtsextremisten ihre Stimme.
24 Prozent aller wahlberechtigten Personen wollten Lutz Battke als ihren zukünftigen Bürgermeister. Mit 68 Prozent bleibt jedoch Michael Bilstein im Amt.
[…]
In den letzten Wochen berichteten jedoch unzählige überregionale Zeitungen über den Fall – allein dies kann die NPD als Sieg verbuchen. Gerade gestern noch sprach NPD-Chef Udo Voigt auf dem Bundesparteitag im nur wenige Kilometer entfernten Hohenmölsen in höchsten Tönen von Battke. Die 200 NPD-Delegierten applaudieren, er wird gefeiert.
Und heute feiert man weiter bei der NPD. Lutz Battke wird bejubelt als ein Mann, der sich nicht kleinkriegen lässt, als Siegertypen, als Mann des Volkes.
[…] 
Doch wie kam es, dass insgesamt 435 Personen am heutigen Sonntag ihr Kreuz bei Lutz Battke machten, der bekennender Rechtsextremist ist? Durch das große Medieninteresse der letzten Wochen hätten die Bewohner Lauchas das Gefühl, das „mit dem Finger auf sie gezeigt“ würde. Und obwohl viele mit der NPD nichts zu tun hätten, würde man sich so mit dem Neonazi solidarisieren, erklärte Titus Simon, Rechtsextremismus-Experte der Hochschule Magdeburg-Stendal.


Selbst nach großen Skandalen und Straftaten ist man vielerorts nicht bereit sich von Skinheads und Nazis zu distanzieren.

Mit dem „guten Nazi von nebenan“ - sei es der Fahrlehrer, Schornsteinfeger, Uhrmacher oder Sporttrainer - solidarisiert man sich, auch wenn man sich beeilt festzustellen nicht das politisch-extreme Gedankengut zu teilen.

Aber das sei doch kein Grund so einem nicht die Kinderchen zum Fußballtraining zu überlassen. 

Das „ist eben so“ im Deutschland des Jahres 2013.
Moscheen müssen Polizeischutz haben, Dunkelhäutige können weite Teile Ostdeutschlands nicht betreten,  Schwule sollten in Berlin-Neukölln nicht Hand in Hand gehen. Jüdischen Kindern wird von der Polizei dringend empfohlen auf dem Weg in die Schule keine Kippa zu tragen, weil das einfach zu gefährlich ist.
Was als Fürsorge daher kommt, ist in Wahrheit eine skandalöse Verdrehung von Opfer und Täter.

Was muß diese Junge aus Israel auch ausgerechnet in Ostdeutschland Fußball spielen? Was muß das Mädel auch abends im kurzen Rock rumlaufen?
Was müssen die Schwulen sich auch ausgerechnet vor den Augen lauter Prekariatler küssen? Die nächste Frage erahnt man schon? Was wollen Ausländer (…,Schwule, Schwarze, Behinderte,…) überhaupt hier?
Sind sie nicht selbst schuld, wenn sie auf’s Maul kriegen?
Dazu sage ich ein klares NEIN!

Ausländer sind nicht verantwortlich für Xenophobie und Lesbenpaare haben keine Schuld an Homophobie.
Wir wissen genau, daß dort die Ausländerfeindlichkeit am größten ist, wo es praktisch gar keine Ausländer gibt.
Die widerlichen Missgeburten von der „SSS“ (Skinheads Sächsische Schweiz) beklagen sich über Ausländerströme in einem Landstrich mit einem Ausländeranteil unter 1%.
Antisemitismus existiert sogar ganz ohne Juden.

Das Ergebnis der rechtsextremen NPD bei der Jugend-Testwahl in Spremberg (Spree-Neiße) alarmiert Politik und Initiativen gegen Rechts. Von den Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren in der Stadt hatten bei der Abstimmung am vergangenen Freitag rund ein Drittel der Teilnehmer ihr Kreuz bei der NPD gemacht. Von einem "alarmierenden Signal" sprach Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). "Bei allen Erfolgen im Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass gibt es keine Entwarnung", sagte er der "Lausitzer Rundschau" (Dienstag).

Studien ergeben regelmäßig, daß ein Drittel der ostdeutschen Jugendlichen Juden ablehnen. Die Hälfte von ihnen gibt an keine Juden als Nachbarn zu wollen.
Fragt man sie aber „Warum“ und ob sie jemals einen Juden gesehen haben, antworten sie mit „nein“.

Es ist verdammt noch mal nicht hinzunehmen, daß diese Zustände in Deutschland existieren. Menschen mit Kippa, dunkelbrauner Haut oder schwul wirkendem Gang sollen sich überall in Deutschland sicher bewegen dürfen, wie es das Gesetz vorschreibt.

Eine Bundesregierung mit auch nur einem Hauch von moralischem Anstand würde sich intensiv darum bemühen die Menschenrechte überall in Deutschland durchzusetzen. Sie würde Aufklärungs-, Präventions- und Opferhilfeprogramme massiv fördern, Polizei aufstocken und vor allem in den Schulen, Kitas und anderen Jugendeinrichtungen Pädagogen einsetzen, um diesen rechtsradikale Gewaltfetischismus auszurotten.

Stattdessen kneifen Kanzlerin und Sozialministerin die Augen zu und die Jugendministerin streicht sogar massiv die Gelder für die Vereine, die gegen Neonazis arbeiten, zusammen.


Diese Bundesregierung darf keinesfalls wiedergewählt werden.

Im Kampf gegen den Rechtsterrorismus ist die Bundesregierung nach Einschätzung von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin keine Hilfe. "Bis heute kann die Bundesregierung nicht erklären, wie ein Netzwerk von Nazi-Terroristen 13 Jahre lang aus dem Untergrund heraus über zehn Morde begehen konnte", sagte Trittin am Dienstag in Berlin. Noch immer sähen sich Initiativen gegen Rechtsextremismus einem Generalverdacht ausgesetzt durch die sogenannte Extremistenklausel. Für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sitze das eigentliche Problem als Linksfraktion im Bundestag, meinte Trittin. "Wenn man einen Strich drunter zieht, kann man über diese Bundesregierung nur Folgendes sagen: Rechts blind, links blöd - diese Bundesregierung ist ein Ausfall im Kampf gegen den Rechtsextremismus."