Vielleicht
wird sich jemand daran erinnern, daß ich meinen Physiklehrer Herrn Engels schon
einmal liebevoll erwähnte.
Seinen
Namen kann ich wohl nennen, da er quasi eine Person des Öffentlichen Lebens
ist. Es gibt jedenfalls einen Wikipedia-Eintrag über ihn:
Hartmut
Engels (* 15. Mai 1942 in Rudolstadt/Thüringen) ist ein deutscher Politiker
(CDU) und war von 1974 bis 2011 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft..
[…]
Er unterrichtet in den Fächern Physik, Mathematik und Informatik erst als
Studienrat bzw. später als Oberstudienrat. Neben seinem politischen Engagement
ist er Mitglied des Deutschen Lehrerverbandes.
Ich
kannte Herrn Engels recht gut, weil seine Tutantengruppe, die ausschließlich
aus JU-Mitgliedern bestand mehrfach mit meiner Tutantengruppe, die
ausschließlich aus NICHT-JU-Mitgliedern bestand, zusammen verreiste.
Als
Lehrer habe ich ihn nicht sehr viel direkt erlebt, obwohl ich ihn in der VS als
Physiklehrer genoss.
Ich war immer gut
in Naturwissenschaften und scheute mich daher nicht „hier“ zu schreien, als er
im nach der zehnten Klasse neu zusammengewürfelten Kurs den Wissensstand
kontrollieren wollte. Ich sollte an die Tafel kommen. Thema Kinetische Bewegung
von Massepunkten.
„Stellen
Sie sich vor, Sie schießen eine Gewehrkugel mit 2000 km/h auf eine 50 m
entfernt stehende 60kg schwere Rentnerin, wie weit fliegt Omma nach hinten,
wenn sie getroffen wird?“
Der
Tammox jener Zeit war damals noch frisch und kämpferisch und erklärte
grundsätzlich so formulierte Aufgaben nicht zu berechnen, daß es moralisch
untragbar sei so fragen.
Herrn
Engels interessierte das scheinbar nicht sehr. Er ließ mich reden und regte sich kein
bißchen auf.
Nach
der Stunde kam er aber zu mir und sagte er müsse mich allein sprechen.
„Mit
Typen wie ihnen will ich mir das Leben nicht schwer machen. Daher mein
Vorschlag: Wenn sie versprechen nie wieder in meinen Unterricht zu kommen, gebe
ich ihnen dieses und nächstes Semester immer sechs Punkte!“
Ich
willigte sofort ein. Freistunden konnte man immer gebrauchen.
Und tatsächlich
bekam ich in allen Klausuren 6 Punkte, mündlich sechs Punkte und somit auch in
den beiden VS-Semestern 6P als Endnote.
Jahre
später, als ich für mein Physikvordiplom an der Uni lernte, habe ich mich kurz
gefragt, ob ich nicht doch etwas mehr Physikunterricht gebraucht hätte. Aber
irgendwie haute es auch so hin.
Auch
wenn es sich Herr Engels gelegentlich etwas leichter gemacht hat (was ich ihm
fast nicht übel nehme; er war mit seinen JU-Tutanden schwer genug gestraft) so
bleibt die Tatsache stehen, daß er 37 Jahre ununterbrochen Mitglied eines
Landesparlamentes war (zehn Jahre davon in der Regierungsfraktion) und
gleichzeitig eine volle Stelle als Oberstudienrat an einem Gymnasium ausfüllte.
Mir
fehlt zwar ein Jahr Physikunterricht, aber ich würde schon annehmen, daß von
den Klischees über überarbeitete Lehrer und überlastete Abgeordnete mindestens
eins nicht stimmen kann.
Offenbar
haben Volksvertreter genügend Zeit auch noch neben ihrer parlamentarischen Tätigkeit Geld zu verdienen.
Bei dem einen ist es ein
vergleichsweise bescheidenes Gymnasiallehrergehalt, bei anderen ist es
offensichtlich ein bißchen mehr.
Sarkasmus-Mode-off:
Diese Zuverdienste beanstande ich nicht. Man kann durchaus begründen, daß es
sinnvoll sein könnte, wenn Volksvertreter noch im „richtigen Leben“ geerdet
sind und nicht nur in ihrer Lobbyisten-Käseglocke hocken.
Da
es sich um offiziell gewählte Personen handelt, muß das Volk aber wissen, was
die Herrschaften, welche ja immerhin von Wähler für ihr Mandat bezahlt werden,
sonst noch für wie viel Geld tun.
Beim
Beamten Engels war das vorbildlich transparent. Was ein Oberstudienrat verdient
kann man jederzeit nachgucken.
Bei
vielen Bundestagshanseln weiß man aber eben nicht so genau, wofür sie von wem
Geld bekommen. Alles über € 7.000 muß nicht einmal ausgewiesen werden.
Immer
bekannt waren Steinbrücks Vorträge, auf die sich jetzt erwartungsgemäß Schwarze
und Gelbe stürzen.
Mit Recht, aus ihrer Sicht.
Denn inhaltlich kann kein
Minister des Kasper-Kabinetts dem SPD-Mann auch nur annähernd das Wasser
reichen.
Er ist
als Kanzler vorstellbar geworden und das ist schon die halbe Miete in einem
System, welches Pöstchen nicht auf Lebenszeit vergibt.
Nun müsse der SPD-Mann aber TRANSPARENZ zeigen und alles aufdecken.
Welche
Reaktion Steinbrücks auf der Regierungsbank erwartet wurde, ist mir nicht klar.
Allerdings vermute ich, daß sie grundsätzlich nicht strategisch denken können
und der übernächste Schritt ihnen stets ein umnebeltes Mysterium ist.
Es
kam schlimm für CDU und FDP.
Denn die SPD zerfiel nicht sofort in den „Hühnerhaufenmodus“
und zu allem Übel griffen die Sozen die Forderung auf und sagten "ja zur totalen
Transparenz!"
So
hatten wir aber nicht gewettet, schallt es aus dem Thomas Dehler-Haus.
Transparenz
ja, aber nur bei den anderen!
Verbindliche
Transparenzregeln für alle, nein, das sei leider mit den Bürgerlichen zu
machen.
CDU,
CSU und FDP lehnen weitergehende Transparenzregeln, die sie eben noch von Steinbrück
gefordert hatten, weil dieser die bestehenden ja vorbildlich erfüllt hatte, auf einmal ab.
Daß
eine Forderung so schnell zurück geflogen kommt, passt den Regierenden gar nicht.
Viel
Getöse, wenig dahinter: Eigentlich wollte das zuständige Gremium im Bundestag
den Durchbruch in Sachen Nebeneinkünfte schaffen - doch die Verhandlungen sind
vertagt. Der Vorstoß, Einkünfte auf Euro und Cent zu veröffentlichen, scheitert
am Widerstand von Schwarz-Gelb.
[…]
Der Streit über schärfere Regeln für die Veröffentlichung von
Abgeordneten-Nebeneinkünften zieht sich damit nicht nur weiter in die Länge -
obwohl quer durch alle Fraktionen seit Wochen beteuert wird, man werde das
bestehende Regelwerk zeitnah korrigieren. Auch ist das erklärte Ziel der
Oppositionsfraktionen, Nebentätigkeiten künftig "auf Euro und Cent
genau" offenzulegen, damit vom Tisch.
Zu
unterschiedlich sind die Vorstellungen darüber, wie konkret Parlamentarier ihre
Nebentätigkeiten preisgeben müssen. Die Opposition ist dafür, alle
Nebeneinkünfte auf Euro und Cent genau zu veröffentlichen. Die Koalition, die
Steinbrück für dessen Vortragshonorare unbekannter Höhe immer wieder scharf
attackierte, will selbst aber nur das bisherige Stufenmodell erweitern. […]
Bundestagsvizepräsident
Hermann Otto Solms (FDP), der die zuständige Kommission leitet, erteilte der
Forderung nach einer kompletten Offenlegung ebenfalls eine Absage.
Kubicki
gegen Parteifreund Döring: "Ich weiß nicht, was er geraucht hat"
FDP-Generalsekretär
Patrick Döring gerät wegen seiner Äußerungen über die Nebenverdienste von
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in den eigenen Reihen in die Kritik. Er
habe das Statement Dörings "ziemlich peinlich" gefunden, sagte der
Fraktionschef der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, am
Donnerstagabend im ZDF.
Döring
hatte Steinbrück vor zwei Wochen in einem Interview mit der Bild-Zeitung unter
anderem eine "knallharte Gewinnermentalität" attestiert. "Ich
weiß nicht, was er geraucht hat, aber für die Vertreter einer liberalen Partei
ist es geradezu unerhört, sich darüber zu äußern, dass jemand für seine
Tätigkeiten, in die er ja auch seine Persönlichkeit einbringt, Geld
bekommt", sagte Kubicki in der Talkshow. Er fände es schön, wenn Döring
sich bei Steinbrück "öffentlich entschuldigen" würde.
"Peinlich,
Unverschämtheit, albern". Kubicki befand es zudem als
"Unverschämtheit", wenn Unions- und FDP-Abgeordnete Steinbrück
unterstellten, er sei ein Produkt der Finanzindustrie. Es sei
"albern" anzunehmen, dass jemand, der einen bezahlten Vortrag halte,
sich nach der Meinung der Zuhörenden richte. Im Übrigen habe Steinbrück die
Vorträge in einer Zeit gehalten, in der er nicht Kanzlerkandidat gewesen sei.
Kubicki
hat Grund sich über Forderungen nach zu viel Transparenz aufzuregen.
Kaum
ein Politiker kämpft mit solcher Verve gegen neue Transparenzregeln für
Abgeordnete wie der FDP-Rebell Wolfgang Kubicki. Ganz uneigennützig dürfte der
Einsatz nicht sein - der Liberale und stolze Yachtbesitzer aus
Schleswig-Holstein ist ein gut verdienender Anwalt.
Bei
der FDP rollten sie am Tag danach mit den Augen. Das sei nun mal wieder
"total doof", sagte ein führender Liberaler. In der Parteizentrale in
Berlin verlegten sie sich auf das altbewährte Mittel, das sie oft anwenden,
wenn Wolfgang Kubicki zugeschlagen hat: schweigen. Sie kennen ihn schließlich,
ihren eigensinnigen Rebell aus dem hohen Norden, ihren Wolfgang Kubicki,
Fraktionschef im Kieler Landtag.
[…]
Dass Kubicki nun Steinbrück verteidigt, ist jedoch nicht völlig uneigennützig.
Käme es im Bundestag zu verschärften Regeln, so wäre auch Kubicki davon
betroffen, sollte er kommendes Jahr ins nationale Parlament in Berlin
einziehen. Schließlich ist der Anwalt einer, der gut verdient. Aus seinem
Wohlstand hat der Liberale keinen großen Hehl gemacht, es hat ihm schließlich
auch nie in der Öffentlichkeit geschadet. Die "Kieler Nachrichten"
nannten ihn schon mal einen "Top-Verdiener" unter den Landtagsabgeordneten.
Erst im Sommer ließ er sich stolz auf seiner Motoryacht für ein
Illustrierten-Interview ablichten. Und dass sein Haus in einem vornehmen
Viertel von Kiel mit unverbautem Blick auf die Ostsee rund 1,2 Millionen Euro
wert sei, hat er auch schon mal erzählt. Der früheren schwarz-gelben
Landesregierung trat er nicht als Minister bei, um seinen gut dotierten Anwaltsberuf
nicht aufgeben zu müssen.
Zur
heutigen Sitzung der Rechtsstellungskommission zur Veröffentlichung von
Nebenverdiensten erklärt Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer:
In der Sitzung der Rechtsstellungskommission hat sich nichts, aber auch rein
gar nichts bewegt. Dies ist eine Blamage für diese Koalition. Schwarz-Gelb hat
Transparenzvorstellungen aus Stahlbeton. Die Transparenzworthülsen der
Koalition kann man nur noch als Heuchelei bezeichnen. Nach zehn Sitzungen über
drei Jahre bleibt übrig: Außer Spesen für Croissants nichts gewesen.
Nachdem wir in der Rechtsstellungskommission drei Jahre über erweiterte
Transparenzregeln für Abgeordnete diskutiert haben, waren Union und FDP heute
nur ,,grundsätzlich bereit, über weitere Transparenzregeln zu sprechen".
Zwischen Reden und Handeln gibt es bei der Koalition einen himmelweiten
Unterschied. Wir brauchen vor dem Sankt-Nimmerleinstag einfache
Transparenzregeln, die Jedermann nachvollziehen kann.
Wir haben heute beantragt, Nebenverdienste auf Euro und Cent zu
veröffentlichen. Das schafft maximale Transparenz und ist für jeden
verständlich. Der Vorsitzende der Rechtsstellungskommission, Dr. Solms, hat
sich geschäftsordnungswidrig geweigert, darüber abstimmen zu lassen.
Schwarz-Gelb spielt auf Zeit und hofft, dass in drei Wochen niemand mehr über
Transparenz spricht und sie weiter blockieren können.
(PM der Grünen-Fraktion Nr.
0899 vom 19.10.12)