Mittwoch, 29. August 2012

Der Junge, der immer „Feuer“ schrie.





Manchmal muss man schreien. 
So unangenehm es ist, aber es gibt Situationen, in denen man augenblicklich Hilfe braucht, oder aber zur Warnung anderer laut werden muß.
Hilfsbereitschaft ist in unserer Gesellschaft längst nicht selbstverständlich. In unzähligen Fällen wurde dokumentiert, wie in U-Bahnen Kinder oder Frauen belästigt wurden, ohne daß irgendein Fahrgast Hilfe leistete.

Als eine Freundin einst zu einem Selbstverteidigungsworkshop ging und ich sie fragte, ob sie nun einen Vergewaltiger umhauen könnte, war die Antwort ‚nein‘.
Aber sie hätte immerhin gelernt, daß man laut schreien solle und zwar keineswegs nur „Hilfe!“ oder „Vergewaltigung“, weil darauf nur wenige reagierten. 
Man solle unbedingt „Feuer!“ oder „Es brennt!“ rufen. 
Das ginge potentiell jeden etwas an und hätte somit eine viel höhere Chance auf Aufmerksamkeit.

Man darf nicht inflationär schreien. 
Das ist das Problem.
 Ich muß es wissen, denn ich wohne gegenüber von einem betreuten Kinderspielplatz. Gegen eine kleine Gebühr kann Frau dort ihren Nachwuchs abgeben und dann shoppen gehen.

In der ersten Zeit passierte es immer wieder, daß ich entsetzt aufsprang, ans Wohnzimmerfenster raste und das Telefon zur Hand nahm, um 110 zu wählen.
 Sowohl Mütter als auch Kinder schrien so hysterisch und in solcher Phonstärke, daß ich mich a) um meine Fensterscheiben sorgte und b) davon ausgehen mußte, jemand werde offensichtlich gerade abgestochen.

Mit der Zeit lernte ich aber, daß es sich beim „wie am Spieß schreien“ offensichtlich um normale Kommunikation bei heutigen Mutter-Kind-Verhältnissen handelt.

Das hat zwei negative und eine positive Seite.
Gut: Ich muß mir keine Sorgen mehr machen.
Schlecht: Der Lärmterror hält an.
Schlecht: Falls wirklich mal einem Kind Gewalt angetan würde und es dementsprechend losbrüllte, würde es keiner der Anwohner registrieren, weil die Bälger ja ohnehin dauernd schreien.

(Es gibt hier übrigens noch Bewohner, die schon in den 1950er Jahren in diese Häuser gezogen sind; so lange wie der Spielplatz besteht. Von ihnen weiß ich, daß es sich um ein neueres Phänomen handelt. Es gab Zeiten, in denen Mütter und Kinder so kommunizieren konnten, daß nicht im Umkreis von 200 m alles aus dem Bett fiel.
Meine Eltern habe ich auch befragt. Nein, es sei undenkbar gewesen, daß ich mich jemals so benommen hätte. Ich war ein artiges Kind.)

Zum Dauergeschrei vor meiner Tür gibt es ein politisches Pendant.

Permanente Schreihälse sind beispielsweise Generalsekretär Doofrind und Staatsminister Markus Söder.
Die Top-CSU’ler kreischen so beständig, daß selbst ihre CDU-Freunde verzweifeln.
 "Sprachrohr des Pöbels", "Stammtischkasper", "provinzielles Gemeckere" sind da noch die harmloseren Kommentare aus den Regierungsfraktionen.


„"Ich finde, die Sache ist schwer genug. Sie wird nicht dadurch besser, dass jeder jeden Tag irgendwo einen Hammer loslässt", kritisierte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der auch CDU-Vizechef ist. EU-Kommissar Günther Oettinger (ebenfalls CDU) sagte: "Die Äußerungen sind nicht in Ordnung." Er kritisierte Stil, Inhalt und Kalkül Dobrindts. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) fügte hinzu: "Die Situation ist zu ernst, als dass man sie mit einem rhetorischen Überbietungswettbewerb bestreiten könnte." Bouffier und Lammert betonten allerdings, dass Griechenland seine Auflagen erfüllen müsse.  Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok rügte Dobrindt auch dafür, dass dieser den EZB-Präsidenten Mario Draghi als "Falschmünzer" bezeichnet hatte. "Zu dem Dobrindt fällt mir nichts mehr ein", sagte Brok dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Das ist einfach unerträglich." Durch seine Angriffe auf das hochverschuldete Griechenland und die EZB schaffe Dobrindt Unsicherheit und erhöhe so die volkswirtschaftlichen Kosten der Euro-Krise.“
(Spon 27.08.12)


Doofrind hat sich mit seinem hysterischen Politikstil zum Westerwelle Bayerns gemacht.

Nehmen wir den (allerdings rein theoretischen) Fall an, Dobrindt hätte zu einem Thema tatsächlich etwas sehr wichtiges zu sagen oder müßte vor einer ernsthaften Gefahr warnen: Es ginge nicht, weil ihn keiner mehr ernst nimmt.

Genauso ergeht es dem Außenminister
Falls er (ausnahmsweise) Wichtiges und Richtiges zu Syrien oder dem Iran zu verkünden hätte, kann er das lediglich Herrn Mronz erzählen.
 Alle anderen ignorieren ihn bestenfalls oder lachen ihn aus.

Für Deutschland ist das tragisch. Denn in der Außenpolitik gibt es wahrlich genügend Anlass zur Sorge, gibt es eine Fülle von Anlässen, die deutliche Worte aus Berlin erfordern.

Kriegstreiberei, Rohstoffspekulationen, Klimawandeln, Geschäft mit dem Hunger, Waffenexporte. 

Deutschland wird dazu nicht mehr wahrgenommen, weil der Außenminister kastriert ist.

Das analoge Problem besteht beim Antisemitismus.
Diese Geißel der Menschheit gibt es wirklich, sie ist hochgefährlich und streckt immer wieder auch in den angeblichen Musterdemokratien ihr häßliches Haupt hervor.

Zum Beispiel gestern. Mitten in der Hauptstadt:


Der jüdische Geistliche war am Dienstagabend vor den Augen seiner Tochter von vier jungen Männern im Berliner Stadtteil Schöneberg überfallen und antisemitisch beleidigt worden. Diese hatten ihn zunächst auf seine traditionelle jüdische Kopfbedeckung (Kippa) angesprochen und gefragt, ob er Jude sei. Dann versperrten sie dem Vater und seiner Tochter den Weg und verletzten ihn mit mehreren Schlägen am Kopf. Außerdem beleidigten sie ihn sowie seine Religion und drohten dem kleinen Mädchen mit dem Tod. Danach flüchteten die Täter. Der verletzte Rabbiner kam zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus.   Nach Polizeiangaben handelt es bei den Tätern vermutlich um arabischstämmige Jugendliche. Der polizeiliche Staatsschutz übernahm die Ermittlungen. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte: "Solche Taten werden von den Sicherheitsbehörden unnachgiebig verfolgt." Er versprach ein hartes Vorgehen gegen die Täter.


Völlig ZU RECHT geben sich jüdische Organisationen empört. 
ZU RECHT ist der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann schockiert und mahnt bessere Gewaltprävention an.

Leider, leider sind aber auch Graumanns und Knoblochs Stimmen stumpf geworden. 
Sie haben etwas zu viel „Antisemitismus“ geschrien, als daß man ihnen jetzt so sorgsam zuhörte wie es nötig wäre.

Wenn pauschal Menschen, die sich lediglich um das Wohl von kleinen Kindern sorgen von Typen wie Rudolf Taschner als „Antisemiten reinsten Wassers“ bepöbelt werden, muß man sich nicht mehr wundern, daß die Antisemitismuskeule kleiner und stumpfer wird.

Dazu ist die Sache aber zu ernst. 

Menschenfeindlichkeit in Form von Rassismus, Homophobie, Antisemitismus und Misogynie gibt es jeden Tag und muß scharf verurteilt werden.

Das wird aber enorm erschwert, wenn ein extrem eitler Austeiler wie Guido Westerwelle Kritik an seiner Amtsführung mit der Homophobiekeule begegnet.

Die Liste der Vorwürfe an seine Adresse ist schier endlos.
 Das einzige, das „wir“ (und damit meine ich die böse Opposition aus Linken, Sozis, Grünen und Piraten) ihm nicht vorwerfen ist schwul zu sein.
Indem Guido nun versucht Kritik an ihm in die homophobe Kiste zu stecken, versündigt er sich an den Millionen Menschen weltweit, die tatsächlich unter Homophobie zu leiden haben.

Die richtige „Schreikultur“ fehlt in Deutschland und Europa.

Da wächst uns zum Beispiel in Osteuropa, insbesondere in Ungarn, ein massives Rassistenproblem heran und niemand greift ein. 
Dabei ist das genau die katastrophale Entwicklung, die es erforderte politisch mal so richtig laut zu werden.


Ungarns einflussreicher Rechtsaußen-Publizist Zsolt Bayer, ein Mitbegründer der Regierungspartei Fidesz, schrieb: "Wir müssen es aussprechen: Der viehische Mörder war ein Zigeuner. In diesem Ungarn erleben Millionen Menschen, dass die Zigeuner sie ausrauben, schlagen, demütigen und ermorden. Wenn die Zigeunergemeinschaft diese Mentalität ihrer Rasse nicht ausrottet, dann ist klar: Mit ihnen kann man nicht zusammenleben."
[…] Inzwischen marschieren Einheiten der verbotenen paramilitärischen "Ungarischen Garde" wieder auf im Land: Anfang August zogen rund tausend Rechtsextreme durch das Dorf Devecser in Westungarn, seit Tagen terrorisieren Mitglieder mehrerer rechtsextremer Bürgerwehren die Bewohner eines Roma-Viertels in der Stadt Cegléd südöstlich von Budapest. Am vergangenen Samstag feierten auf dem Budapester Heldenplatz Anhänger der verbotenen Garde die Gründung der Organisation vor fünf Jahren - und beschworen dabei die "Gefahr der massenhaften Vermehrung von Zigeunern".
[…] Die rechtsextreme Partei Jobbik ("Die Besseren"), die bei den Wahlen 2010 17 Prozent der Stimmen erhielt, [startete] eine großangelegte Kampagne zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Der Jobbik-Parteichef Gábor Vona begründet das in einem Blogeintrag so: "Die Morde geschehen. Die Täter stammen zu 90 Prozent aus ein- und demselben soziokulturellen Milieu. Sprechen wir es aus: Sie sind Zigeuner. Die Opfer hingegen sind zu 100 Prozent Ungarn. Deshalb brauchen wir die Todesstrafe."  Auch in der Regierungspartei "Bund Junger Demokraten" (Fidesz) plädierten mehrere Politiker für die Wiedereinführung der Todesstrafe. […]
Wohin ein solches Hassklima führt, zeigte sich nach einem Verbrechen im November 2008: Damals wurde in der Gemeinde Kiskunlacháza das 14-jährige Mädchen Nóra Horák ermordet. Sofort machte der Bürgermeister der Gemeinde, József Répás, die Roma im Ort kollektiv für den Mord verantwortlich. Lange glaubte auch die ungarische Öffentlichkeit, Roma seien die Täter gewesen. Mehrere Roma-Jugendliche standen unter Mordverdacht, ihre Familie wurde aus dem Ort vertrieben. Sieben Monate nach dem Mord fasste die Polizei den tatsächlichen Mörder - einen ungarischen Nachbarn des Mädchens. Auf eine Entschuldigung des Bürgermeisters warten die betroffenen Roma bis heute.


Ich kann es nicht umfassend beurteilen, aber es scheint mir, daß der in den USA immer noch virulente Rassismus (aus dem sich insbesondere der Hass der Rechten auf Obama speist) wenigstens ein bißchen konsequenter verfolgt wird.


Rassismus am Rande.
Immerhin hat man ihn dafür offenbar rausgeworfen: Ein Teilnehmer des Republikanerparteitags in Tampa, Florida, soll einer schwarzen Kamerafrau von CNN Nüsse hingeworfen haben – mit der Bemerkung: “So füttern wir Tiere!” Man arbeite mit den Organisatoren zusammen, um den Vorfall aufzuklären, hieß es nur von dem Sender.
(Carsten Luther 29. August2012)



In Deutschalnd gibt es keine VERNÜNFTIGE Empörung über Rassismus und Antisemitismus.
Dabei wird die größtmögliche verbale Keule viel zu oft geschwungen.

Das zeigen die Beispiele Stoiber (Warnung vor „durchmischter und durchrasster Gesellschaft“), Martin Hohmann (Juden seien “Tätervolk” ), Schäuble (über die Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung: “Wir hatten den ‘größten Feldherrn aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten.”), Oettinger (Hans Filbinger “war Gegner des NS-Regimes”) Rüttgers („Kinder statt Inder“, „faule Rumänen“), Koch (Bsirskes Reichenkritik sei “eine neue Form des Sterns auf der Brust”), Jenninger (“Faszinosum” des Nationalsozialismus ), Laschet (über Kinderkrippen: „Das erinnert mich wirklich an jemanden, der bei einer anderen deutschen Diktatur gesagt hat: Das war alles gar nicht so schlimm, die haben wenigstens die Autobahnen gebaut“), Frank Steffel (Schwarze= „Bimbos“ und Türken= „Kanaken“. Behinderte waren für ihn „Mongos“ und eine Lehrerin, die diese Ausdrücke bemängelte, bezeichnete Jung-Steffel als „Kommunistenschlampe“), FJ Strauß (über Jusos: “schlimmsten Nazi-Typen in der Endzeit der Weimarer Republik”), Kohl (Goebbels-Gorbatschow-Vergleich, über Thierse: “schlimmster Präsident seit Hermann Göring”), Hans Werner Sinn (“In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken. In der Weltwirtschaftskrise von 1929 “hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager“) und Christian Wulff (über Managergehälter: "Ich finde, wenn jemand zehntausend Jobs sichert und Millionen an Steuern zahlt, gegen den darf man keine Pogromstimmung verbreiten")
 

Dienstag, 28. August 2012

Ich habe genug von den Claudia Kellers - Teil II




Christen, Muslims, Juden, Hindus, Buddhisten und Co sind meiner Ansicht nach entweder ein bißchen blöd oder denkfaul oder Religioten (= intelligente Menschen mit Inselverarmung).

Jeder engagierte Atheist weiß, daß man in Diskussionen mit Gläubigen relativ mühelos jedes ihrer „Argumente“ widerlegen kann, bis sie entweder aggressiv werden oder aber sich einer Sachdebatte entziehen, indem sie sagen „das musst du eben glauben!“

Die hauptberuflichen Religiösen - Mullahs, Rabbis, Bischöfe und Co - halte ich sogar für potentiell gefährlich, weil ihre Ideologien grausam sind, ausgrenzen und Kinder gefährden.

Deswegen ist natürlich nicht jeder einzelne der weltweit Milliarden Gläubigen ein schlechter Mensch. Es gibt durchaus kulturelle Zwänge und psychologische Prädispositionen für ritualisierten Glauben.
Selbstverständlich ist nicht jeder Mensch mit kritischem Denken und wachen Verstand gesegnet, um seine beschränkte Wahrnehmung ständig zu hinterfragen.
Wir alle kennen doch den ein oder anderen wirklich netten Buddhisten oder Katholiken.

(Wobei ich, rein subjektiv betrachtet fast immer die konfessionslosen und humanistisch eingestellten Menschen sympathischer finde, da sie oft toleranter, weltoffener und gebildeter sind. Studien zeigen tatsächlich, daß Atheisten einen höheren IQ als Religiöse haben, daß sie insbesondere mehr über Religion wissen. Die Hochburg des Atheismus ist traditionell der Akademikerstand.)

Im Gegensatz zu Religiösen, deren Weltanschauung ein starkes „wir sind besser als ihr!“ prägt, die sich selbst also automatisch eine höhere Ethik zugestehen, so daß sie auch in allen Umfragen stärker Kriegen und Folter zustimmen (da „der Feind“ als minderwertig angesehen wird, während man selbst in „Höherem Auftrag“ handelt), würde ich niemals gegen den einzelnen Gläubigen vorgehen.
Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.

Der „Kampf“ gegen „die Religionen“ in Deutschland hat für mich das Ziel frei von Religion zu sein.
Politik muß religionsfreie Zone sein. 
Ich möchte nicht unter Gesetzen leben, die von Religiösen in sogenannten “Ethikräten“ souffliert wurden.

Privat kann jeder tun was er will, aber die Bischöfe sollen nicht bei Regelungen über PID, Transplantationen, Patientenverfügungen, Sterbehilfe und Homoehe mitreden, indem sie sich auf eine archaische Schrift von vor 2000 Jahren stützen, die Sklaverei und Frauenunterdrückung predigt!

Darüber hinaus hätte ich den Wunsch, daß diejenigen, die öffentlich über Religion sprechen klar verortet sein sollten.

Selbstverständlich unterstütze ich das Recht auf freie Meinungsäußerung. 
Religiöse sollen so viel öffentlich reden dürfen, wie sie wollen.

Ich hätte nur gerne die U-Boote enttarnt. 

Es wäre sehr fortschrittlich, wenn diejenigen Journalisten, die in den angeblich neutralen und unabhängigen Medien über Religion berichten, selbst klar als religiöse Menschen auftreten.

Da hapert es leider gewaltig. 

Insbesondere in den beiden angeblich so hochqualitativen und eher liberalen Holzbrinck-Blättern „ZEIT“ und „Tagesspiegel“ erscheinen regelmäßig Artikel, die als neutrale Beschreibung daher kommen, aber in Wahrheit massive Religionspropaganda betreiben, indem sie unwahre und proreligiöse Behauptungen aufstellen und die Fakten manipulieren.

Besonders unangenehm fällt in diesem Zusammenhang immer wieder die Tagesspiegel-Religionsbeauftragte Claudia Keller auf, die den blödsinnigsten Kirchen-Propagandamärchen aufsitzt und ganz offensichtlich nicht mal über rudimentäre Informationen zum Verhältnis Kirche-Staat verfügt.

Immer wieder bejubelt sie Kirchenmänner und stellt dies aber eben nicht als ihre persönliche Meinung dar, sondern verquickt ihre Ansichten in eine grob faktenwidrige Darstellung, die als neutrale Berichterstattung daherkommt.

Im Februar 2012 fabulierte Keller davon, daß gerade ein Protestanten-Prediger wie Gauck über das moralische Rüstzeug zum Bundespräsidenten verfüge, während ein Atheist zu beschränkt für den Job sei.

 Einen Konfessionslosen gab es noch nie in diesem Amt. Das ist kein Zufall. Der Bundespräsident sollte jemand sein, der über den Tag hinausdenkt und gesellschaftliche Zusammenhänge vor einem Horizont zu deuten vermag, der den Alltag übersteigt.  Wer an Gott glaubt, hat einen solchen Horizont. Er weiß, dass es eine Alternative gibt, dass das Naheliegende nicht immer das Beste ist.

Zuletzt beklagte ich Claudia Kellers kümmerliches journalistisches Niveau im Juni 2012, als sie ausgerechnet einen Kirchenjuristen als angeblich neutralen Experten für die Penisschneiderei an Kleinkindern heranzog - natürlich ohne dazu zu schreiben, daß es sich um einen Mann der Kirche handelte. 
Keller tat so als ob es ein Jurist wäre, der die gängige juristische Meinung widergäbe - was grob falsch ist.

Heute ist Keller wieder am Zug und überschüttet den konservativen Opus Dei-Kardinal Woelki mit Lob.

Das anfängliche Misstrauen, mit dem Woelki in Berlin empfangen wurde, hat er zerstreut. Seine rheinisch-selbstironische Art hat viel dazu beigetragen. Außerdem wirken seine tiefe Frömmigkeit und das, was er sagt und tut, authentisch und wahrhaftig. Das kommt an.

Der „liberale“ Tagesspiegel klingt verblüffend nach „Domradio“, dem Privat-Medium des ultrakonservativen Nazivergleich-Liebhabers Kardinal Meisner:

Als Kölner Weihbischof war Woelki zuvor bundesweit so gut wie unbekannt. Aussagen zu politischen Streitfragen gab es nicht in den Archiven. So nahmen Kritiker vor allem sein Promotionsstudium an der römischen Opus-Dei-Universität und Äußerungen zur Homosexualität aufs Korn. Vor allem Sozialdemokraten und Grüne sprachen ihm die Eignung als Bischof einer pluralen Metropole ab.
Nun sind die Kritiker weitgehend verstummt. Als Nachfolger von Kardinal Georg Sterzinsky hat Woelki seinen eigenen Weg gefunden. Schon bei der ersten großen Begegnung mit den Medien parierte er die Attacken mit Bravour.

Keller befragt sogar Woelki nach dem Opus Dei, gibt sich aber mit seiner Antwort, er sei nicht Mitglied zufrieden. 
Welch brutales Regime mit körperlichen Züchtigungen, Bußgürteln und Selbstgeißelungen beim „Werk Gottes“ herrscht, weiß die Religionsfrau des TS offenbar gar nicht:

Keller: Gleich nach Ihrer Ernennung wurde bekannt, dass Sie Ihre Doktorarbeit an der Opus-Dei-Universität in Rom geschrieben haben.
Das hat viele beunruhigt. Warum ausgerechnet dort?

Woelki: In Köln haben wir ein entspanntes Verhältnis zum Opus Dei. Kardinal Joseph Höffner hat in den 80er Jahren Opus-Priester nach Köln geholt, Kardinal Joachim Meisner schickt öfter Studenten an ihre Universität nach Rom. Ich kannte Studenten und Professoren dort, wir haben über mein Thema gesprochen, das fanden sie interessant.

Keller: Opus Dei gehört zum erzkonservativen, papsttreuen Flügel der Kirche. Dort zu studieren, ist auch eine Aussage, oder?

Woelki: Papsttreu zu sein, ist nicht verwerflich. Die Mythen und Vorurteile, die sich um das Opus Dei ranken, kann ich nicht entkräften. Ich bin nicht Mitglied, das ist nicht meine Spiritualität.

 Ganz so einfach ist es aber nicht!

Die Spurensuche führt von Köln über rheinische Gemeinden nach Rom. "Der neue Erzbischof von Berlin beginnt sein Amt mit einer Lüge", sagt David Berger, ein Kölner Theologe und Enfant terrible der konservativen Katholiken, seit er sich im vergangenen Jahr als schwul geoutet und ein kenntnisreiches Buch über rechtskatholische Kreise geschrieben hat.
Berger war 2008 bei einem Festakt in der Kölner Opus-Dei-Gemeinde St. Pantaleon dabei, als Woelki in einer Predigt dem Gründer des "Werkes Gottes" Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás huldigte. "Beim Opus Dei wird als Redner nur eingeladen, wer entweder Mitglied oder dem Werk verbunden ist", sagt Berger. Auch reiche man seine Dissertation "nicht einfach so" bei der Opus-Dei-Universität Santa Croce in Rom ein, so Berger: "Dort bekommt man keinen Fuß auf den Boden, wenn man nicht sehr d'accord ist", sagt er.

Daß Woelki sich sogar einmal mit echten Schwulen vom LSV traf überwältigt Claudia Keller regelrecht.

Sofort jubilierte sie, der Kardinal zeige „Verständnis für die Sünder“; Woelki schlage „neue Wege“ ein! Kellers Kronzeuge für die kühne These ist natürlich mal wieder ein Kirchenmann.

„Ich bin begeistert“, kommentiert Wolfgang Klose Woelkis Vorstöße. Klose ist der Vorsitzende des Berliner Diözesanrates, der Vertretung der Berliner Katholiken. „Der Kardinal zeigt ein hohes Maß an Empathie für die Situation von Homosexuellen und Wiederverheirateten, die es in unserer Kirche ja nicht ganz einfach haben.“ Woelki denke positiv und wolle das Gute in den Menschen sehen.
„In dieser Haltung des wechselseitigen Wohlwollens können wir die Probleme und den Reformstau in unserer Kirche angehen. Mir scheint, mit Kardinal Woelki könnte noch Bewegung in so manche festgefahrene Frage kommen“, sagt Klose.

Woelki, der Homofreund?

Einen Monat später schreibt Keller in ihrer Lobeshymne über ihren Kardinal:

Öffentlichkeitswirksame Auftritte mit dem bekennend schwul lebenden Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit meidet er jetzt allerdings.
(Claudia Keller 27.08.12)

Bloß Abstand halten von den „Homoperversen“ - das ist schon länger die Linie Woelkis.


Dem Katholiken Georg Schwikart aus Sankt Augustin verweigerte das Erzbistum kürzlich die Weihe als Diakon.    Meisner hatte Anstoß an einem acht Jahre alten Aufklärungsbuch von Schwikart genommen, in dem es heißt: "Es gibt auch Männer, die Männer lieben." Im Gespräch mit Meisners Weihbischof Rainer Woelki verteidigte Schwikart sich, Homosexualität gebe es nun einmal. Antwort von Meisners Weihbischof: "Das verstößt aber gegen die Schöpfungsordnung."

Noch heute lobt Meisners „Domradio“ die klare Haltung:

Auch mit Blick auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften zeigt Woelki sich ohne Berührungsängste. Von der Position, dass homosexuelle Handlungen "in sich nicht in Ordnung sind", rückt er nicht ab

Macht nichts in Berlin.

Wowereit muß man ja nicht treffen.

 Die Tagesspiegel-Frau hält sich mit ihrer Kardinals-Sympathie nicht zurück.

Schon als Woelki im Februar 2012 Kardinal wurde, lobte Claudia Keller die Bescheidenheit, Demut und Menschenliebe des Berliner Erzbischofs.

Daß Keller noch nicht einmal über die grundlegenden katholischen Angelegenheiten Bescheid weiß, zeigt schon ihre Überschrift „Papst Benedikt ernennt Woelki zum Kardinal“. 
Natürlich werden Kardinäle nicht „ernannt“ sondern „kreiert“. 

In richtigem Deutsch hieße es:
„Papst Benedikt ERHEBT Woelki zum Kardinal.“

„Christ und Welt“, die katholische Beilage des Holzbrinck-Partnerblattes „ZEIT“ mag Keller den Weg vorgegeben haben. 

Schon zur „100-Tage Bilanz“ des erzkonservativen Opus-Dei-Mannes wußte man nur Gutes zu berichten.

Der Anfang wurde einfach. „Die Gläubigen und die Verantwortlichen in der Diözese haben es mir leicht gemacht, hier anzukommen“, sagt Woelki. „Alle sind mit offenen Armen auf mich zugekommen und haben mir bei meinen ersten Schritten sehr geholfen.“ Zum Anfang gehörte auch Woelkis Auftritt bei der Amtseinführung. Der neue Erzbischof wirkte fromm und offen, theologisch firm und sozial orientiert, etwas sperrig, aber auch jovial. Seltene Mischung? Eine Stadt, in der es fast alles gibt, mag das Seltene. Und Woelki mag Berlin, die religiöse Vielfalt, das ethnische Patchwork, das Kulturleben. Zweimal schon hat er es ins Museum geschafft. Arbeit frisst Zeit.