Freitag, 28. Oktober 2022

Klare Ansage – Teil III

Anders als in den lästigen Demokratien, in denen man wählen und Kompromisse finden muss, mit deren Regierung man hadert und deren Abgabenpolitik man moniert, gibt es glücklicherweise auch absolutistische Staatsformen, in denen nicht umständlich die Gewalten geteilt und Minderheiten berücksichtigt werden. Da hat nur der Mann an der Spitze das Sagen. Das ist auch in sich logisch, da er unfehlbar ist. Und zwar garantiert ein Mann! Die Schwanzlosen müssen draußen bleiben.

Willkommen im Vatikanstaat, dem sich 24 Millionen Deutsche freiwillig unterwerfen und neun Prozent ihres Einkommens als Mitgliedsbeitrag jeden Monat abdrücken.

Niemand eruiert, ob Franziskus eigentlich berechtigt ist, irgendetwas zu entscheiden. Der Papst kann alles, darf alles und weiß alles!

So muss es sein, denn vor 152 Jahren erfand der radikal antisemitische Rekordpapst Pio Nono das Dogma der Unfehlbarkeit.

[….] Zehn Jahre später erliess er den «Syllabus errorum», eine Liste mit der Verurteilung von achtzig Irrtümern der modernen Zeit. Der letzte Papst-König auf dem Stuhl Petri, von seinen glühenden Verehrern Vizegott genannt, sowohl launenhaft, unberechenbar und theologisch unbedarft wie auch fromm, selbstlos und charmant, trieb die Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit forsch voran. [….] [….]  535 Kardinäle und Bischöfe stimmten dem Dogma zu. Nur zwei votierten dagegen. [….]

(NZZ, Josef Hochstrasser, 16.07.2020)

Und so verdanken wir den Stellvertretern Gottes auf Erden, den Vize-Allmächtigen und Allwissenden, sehr wichtige Erkenntnisse. Daß die Erde eine Scheibe ist. Und falls sie doch eine Kugel sein sollte, ist das Universum geozentrisch. Die Erdkugel, vor 6.000 Jahren von Gott persönlich in sieben Tagen geschaffen, ruht im Mittelpunkt des Alls, während die Sonne drumherum kreist.

"Wenn du eine Frau siehst, denke, es sei der Teufel! Sie ist eine Art Hölle!"
(Papst Pius II., 1405-1464)

"Es ist die Pflicht eines jeden Katholiken, Ketzer zu verfolgen."
(Papst Gregor IX., 1170-1241, organisierte die Inquisition)

Der Christenheit zur Schmach verleihst du öffentliche Ämter an Juden . . . Der Herr wird dich zermalmen!
(Papst Innozenz III. an den Grafen von Toulouse)

Der Jude ist wie ein Feuer im Busen, wie eine Maus im Sack, wie eine Schlange am Hals.
(Papst Innozenz III.)

'Ich liebe Deutschland jetzt noch mehr.'

(Papst Pius XII, nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch deutsche Einheiten)

Ich wünsche dem Führer nichts sehnlicher als einen Sieg.

(Papst Pius XII.)

Wir haben Deutschland, wo Wir Jahre Unseres Lebens verbringen durften, immer geliebt, und Wir lieben es jetzt noch viel mehr. Wir freuen uns der Größe, des Aufschwungs und des Wohlstandes Deutschlands, und es wäre falsch zu behaupten, daß Wir nicht ein blühendes, großes und starkes Deutschland wollen.
(Papst Pius XII. am 25.4.1939)   

Bestimmte sexuelle Verhaltensweisen können Krebs hervorrufen.

(Papst Johannes Paul II vor Gynäkologen, 1999 (sic!!))

Wer sich der Masturbation schuldig macht, darf nicht in den Klerus aufgenommen werden oder muß, wenn er bereits ein Kleriker ist, in den Stand der Laien zurückversetzt werden.

(Papst Leo IX)

Darf eine Frau, wenn sie weiß, daß ihr Mann sein Glied mit einer »englischen Kapuze« umgibt, sich für den Koitus zur Verfügung stellen? - Nein, sie würde an einem abscheulichen Verbrechen mitschuldig sein und eine Todsünde begehen.

(Der Papst und Kardinalskollegium, Mitte des 19. Jahrhunderts)

Was nicht der Wahrheit oder Sittennorm entspricht, hat kein Recht auf Existenz.

(Papst Pius XII, 1954)

Päpste sind als Vizegötter glücklicherweise auch qualifiziert, alles zu be- und verurteilen.

Insbesondere über Sex und Frauen wissen sie alles. All ihre Hirten recherchieren eifrig zum Thema.

[….] Haft für Priester wegen Kinderpornografie

Wegen des Besitzes von mehr als 6.000 kinderpornografischen Bildern hat das Amtsgericht Osnabrück einen früheren katholischen Pfarrer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.  Der 58 Jahre alte Geistliche muss außerdem in monatlichen Raten insgesamt 10.000 Euro an den Kinderschutzbund Osnabrück zahlen, sich von einer Männerberatungsstelle betreuen lassen sowie seine ambulante Psychotherapie fortsetzen. Das am Mittwoch gesprochene Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bei dem früheren Pfarrer einer Osnabrücker Kirchengemeinde waren im vergangenen November die Dateien mit Abbildungen von sexuellem Missbrauch an Kindern auf diversen Geräten gefunden worden. Der Angeklagte habe seine Tat bedauert, sagte die Richterin. Ein Grund, sich die Bilder aus dem Internet herunterzuladen, sei berufliche Überforderung gewesen. [….]

(ORF, 26.10.2022)

 Und auch die Bischöfe erforschen die Sexualmoral in der Praxis.

[….] In Frankreich tritt ein Bischof zurück. Was ist erschütternder: Dass er junge Männer in der Beichte zum Striptease vor dem Tabernakel angestiftet hat oder die Lügen, die der Vatikan und die anderen Bischöfe über die Sache verbreiten?  Die Reputation der katholischen Kirche hat über den Enthüllungen über sexualisierte Gewalt in den vergangenen Jahren offenkundig noch nicht genügend Schaden genommen. Andernfalls hätte der Vatikan im Verein mit der Französischen Bischofskonferenz es wohl kaum gewagt, 2019 die Öffentlichkeit über die Hintergründe des Amtsverzichts eines Bischofs namens Santier nicht nur im Unklaren zu lassen, sondern mit Vorsatz zu täuschen.  Dass die Wirklichkeit – es geht um Striptease-Beichten – die Phantasie wieder einmal in den Schatten stellt, ist noch am wenigsten der Rede wert. Viel erschütternder ist die Erkenntnis, dass sich im Umgang mit Missbrauchstätern in Soutane unter Papst Franziskus nichts, aber auch gar nichts geändert hat. Es wird verschleiert, vertuscht und gelogen, als gäbe es kein Morgen. Dasselbe gilt für den Umgang mit anderen Formen des Machtmissbrauchs. Die Kluft zwischen dem, was etwa die beiden päpstlichen Gesandten im vergangenen Jahr über Leben und Wirken des Kölner Kardinals Woelki erfahren haben, und dem, was der Papst und sein Kardinalstaatssekretär Piero Parolin mit diesem Wissen machen, wird mit jedem Tag größer, an dem sie ihn gewähren lassen.  [….]

(FAZ, 24.10.2022)

Pornographie-Experte Jorge Bergoglio klärt daher auf. Schluss mit der Masturbation vorm Bildschirm. Denn das schwäche Geist und das Herz! Außerdem käme so Satan zu uns!

[…]  Papst Franziskus hat angehende und junge Priester vor Pornografie im Internet gewarnt. „Es ist ein Laster, das so viele Menschen haben, so viele Laien, aber auch Priester und Nonnen. Der Teufel kommt von dort. Das sagte der Papst im Gespräch mit in Rom studierenden Seminaristen und Priestern am Montag, wie der Vatikan am Mittwoch bekannt gab. Dabei spreche er nicht nur von krimineller Pornografie, etwa Kindesmissbrauch; er meine die „einigermaßen ‚normale‘ Pornografie“, stellte Franziskus klar.  „Das reine Herz, welches jeden Tag Jesus empfängt, kann diese pornografischen Informationen nicht empfangen“, es schwäche das Herz.  [….]

(ORF, 27.10.2022)

Donnerstag, 27. Oktober 2022

Klare Ansage Teil II

Der deutsche Michl sehnt sich nach Bundeskanzlern mit Autorität. Nach Führung. Nach klaren Ansagen. Ärgert sich über innerparteilichen Streit, über Diskussionen in der Regierung, unterschiedliche MeinungenHickhack, Hin und Her. Es soll endlich einer durchgreifen.

Außer natürlich, es greift tatsächlich einer durch. Wie Olaf Scholz beim AKW Lingen und dem Cosco-Einstieg beim Terminal Tollerort. Dann sind alle empört und listen auf, wie viele dagegen waren, eine andere Meinung kundtaten. Wieso kann er das eigentlich allein entscheiden, empören sich die Kolumnisten.

Die demokratische Balance aus Parteiprogramm, Koalition, Kompromiss, Parlament und Regierung wird allgemein nicht mehr verstanden.

Daher sind Autokratien auf dem Vormarsch. Diktatorische Typen, die sich nicht um die Zukunft scheren, haben es so viel einfacher. Sie müssen nicht um Vernunft werben, komplizierte Kompromisse erklären, schwere Notwendigkeiten ankündigen.

Sie versprechen einfach irgendwas, das gerade gut ankommt, scheren sich dabei aber nicht um die Umsetzung oder den Wahrheitsgehalt, weil sie ohnehin fast immer lügen.  Die Masse wählt gern Berlusconi, Meloni, Johnson und Trump, weil sie nicht mehr konstruktiv eingefangen, sondern destruktiv aufgehetzt werden. Das ist für den populistischen politischen Anbieter sehr viel ökonomischer. Andere gemeinsam zu hassen, ist so viel einfacher, als sich mit der lästigen Realität auseinander zu setzen und Lösungen zu erarbeiten.

Die US-Republikaner haben beste Chancen am 08.11.2022 die Mehrheit im House zu bekommen, indem sie einfach geschlossen jeden von den Demokraten eingebrachten Vorschlag ablehnen und beim Wahlkampf abendfüllend schimpfen, wie scheiße alle Gesetze der Demokraten sind.

Der US-amerikanische Verkehrsminister Buttigieg erlebt, wie jeder einzelne republikanische Abgeordnete vehement sein Infrastrukturgesetz ablehnte, keinen einzigen Gegenvorschlag machte, aber anschließend in seinem Wahlkreis rumprotzte, er/sie hätte das Geld organsiert.

[….] He says it's "frustrating" to see congressional Republicans take stances that seem more about a problem than a solution.

"Can anybody name the top five things that they've suggested to fight inflation? Can anyone name three? How about one?" Buttigieg asked. He highlighted that Republicans voted no on the Inflation Reduction Act and provided no solutions to curb the problem.

"I would have loved nothing more than to have a debate between the Democratic Inflation Reduction Act and the Republican Inflation Reduction Act on the [floor of the House and Senate] and argued over which one was better. But there was only one, and it was ours. And, luckily, it passed."  […]

(Christopher Wiggins, 25.10.2022)

Harte Sacharbeit wird einem in den USA nicht gedankt, sondern die vollkommen fanatischen Kult-Jünger der Trumpsekte, hieven die gefährlichsten Antiamerikaner in die Ämter.

Die „Linken“, die konkrete Vorschläge machen, werden dafür kritisiert, die Ampelminister für alles zerrissen, was nicht perfekt läuft. Die Merz-CDU, die rein gar keine Alternativen anbietet, immer nur „NEIN“ schreit, steht in Umfragen deutlich besser da, als die SPD. Auch in Deutschland siegt Destruktion über Konstruktion.

An dieser Stelle oute ich mich als SPD-Parteigänger, gebe zu, Sozialdemokraten grundsätzlich mehr zu mögen, als Christdemokraten.

Daher beschäftige ich mich seit einigen Tagen mit der Frage, ob mir irgendetwas einfällt, das in den letzten fünf Jahren von FDP, AfD, CDU oder CDU gefordert, oder gar umgesetzt wurde, das nicht total idiotisch ist.

Mir ist aber nichts eingefallen; so sehr ich mir auch den Kopf zerbreche.

Sicher, in der Ampel gibt es mit der FDP gesellschaftspolitische Gemeinsamkeiten. Aber bei Antidiskriminierungsregelungen, der Cannabis-Legalisierung oder dem veränderten Volksverhetzungsgesetz, mal ganz abgesehen von einheitlichen Coronaregelungen, versagt FDP-Justizminister Buschmann auf ganzer Linie. Er ist einfach unfähig und schafft selbst diese innerhalb der Ampel unstrittigen Dinge nicht umzusetzen. Nun muss Karl Lauterbach einspringen.

Wenn ich sehr wohlwollend auf die FDP blicke und angestrengt überlege, welchen positiven Einfluss sie auf die Regierungspolitik haben KÖNNTE, fallen mir zwei Themen ein:

Sie sind doch so für „Entfesselung“ der Wirtschaft. Wir werden von irrwitziger Bürokratie gelähmt, Genehmigungen dauern viel zu lange, sind zu kompliziert. Dafür hätte sie auch die richtigen Ministerien. Lindner und Buschmann könnten doch entbürokratisieren und mal deutliche Verschlankungen vorschlagen. Sie könnte sich mit ihrer Bildungsministerin dafür einsetzen, das Zuständigkeitswirrwarr bei Schulen und Unis zu vereinfachen. Aber sie tun NICHTS.

Der zweite Aspekt ist die Mittelstandsförderung. Auch als Sozi bin ich dringend dafür, kleinen und mittleren Unternehmern zu helfen. 200 Milliarden Doppelwumms haut Olaf Scholz dafür raus. Da hätte doch die FDP im Kabinett wunderbar etwas hineinverhandeln können, das kleinen Betrieben hilft. Aber auch hier: Totalausfall.

Die FDP beschränkt sich wie ihre geistigen Brüder bei CDUAfDCSU darauf zu verhindern. NJET zu Bürgerversicherung. NJET zum Tempolimit. NJET zu Steuerreformen. NJET zur Vermögenssteuer.

Sie wollen nur die anderen kritisieren und ihre reichen Spender beschützen. Genau wie die Tories. Genau wie die US-Republikaner.

[….]  Kontakte mit Porsche

Wissing-Ministerium will Lobbyisten vor Transparenz bewahren.

Welche Gespräche führte der Autobauer Porsche mit dem Bundesverkehrsministerium? Das Haus von Volker Wissing will Kalendereinträge und andere Dokumente geheim halten – mit einer eigentümlichen Begründung: Bei Bekanntwerden der Kontakte könnten Lobbyakteure in Zukunft abgeschreckt werden. [….]

(Abgeordnetenwatch, 21.10.2022)

Mittwoch, 26. Oktober 2022

Ampel-Bashing

Als Meckerpott von der Seitenlinie, ist es leicht, den handelnden Politikern zuzurufen, was sie alles falsch machen und was man nicht will.

Frackinggas aus den USA kaufen? Will ich nicht.

Waffenkomponenten an das Scharia-Regime in Riad schicken? Will ich nicht.

Bei antihumanistischen Golfmonarchen um Erdgas betteln? Will ich nicht.

Einen kleinen Anteil von Hamburgs kleinsten Terminal an eine Chinesische Reederei verkaufen? Will ich nicht.

100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgeben? Will ich nicht.

Explodierende Heizkosten, weil weit weg ein fernes Land ein anderes fernes Land bekriegt? Will ich nicht.

Ewig im Stau stehen, weil überall Baustellen sind, wenn Abwassersiele saniert werden? Will ich nicht.

Mehr Kohlekraftwerke, mit viel mehr CO2-Emissionen? Will ich nicht.

Acht Windräder zerstören, damit man in Garzweiler mehr Braunkohle fördern kann? Will ich nicht.

Nie war es so einfach, Parteien den Stinkefinger hinzuhalten.

Nie gab es mehr Häme beim erhobenen „ihr habt aber früher etwas ganz anderes versprochen“-Zeigefinger!

Das ist etwas ermüdend. Natürlich waren die Wahlprogramme von 2021 nicht an eine Kriegswirtschaft angepasst. Es gibt nicht genügend Kristallkugeln, um jede Eventualität zu planen.

Ich behaupte, die Wähler hätten es niemals goutiert, wenn Grüne oder FDP vor fünf Jahren jeden Tag über die vage Möglichkeit einer Pandemie, eines Lockdowns, einem plötzlichen Ende der russischen Gaslieferungen oder die Sabotageanfälligkeit der kritischen Infrastruktur geredet hätten. Man wäre empört über die theoretischen Diskussionen gewesen, hätte sich beklagt, weil die Parteien sich nicht mit den aktuellen Problemen beschäftigen. Ich könnte mich abendfüllend darüber echauffieren, daß es ausgerechnet eine GRÜNE Landesregierung ist, die das Dorf Lützerat wegbaggern lässt und dafür Windkraftanlagen einreißt.

Aber man muss schon so ehrlich sein, daß die letzte Bundesregierung mit grünen Ministern 1998-2005 massiv den Ausbau der erneuerbaren Energien förderte und wir heute längst unabhängig von russischem Gas wären, wenn die verblödeten Wähler das nicht 2005 gestoppt hätten und 16 Jahre kontinuierlich die CDU ins Kanzleramt geschickt hätten, die systematisch wieder auf fossile Brennstoffe umsteuerte und die Windkraft sabotierte. Die Grünen waren es nicht, die 16 Jahre im Kanzleramt saßen, sich bei Foto-Ops mit Putin die Klinke in die Hand gaben, den Stromtrassenausbau blockierten, die Solaranlagenförderung strichen.

Ja natürlich sitzen SPD und Grünen jetzt in einer extrem unkomfortablen Situation, in der es nur noch miese und sehr miese Lösungen gibt. Und selbst die sind oft nicht durchsetzbar, weil die Wähler 2021 FDP und AFD so stark machten, daß es keine linke Regierung geben kann. SPD und Grüne würden nicht nur sehr gern eine gerechtere Bürgerversicherung einführen, Vermögenssteuern erheben, den Spitzensteuersatz später und höher greifen lassen, die Mietpreisbremse drastisch verschärfen, ein Tempolimit durchsetzen, sondern haben dafür auch intensiv geworben. Der Wähler hat dem einen Riegel vorgeschoben. Ja, es geht verdammt ungerecht zu in Deutschland, Privatpatienten werden bevorzugt und die Mieten steigen rasant. Das hätte man alles 2021 abstellen können, aber der Urnenpöbel sagte NEIN und wollte lieber die FDP dabei haben, die das alles verhindert.

Das ist nicht die Schuld von Scholz, Baerbock, Klingbeil und Habeck.

Der Bundeskanzler sitzt doch nicht morgens im Kanzleramt und überlegt sich, wie er Deutschland schaden kann und möglichst viele Wähler ärgert. Bis ihm einfällt, AU JA, ich verkaufe den größten deutschen Hafen an die bösen Chinesen!

An dieser heute so viel getwitterten Darstellung so ziemlich alles falsch. Die Fakten sehen anders aus. Offenbar wägt hier einer die negativen Auswirkungen einer erteilten und einer verweigerten Genehmigung ab. Wir müssen keine Abhängigkeit von China befürchten, weil diese schon längst besteht.  Ohne Russland wird es verdammt schwer für die extrem globalisierte exportorientierte deutsche Wirtschaft. Ohne China hingegen, steht hier alles still. Einen zürnenden Xi können wir uns nicht leisten im Jahr 2022. Das Kind ist im Brunnen.

Ein kleines Wort an diejenigen in der Presse, die nun von ganz oben herab beurteilen, wie falsch Scholz angeblich liegt: Scholz verkauft nicht den Hafen. Es geht nicht um den Hafen und nicht um kritische Infrastruktur. Es geht um kein Bundeseigentum oder gar Scholz-Privatbesitz. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und ihre Chefin Angela Titzrath wollten den Deal und schlossen ihn vor über einem Jahr im September 2021 ab. Ein Geschäft zwischen zwei privaten Firmen, gegen das allerdings ein Veto des Bundeskabinetts eingelegt werden könnte. Die Scholz-Regierung kam erst drei Monate später, am 08.12.2021 ins Amt. Die zuständigen Minister Scheuer (CSU) und Altmaier (CDU), sowie die Kanzlerin Merkel (CDU) hatten keine Einwände. Und volle 13 Monate kümmerte sich kein einziger Journalist und Twitter-Terrorist, die jetzt so unheimlich genau Bescheid wissen, um das Thema. Niemand schrieb über kritische Hafen-Infrastruktur, bemängelte irgendetwas daran, daß HHLA und Cosco seit 30 Jahren eng in Hamburg zusammenarbeiten. Alle schliefen gemütlich und interessierten sich nicht die Bohne für ein Thema, das nun innerhalb von Stunden die Medien beherrscht und als Scholz-Generalbashing verwendet wird.

Es wäre ganz erfrischend von den jetzt so lauten Scholz-Kritikern zu hören, daß sie sich im Gegensatz zu ihm, die letzten Jahre keine Sekunde um die Eigentümerstruktur des Betreibers des kleinsten Hamburger Containerterminals Tollerort kümmerten. Es war all den Kommentatoren und Eiferern bestenfalls egal. Eher zu vermuten ist allerdings, daß niemand etwas darüber wußte.

Hinterher ist man immer klüger.

Dienstag, 25. Oktober 2022

Hamburger Verhältnisse.

Die deutschen Bundestagsparteien geben auf Landesebene ein sehr heterogenes Bild ab. Die BW-Grünen sind nicht wie die Berliner Grünen. Die bayerische FDP kann man als notfalls regierungsfähig betrachten. Die Saar-FDP hingegen ist eine intrigante Versammlung korrupter Spinner. Die SPD in Niedersachsen ist eine echte Macht, während sie nebenan in Sachsen-Anhalt irrelevant dahin vegetiert.

In Hamburg präsentieren sich die Landesparteien besonders übersichtlich. Seit 2011 fährt die bärenstarke SPD Ergebnisse ein, für die man im Osten vier Bundesländer benötigt. (Ausnahme MeckPomm). Hamburg hat das mit Abstand höchste ProKopf-Einkommen aller Bundesländer, kam Dank der weisen Führung des habilitierten Medizinier-Bürgermeisters Tschentscher besser als alle anderen durch die Pandemie.

[….] Wie Hamburg seine Schulen besser durch die Pandemie gelotst hat.  Die Hansestadt hat einen guten Überblick, welche Schülerinnen und Schüler durch die Coronapandemie in Rückstand geraten sind. Welche Rolle Vorschulklassen, Daten und die Vergleichbarkeit von Lehrtätigkeit bei der Aufholjagd spielen. [….]

(SPIEGEL 42/2022, 14.10.2022) 

Da die Hamburger SPD besonders gut ist, erscheint der Kontrast zur abenteuerlich schlechten Christoph-Ploß-CDU eklatant. Der Hamburger CDU-Landesverband agiert ungeniert rechtspopulistisch.

Auch die Hamburger FDP blinkt AfD-freundlich, stimmte meistens zusammen mit den Braunen ab und landete daher bei den letzten Landtagswahlen am 23.02.2020 bei 4,9%.

Zusammen mit Baden-Württemberg und dem Saarland, stellt Hamburg auch eine außerordentlich rechte Grüne Landespartei. In Saarbrücken kommt das gar nicht gut an: Die Grünen flogen am 27.03.2022 mit 4,995% aus dem Landtag, während die SPD die absolute Mehrheit einfuhr. Das umgekehrte Bild südöstlich in Stuttgart. Dort wurde Winfried Kretschmann schon dreimal zum Ministerpräsidenten gewählt. Kein grüner Landesverband ist so erfolgreich. Eine Mischvariante trifft man an der Elbe. 2019 wurden die Grünen bei der Kommunalwahl stärkste Partei. Sie fahren fast so gute Ergebnisse wie in BW ein, agieren aber unprofessionell und chaotisch wie im Saarland.

Sie sehnen sich zurück in eine Koalition mit der CDU, wie es sie bis 2010 gab und wie sie auch die schwäbischen Grünen trotz linker Mehrheit im Parlament bevorzugen. Allerdings stellen sie sich bei ihren Versuchen selten dümmlich an. Gegen die grüne Justizsenatorin wird ermittelt, weil ihr Mann, der ehemalige Grüne Fraktionschef in Hamburg-Mitte, dreist in die Kasse griff und sie zudem versuchte, Grüne Abgeordnete in Hamburg-Mitte zu erpressen. Die Grüne Totalausfällin des Senats blamiert die Partei seither kontinuierlich immer wieder. Ein halbes Dutzend grüne Abgeordnete in Hamburg-Mitte konnten es nicht mehr ertragen und traten aus Protest zur SPD über. Mehrheit futsch. Die Grüne Mehrheit in Hamburg-Eimsbüttel versuchte immer wieder gemeinsam mit der CDU den SPD-Bezirkschef zu stürzen, agierte dabei aber derartig dilettantisch, daß sie jedes Mal scheiterte, weil einige Grüne über so viel Anstand verfügten, sich der eigenen Parteiführung zu widersetzen. Der Sozi ist dreieinhalb Jahre nach der Kommunalwahl, die eine deutliche Grüne Mehrheit erbrachte, immer noch im Amt, weil die Eimsbüttler Grünen völlig unfähig sind.

Im Bezirk Hamburg-Wandsbek (mit 440.000 Einwohnern allein größer als Bochum oder Wuppertal) vollzieht sich gerade ein drittes Mal das bekannte Grüne Desaster. Nachdem mehrere Grüne Abgeordnete entnervt von dem Chaos ihrer eigenen Partei ihr Mandat abgaben, wollten die Nachrücker erst gar nicht Mitglied der Grünen Fraktion werden. Auch in Wandsbek ist die Mehrheit nun futsch. Die SPD verhandelt mit CDU, FDP und Linken über die Bildung einer neuen Bezirks-Koalition. Die Grünen sind nicht regierungsfähig.

Allerdings sind neben CDU, FDP und Grünen auch die Linken in Hamburg unwählbar.

(….)  Wie überall, befinden sich auch die Hamburger LINKEN in Lyse. Ein Jammer. Unter Dora Heyenn war die Partei eine wirkliche Alternative, deren Beiträge man genau verfolgte und die man sich in die Regierung wünschte – wenn nicht ein ultrastarker Scholz 2011 die absolute Mehrheit geholt hätte.  Sie war von 2008 bis März 2015 Vorsitzende der Hamburger Linksfraktion. Leider setzte dann aber schon der Wahnsinn ihrer Partei ein, die Sektierer mobbten sie weg und Heyenn trat am 1. Januar 2018 der SPD-Fraktion bei.

Mittlerweile mutierten die Linken von der Alster zur Lachnummer. Bis vor wenigen Tagen waren Keyvan Taheri und Zaklin Nastic Landesparteivorsitzende, die ihren eigenen Vorstand mit Rassismusvorwürfen überzogen und den Streit in der Öffentlichkeit ausbreiteten. Am Wochenende wurden neue Vorsitzende gewählt. Das ging so:

[….] Die Linke steckt nicht nur bundesweit in einer tiefen Krise, sondern steht auch in Hamburg vor allem vor inneren Herausforderungen. [….] Sabine Ritter (54) [….] setzte sich gegen zwei Gegenkandidatinnen durch, von denen die eine für den negativen Höhepunkt des Wochenendes sorgte. Das umstrittene Parteimitglied Bijan Tavassoli hatte erklärt, kein Mann mehr zu sein, sondern eine Frau, und folglich für den weiblichen Landesvorsitzendenplatz kandidiert. Tavassoli war allerdings selbst gar nicht anwesend, laut eigener Aussage wegen einer Corona- und wahrscheinlichen Affenpocken-Infektion. Stattdessen trug ein Mann mit Kapuzenpullover und Maske die Bewerbungsrede stellvertretend vor und las einen abstrusen Text ab. Darin forderte Tavassoli unter anderem ein Verbot aller Bücher von „Harry Potter“-Schöpferin J. K. Rowling, die Legalisierung von Crystal Meth und beleidigte diverse Parteimitglieder. Nachdem das Tagungspräsidium erfolglos verbal intervenierte, kam es zu Handgreiflichkeiten, als der Tavassoli-Vertreter vom Rednerpult entfernt wurde. Für finales Kopfschütteln sorgte Tavassoli, als er später über eine Parteikollegin mitteilen ließ, dass die vorgetragene Rede gar nicht von ihm stamme. [….]

(HH Mopo, 12.09.2022)

Es passt ins Bild, Hamburg ist bei Weitem nicht der einzige Landesverband in Auflösung. Saarland, Rheinland-Pfalz, NRW und Hessen sind bereits kollabiert.  (….)

(Linker Exodus Teil II, 13.09.2022)

Zaklin Nastic, die einzige Hamburger Linken-Abgeordnete im Bundestag, präsentiert sich zu allem Unglück auch noch als querfrontlerische Wagenknecht-Schwurblerin, die ausdrücklich Sahra Sarrazins aktuellsten Unsinn, nach dem die Grünen die gefährlichste Partei des Bundestags wären – und nicht etwa die putineske AfD – unterstützt. Der neue Hamburger Landesvorstand der Linken sieht sich nicht in der Lage, die eigene Aluhütin zurecht zu weisen.

[…] Die Grünen seien „die heuchlerischste, abgehobenste, inkompetenteste und derzeit auch die gefährlichste Partei, die wir im Bundestag haben“, sagte Wagenknecht vor Kurzem in einem Video. […]. Nastic pflichtete ihr auf Twitter bei, nannte die AfD die „abscheulichste“ Partei im Parlament, die „gefährlichste“ wären aber die Grünen. […] Die Grünen würden den rechten AfDlern mit ihrer Politik einen „Nährboden“ bereiten. Eine These, die viele Linke so sicher nicht teilen. Doch es bleibt auffällig still, keiner der Fraktionsabgeordneten will sich zu dem heiklen Thema äußern. […] Um die Mittagszeit schreibt Hamburgs Linken-Landessprecher Thomas Iwan, dass Wagenknecht ihre Kritik bewusst so rechtsoffen formuliert habe, um dort anschlussfähig zu sein und die Gefahren der Faschisten in den Parlamenten verharmlose. „Das kann man machen. Aber wenn man den antifaschistischen Grundkonsens unserer Partei nicht mittragen möchte, dann ist man bei der Linken falsch“, so Iwan. […] Der Grünen-Verkehrssenator Anjes Tjarks kommentiert: „Nicht gerade harte Kritik für den Unfug“.  [….]

(Mopo, 25.10.2022)

Als einzige Entschuldigung sollte man vielleicht gelten lassen, daß die Selbstkastrierung der Linken kein Hamburger Spezifikum ist. Fast alle Landesverbände beginnen sich aufzulösen, weil sie die Nazi-Schwurbelfreundliche Bundesspitze entweder nicht mehr akzeptieren, oder aber im Gegenteil, wie Wagenknechts NRW-Heimatverband, von der Bundesspitze sogar mehr AfD-Nähe verlangen.

[….] Wegen des Dauerstreits in der Linkspartei hat ein Großteil des Landesvorstands in Nordrhein-Westfalen (NRW) seinen Rückzug angekündigt und schwere Vorwürfe gegen die Bundesspitze erhoben. Man werde bei der Vorstandswahl in einer Woche nicht mehr kandidieren, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von 13 Vorstandsmitgliedern. Insgesamt gehören dem Gremium 22 Mitglieder an.  [….]

(SPON, 22.10.22)

Montag, 24. Oktober 2022

Wieder eine ins Spinner-Lager abgedriftet.

Wenn Wolfgang Kubicki chauvinistisch-sexistischen Unsinn von sich gibt, wenn CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen gegen Juden hetzt, wenn Markus Söder wie gedruckt lügt, wenn Friedrich Merz seine sagenhafte ökonomische Unkenntnis zum Besten gibt, staune ich kurz über den konservativen Personal-Ausleseprozess. Wie schaffen es, so offensichtlich wenig intelligente und wenig integre Schießbudenfiguren in ihren Parteien ganz nach oben?

Aber im Post-Trump- und Post-Truss-Zeitalter wundere ich mich längst nicht mehr grundsätzlich.

Ich empfinde auch kein Bedauern über so viel Schäbigkeit der genannten vier Herren, weil sie nie besser waren. So, und nicht anders, kennt man sie. 

Die putinophile völkische Multi-Verschwörungstheoretikerin Sahra Sarrazin ist auch so ein Fall. Sie generiert laufend Schlagzeilen, wird aber jedes Mal nur noch unsympathischer. Seit ein paar Tagen geistern ihre antigrünen Hetztiraden durch Deutschland, aber ich nehme sie eher achselzuckend zur Kenntnis. Die einstige erzlinke Vertreterin der kommunistischen Plattform, begann bereits vor einer Dekade mit ihren beherzten Sprüngen in die braunen Güllegruben. Der penetrante AfD-Duft wurde längst zu ihrem Markenzeichen.

Man braucht schon ein Elefantengedächtnis, um sich an die Zeiten zu erinnern, als Wagenknecht eine konstruktive und kenntnisreiche Politikerin war.

Es ist ungewöhnlich, wenn meinungsmachende Figuren einen vollen öffentlichen Horst Mahler aufführen, also von ganz links nach ganz rechts marschieren.

Dafür sind aber einige Beispiele für diese Rechtsdrift sehr prominent. Henryk M. Broder, Arnulf Baring, Vera Lengsfeld, Angelika Barbe, Wolfgang Clement, Monika Maron, Cora Stephan, Boris Palmer, Oswald Metzger.

Besonders bedauerlich erschien mir das in seinen allerletzten Jahren offensichtlich Abdriften des von mir eigentlich hochgeschätzten Ralph Giordanos. Ein bißchen ähnlich bewegt sich Wolf Biermann, dessen Prosa-Texte mit politischen Analysen, die vor 35, 30 Jahren regemäßig im SPIEGEL erschienen, ich grenzenlos bewunderte, jedes Wort verschlang. Seit einigen Jahren bekundet er aber, Merkel zu wählen und wettert manisch gegen Links.

Auch wenn es jüngere Menschen kaum noch glauben: Sogar Thilo Sarrazin war 2002, als er Berliner Finanzsenator wurde, ein fähiger und eloquenter Mann, dem man gern zuhörte. Er gab wichtige Denkanstöße, rüttelte auf, wurde Talkshowstar. Er entwickelte eine zunehmende Lust an der Provokation, die ich anfangs wohlwollend akzeptierte. Den „Westberliner Schlampfaktor“ anzuprangern, war natürlich ebenso richtig, wie die Hinweise auf die exorbitanten Pensionslasten des Berliner Beamtenheeres.

Ab 2005, 2006 schoß er sich auf HartzIV-Empfänger ein, nahm später auch Migranten ins Visier. Bis 2009 wollte ich ihn nicht ganz fallenlassen, aber mit seinen Thesen im Lettre International vom September 2009  („Kopftuchmädchen“, „negative Auslese“) war der Bogen endgültig überspannt. Ich war fertig mit ihm, auch wenn ich mir damals nicht vorstellen konnte, wie viel weiter nach rechts der Mann in den nächsten 13 Jahren noch wandern würde.

Sehr lange sehr nachsichtig war ich mit Alice Schwarzer, weil sie so viele positive Eigenschaften hat. Sie ist gebildet, schlagfertig und verdammt mutig.

Für ihr großartiges Buch über Marion Gräfin Dönhoff wird sie bei mir immer einen Stein im Brett haben. Schwarzers radikalen Einsatz gegen Pornos und Prostitution fand ich immer absurd, war mir aber bewußt, als weißer Mann, der nicht seit 50 Jahren giftig für feministische Positionen beschossen wird, womöglich weniger qualifiziert zu urteilen.

2005 bekundete Schwarzer, sie werde Angela Merkel wählen, weil sie eine Frau ist.

Gegen RotGrün und für die CDUi, welche damals deutsche Soldaten an cder Seite der USA in den Irakkrieg schicken wolle, die  hart homophob agierte und den §218 verschärfen wollte, die gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt hatte? Nur weil Merkel zufällig keinen Penis hat?

Das erschien mir für eine linke, lesbische Intellektuelle doch eine erstaunlich idiotische Positionierung. Ab 2015 gab es islamophobe Töne von Alice Schwarzer; seit zwei Jahren kommen geradezu extremistische transfeindliche Attacken aus der EMMA-Redaktion. Schwarzer ist eine Hardcore-TERF und verließ als solche die Sphäre des Anstands. Nun gehört sich zur feministisch-religiotischen Querfront.

Wie fast alle bisher genannten Nach-Rechts-Gedrifteten, bleibt es bei Schwarzer nicht bei einer Spinnerei. Offenbar wurde die Emma-Gründerin mittlerweile von verschwörungstheoretischen Blasen verschluckt. So leid es mir um diese einst hochgeschätzte Frau tut: Ich kann sie nicht mehr ernst nehmen.

Heute kürt die EMMA ausgerechnet Sascha Lobo zum Sexisten des Jahres; verleiht ihm den Negativpreis mit der Stinkmorchel.

Stellvertretend für diese Berliner Blase und woke Möchtegern-Meinungsmeier, die im Namen des Feminismus „sexpositiven“ Neu­sprech predigen, ernennen wir darum hiermit Sascha Lobo zum Sexist Man Alive 2022! EMMA gratuliert.

(EMMA, 24.10.2022)

Man staunt, schließlich beschreibt sich Lobo (laut Emma) selbst wie folgt:

„Ich bin Feminist, und zwar intersektional, sexpositiv, sexarbeits- und transinklusiv. Feminismus heißt für mich, eine radikale Form der Gleichberechtigung für alle Geschlechter und Sexualitäten zu schaffen. Und andererseits gilt es, sich bewusst zu machen, wie wirkmächtig und gewalttätig das Patriarchat in der Gesellschaft wütet.“

(Sascha Lobo)

Und der Mann soll Deutschlands schlimmster Sexist sein?

Man ahnt es schon; die Worte „sexarbeits- und transinklusiv“ haben das gesamte Schwarzersche Triggerprogramm abspulen lassen: „Sex Work Exclu­sionary Radical Feminism“ (SWERF) und „Trans-Exclusionary Radical Feminism“ (TERF) gleichzeitig.

Lobo akzeptiert Transfrauen und verdammt nicht jede einzelne Prostituierte in Grund und Boden. Also ist er für Emma schlimmer als Kubicki. Logisch.

[…] Begründet wird dies damit, dass Lobo in der NDR-Sendung "deep und deutlich" die Ausbeutung von Frauen durch Prostitution verharmlost habe. […] Lobo sprach sich in der Sendung gegen ein Verbot von Prostitution aus, weil die Sexarbeit damit in die Illegalität abrutsche und für die Frauen alles noch schlimmer werde. Menschenhandel und Zwangsprostitution seien jetzt schon verboten, fänden aber weiterhin statt, argumentierte Lobo.  Außerdem wandte er sich dagegen, jeden Sex, bei dem Geld fließt, als Vergewaltigung zu werten. Es entwickelte sich eine zunehmend heftige Diskussion, an deren Ende Mau die Sendung aus Protest gegen die Haltung der "privilegierten Menschen" im Studio verließ. Lobo bedauerte das ausdrücklich. […] "Emma" wirft Lobo vor, eine Frau, die Prostitution am eigenen Leib erfahren habe, aus seiner Berliner Blase heraus belehren zu wollen. [….]

(STERN, 24.10.2022)

Mein erster Impuls war natürlich, EMMA für diese Eselei einfach auszulachen.

Der zweite Gedanke war. Anzuerkennen, wie gut EMMA die Aufmerksamkeitsökonomie im Internet versteht. Hätte sie Merz oder Kubicki „ausgezeichnet“, wäre jedem klar, wieso. Das brächte aber nicht die Nachrichtenagenturen in Wallung. Kaum einer würde diese feministische Spitze überhaupt bemerken.

Indem aber ein offensichtlich nicht sexistischer Mensch gekürt wurde, ist Empörung sicher. Blogger aus Hamburg springen auf das Thema an.

Das ist ärgerlich. Denn die einst so verdienstvolle Schwarzer reduziert sich einmal mehr als TERF und SWERF. Sie erweist aber vor allem dem Feminismus  einen Bärendienst. Denn Feminismus ist wichtig. Es ist schon sehr erbärmlich, wenn ausgerechnet die EMMA daran arbeitet, den Feminismus zu diskreditieren und lächerlich zu machen.

Sonntag, 23. Oktober 2022

Atomioten

Klickt man sich durch die Civey-Umfragenflut – „Lassen Sie Ihre Meinung zählen“ – wird man hinsichtlich der Demokratie noch pessimistischer.

Man darf sich nichts vormachen: Die meisten Menschen sind Idioten. Es ist richtig, die Volksvertreter des Bundestags und der Landtage wählen zu lassen, weil noch niemanden eine bessere Staatsform eingefallen ist. Aber so elend auch viele Abgeordnete sind; immerhin beschäftigen sie sich mit der Materie, über die sie zu befinden haben. Sie haben als Berufsparlamentarier mit eigenen Büros und Mitarbeitern immerhin mehr Expertise als der Allgemein-Michl. Weitere plebiszitäre Elemente sind unterm Strich eine Diktatur der Inkompetenz.

Es sollte anders gewählt werden, so daß die Kompetenz des Wählers gewichtet wird.

Sofern man sich nicht auf so ein Konzept einigen kann, sollten wenigstens die Wahltermine gestrafft werden. Alle Wahlperioden könnten auf fünf Jahre vereinheitlicht werden und die einzelnen Wahlen finden geballt an einem Sonntag alle zweieinhalb Jahre statt, so daß die Bundestagsabgeordneten sich nicht im Dauerwahlkampf befinden und ohne paralysiert auf Landtagswahlumfragen zu starren, gute zwei Jahre am Stück arbeiten können.

Aber das sind Wunschträume.

In der Realität schielen Abgeordnete wegen des Dauerwahlkampfes kontinuierlich auf Umfragen. In einigen Fragen gehen die Meinungen des Volkes weit auseinander. Etwa genauso viele Deutsche sind unbedingt dafür, der Ukraine mehr schwere Waffen zu liefern, wie strikt dagegen sind. Verständlicherweise mögen viele Politiker also in dieser Angelegenheit nicht allzu klar Position beziehen, weil sie immer viele Wähler gegen sich aufbringen.

Es gibt aber auch erstaunlich einheitliche Ansichten des Homo Demens Teutonicus. Fragt man nach Kriterien, um Stromanbieter, Internetprovider oder Lebensmittelbezugsquellen auszuwählen, stehen Qualität und Nachhaltigkeit bei der überwiegenden Mehrheit ganz hinten. Der Deutsche will es vor allem billig. Nichts darf mehr kosten und so wird auch der 200-Milliarden-Doppelwumms grundsätzlich als zu wenig betrachtet. Der Staat soll alle Zusatzkosten abfedern.

Da fällt es schwer, politisch die Lenkungswirkung höherer Energiekosten zu vertreten.

Extrem populär sind alle Maßnahmen, die Migranten abwehren. Flüchtlingsobergrenzen, Asylrecht schleifen, Grenzen schließen – das mag zwar verfassungswidrig sein, aber Homo Demens Teutonicus steht drauf und genau deswegen plappern Unionspolitiker das auch wider besseres Wissens nach.

Selbst Merz und Söder sind vermutlich nicht ganz so verblödet, um nicht zu verstehen, daß Deutschland schon rein ökonomisch dringend sehr viel mehr Zuwanderung braucht. Aber sie sagen es nicht laut, weil gerade ihre Wählerschaft – Provinzler und Christen – am stärksten antihumanitär eingestellt ist.

Es sind nicht viele Themenblöcke, bei denen es so viel Einigkeit gibt. Ein Dritter kam erst kürzlich hinzu:

 Die Deutschen lieben Atomkraft. Alle Umfragen melden überwältigende Zustimmung für längere AKW-Laufzeiten.

Und so poltert Söder im aktuellen SPIEGEL:
[….] Die Grünen waren von Anfang an unehrlich: Erst hieß es, die Kernkraftwerke seien nicht sicher. Dann hieß es, wir hätten gar kein Stromproblem. Und schließlich, Atomstrom hätte gar keine Wirkung auf den Strompreis – alles widerlegt. Die ganze grüne Argumentation ist eine endlose Kette an Täuschungen und Unwahrheiten. [….] Das ganze Land hängt am Tropf vor allem der Altgrünen. Das ist keine neue moderne politische Kraft, sondern die alte linke Kampftruppe um Trittin und Co.“

Das bayerische Geschrei ist demoskopisch also zu verstehen, aber maximal unehrlich. Denn nicht nur, hat von allen Bundesländern Bayern die größte Stromlücke, weil Söder völlig verantwortungslos JEDE Energieform in Bayern blockierte – Trassen, Windräder – sondern der CSU-Chef lügt auch über den Atomausstieg wie gedruckt. Das schwarzgelbe Ausstiegsgesetz von 2011, nach dem Ende dieses Jahres die letzten drei Meiler vom Netz gehen, haben nicht etwa die Grünen ersonnen, sondern CDU, CSU und FDP. Markus Söder trommelte am lautesten dafür, schnell und konsequent aus der Kernenergiegewinnung auszusteigen. Söder drohte im bayerischen Kabinett mit Rücktritt, sollte, der Atomausstieg erst nach 2022 erfolgen. Zusammen mit seinen konservativen Freunden war er der größte Anti-AKW-Fanboy.

"Der Atomausstieg wird bis 2022 vollzogen und ist unumkehrbar."

(CSU MP Seehofer, 30.5.2011 über den Fahrplan der schwarz-gelben Koalition zur Energiewende)

"Das Ergebnis ist konsistent und konsequent."

(Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), 30.5.2011 zu den Ausstiegsplänen der Koalition)

"Das größte Modernisierungs-, Innovations-, und Investitionsprojekt für Deutschland seit langem".

(Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), 30.6.2011 im Sender hr-Info zum Atomausstieg und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz)

"da gibt es keinerlei sogenannte Hintertüren, sondern das ist ein ganz transparenter klarer Fahrplan. Ich halte den auch für richtig, insbesondere auch, dass die sieben alten Meiler vom Netz gehen. Hier hat es ja auch schon zu einem frühen Zeitpunkt Stimmen aus der FDP gegeben, die das nahegelegt haben."

(Christian Lindner, 30.5.2011 über den von Schwarz-Gelb beschlossenen Atomausstieg)

"Wenn wir den Aufbau der erneuerbaren Energien maximal beschleunigen und Widerstände gegen Pumpspeicherkraftwerke und Ähnliches überwinden können, dann ist ein Umstieg auch in einem Jahrzehnt denkbar." 

(CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, 6.4.2011)

"Vernunft und der Verantwortung".

(CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, 6.6.2011: Er bezeichnet das beschlossene Ausstiegsdatum 2022 als eine Zahl der..)

"Ich freue mich deswegen, weil es gerade auch mein Vorschlag, der Vorschlag von Horst Seehofer und der Vorschlag der CSU war."

(Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU), 30.5.2011 über den von Schwarz-Gelb beschlossenen Atomausstieg)

So ist Söder, der Mann lügt völlig ungeniert, behauptet alles – und das Gegenteil dessen.

[…] Der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) verknüpft offenbar den Zeitplan für den Atomausstieg in Bayern mit seinem Amt. In der Ministerratssitzung am Dienstag habe Söder mit Rücktritt gedroht, sollte sich der Freistaat auf einen späteren Zeitpunkt für den Atomausstieg als 2022 festlegen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Kabinettsmitglieder. Söder hatte demnach gesagt, wenn das Datum überschritten werde, habe "dies tiefgreifende Konsequenzen" für das Kabinett wie auch für ihn "ganz persönlich“. Trotz zähen Ringens hatte sich die CSU/FDP-Regierung am Dienstag nicht auf ein Datum einigen können, wann der letzte bayerische Meiler vom Netz gehen soll. Nach dem Willen der CSU soll das Kernkraftwerk Isar 2 spätestens 2022 abgeschaltet werden, die Liberalen plädieren hingegen für 2025.  [….]

(Die Welt, 26.05.2011)

Jetzt sind aber alle Deutschen für den Ausstieg aus dem Ausstieg und da es in der veröffentlichten Meinung kaum andere Stimmen gibt, springt auch Söder in das Boot, pöbelt die Grünen für den Beschluss an, mit dem er sich selbst so brüstete.

Konservative eben. Die Partei, die nach allen Umfragen in der Gunst des deutschen Urnenpöbels extrem weit vorn liegt.

Dabei ist und bleibt die Kernenergiegewinnung unverantwortlich und gehört abgeschaltet.

[….] Atomkraft ist nicht nur riskant, sondern auch keine Lösung für die Energiekrise: Den deutschen AKW gehen die Brennstäbe aus, neue zu beschaffen würde anderthalb Jahre dauern. Das Uran dafür kommt eigentlich aus Russland. Und: die deutschen AKW sind nicht mehr sicher, da nicht mehr nachgerüstet. Das sind Fakten. Deswegen fordert Greenpeace, die AKW am 31.Dezember abzuschalten. Und keinen Tag später. [….]

(Greenpeace)

Das Emsland-Atomkraftwerk weiter laufen zu lassen, ist besonders sinnlos, da es im Norden ohnehin schon einen Energieproduktionsüberschuss gibt. Da man AKWs nicht einfach an- und abschalten kann, muss man dann Windkraftanlagen stilllegen. Oder aber, soweit das technisch möglich ist, den Strom nach Frankreich verkaufen.

Gebraucht würde er in Bayern, aber die verantwortungslose CSU (aktuelle Umfrage CSU 40%, SPD 9%) verhinderte zur Freude des Urnenpöbels den Bau von Stromtrassen. Das AKW Lingen, für das Merz, Lindner, Söder und der Urnenpöbel nun so begeistert plädieren, ist unnütz.

[….] „Kanzler Scholz hat, entgegen der durch den Stresstest belegten Faktenlage, entschieden, auch das AKW Emsland am Netz zu lassen“, sagte die BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner am Dienstag in einer Mitteilung. „Was auf den ersten Blick als beherzte Aktion zur Rettung in der Energiekrise wirkt, ist bei genauerem Hinsehen ein unverantwortliches Risikospiel mit offenem Ausgang und verschwindend geringem Einfluss auf den Strommarkt.“  Der BUND kritisiert, dass die längere Laufzeit des AKW in Lingen kaum zu einer besseren Stromversorgung führe. Zuvor hatte bereits das Umweltministerium in Hannover darauf hingewiesen, dass die Brennelemente in dem AKW so weit abgebrannt sind, dass der Meiler ab November in den sogenannten Streckbetrieb gehen muss und dann nur noch eine reduzierte Leistung erbringt. „Im besten Fall kann das AKW 0,03 Prozent des Jahresenergieverbrauchs erzeugen“, sagte Gerstner. Der BUND sieht zudem Sicherheitsrisiken und bemängelt, dass die Sicherheitsüberprüfung, bei der die AKW in der Regel alle zehn Jahre über viele Monate intensiv untersucht werden, überfällig ist. Die eigentlich für 2019 anstehende Prüfung wurde mit Blick auf den zunächst vorgesehenen Abschalttermin am 31. Dezember 2022 ausgesetzt.  [….]

(Kreiszeitung, 21.10.2022)

Die Hälfte der 56 französischen Atomkraftwerke ist abgeschaltet. Nicht mehr funktionstüchtig. Daher exportiert Deutschland derzeit sehr viel Windenergiestrom nach Westen.

[….] Betroffen ist die neueste, leistungsstärkste Kraftwerksflotte

Trotz stetigem Rückgang in den vergangenen Jahren lag der Anteil der Atomkraft am produzierten Strom in Frankreich 2021 noch bei 69 Prozent. In diesem Jahr dürfte er auf ein historisch niedriges Level fallen. Frankreich kauft so viel Strom aus dem Ausland wie lange nicht. Laut statistischem Bundesamt importierte es aus Deutschland zwischen Januar und August dieses Jahres 5000 Gigawattstunden (GWh). Zum Vergleich: Zwischen 2016 und 2020 lag der Wert bei durchschnittlich 2400 GWh - über ein gesamtes Jahr. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beklagte, das Fehlen der französischen Strommengen müsse Deutschland nun teilweise mit teuren Gaskraftwerken ausgleichen. Die Probleme im Nachbarland sind ein Hauptgrund, warum die Bundesregierung den eigenen Atomausstieg um drei Monate verschiebt.  […]

(SZ, 22.10.22)

Wer wie Frankreich auf Atomkraft setzt, ist verloren. Aber der Urnenpöbel ist leider intellektuell nicht in der Lage, diese Informationen zu verarbeiten und rennt lieber Lindners und Söders Atomjubel nach.

[….] „Es ist und bleibt energiepolitischer Unsinn, den gesetzlich festgelegten Atomausstieg zum 31. Dezember 2022 auszuhebeln. Die heute veröffentlichten Eckpunkte zum Reservebetrieb zeigen einmal mehr, was für einen winzigen Beitrag zur Netzsicherheit die beiden Atomkraftwerke beim Weiterbetrieb noch leisten können. Die Strommangellage in Frankreich durch Abschaltung zahlreicher AKWs zeigt, wie unzuverlässig Atomenergie ist. Daneben besteht das Risiko katastrophaler Atomunfälle. Für die wenigen Stunden, in denen die Netzstabilität im kommenden Winter möglicherweise unsicher werden könnte, wäre stundenweises gezieltes und vereinbartes Abschalten von großen industriellen Verbrauchern und intelligentes Lastmanagement viel zielführender.“ [….]

(Heinz Smital, Greenpeace-Experte für Atomenergie)