Sonntag, 27. September 2020

Apokalypse Jetzt

Das Mutterland der Demokratie, das berühmte System der Checks And Balance schien gegen alle Stürme gerüstet, über Jahrhunderte stabil.

Aber ein Viertel Jahrtausend funktionierte die US-Verfassung eben nicht für die Majorität, sondern nur für die Minderheit der weißen, christlichen, konservativen, heterosexuellen Männer.

Die Mehrheit aus Frauen, Native Americans, Ungläubigen, Schwarzen, Sklaven, asiatischen Amerikanern, Schwulen und Latinos kam unter die Räder. Entrechtet, diskriminiert, getötet.

Einige wenige Jahrzehnte schien die US-Verfassung sich auch auf das bunte und diverse Amerika zu erstrecken, aber die seit 20 Jahren immer extremistischer werdenden US-Republikaner und die Trump-Präsidentschaft rissen die Constitution nieder.

Das Wahlrecht mit massenhafter Wähler-Unterdrückung ermöglicht es Millionen den Demokraten zuneigende US-Amerikaner von der Wahl auszuschließen.

 

Das System ist derartig in Schieflage geraten, daß sogar ganz ohne illegale Mauscheleien ein Republikaner mit bis zu zehn Millionen Stimmen weniger als der demokratische Kandidat die Präsidentschaftswahl gewinnen kann. Um sicher eine Wahl zu gewinnen benötigen die Demokraten zehn Prozent mehr Stimmen als der Gegner.

Inzwischen ist es aber nicht nur das schiefe ungerechte Wahlrecht, welches US-Präsidentschaftswahlen so ungerecht macht. Es ist der oberste Verfassungsschützer selbst, nämlich der amtierende US-Präsident, der den innersten Kern der Demokratie zertrümmert, indem er den friedlichen Machtwechsel durch Wahlen in Frage stellt.

Die Trump-Nation befindet sich in einer veritablen Systemkrise; ihre Institutionen, die Kriege und Krisen überwanden, sind am Ende.

Der unbedingte Wille Trumps und der Republikaner nach dem Tod der Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg eine ultrafanatische systemverändernde Religiotin ins höchste Gericht zu schicken zeigt das nur zu deutlich. Schon bevor sie den Personalvorschlag Amy Coney Barrett kannten und daher noch gar nichts über die Eignung der Frau, die „das Reich Gottes aufzubauen“ will sagen konnten, tönten Chef-Senator McConnell und der Vorsitzende des Justizausschusses Graham bereits auf jeden Fall Trumps Kandidatin zu wählen.


  […..] Staaten wanken, wenn ihre Institutionen schwach und aus der Zeit gefallen sind. Die USA stellen gerade fest, dass ihre Institutionen in diesem Herbst in schwere Schieflage geraten - eben weil sie dem rauen Klima nicht mehr standhalten und veraltet sind. […..] Die Nachbesetzung einer Richterstelle für das Oberste Gericht ist im parteiisch aufgeladenen Rechtssystem der USA allemal ein unfriedlicher Augenblick, der gerne mal ein Jahr anhält. Die außergewöhnliche Trump-Präsidentschaft benutzt diesen Politisierungsturbo nun, um nicht nur die heiß ersehnte dritte Richterstelle auf die Seite der Konservativen zu schaufeln, sondern um jede Menge Beifang einzusammeln: Sie mobilisiert Wähler, sie treibt die Lager hübsch auseinander, sie diszipliniert die eigenen Senatoren. […..] Die Jahrhundertpräsidentschaft von Donald Trump hat Institutionen spröde werden lassen. Die Exekutive hat das Vertrauen der Bürger verloren, Corona hat ihr den Rest gegeben. Die Legislative hat längst den Anschein der Erhabenheit aufgegeben. Und die Präsidentschaft versöhnt nicht, sie verhöhnt.    Die USA zahlen nun einen beachtlichen Preis für ein hoffnungslos aus der Zeit gefallenes System. Das beginnt beim Wahlrecht, dessen Ungerechtigkeit von niemandem mehr bestritten wird. Das setzt sich fort in einer Administration, die nicht für faire, gleiche und gerechte Wahlen zu sorgen in der Lage ist. Das spiegelt sich in einer Wahlkarte, die durch Manipulation parteipolitisch festgelegt ist. Die Hauptstadt Washington hat mit einer größeren Wählerzahl als Vermont oder Wyoming überhaupt keine Stimme. […..] Die USA, das zeigt der Tod der Richterin Ruth Bader Ginsburg, haben ein Rechtsproblem, ein Strukturproblem, ein Systemproblem. Das sind zu viele Probleme auf einmal, erst recht vor einer Wahl. [……]

(Stefan Kornelius, 22.09.2020)

Die Demokraten stellen zwar eine Bevölkerungsmehrheit, sind aber dennoch den Republikaner meist unterlegen, weil sie über weniger Skrupellosigkeit und weniger kriminelle Energie verfügen.

So kann die GOP Macht konzentrieren, während sich irrlichternde Linke verzetteln und durch sinnloses Lamentieren einen ultrakonservativen Durchmarsch ermöglichen.


Würden doch Pelosis Demokraten endlich auch die Samthandschuhe ausziehen! Nur ganz grobe Klötze helfen gegen republikanische Politiker. Ihre 60 bis 70 Millionen vollkommen fanatisierten Wähler sind ohnehin für jedes vernunftbasierende Argument unzugänglich; für immer verloren im Gaga-Strudel der hassverzerrten Verschwörungstheorien.

[…..] Auf dem Spiel stehe, schrieb ein Kommentator in der Zeitung USA Today, "das politische Heil der Republik".   […..] Bei den Demokraten überwiegt dagegen die Wut. […..] Führende Vertreter der Demokraten drohten dem republikanischen Mehrheitsführer Mitch McConnell am Sonntag bereits mit Rache: Wenn die Republikaner über die Nachfolge Ginsburgs noch vor den Wahlen entschieden, die Demokraten aber die Kontrolle über den Senat erlangten, werde das Konsequenzen haben, sagte Chuck Schumer, der demokratische Fraktionschef im Senat: "Alles kommt auf den Tisch."   In demokratischen Kreisen kursiert bereits länger die Idee, den neunköpfigen Supreme Court um einige weitere Mitglieder aufzustocken. Indem man zwei oder vier zusätzliche progressive Richter ernenne, könne man die Balance des Gerichts nach links verschieben - so diese Theorie. […..]  "Wenn er 2020 eine Abstimmung durchführt", twitterte der Abgeordnete Joe Kennedy über Mitch McConnell, "dann stocken wir das Gericht 2021 auf." "Packing the court" nennt sich dieses Vorhaben im Amerikanischen. Das Politikportal Axios nannte es die "Armageddon-Option".[…..] Wäre der Filibuster erst einmal weg, könnten sich die Demokraten im Senat auch gleich daran machen, die Hauptstadt Washington sowie das US-Außengebiet Puerto Rico zu eigenständigen Bundesstaaten zu erklären - und ihnen je zwei Sitze im Senat zuzugestehen, die vermutlich von Demokraten besetzt würden. Auch daran denken Vertreter der Opposition, wenn sie wie Chuck Schumer sagen, dass "alles auf dem Tisch" sei.   Und als wäre diese Drohkulisse noch nicht groß genug, deutete Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, in einem TV-Interview vom Sonntag an, dass sie auch die Möglichkeit eines neuen Impeachment-Verfahrens nicht ausschließe - entweder gegen Trump oder gegen seinen Justizminister William Barr. […..]

(Alan Cassidy, 21.09.2020)

 Natürlich werden die Demokraten wie immer zu feige sein für die nukleare Option. Das zeigt sich nirgends besser als in der Auswahl ihres Kandidaten Joe Biden. Der Nette, der sich damit brüstet Kompromisse aushandeln zu können, mit den Republikanern zusammen arbeiten zu können.

Als hätten nicht bereits die verlorenen ersten vier Jahre der Obama-Präsidentschaft gezeigt, daß jede Ehre, jeder Anstand aus der GOP getilgt wären. Daß Zusammenarbeit mit ihnen nicht möglich ist, daß sie immer ihre Partei-Interessen über das Land und die Lobbyinteressen der Superreichen und Evangelikalen stets über Partei-Interessen stellen.

Samstag, 26. September 2020

Ich war noch nie im Leben Frau

Man muss nicht wissen wie eine Schwangere fühlt, weil Mann das kann, um zu beurteilen wie die rechtliche Lage mit Schwangerschaftsabbrüchen sein sollte.

Es gibt nämlich nicht „die Frau“. Frauen sind nicht alle gleich und daher kann es auch keine strafrechtliche Vorschrift geben wie eine Frau mit ihrem Uterus zu verfahren hat.

Es ist aus staatlicher Perspektive ganz einfach; es ist nämlich eine individuelle Entscheidung.

Der Staat, die Gesellschaft, das System, die Behörden sollen Hilfe anbieten. Sie sollen beraten, unterstützen, informieren. Auf freiwilliger Basis selbstverständlich.

Frau A ist sicher was sie tun will, Frau B grübelt, Frau C hat eindeutig ihren eigenen Willen, Frau D ist sehr beeinflussbar. So ist es nun einmal; daher kann man Unterstützung stets nur anbieten und darf sie nicht oktroyieren.

Ich war noch nie im Leben Frau, aber ich kann mir immerhin eins gut vorstellen: Wenn man unter schwierigen Umständen von seiner Schwangerschaft erfährt, viele Argumente abwägt, aber eine Entscheidungsvariante erheblich erschwert ist, weil sie teuer, illegal, geächtet ist und auch noch unter enormen Zeitdruck steht, wird ein ergebnisoffener Entscheidungsprozess noch viel schwieriger.

Das ist keine Frage des „Frau-Seins“, sondern der Logik. Wer sich unter Druck intensiv mit dem Problem beschäftigen muss, wo und wie man überhaupt abtreiben könnte, dafür große Geldsummen auftreiben muss, zu dubiosen Kontaktleuten gehen muss und weite Reisen auf sich nehmen muss, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich sofort darum zu kümmern.

Schwangerschaften werden unterbrochen, auch wenn die Todesstrafe darauf steht. Der enorme juristische Druck behindert aber eine Entscheidung.

Dieser Befund ist empirisch eindeutig belegt. In allen Ländern, in denen seit den 1970er Jahren die Abtreibungsgesetze liberalisiert wurden, legale Möglichkeiten geschaffen wurden und somit ein großer Mühlstein bei den Entscheidungsprozessen vom Hals entfernt wurde, gingen die Schwangerschaftsunterbrechungszahlen drastisch zurück.

Es gibt also zwei Argumentationslinien pro liberales Abtreibungsrecht:

1.) A priori anzuerkennen, daß die Entscheidung über den Uterus nur der Frau zusteht.

2.) A posteriori empirisch festzustellen, daß es viel weniger Abtreibungen gibt, wenn man sie nicht verbietet.

Es sollten also konservative Christen, patriarchalische Rechte, fanatische „Lebensschützer“ einerseits und Humanisten, Liberale, Aufgeklärte andererseits zu dem gleichen Schluss kommen: Abtreibung darf nicht unter Strafe gestellt werden.

Für Erstere ist das wichtig, um weniger „abgetriebene Föten“ zu bekommen und für Letztere, um Frauen nicht zu bevormunden.

Warum ziehen aber Linke und Rechte in dieser Frage offensichtlich nicht an einem Strang, wenn doch nur die eine rechtliche Methode für beide Parteien ein besseres Ergebnis liefert?
Wieso sind konservative Christen insbesondere in den USA so besessen davon schwere Strafen zu verhängen, wenn eine Schwangerschaft unterbrochen wird?

Der Grund ist offensichtlich: Den Lebensschützern mit ihren kleinen Plastik-Föten geht es eben nicht darum weniger „Kinder abzutreiben“. Ginge es ihnen darum wären sie schließlich nicht so total desinteressiert daran geborene Kinder zu unterstützen, störten sie sich daran Kinder von Donald Trump in Käfige zu stecken, würden sie etwas gegen School-Shootings unternehmen.

Nein, der „Lebensschutz“ ist ein vorgeschobenes Argument. In Wahrheit geht es ihnen um einen Kulturkampf und die grundsätzliche Würde des Menschen.

Frauen sind für sie zweitklassig, sollen sich unterordnen und eben nicht frei entscheiden.

Sie fürchten sich vor Feministinnen, hassen die Ruth Bader Ginsburgs dieser Welt, weil sie klug und unabhängig sind.

Daher wünschen sich Republikaner und Donald Trump eine ultrafanatische Religiotin wie Amy Coney Barrett als neue Supremecourt-Richterin. Sie würde grundsätzlich gegen Frauen entscheiden und da sie selbst eine Frau ist damit als Inkarnation des feuchten Traumes aller erzkonservativen Männer fungieren.

Ein halbes Jahrhundert nach Roe v. Wade, als der der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten am 22. Januar 1973 mit einer Mehrheit von sieben zu zwei Richtern für ein liberales Abtreibungsrecht votierte, könnten die Uhren zurück aufs Mittelalter gestellt werden.

[…..] Barrett, 48, […..] gilt als harte Abtreibungsgegnerin. In ihrer Anhörung 2017 sagte sie, Abtreibungen seien "immer unmoralisch". In den zwei Fällen, in denen sie als Bundesrichterin über Abtreibungsfragen zu entscheiden hatte, sprach sie sich für mehr Restriktionen aus. Die große Sorge des liberalen Amerika ist, dass mit einer Verfassungsrichterin wie ihr am Supreme Court ein wegbereitendes Abtreibungsurteil aus den Siebzigerjahren überstimmt werden könnte, das jeden Bundesstaat verpflichtet, Abtreibungen möglich zu machen.  […..] Im Mittelpunkt ihrer Anhörung vor dem Senat 2017 stand ihr tiefer römisch-katholischer Glaube. Demokratische Senatoren hinterfragten, ob sie unabhängig von ihren religiösen Überzeugungen urteilen könne. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein brachte Zweifel an: "Das Dogma lebt laut in Ihnen", warf sie Barrett vor. Selbst religiöse Konservative fragten sich, ob Barrett ihren Glauben und die alltägliche Richtertätigkeit zu sehr vermische. […..]

(Thorsten Denkler, 26.09.2020)

[…..] In ihrer Zeit als Jura-Professorin an der renommierten Universität Notre Dame sagte sie einmal in einer Vorlesung, eine Justiz-Karriere sei immer nur ein „Mittel zum Zweck“ – und das Ziel sei, „das Reich Gottes aufzubauen“. (…)     Nicht nur die „göttlichen“ Äußerungen Barrets lassen bei Demokraten die Alarmglocken schrillen. Die 48-Jährige und ihr Ehemann sind zudem Teil der obskuren Sekte „People of Praise“. Dies berichtete die „New York Times“ bereits 2017. Mitglieder der Gruppe würden dem Bericht nach untereinander einen lebenslangen Treueid schwören, der als Bund bezeichnet werde.    Alle Personen innerhalb der Sekte seien „persönlichen Beratern“ zugeordnet, diesen gegenüber müssten sie Rechenschaft ablegen. Männer ordneten sich sogenannten „Köpfen“ unter, Frauen „Mägden“ – im englischen „Handmaids“ genannt. Die Gruppe soll ihren Mitgliedern auch ein striktes Rollenbild lehren: Ehemänner seien dem Sektenglauben nach die Oberhäupter und herrschten über die Familie, Frauen dagegen müssten sich dieser Hierarchie unterordnen.  Aussteigerin schildert menschenverachtendes Innenleben. […..]

(Frankfurter Rundschau via AMB, 25.09.2020)

Mit so einer rigiden Gesetzgebung, wie man sie von Trumps Epigonen Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und womöglich Amy Coney Barrett erwartet würde es im Zusammenhang mit der drastischen Einschränkung der Arbeit der amerikanischen Non-Profit-Organisation Planned Parenthood Federation of America (PPFA) mit ihren über 650 Kliniken und medizinischen Diensten mit Sicherheit einen gewaltigen Anstieg der Abtreibungszahlen geben. Allein schon, weil nicht mehr über Verhütungsmittel aufgeklärt und die Verfügbarkeit minimiert würde.

Zudem würden bei illegalen Abtreibungen „im Hinterzimmer“ viel mehr Frauen verletzt und sterben.

Aber genau das ist erwünscht von den Rechten.

Frauen sollen wieder unter die Knute und nicht selbst denken.

In diesem Punkt sind sich die Rechten aller Religionen und aller Länder übrigens einig. Immerhin.



Freitag, 25. September 2020

Verantwortungslos

Das Schöne an Deutschland für die römisch-katholische Kirche sind die indolenten staatlichen Stellen.

Hunderttausende Kinder wurden ihren Müttern entzogen und in kirchliche Heime zur Zwangsarbeit, zum Verprügeln und sogar für Medikamententests geschickt.

Aber niemand zieht die RKK zur Rechenschaft. Die Regierung hält still, das Parlament denkt nicht daran die seit 1919 in der Weimarer Reichsverfassung und später ins Grundgesetz übernommene Aufgabe von der Ablösung der Kirchenfinanzierung auszuführen und die Justiz sieht weg.

Das gleiche Bild beim myriadenfachen sexuellen Missbrauch Jugendlicher und Kinder durch katholische Geistliche.


Keine staatlichen Kommissionen, die nachbohren, wie in anderen Ländern. Die Opfer müssen nicht gehört werden und falls doch mal Schmerzensgeld bezahlt werden sollte, dürfen sich die Täter selbst überlege wie viel sie freiwillig zahlen. Kein Richter spricht ein Urteil, die vergewaltigten Kinder, deren Leben oft zerstört wurde, haben ohnehin nichts zu melden.

Am allerbesten ist aber, daß die Verantwortlichen ganz oben, die den sexuellen Gewalttätern immer wieder neue Kinder-Opfer zuführten, die Vergewaltiger vor Veröffentlichung ihrer Taten schützen, noch nicht mal angeklagt werden.

Papst-Bruder, Kardinal Müller, Erzbischof Heße, Papst Ratzinger – sie alle konnten systematisch Kinder quälen lassen, ohne irgendwelche Konsequenzen zu fürchten.

Bischof Ackermann aus Trier, der Missbrauchsbeauftragte der DBK, der in seiner Diözese ebenfalls Kindervergewaltiger schützte, sieht auch im September 2020 keinen Anlass für die Schreibtischtäter persönliche Konsequenzen zu ziehen, da in der katholischen Kirche „eine andere Kultur“ herrsche.

[…..] Der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte Stephan Ackermann sagte katholisch.de, Rücktritte seien bei den Beratungen der Bischöfe kein Thema gewesen. "Wir haben in der Kirche eine andere Kultur als in der Politik. Wer zurücktritt, vollzieht zwar ein großes Symbol und macht den Weg frei für einen Nachfolger, aber gleichzeitig ist er dann auch aus der Verantwortung heraus", sagte er. […..]

(Annette Zoch, 25.09.20)

Ebenso argumentieren mutmaßlich auch Mafia-Dons, die nach ein Massenmorden nicht ihren Chefposten räumen wollen.

Allerdings gilt für alle Regeln der Kirche gleichzeitig auch das Gegenteil – wenn es gerade opportun ist.

Bei schwereren Delikten; wenn es also nicht „nur“ um die massenhaften sexuellen Missbrauch an Kinder geht, sondern in die Kasse gegriffen wurde, tritt Täter doch „aus der Verantwortung heraus“. Beim Geld verstehen katholische Kleriker, anders als bei ihren gequälten Messdienern offenbar keinen Spaß.

Papst Franzl, der sich sonst so großzügig und mild gegenüber seinen Pädofreunden zeigt, wird dann schon mal laut.

[….] Die letzte Audienz mit Franziskus soll "laut" und "hart" gewesen sein, ein "Schocker" gar. So schildern es die italienischen Zeitungen, die in der Regel gut informiert sind über die Hergänge hinter dem vatikanischen Gemäuer. Der einst mächtige Kardinal der Heiligen, Giovanni Angelo Becciu, muss gehen - wegen einer profanen Geschichte um Geld und vielleicht auch um Gier. In der formalen Sprache des Bulletins des Heiligen Stuhls heißt es, der Papst habe den Rücktritt des Präfekten der Heiligenkongregation hingenommen und ihn von allen Rechten seines Kardinalsstandes enthoben. [….]  Becciu wurden wohl ein Immobiliengeschäft in London und Zuwendungen mit Kirchengeld an seine drei Leibsbrüder Tonino, Francesco und Mario zum Verhängnis.   [….] 2014 investierte der Vatikan Hunderte Millionen Euro in eine ehemalige Lagerhalle des britischen Kaufhauses Harrods in London. Vermittelt hatte den überteuerten Kauf ein schillernder italienischer Financier, der Besitzer der Immobilie. Es sollten Luxuswohnungen entstehen, dafür also setzte Becciu das Geld für die Armen ein. Nach dem Brexit brach der Immobilienmarkt ein, in den Konten der Kirche klaffte ein riesiges Loch. [….]

(SZ vom 26.09.2020)

Donnerstag, 24. September 2020

Die Pis- und Fidesz-Freundin an der EU-Spitze

Als Amerikaner bin ich es gewöhnt mich für „meine“ Spitzenpolitiker zu schämen.

Sollte ich jemals einen deutschen Pass bekommen, wird dieses Training hilfreich sein, denn auch für die deutschen Top-Politiker muss man sich international schämen.

Die Installierung der homophoben Orbán und Kaczyński-Freundin von der Leyen als EU-Kommissionspräsidenten ließ nie etwas Gutes ahnen.

Nun agiert sie offen menschenverachtend.

(…….) Neben ihrer großen Begeisterung für sich selbst, setzt sich von der Leyen aber auch noch für das Christentum ein – und zwar das Radikale.

Sie selbst gehört einer radikalen evangelikalen Freikirche an, in der schon ihr Vater als Ministerpräsident aktiv war.

[…..] Ein gelegentlicher Auftritt am "äußerst rechten Rand" des Christentums kann die bibeltreuen Christen bei der nächsten Wahl gewogen stimmen, die restliche Bevölkerung wird diesen Ausflug zu den Fundamentalisten nicht bemerken, so scheint das Kalkül. [….] Auch vor Küngeleien mit Vereinigungen wie dem Arbeitskreis Christlicher Publizisten (ACP), der schon 1991 vom Spiegel als "Gemengsel freikirchlicher Eiferer, das gern Politiker vor seinen missionarischen Karren spannt", bezeichnet wurde, wird da nicht zurückgeschreckt. [….]  Unionspolitiker wie Volker Kauder oder Ursula von der Leyen lassen sich vom ACP einspannen. Bei letzterer gehört eine gewisse Nähe zum ACP schon geradewegs zur Familientradition. Von der Leyen und Co nehmen dabei bewusst in Kauf, dass sie die religiöse Rechte aufwerten und in ihren Vorstellungen bestärken.

Seinen letzten Auftritt im Zusammenhang mit dem ACP absolvierte Christian Wulff am 19. Mai im Bibelzentrum Bad Gandersheim. Laut seinem Sprecher ging es Wulff vor allem darum, an der Ehrung seines Freundes Ernst Albrecht teilzunehmen [….] Die Ehrung des CDU-Mannes Albrecht kommt nicht von ungefähr, seit Jahrzehnten ist der ehemalige Ministerpräsident und Vater von Arbeitsministerin von der Leyen ein gern gesehener Gast bei den "christlichen Publizisten". […..]

(Silvio Duwe, 02.08.2010)

Diese Evangelikalen, die sich auch für das Recht Kinder zu schlagen und die Heilung von Homosexuellen einsetzen, betrachtet von der Leyen keineswegs als Privatsache. Auch als Bundesministerin förderte sie die homophoben Extremisten auf dem Festival „Christival“ mit EUR 250.000,- Steuergeld, damit dort über „Wege aus den homosexuellen Empfindungen“ diskutiert werden konnte.

[…..] Ihre Anhänger wettern gegen Homosexuelle und predigen ein ekstatisches Glaubensverständnis: Evangelikale Gruppen, organisiert nach amerikanischem Vorbild, haben sich auch in Deutschland ausgebreitet. Nun suchen sie Einfluss auf die Politik.  Ein Hauch von Kulturkampf liegt über der Hansestadt Bremen. […..] "Christival" nennt sich das Event. Am kommenden Mittwoch soll es beginnen, Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist Schirmherrin, ihr Haus gab einen Zuschuss von 250 000 Euro. Doch so kirchentagsharmlos wie sie selbst finden nicht alle den geplanten Jugendkongress. Christival, das sei "finsteres Mittelalter", warnt der Bremer Grünen-Fraktionsvize Klaus Möhle. […..] (SPIEGEL, 28.04.2008)

Von der Leyen  schritt vehement gegen humanistische Ansätze ein.

(…..) Unwillkürlich muß man an das humanistische Schmidt-Salomon-Kinderbuch von 2007 Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel denken, dessen bloße Existenz die fromme Familienministerin von der Leyen aufheulen ließ.

Wenn eine atheistische Organisation das Ferkel-Buch an Schulanfänger verteilte, würden die Kirchen und Parteien die Aktion sofort verbieten lassen.
Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge die frommen Katholiken Wolfgang Thierse und Annette Schavan durch die Talkshows ziehen und mit bebender Stimme MSS verdammen.

Die Familienministerin, die auch schon im Duo mit Bischöfin Käßmann dazu aufforderte, daß Elter mit ihren Kindern mehr beten sollten, übernahm jüngst die Schirmherrschaft für den ultrarechten christlichen Kongress "Christival 2008" in Bremen.
Die gebärfreudige Familienministerin, die doch tatsächlich einen Weg gefunden hat den PREKÄREN Kindern noch mehr Chancen zu nehmen, indem sie ihr Rückgrad beim Pförtner abgab und der ewig gestrigen CSU auf dem Weg zur Herdprämie folgte.  […..][…..]

Der Autor des Buches ist völlig fassungslos:

Die Argumentation des Ministeriums sei über weite Strecken derart grotesk, dass er am Anfang gedacht habe, es handle sich um einen „dummen Scherz", erklärt Schmidt-Salomon: „So wird uns vom Ministerium doch allen Ernstes vorgeworfen, dass während der Sintflut Omas, Babys und Meerschweinchen ertrinken! Ja, um alles in der Welt, haben diese Leute denn noch nie die Bibel gelesen?! Wenn dies ein Grund sein sollte, um ein Buch zu verbieten, so müsste man doch zuerst einmal die Bibel auf den Index der jugendgefährdenden Schriften stellen! […..]

Gunnar Schedel, der Leiter des Alibri Verlags, in dem das Kinderbuch erschienen ist, spricht von einem „Anschlag auf die Meinungsfreiheit"  […..]  (Ferkeleien 03.02.2008)

In den folgenden sechs Jahren hat sich nichts geändert. (…..)

(Es gibt noch viel zu tun, 22.06.2014)

Es ist nur folgerichtig, daß von der Leyen sich Dank ihrer Selbstdarstellungsbemühungen und mit der Hilfe radikal homophober Christenparteien zur EU-Kommissionspräsidentin aufschwang – auf Vorschlag der rechtsextremen und weitgehend autokratischen Regierungen in Polen und Ungarn.

Sie amtiert von Gnaden Viktor Orbáns zutiefst homophober, antisemitischer und rechtsextremer Fidesz und Kaczyńskis ultrakatholischen schwulenhassenden Prawo i Sprawiedliwość (PiS).

Ihre Kampagne war organisiert von der Agentur des xenophoben Ex-BILD-Chefs Kai Diekmann.

Kann man noch tiefer sinken?

[…..] Ursula von der Leyen setzt darauf, mit den Stimmen der Europagegner gewählt zu werden. [….] Sie zeigt keine klare Kante gegen rechts, sagt nicht, dass sie europäisches Recht konsequent durchsetzen will. Oder, dass sie gegen den Verfall der Grundrechte in Staaten wie Ungarn, Malta, Rumänien oder Polen entschlossen entgegentreten will. Stattdessen versucht sie, genau diesen Ländern zu gefallen.   […..][…..]

(Sven Giegold, Grünen-Spitzenkandidat bei der Europawahl)

Orbán und Kaczyński hoben von der Leyen natürlich nicht nur aus Herzensgüte auf den Schild.

Sie wußten um ihre evangelikalen Verbindungen und erwarten natürlich Gegenleistungen.

[…..] Die Rechnung kommt noch [….]  Es sieht so aus, als habe die Deutsche ihren Posten auch der Unterstützung des Lagers der Europaskeptiker aus Polen und Ungarn zu verdanken.  Es ist fraglich, ob die Bundesregierung nun weiter darauf drängen wird, die Vergabe von EU-Fördergeldern an den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsländern zu koppeln. [….][…..] Das ist vor allem deshalb relevant, weil von der Leyen nach ihrer Wahl gesagt hat, dass es gelungen sei, eine "proeuropäische Mehrheit" zu formen. Doch wenn sie damit jene Mehrheit meint, die sie nun offenbar gewählt hat, liegt sie falsch. Denn Fidesz und PiS hatten zuletzt eher einen Feldzug gegen die europäische Demokratie gestartet. Beide Parteien regieren alleine, beide Parteien sind der Grund dafür, dass gegen ihre Länder Strafverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags laufen. In beiden Ländern ist die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr. Insofern stellt sich die Frage, welchen Preis von der Leyen für die Unterstützung dieser Parteien zahlen muss. Wird sie künftig nachsichtiger mit Polen und Ungarn umgehen? [….]

 (SZ vom 18.07.2019) 

Die Rechnung kam sogar recht schnell.

Im von Fidesz und PiS aufgeheizten Klima müssen LGBTI in ihren Ländern wieder um ihr Leben fürchten, können sich zudem immer weniger auf den Rechtsstaat verlassen. Weil in Ungarn und Polen sowohl Medien als auch Justiz zunehmend gleichgeschaltet werden.

Natürlich ermutigt das radikale Christen und Politextremisten.

[….]  Nach Ausschreitungen bei einer Regenbogenparade in der ostpolnischen Stadt Bialystok sind 25 Menschen vorübergehend festgenommen worden. Hooligans und extrem rechte Aktivisten hätten die Teilnehmer eines Marsches für Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen (LGBT) attackiert und versucht, den Umzug zu blockieren, berichtete die Agentur PAP unter Berufung auf das Warschauer Innenministerium.  Demnach hatten Randalierer die Teilnehmer des Marsches am Samstag unter anderem mit Steinen, Eiern und Böllern beworfen. […..]

(SPON, 21.07.19)

Seit vielen Jahren lässt sich Brüssel von den osteuropäischen Autokraten auf der Nase herumtanzen, wird ganz still, wenn es um die Verteidigung der europäischen Werte dieser Wertegemeinschaft geht.

Und was sagt die neue EU-Kommissionschefin von der Leyen? Stellt sie sich endlich mal vor die Attackierten? Fordert sie von Warschau die Einhaltung der Menschenrechte ein? Verhängt sie endlich EU-Strafen?

Im Gegenteil, sie verteidigt Orbán und Kaczyński. […..]

(Eine Kommissionspräsidentin im Dienste der PIS-Partei, 21.07.2019)

In Zuge der Corona-Krise stellte von der Leyen ihre generelle Politik-Unfähigkeit zur Schau; das war das Pflichtprogramm.

Nun folgt die Kür – sie will die antihumanistische Asylpolitik der schwulenfeindlichen Antisemiten in Warschau und Budapest für die gesamte EU implementieren. Sie stellte den sogenannten »New Pact on Migration and Asylum« vor, einen Neuaufschlag für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS).

[……] Auch aus dem EU-Parlament kam deutliche Kritik an den neuen Vorschlägen. Mehrere Abgeordnete warnten davor, dass am Rande der EU erneut Lager wie das zuletzt abgebrannte Moria auf Lesbos entstehen könnten. Sie habe den Eindruck, dass Länder an den Außengrenzen noch immer unter großem Druck stehen würden, sagte die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel. Die Linken-Politikerin Cornelia Ernst sagte, es handele sich um einen Pakt für maximale Abschiebungen. […..]

(dpa, 24.09.20)

Den Friedensnobelpreis sollte von der Leyen sofort aus dem Fenster werfen.

[…..] Von der Leyens neuer EU-Migrationspakt, der auch sogenannte Abschiebepatenschaften umfasst - Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen stattdessen abgewiesene Asylsuchende aus der EU abtransportieren -, wird weithin scharf kritisiert. So urteilt etwa die liberale niederländische Europaabgeordnete Sophie in 't Veld (D66): "Die äußerste Rechte hat die EU-Migrationspolitik gekapert." "Das Jahr 2020", konstatiert Pro Asyl, müsse ohnehin "als weiterer Tiefpunkt in der europäischen Geschichte" bezüglich der "Einhaltung von Menschenrechten und des Flüchtlingsschutzes gesehen werden": "Schüsse an der griechisch-türkischen Grenze; die zeitweise Aussetzung des Asylrechts in Griechenland; gewalttätige Push-Backs auf der Balkanroute; Flüchtlingsboote, die von der griechischen Küstenwache zurück in türkische Gewässer gezerrt werden" - und zuletzt habe die EU nach dem Brand des Lagers Moria auch noch die Aufnahme von 12.000 obdachlosen Flüchtlingen verweigert. […..]

(GFP, 24.09.20)

[….] Der jüngste Vorschlag der EU-Kommission zur Flüchtlingspolitik fällt ziemlich exakt so aus, wie man erwarten konnte. Sie setzt mehr denn je auf Abschottung und Abschiebung. […..] Das Paket ist humanitär so desaströs, wie es praktisch zweifelhaft ist. Denn ob die „Grenzverfahren“durchführbar sein werden, ist offen. […..]  Letztlich geht es um ein Signal an Menschen in Afghanistan oder Syrien: Bleibt, wo ihr seid! [….]

(Markus Decker, RND, 24.09.20)

[…..] Das Jahr 2020 musste schon bis jetzt als weiterer Tiefpunkt in der europäischen Geschichte bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten und des Flüchtlingsschutzes gesehen werden:  Schüsse an der griechisch-türkischen Grenze; die zeitweise Aussetzung des Asylrechts in Griechenland; gewalttätige Push-Backs auf der Balkanroute; Flüchtlingsboote, die von der griechischen Küstenwache zurück in türkische Gewässer gezerrt werden – und schließlich der Brand von Moria und die unwürdige Verweigerung der Aufnahme von 12.000 Menschen, die alles verloren haben, in einer Union mit einer Bevölkerungszahl von 446 Millionen Menschen. […..] Die EU-Kommission will mit ihren Plänen de facto ein Zwei-Klassen-Asylsystem einführen: Die einen bekommen ein Schnellverfahren an der Grenze, die anderen ein reguläres Asylverfahren. […..] Das Ziel dieses Verfahrens ist es, schnell abzulehnen und dann schnell abzuschieben. Grenzverfahren sind aber keine fairen Asylverfahren, denn sie ermöglichen keine gründliche Prüfung der Asylanträge – hier ist auch explizit ein »beschleunigtes Verfahren« für die inhaltliche Prüfung vorgesehen. […..]

Abschiebungen, Abschiebungen, Abschiebungen…

…das scheint mittlerweile der einzige gemeinsame Nenner in der europäischen Flüchtlingspolitik zu sein, weshalb die EU-Kommission auch einen solchen Fokus auf diesen Themenbereich legt. Schon jetzt sind viele Abschiebungen »europäisch« und werden von Frontex, der europäischen Grenzschutzagentur, durchgeführt oder Kosten werden von Frontex erstattet (vgl. BT-Drs. 19/18201).

Jetzt schlägt die EU-Kommission noch die Einführung eines europäischen »Abschiebe-Koordinators« vor. Besonders absurd: Mitgliedstaaten, die sich weigern Schutzsuchende aufzunehmen, sollen dies über »Abschiebe-Patenschaften« ausgleichen können und andere Staaten bei Abschiebungen unterstützen. Zukünftig darf also z.B. Ungarn unter Ministerpräsident Orbán sich um Abschiebungen kümmern, um möglichst keine Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. […..]

 (Pro Asyl, 23.09.2020)

Mit der homophoben Freundin der antidemokratischen Diktatorin von der Leyen wird jede Menschlichkeit der EU abgeschafft.

[.....]   Der neue EU-Migrationspakt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übernimmt rechtswidrige Elemente der berüchtigten ungarischen Flüchtlingsabwehr und wird von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert. Dem Pakt zufolge sollen Flüchtlinge, die aus Staaten mit geringer Asylanerkennungsquote kommen, in Lagern interniert werden. Die Haftdauer kann sich offiziell auf ein halbes Jahr addieren. Lager dieser Art ("Transitlager") hatte zuvor Ungarn errichtet, im Frühjahr aber ankündigen müssen, sie umgehend zu schließen, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die ungarische Internierungspraxis für illegal erklärt hatte. Die EU hat mit dem Bau entsprechender Lager bereits begonnen; eines ist auf der griechischen Insel Samos in Arbeit, ein weiteres soll auf Lesbos entstehen. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen üben scharfe Kritik; von einem "teuflischen Pakt der Entrechtung" ist die Rede. Unterdessen schaffen die westlichen Mächte neue Fluchtursachen: Brutale Sanktionen hungern die Bevölkerung Syriens aus. [.......]

(GFP, 24.09.20)

Mittwoch, 23. September 2020

Und noch einmal CDU-Sexismus in Reinkultur.

Der schreibende Nazi-Mob wettert in Blogs und sozialen Medien gegen alle, die nicht genauso denken wie sie selbst und nicht genauso aussehen wie sie selbst.

Diese Leute, die David Bergers, NeverforgetNikis, Jürgen Elsässers, Hildmans, Kubischecks, Stürzenbergers, van Laacks, Lengsfelds verfügen über einen unendlichen Vorrat von Hass und Häme.

Die Hetze sprudelt jeden Tag wieder neu aus ihnen heraus und jeder kann ein Opfer dessen werden. Insbesondere auch diejenigen, mit denen sie eben noch Seite an Seite standen.

Die Hetzte trifft aber nicht jeden gleich intensiv. Sie haben eine Handvoll „Lieblinge“, die sie über alle Maßen triggern, wenn nämlich viele verschiedene Trigger in einer Person vereint sind.

Zu dem Personen, deren Namen nur erwähnt werden muss, um diese rechtsextremen Hetzer pawlowsch zu sabbern und knurren zu bringen gehören George Soros (reich, liberal, Jude, Trump-Gegner, Philanthrop), Claudia Roth (Grün, Frau, bunte Kleidung, LGBTI-freundlich, Menschenrechtsaktivistin), Sawan Chebli (SPD, Frau, Muslima, ärmliche Herkunft, Aufsteigerin), Anetta Kahane (Jüdin, links, Aktivistin, Einsatz für Migranten) und Greta Thunberg (jung, Frau, unangepasst, Klima).

Es sind also insbesondere Frauen, auf die neben den wirklich gefährlichen oben genannten Hetzern auch die bekannten publizistischen Figuren des rechten Randes der Demokratie, also Maaßen, Tichy, Matussek, Broder, Sarrazin, losgehen wie ein Knallfrosch im Nitroglycerin-Bad.

Das lässt sich zweifellos psychologisch mit einer tief verunsicherten Männlichkeit erklären; diese alten konservativen Männer fühlen sich bedroht, wenn eine Frau sich nicht gehorsam in die zweite Reihe einordnet, womöglich aus eigener Kraft gegen Widerstände Karriere macht und auch noch selbstbewußt auftritt.

(…..)  Sawsan Chebli, 40, geboren in Berlin, ist dafür ein Paradebeispiel.

Sie ist Tochter palästinensischer Flüchtlinge, die lange Zeit in Deutschland nur geduldet wurden und sich als Staatenlose vieler Rechte beraubt durchschlugen. Erst mit 15 Jahren bekam Chebli ihren ersten Pass – und damit die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit zehn Geschwistern hauste sie in einem Moabiter Zimmer; insgesamt waren sie 12 arme, ungebildete Kinder. Erst in der Schule hörte sie das erste mal deutsch. Die Chancen standen katastrophal schlecht.

Aber sie ist schlau.

 Was dann folgte ist nicht das typische Flüchtlingsschicksal:


1999 Abitur am Lessing-Gymnasium.

2004 Abschluss an der FU Berlin als Diplom-Politologin und Expertin für internationale Beziehungen.

2010 bis 2014 war sie Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport

2014 bis 2016 stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts.

2016 ist sie Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund.

2016 Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales.

Man ahnt schon, Chebli passt nicht gut in Schubladen. Sie ist überzeugte Muslimin, aber säkular, trägt kein Kopftuch, macht Karriere als deutsche Beamtin. Sie engagiert sich in der SPD, tritt für Frauenrechte ein, hält aber ihr Privatleben radikal aus der Öffentlichkeit fern.

Im Vergleich zu vor Selbstbewußtsein platzenden Politikern des Schlages Spahn, Söder oder Altmaier ist sie scheu und unauffällig.

Aber im Gegensatz zu vielen deutschen Karrierepolitikerinnen ist sie nicht auf den Mund gefallen, vertritt ihre Meinungen auch dort wo es wehtut und inszeniert ganz gern mal ihren Erfolg.

Meiner Ansicht nach ist es das Normalste der Welt, daß eine Frau mit dem Hintergrund zwischen Zurückhaltung und Vorlautheit mäandert.

Ihre Kollegen sehen das scheinbar nicht so; sie wird leidenschaftlich gehasst dafür, daß man sie so schlecht einordnen kann.

[….] Viele ehemalige Kollegen verdrehen bei Erwähnung ihres Namens mindestens die Augen. Chebli erregt Misstrauen, Abneigung, Wut, Neid. Als sie vor eineinhalb Jahren als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement ins Berliner Rote Rathaus wechselte, gingen bei ihr Morddrohungen ein. Im Netz wurde sie als "trojanisches Pferd der Muslimbrüder" bezeichnet und als "Migranten-Aschenputtel" beschimpft. [….]

(DER SPIEGEL, 13.07.2018)

Zu allem Übel ist die zierliche Staatssekretärin auch noch attraktiv und zieht sich gern sehr schick an.

Weißhaarige Alpha-Männer mit Testosteronüberschuss verwirrt das. Sowas kennt Seehofer nicht aus Bayern. (…….)

(Gutmenschenmob, 22.10.2018)

Derzeit wird Chebli einem starken Shitstorm ausgesetzt, weil sie wieder einmal etwas tat, was „sich für eine kleine, junge Frau aus der Unterschicht nicht gehört“.

Ihr Chef, der notorisch erfolglose und Charisma-freie Berliner Bürgermeister Müller, der es vermochte nach 20 Jahren unangefochtener SPD-Herrschaft in Berlin seine Partei auf Platz vier zu drücken, hat keinen Bock mehr auf den Stress und verkündete 2021 in den Bundestag wechseln zu wollen.

Da er in seinem Heimat-Wahlkreis Berlin-Tempelhof-Schöneberg aber keine Chance gegen Kevin Kühnert hat, beschloss er kurzerhand sich in Charlottenburg-Wilmersdorf aufstellen zu lassen. Per order die mufti.

Das ist aber der Heimat-Kreisverband Cheblis; sie möchte dort selbst gern für den Bundestag kandidieren und keineswegs kampflos Müller den Platz überlassen, nur weil er weiß, älter, ein Mann und ihr Chef ist.

Sie fordert eine Kampfabstimmung der SPD-Basis um den Kandidatenplatz und wird sie auch bekommen.

Wieder ist Chebli also „die Aufmüpfige“, die nicht devot in die zweite Reihe tritt und dem Mann den Vortritt lässt.

Das braun-konservative Weltbild einiger Berliner Publizisten geriet dadurch in so schwere Schwingungen, daß folgender Satz in „Tichys Einblick“ über die Staatssekretärin geschrieben wurde:

   "Was spricht für Sawsan? Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können in der Spezialdemokratischen Partei der alten Männer."

(TE, 22.09.2020)

Ab hier bekam die Geschichte einen besonderen Twist; denn ausgerechnet die CSU-Staatssekretärin im Bund Dorothee Bär las dieses Zitat und entgegnete "Das ist widerlicher Dreck! Wo steht denn so ein Müll?", offensichtlich nichtahnend, daß a) der „widerliche Dreck“ von Roland Tichy stammt und b) eben dieser Tichy auch Vorsitzender der Ludwig-Ehrhard-Stiftung ist, in der auch Bär selbst aktiv ist.

Da sich die konservative CSU-Frau nun aber öffentlich so weit aus dem Fenster gelehnt hatte, blieb ihr nur übrig konsequent zu sein: Sie verkündete ihre Mitarbeit in der LES zu beenden. 

[…..] Die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär (CSU), hat ihre Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung aus Protest gegen deren Vorsitzenden Roland Tichy beendet. "Grund für diese Entscheidung ist eine Publikation in dem Magazin Tichys Einblick, die frauenverachtende und in höchstem Ausmaß sexistische Äußerungen gegenüber meiner Kollegin Sawsan Chebli enthält", sagte Bär dem Handelsblatt. […..] "Derartige Ausfälle sind unerträglich und mit den Zielen der Stiftung absolut unvereinbar", sagte Bär, Ludwig Erhards Ansinnen wäre heute sicher nicht die Herabwürdigung von Frauen, sondern das Fördern weiblicher Karrieren. "Sofern die Stiftung einen Vorsitzenden hat, unter dessen Federführung solche Texte veröffentlicht werden, kann und will ich sie nicht weiter unterstützen. Es zeigt eine gesellschaftspolitische Geisteshaltung, die ich nicht akzeptiere." […..]

(ZEIT, 23.09.20

Die 1967 gegründete erzkonservative LE-Stiftung soll gemäß Satzung „der Fortentwicklung und Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft“ dienen und verschreibt sich der Aufgabe „freiheitliche Grundsätze in Politik und Wirtschaft durch staatsbürgerliche Erziehungs- und Bildungsarbeit im In- und Ausland sowie durch wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Wirtschaft und Ordnungspolitik“ zu fördern. Ihr gehören 75 Mitglieder an.

Damit richtet sich nun aber der Fokus auf die weiteren Angehörigen der Stiftung.

 


Wie halten sie es eigentlich mit ihrem Chef und Vorsitzenden Roland Tichy, der im Namen der Stiftung gegen Klimaschutz wettert und in seinem Blatt über den „G-Punkt“ von SPD-Politikerinnen mit Migrationshintergrund orakeln lässt.

Selbstverständlich gehört auch Multifunktionär Friedrich Merz, der selbst mit multiplen Shitstorms kämpft  zur Ludwig-Erhard-Stiftung.

Es wäre eine Gelegenheit von seinen eigenen schwulenfeindlichen Sprüchen abzulenken. Aber der Mann ist nicht lernfähig.

Einer der Merzschen Helden, Donald Rumsfeld, dem damals die CDU-Größen Merkel, Schäuble, Merz und Pflüger begeistert in den Irak-Krieg folgen wollten, sagte im Jahr 2002 an die Adresse der Kriegsgegner „Wenn du in einem Loch sitzt, solltest du aufhören zu graben“.

Friedrich Merz nimmt sich den Ratschlag allerdings nicht zu Herzen und gräbt sich nach seiner schwulenfeindlichen Attacke tiefer in sein Loch der Uneinsichtigkeit.

Obwohl man ihm bundesweit erklärte, wie diskriminierend, missachtend, falsch und ungehörig seine gedankliche Verknüpfung von Homosexualität und Pädophilie ist, gibt sich der renitente Multimillionär absolut beratungsresistent und unterstreicht tags darauf noch einmal explizit diesen angeblichen Zusammenhang.

[…..] Merz sagte der “Welt” weiter: “Die Toleranzgrenze ist immer überschritten, wenn Kinder betroffen sind, und da haben wir nun genug abscheuliche Dinge gesehen in letzter Zeit.” Das werde er auch in Zukunft so sagen, “selbst wenn es offenbar dem einen oder anderen nicht gefällt”. [….]

(RND, 22.09.2020)

Das ist schon interessant; der Mann, der so gern Kanzler werden will ist nicht nur ganz offensichtlich intellektuell nicht in der Lage seinen Irrtum zu bemerken, sondern ihn verlassen auch alle politischen Instinkte. Selbst wenn er anderer Meinung ist, sollte er doch erkennen sich total verrannt zu haben, weil ihm niemand, auch nicht aus seinem engsten Umkreis beispringt. Kein CDUler will ihn noch verteidigen.

[…..] Friedrich Merz hat sich „verplappert“. Okay, das kann passieren. Zumal, wenn man zu verbaler Inkontinenz neigt, die Worte einem mitunter unkontrolliert entgleiten. Doch statt sich zu entschuldigen, behauptet er jetzt in der „Welt“, da sei etwas „bösartig konstruiert“worden. Um dann nochmals sein eigentliches Motiv zu unterstreichen: „Die Toleranzgrenze ist immer überschritten, wenn Kinder betroffen sind, und da haben wir nun genug abscheuliche Dinge gesehen in letzter Zeit.“ Was es fast noch schlimmer macht. Denn wieder konstruiert er diese merkwürdige Assoziation zwischen Homosexualität und Pädophilie. Und profiliert sich darüber hinaus als selbstloser Tugendwächter, dem es doch nur um das Wohl der Kinder geht. Damit begibt sich Merz in schlechteste Gesellschaft: Donald Trump hatte Hillary Clinton unterstellt, als Mitglied einer „Pizza-Connection“einem Pädophilenring anzugehören. […..][…..]

(H. Stutte, Mopo.de, 23.09.2020)

Von diesem Merz kann man nicht erwarten, daß er den Tichy-Affront begreift und sich aus Solidarität mit Chebli ebenfalls aus der LES zurückzieht.

Gut so; dann erkennt auch der Begriffsstutzige woran er bei Merz ist.