Donnerstag, 19. Juli 2018

Heimatvertriebene sind Menschen


Es kommen verglichen zu 2015/2016, verglichen zu den 1990er Jahren, verglichen zu den 1960er Jahren, verglichen zu 1945/1946 kaum noch Migranten nach Deutschland.


Daß CSU und “besorgte Bürger” zum Wohle der AfD mit dieser Thematik Presse und Stimmung überfluten, hat keine Entsprechung in der Realität, sondern entspringt ihrer ureigenen Bösartigkeit.

Die Partei, die das christliche „C“ als Monstranz vor sich trägt, sieht in den aus verschiedensten Gründen Heimatvertriebenen keine menschlichen Wesen mit Rechten, sondern moderne Arbeitssklaven, die man demütigen, drangsalieren, ausbeuten und herumschieben kann.
Die wenigen, die sie großzügig bereit zu akzeptieren sind, sollen arbeiten – und zwar für 80 Cent pro Stunde, maximal 6,40 EURO LOHN AM TAG. Nach dem Willen der bayerischen Staatsregierung ist das genug.

[….] Bayerns Integrationsminister Joachim Herrmann (CSU) will durch 80-Cent-Jobs bislang zur Untätigkeit verdammte Flüchtlinge von der Straße holen - nicht zuletzt aus sicherheitspolitischen Überlegungen. [….]  3000 solcher Stellen werden seit Jahren angeboten - viele in den Asylunterkünften selbst. [….] Gesetzlich geregelt sind die Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge neben der Durchführungsverordnung Asyl hauptsächlich im Asylbewerberleistungsgesetz (Paragraf 5). So auch die Bezahlung: 80 Cent pro Stunde, sofern der Leistungsberechtigte "nicht im Einzelfall höhere notwendige Aufwendungen nachweist", die ihm bei der Arbeit entstehen. Ihr Pendant findet diese Regelung im Sozialbuch II - die Empfänger von Hartz-IV-Leistungen betreffend. Hier liegt die Aufwandsentschädigung derzeit zwischen einem und zwei Euro.
[….] Im Juni 2016 hatte die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) [die zutiefst überzeugte Katholikin, die nach eigenen Angaben wegen Jesus in die SPD eintrat –T.] die finanzielle Abstufung bei Flüchtlingen damit begründet, dass die meisten Asylbewerber in Aufnahmeeinrichtungen eingesetzt würden - etwa indem sie Gemeinschaftsräume reinigen. […..]

Obwohl gerade in München dringend Arbeitskräfte gebraucht werden („Busfahrer verzweifelt gesucht“) und staatseigene Betriebe gezielt um Flüchtlinge werben, sind Migranten für Seehofer, Söder, Scheuer und Dobrindt bloß nichtmenschliches PR-Material, um die ultrarechte Wählerbasis zu stärken.


[….] Eigentlich muss man Horst Seehofer dankbar sein. Denn mit seinem zynischen Spruch über die 69 Abgeschobenen zu seinem 69. Geburtstag hat er den Fokus wieder auf das gelegt, worum es bei Flüchtlingspolitik gehen sollte: die Menschen. Es ist nämlich mitnichten so, dass in diesem Flugzeug vor allem Gefährder und Straftäter saßen. Mindestens 50 der 69 Abgeschobenen haben sich nichts zuschulden kommen lassen.
Etwa die vier Schüler der Berufsschule Illertissen in Bayern. Alle sollen freundliche, zielstrebige Schüler gewesen sein. Zwei von ihnen hatten schon einen Ausbildungsplatz. Oder der 26-Jährige aus Weiden, der gut deutsch sprach, Wohnung und Job hatte. Oder Alayah, den eine Münchner Zimmerei gerne als Lehrling genommen hätte. […..]

Horst Seehofers BAMF hingegen sieht das anders und identifizierte gerade erst wieder eine besonders gefährliche Gefährderin, die sofort ohne ihre Familie verschwinden soll: Eine Frau soll binnen 30 Tagen, bis zum 11.08.2018 nach Nigeria ausreisen und wird anderenfalls sofort allein abgeschoben.
Diese gefährliche Person ist übrigens noch jung, eine sogar sehr junge Frau. Sie ist drei Jahre alt.

[….] Geht es nach dem Willen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), so soll ein in Bad Abbach lebendes dreijähriges Mädchen baldmöglichst ausreisen. Zumindest erwecken die ersten drei Seiten eines Bamf-Entscheids diesen Eindruck. Per Bescheid vom 11. Juli wurde das Kind aufgefordert, "die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen".
Während nach Angaben örtlicher Asylhelfer sowohl der Mutter des Mädchens als auch ihrer vierjährigen Schwester für ein Jahr ein Bleiberecht eingeräumt wurde, hieß es im Fall der Dreijährigen: "Sollte die Antragstellerin die Ausreisefrist nicht einhalten, wird sie nach Nigeria abgeschoben." [….]

Vermutlich ist die vierjährige Schwester einfach schon reifer und nicht mehr ganz so gemeingefährlich wie die Jüngere?

[….]  Die Familie muss im Zentrum stehen. Familien sind der kostbarste Schatz unserer Gesellschaft. Sie verdienen unsere ganze Anerkennung und Unterstützung. Wir wollen eine familiengerechte und kindergerechte Gesellschaft gestalten. Der Staat sollte Familien mit Zutrauen begegnen und nicht mit Misstrauen. Jede Familie soll frei wählen können, für welchen Lebensplan sie sich entscheidet. [….]   Horst Seehofer: „Es war so und wird so bleiben bei der CSU, dass wir Ehe und Familie besonders fördern und unterstützen.“ [….]

Offensichtlich vergaß die CSU an dieser Stelle zu erwähnen, daß der Begriff „Familie“ nur für Weiße und Deutsche gilt.
Und Christen.

[….]  Feste Werte – Wofür wir stehen
Das C: Vom christlichen Menschenbild zum Leben in Würde, Freiheit und Verantwortung
Das C in unserer Partei steht für die christliche Werteorientierung. Unsere Grundwerte leiten sich aus dem christlichen Menschenbild ab. Auf Basis dieser Werte gestalten wir eine Ordnung, die ein Leben in Würde, Freiheit und Verantwortung ermöglicht. Im Zentrum unseres Denkens steht kein abstrakter Gesellschaftsentwurf. Bei uns ist der Mensch im Mittelpunkt, mit seiner unantastbaren Würde, seiner Freiheit und seiner Verantwortung. [….]

Damit appelliert die CSU  an die niedersten Instinkte der Menschen, an ihren „Fernstenhass“.

[…..] "Nächstenliebe ist kein origineller christlicher Wert, sondern eine biologische Notwendigkeit, denn die Evolution hat uns Menschen zu herausragenden 'Teamplayern' gemacht. Die ethischen Probleme der Menschheit resultieren daher auch nicht aus einem Mangel an Nächstenliebe, sondern aus einem Überschuss an Fremdenhass. Tatsächlich ist die Menschheitsgeschichte seit jeher von einem brandgefährlichen 'moralischen Dualismus' geprägt, nämlich der Unterscheidung zwischen den 'guten' Mitgliedern der eigenen Gruppe, denen man mit Liebe und Respekt begegnen sollte, und den 'bösen' Repräsentanten fremder Gruppen, die man notfalls ausrotten müsse." [……]

Damit brachte Schmidt-Salomon das ist schön Worte, was ich schon lange Zeit als „Wir sind besser als die“-Kernideologie der Christen bezeichne, die es zu überwinden gilt.
Glücklicherweise sind wir in Hamburg einen kleinen Schritt weiter, haben die C-Parteien aus der Regierung geworfen und betreiben eine etwas realistischere Politik, die sogar Personen mit dunkler Hautfarbe menschliche Rechte einräumt. In Bayern möglicherweise schwer vorstellbar, aber möglich.

[….] Flüchtlinge in Hamburg
 [….] Ismaila Barjo steht am Küchentresen und guckt konzentriert auf sein Schneidebrett. Lange, zartrosa Stücke liegen dort. „Geflügel-Fleischwurst“, sagt der 19-Jährige und legt die Streifen gewissenhaft nebeneinander. [….] „Vom 1. August an bin ich ein echter Lehrling, darauf freue ich mich sehr.“
[….] Seine zweijährige Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe wird er in der Großküche der Firma Kreative Gemeinschaftsverpflegung an der Landwehr machen. „Ismaila haben wir schon als Praktikanten kennengelernt, er passt zu uns“, sagt Betriebsleiter Torsten Fröhling. Der Küchenmeister, [….] hat Erfahrung mit der Ausbildung von Geflüchteten. „Wir müssen uns ein bisschen mehr um sie kümmern, Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede berücksichtigen. Aber wer bei uns im Betrieb landet, der hat Ambitionen und will etwas leisten.“ [….] Neben dem Afrikaner bearbeitet Mahdi Housseini am Tresen ebenfalls lange Fleischwurststreifen. Er stammt aus Herat in Afghanistan, lebte mit Eltern und Geschwistern im Iran und kam vor drei Jahren über die Balkanroute allein nach Hamburg. „Ich möchte einmal ein eigenes Restaurant führen“, sagt der 19-Jährige. [….] Auch Friederike Friedrich vom Hamburger Institut für Berufliche Bildung lobt die beiden Jungs. „Die Jugendlichen an unserer Schule sind hoch motiviert, sie sind loyal, leistungsbereit und sehr gute Teamplayer“, sagt die Abteilungsleiterin Fachkräfte im Gastgewerbe. „Oft befinden sich die Schüler durch ihre Fluchtgeschichte in schwierigen Lebenslagen und brauchen Hilfestellung im sozialen Bereich.“ Deshalb hilft die Initiative KoALA (Kooperation Arbeiten, Lernen und Ausbildung) Pro den Azubis in der Großküche. [….]

Mittwoch, 18. Juli 2018

Niedertracht war gestern.


Wenn Dutzende hochrangige Geheimdienstleute und Militärs dem eigenen Präsidenten Verrat vorwerfen, wie das gestern geschah, ist das keine Kleinigkeit.
Trump ruderte anschließend zurück, erwies sich aber einmal mehr als echter Trump, indem er wieder ein doubling-down draufsetze.
Seine Ausrede war ohnehin offensichtlich gelogen, aber zudem verpatze er den Auftritt so gründlich, daß die Welt erneut vor dem Problem steht Worte zu finden.
Wie soll man diesen Abgrund der Dummheit und Dreistigkeit noch verbalisieren?
Begriffe, die über Jahrhunderte die schärfsten Waffen waren – Niedertracht, Lüge, Verrat – sind im Jahr Zwei der Präsidentschaft Trumps nur noch matte Euphemismen.
Irgendwann gestanden wir uns ein, George W. Bush gar nicht mehr so sehr zu hassen, sahen ihn im milderen Licht. Naja, er hatte ein paar hundert mal gelogen, um einen Krieg zu beginnen, versprach sich ständig und riss die Welt in eine Megafinanzkrise. Aber hatte er nicht immerhin auch Selbstironie bei den WH Correspondents Dinners gezeigt? War er nicht in all seiner Blödheit auch tolerant gegenüber anderen Rassen, ließ die Presse berichten? Und war es nicht irgendwie sogar ganz elegant, wie er Jahre nach der Irak-Invasion in Bagdad bei einer Pressekonferenz am Rednerpult geschickt den Schuhen auswich, die die Iraker nach ihm warfen?
Inzwischen erscheint mir GWB geradezu wie eine Lichtgestalt, ein Meister der Eloquenz und Verlässlichkeit.
Trump ist nicht nur dümmer, dreister und ungebildeter als GWB, sondern er stellt eine ganz neue Ära der Schlechtigkeit dar.

[…..] Donald Trumps dreiste Russland-Ausrede: Zu dumm zum Lügen
[…..] Immer wenn man glaubt, dieser Mann könne nicht noch tiefer sinken, beweist Donald Trump das Gegenteil. Dabei schien der peinliche Auftritt des US-Präsidenten neben seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Helsinki kaum unterbietbar: […..][…..]
Die Empörung folgte prompt: Der US-Präsident glaubt nicht den eigenen Leuten, sondern eher dem Mann, der die russischen Manipulationsversuche befohlen hat? Landesverrat auf offener Bühne, begangen vom Staatsoberhaupt persönlich. […..]
 Doch fast noch schlimmer ist Trumps Versuch, diesen politischen Totalausfall ungeschehen zu machen. Offenbar unter dem großen Druck der aufgebrachten Öffentlichkeit, in begründeter Sorge um Massenkündigungen bei den amerikanischen Sicherheitsbehörden und augenscheinlich genötigt von seinen Beratern verlas Trump eine Erklärung, in der er sich von den eigenen Worten distanzierte. Er habe sich in Helsinki versprochen. Sagen wollen habe er: "Ich sehe keinen Grund, warum Russland es nicht gewesen sein sollte."
Das ist in ihrer ganzen Offensichtlichkeit die dreisteste und dümmste Lüge, die Trump in seiner bisherigen Amtszeit verbreitet hat. Schon allein die Art und Weise seines Vortrags verriet ihn: Wie mit vorgehaltener Pistole las Trump sichtlich widerwillig vom Papier ab, er akzeptiere die Schlussfolgerungen der amerikanischen Geheimdienste. Und schob dann improvisierend eine Einschränkung nach, die das eben Gesagte sofort wieder ins Gegenteil verkehrte: "Könnten auch andere Leute gewesen sein, es gibt eine Menge Leute."
Nicht nur ist Donald Trump unfähig, dem russischen Präsidenten gegenüber klar Stellung zu beziehen. Nicht nur ist er außerstande, seinen eigenen Beamten das Vertrauen auszusprechen. Nein, er hält offensichtlich seine Wähler und die gesamte Weltöffentlichkeit für so dumm, dass sie ihm eine Ausrede abnehmen, mit der sich nicht einmal ein Grundschüler vor seinen Hausaufgaben drücken könnte. Und schafft es noch nicht einmal, diese dünne Ausrede vom Papier abzulesen, ohne sie durch haltloses Geplapper sofort zu zerstören. [….]





Es bleibt zwar beim amerikanischen Polit-Stillstand aus paralysierter Opposition, bissiger Presse, enablender GOP und weiter euphorisch zu ihm haltender Wählerbasis. Aber das Theater ist so absurd geworden, daß ich mich immer wieder auf dem humoresken Aspekt der Trumppräsidentschaft konzentrieren muß, um nicht verrückt zu werden.

Sehr lustig zum Beispiel der sonst immer eher übertrieben pathetische Chris Cuomo, der für CNN im fact-check Trump der erneuten Lüge überführte und im Nebensatz erklärte die von einer Kamera eingefangene handschriftliche Trump-Notiz („was no colusion“) sei deswegen mit Sicherheit authentisch, weil Trump selbst diesen seit anderthalb Jahren täglich wiederholten Halbsatz falsch schrieb – nämlich mit einem „l“ zu wenig.

"and you know it's authentic because he misspelled collusion and that is something he does, he misspells words."


Willkommen im Amerika des #45 – man erkennt die Regierung an ihrer Unfähigkeit. Trump kann kaum lesen und schreiben, aber immerhin es gibt eine Person, die noch verblödeter und ungebildeter ist, eine, die gar keinen Satz fehlerfrei schreiben kann. Betsy de Vos. Klar, daß Trump sie zur Bildungsministerin ernannte.

Unser bajuwarischer Hobby-Trump, Markus Söder, über dessen Frisur ich mich wundere – sollte der nicht auf der Birne den gleichen Mob wie Wilders, Johnson und Trump tragen? – zeigt ebenfalls diese neuen Dimensionen der Schlechtigkeit.
Der Bonsai-Weltenlenker hatte die letzten zehn Jahre seines politischen Lebens mit radikaler Destruktivität verbracht. Alles ordnete er seinen persönlichen Interessen unter, widmete all seine Energie dem Vorhaben Horst Seehofer wegzumobben, um dessen Posten zu bekommen.
Kaum war Söder endlich Ministerpräsident griff er wie sein oranges Vorbild im fernen Washington zu neoroesken Nukes, riskierte bereitwillig die 70-jährige Partnerschaft zur CDU, die Kanzlerschaft Merkels, die eigene Bundesregierung und mittelbar auch die EU. Die ganze Welt hätte er in die Luft gesprengt, um MP zu bleiben. Moral und Anstand hatte er längst über Bord geworfen, perfide gegen Minderheit und Menschen in Not gehetzt, aber er scheute auch nicht davor zurück seinen Bayern schwersten Schaden zuzufügen, indem er das Tafelsilber als CSU-Wahlgeschenk verprasste. Seinen ehemaligen Hauptwidersacher Seehofer, der weidwund in Berlin debakulierte, trieb er zu immer neuen und härteren Hassattacken.
Söders gesammelte Niedertracht blieb nicht ohne Ergebnisse.
Die Umfrageinstitute sind sich einig: Die AfD ist gestärkt, die CSU steht so mies da wie noch nie.


Das Landtagswahlergebnis könnte so schlecht ausgehen, daß es noch nicht mal mehr zu Schwarzgelb reicht.

Ähnlich wie Trump versucht sich Söder nun in Schadensbegrenzung, indem er mit maximaler Unehrlichkeit und Niedertracht die Verantwortung für das Desaster Horst Seehofer zuschiebt. Dem Mann, den er erst nach Berlin wegmobbte und dann zu dem radikalen AfD-Kurs antrieb. Ungeniert nun der 180°-Donald auf glattem Eis. Der böse Horst war’s.

[…..] Nach dem Streit mit Angela Merkel rutscht die CSU in den Umfragen ab. Bayerns Ministerpräsident Söder versucht es nun in der Rolle des landesväterlichen Mahners - und setzt sich von Parteichef Seehofer ab.
Das jüngste Alarmsignal kommt vom Bayerischen Rundfunk. Der "BayernTrend", erhoben für das Politikmagazin "Kontrovers" weist historisch schlechte Werte für die CSU aus: 38 Prozent im Freistaat, noch unter den Ergebnissen der Bundestagswahl, ein Rückgang von drei Prozentpunkten gegenüber dem Mai 2018.
Demnach profitieren vor allem die Grünen vom Einbruch der CSU, die AfD liegt bei 12 Prozent. Nur noch 31 Prozent der Befragten sehen die CSU-Alleinregierung positiv, die meisten wünschen sich eine Koalitionsregierung. […..]
Für alle, die es noch nicht gemerkt haben: Söder gibt seit kurzem den Mahner und Gemäßigten. Er wirbt für Sachlichkeit, mahnt bessere Umgangsformen in der Politik an und erlegt sich rhetorische Mäßigung auf.
[…..]  Der gelernte Fernsehjournalist weiß um die Wirkung jedes Wortes und jedes Halbsatzes. Da er bislang eher die Abteilung Attacke bediente, muss er nun darauf hinwirken, dass ihm der Wähler die neue softe Linie auch abnimmt. […..] Nun bauen die CSU-Wahlkämpfer in Bayern darauf, dass sich das leidige Thema Asyl irgendwie ausmendelt. Am Mittwoch forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die CSU auf, das Thema Flüchtlinge nicht mehr so ins Zentrum zu rücken und sich wieder stärker anderen Themen zu widmen. "Wir müssen die Sachthemen in den Vordergrund stellen." [….]

Dienstag, 17. Juli 2018

Tut sich etwa doch noch was?


Gestern Abend als ich den Blogartikel über Trumps Helsinki-Auftritt verfasste, war ich mir einer Sache sicher, die schon seit zwei Jahren wie ein ehernes Gesetz gilt:
Nichts und niemand kann Trump-Anhänger dazu bringen sich von ihm abzuwenden.
Er ist als 3.000-facher Lügner überführt, preist Päderasten, kann seine zentralen Versprechen nicht einhalten, ist als Rassist und sexuell Übergriffiger überführt. Er ist faul, dumm, ruiniert das Ansehen Amerikas in der Welt und bereichert sich ungeniert. Er setzt auf eine nepotistische Dilettantentruppe, macht das Amt lächerlich und verprasst in nie dagewesenem Ausmaß „taxpayers money“ für seine Privatvergnügungen.
Zu den Dingen, die ich Trump tatsächlich glaubte, gehörte seine Prahlerei er könne jemand auf der 5th Ave in den Kopf schießen und würde dennoch von seinen Fans gefeiert.


Helsinki schien den Trumpismus zu bestätigen: Desaströse Außenpolitik, Zerstörung der Beziehungen zu den engsten Alliierten, ungeniertes Ranrobben an Diktatoren und anschließend Lob einheimsen bei FOX, während die Demokraten sich empören und die Republikaner devot den Mund halten.
Sofern Trump nicht über Nacht schwarze Hautfarbe bekäme, würden sie immer zu ihm halten.

Ich glaube auch immer noch nicht an ein Impeachment.
Die GOP von heute ist nicht mehr die Partei Nixons – knochenkonservativ, aber mit durchaus auch anständigen Personen besetzt, die sich ernsthaft darum bemühen ihrem Land zu dienen.
Diese Partei gibt es nicht mehr.
Über ein moralisches Rückgrat verfügt niemand mehr.
Nach zehn Jahren Teebeutel-Unterwanderung sind die Konservativen von Leuten ersetzt worden, die in erster Linie Vollidioten sind – und nebenher konservativ.
Außer denen, die ohnehin wie McCain dem Tode nahe sind oder wie Flake und Ryan bereits ihren endgültigen Ausstieg aus der aktiven Politik verkündet haben, traute sich niemand Trump direkt unter Nennung seines Namens anzugreifen.


Die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner Sarah Palin sitzt nicht in der Gummizelle, in die sie gehört, sondern ist immer noch eine politische Ikone.
Als Trump Putin seine größten Wünsche auf einem Silberteller präsentierte – Spaltung des Westens, Schwächung der NATO, diplomatische Aufwertung Russlands – stützte Palin angeblich den potus.

[…..] But Trump has his supporters in the United States including well-known American quarter-wit Sarah Palin.
In an interview with right-wing One America News Network (OANN,) Palin joined Trump in bashing NATO.
“America is spending too much money defending a bunch of elitist Europeans, who look down their noses at us,” said Palin. “What has NATO ever done for us? Where were they in World War II, when America defeated the Nazis.”
Palin fails to understand that NATO was created after World War II to deter potential Russian aggression in Western Europe. [….]

BS-News als Quelle? In diesem Fall handelt es sich zwar um Satire, aber bezeichnenderweise kann man die radikalste Satire gar nicht mehr von der Trump-Realität unterscheiden.
Hätte der US-Präsident die fehlende Solidarität der NATO im Kampf gegen Hitler beklagt, würde das inzwischen niemand mehr für einen Scherz halten.
Trump gibt tagtäglich derartig hanebüchene Sprüche von sich, daß man ihm buchstäblich alles zutrauen muss.

Deswegen waren die ersten europäischen Reaktionen auf das Trump-Putin-Treffen auch voller Erleichterung. Trump hat nicht die Sanktionen gegen Russland aufgehoben, er ist nicht aus der NATO ausgetreten oder kündigte an den §5 zu ignorieren.
All das war durchaus vorstellbar bei Trumps geradezu höriger Bewunderung für den russischen Präsidenten.


Als ich aber nachts mit quadratischen Augen vor CNN und Co saß, war ich doch überrascht über die Heftigkeit der Attacken auf #45.
Eine ganze Parade höchstrangiger Geheimdienstler der USA wagte sich vor die Kameras und drosch derart empört auf Trump ein, daß ich mich erstmals fragte, ob ich in meinem privaten kleinen Tagebuch-Blog nicht viel zu mild auf Trump blicke!


Lieutenant Colonel ret. Ralph Peters, langjähriger FOX-Militäranalyst, bebte geradezu vor Empörung über Trump.

“Today, we watched an American president grovel, grovel before the leader of the most hostile foreign power in the world, licking his boots.”


Der typische FOX- und Trump-Fan schert sich nicht darum, wenn sich die Opfer von Trumps Tiraden anschließend beklagen.

Misogyne und rassistische Attacken des Präsidenten sind ihnen herzlich egal, weil sie Frauen, Kinder, LGBTI und People Of Color ohnehin nicht respektieren.

Da nun aber die Beleidigten und Empörten höchste Militär und Geheimdienstler sind, mächtige weiße Topverdiener, die im allgemeinen GOPer Narrativ als Helden gelten, scheint sich das Blatt tatsächlich ein bißchen wenden.




Trumps Partei – abgesehen von den genannten ohnehin Bald-Aussteigern – ist immer noch rückgratlos-zahm. Gingrich, der Molch fordert nicht etwa ein Impeachment, sondern eine verbale Klarstellung von Trump.
Also nichts, das einen Mann, der sich selbst ohnehin ständig konterkariert irgendetwas kostet.
Aber immerhin kroch Trump heute tatsächlich zu Kreuze.
Die Kritik zu Hause war offensichtlich deutlicher heftiger als er dachte. Falls er überhaupt irgendwas dachte. Denn statt sich auf den Gipfel vorzubereiten, hatte er ja lieber zwei Tage auf seinen eigenen schottischen Plätzen Golf gespielt.

[….] US-Präsident Donald Trump hat nach heftiger Kritik wegen seiner Haltung beim ersten Gipfel zwischen ihm und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eingeräumt, dass sich Russland in die US-Wahl 2016 eingemischt hat. Er akzeptiere entsprechende US-Geheimdienstinformationen, sagte Trump nach Angaben des Senders Fox News und anderer Medien am Dienstag im Weißen Haus in Washington. [….]
(SPON, 17.07.18)

Unnötig zu erwähnen, daß die gesamte amerikanische Opposition auf ganzer Linie versagte.
Die demokratischen Geronten schafften es noch nicht mal irgendeine Medienpräsenz zu generieren, geschweige denn eine schlagkräftige Anti-Trump-Strategie zu präsentieren.
Unnötig zu erwähnen, daß die übergroße Mehrheit der Republikaner ein moralischer Totalausfall ist und noch immer nicht Trump fallenlassen wird.

Aber die amerikanische Presse lebt und immerhin konnten sich die gestern unter den Bus geworfene „Intelligence-community“ wortstark in Szene setzen und so einen Druck auf Trump generieren, daß dieser einlenken mußte.


Gerade die mutigen Fragen der US-Journalisten bei der PK in Helsinki zeigten weswegen eine freie Presse so wichtig ist. Zeigten wieso Trump und Putin so stark gegen missliebige Journalisten vorgehen.
Die Demokraten, die europäischen Regierungen, die NATO, sie alle konnten Trump nichts anhaben. Aber die Medien haben ihm gestern schwer zugesetzt.

Natürlich pöbelte und log er auf Twitter weiter.


Juli 2018

Es bleibt abzuwarten, wie stark die neue Empörung über Trump bis zu den Midterms im November aufrechterhalten werden kann.

Medien, Graswurzelbewegungen, Militärs, Geheimdienstler, Celebrities sind gefragt.
Die amerikanische politische Klasse hingegen ist ein einziges Trauerspiel, die einen Präsidenten, der Verrat an Volk und Nation begeht achselzuckend mit auf Sandkorn-Größe geschrumpften Hoden einfach weitermachen lässt.

[….] In der amerikanischen Verfassung gibt es die sogenannte Treason Clause. Artikel III, Absatz 3. [….] Die Strafe ist drastisch: Ein überführter Verräter, so steht es in einem Bundesgesetz, "shall suffer death".
[….] Politisch gesehen, war Trumps desaströser Auftritt in Helsinki genau das: Verrat. Und das gleich dreifach.
[….] Trump hat, erstens, all jene verraten, die sich jeden Tag bemühen, Amerika vor gegnerischen Attacken zu schützen. [….] Dass er der Welt erzählt, er glaube dem früheren KGB-Mann Putin mehr als seinen eigenen Mitarbeitern, ist ein spektakulärer Vertrauensbruch, ein Verrat an Amerikas Sicherheit.
Trump hat, zweitens, Amerikas Demokratie verraten. Putins Dienste haben während des Wahlkampfes übers Internet Hass, Misstrauen und Angst in den USA geschürt. [….] Diese Einmischung in die Wahl war ein feindseliger Akt Russlands gegen die amerikanische Demokratie, völlig unabhängig davon, ob oder wie erfolgreich die Russen waren. Doch Trump ist unfähig, das zu sehen und zu sagen. [….]
Drittens hat Trump den Westen verraten. [….]
Das alles ist tragisch und bitter. Aber es ist das, was man von Donald Trump erwartet. Noch bitterer ist das feige Wegducken all der Leute in Washington, die wissen, was der Präsident anrichtet, und die aus Angst oder Opportunismus wegschauen und weiter mit oder für ihn arbeiten. Sie sind die Komplizen eines Verräters. [….]