Sonntag, 20. August 2017

Mal was Lustiges



Das ganze Wochenende konsumiere ich Analysen über den tief verwurzelten US-amerikanischen Rassismus, Stories über die rechtsradikalen Multimilliardäre Mercer und Koch, die recht erfolgreich den Faschismus etablieren und deprimierende Einsichten von Jason Brennan in die desinteressierte, hedonistische amerikanische Gesellschaft, die man aber unbedingt anhören sollte!
Für heute reicht es mir.

Heute habe ich aber auch etwas wirklich Lustiges entdeckt; dank meines Kabel-Anbieters WILLY TEL, den mein Vermieter für meine Wohnung zur Verfügung stellt.
Dieser kleine Nischendienst bietet unter seinen frei empfänglichen TV-Sendern auch zwei regionale Kanäle, die beide NOA4 heißen und für mich nicht zu unterscheiden sind.
Das immerhin, ist ein sympathisches Stück Anarchie, das schon beim Sendersuchlauf startet.
Ein NOA4 bringt regionale News aus Hamburg und das andere NOA4 berichtet aus Norderstedt.
Die Anfangszeiten der Sendungen braucht man sich nicht zu merken, da die wenigen Sendeinhalte ohnehin in endlosen Schleifen laufen.

Montag bis Freitag
von 18:30 Uhr bis 15:00 Uhr am Folgetag auf Sendung.
Alle 30 Minuten Wiederholung "Aktuelles aus unserer Stadt".
von 15:00 bis 17:00 Uhr werden die Sendungen der vergangenen vier Tage wiederholt.
17:00 bis 18:30 Uhr finden Sie Tipps und Termine in und um Norderstedt auf unseren Info-Tafeln.
Samstag bis Montag
Ab Samstag 15:00 Uhr alle zweieinhalb Stunden Wiederholung der Wochensendungen bis Montag 17:00 Uhr.

Ich wüßte gern die Einschaltquoten, mutmaße aber, daß sie zwischen Null und einem Zuschauer (nämlich mir heute Morgen) oszillieren.

Eigentlich ist es schon an sich lustig, daß ein winziger Nischen-TV-Provider sich noch ein nischigeres Regionalprogramm für Hamburg und noch mal eine Ebene drunter für die drei Norderstedter unter ihren Kunden leistet.

Die Sendung „Vereinstalk“ berichtet diese Woche über die Fohat Engel-Energie.
Offensichtlich wurde die NOA4-Redaktion vom Postillon unterwandert.

Drei blonde Wesen, die scheinbar alle von Oliver Kalkofe gespielt wurden, erläuterten ihre Heilerinnenkräfte.


Oberengelheilerin Gabrièla A. Franklin, 1. Vorsitzende des Vereines Fohat Engel-Energie F.E.E. e.V. -Qualitätssicherung Spirituelles Heilen, Mystikerin, spirituelle Heilerin für Mensch und Tier, Heilpraktikerin, Heilhypnosetherapeutin von der Heilerschule Paramita, heilt normale Menschen, die allerdings geheilt werden wollen müssen. Wenn ihre Heilkünste versagen liegt es selbstverständlich nicht an ihr, sondern daran, daß sich der Patient sperrt und nicht offen für die Fohat-Engel-Energie ist.

Für nur 65 Euro pro Stunde heilt der Fohat-Engel alles worunter man schon immer leiden wollte.
Ein lächerlich geringer Preis, wenn man bedenkt was diese Frau alles kann!

Neben den Ausbildungen habe ich einige Fähigkeiten schon mitbringen können.
Denn schon als Kind konnte ich den physischen Körper eines Menschen umrahmt von feinstofflichen fließenden Energiefeldern wahrnehmen. Ich sah auch an bestimmten Stellen in diesen Umrahmungen, die meistens eiförmig waren und verschiedene Farben aufweisen konnten, wirbelartige Öffnungen, in denen ein Austausch von Energie vorgenommen wurde. Als Kind wusste ich nicht, was es zu bedeuten hatte. Erst sehr viel später lernte ich in den verschiedenen Heilerausbildungen, dass ich in der Lage bin, die Aura von Menschen und Tieren sowie die Chakren zu sehen.
Als Kind hatte ich Spielgefährten aus einer anderen Welt, die mir wertvoll waren und mir halfen, meine Kreativität auszuleben. Ich bekam Botschaften aus der geistigen Welt von erhabenen Lichtwesen, die zu mir sprachen. Manchmal durfte ich bei besonderen Anlässen die lichtdurchfluteten Engelwesenheiten sogar sehen. Wenn sie sich zeigten, waren sie so hell, dass meine Augen durch den Anblick schmerzten. Die Ausstrahlung war für meine physischen Zellen zu machtvoll. Im Laufe der letzten 20 Jahre konnte ich lernen, mit diesen hohen Energien umzugehen. Seit dem Jahre 2000 arbeite ich nun schon als Kanal ganz hoher feinstofflicher Dimensionen und übertrage Fohat-Lichtenergie, die eine harmonisierende Wirkung auf die Körperzellen, die Chakren und die Aurakörper entfalten kann. Dann ist es den Zellen  wieder möglich, ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren.

Kollegin Constanze Ilchen heilt auf diese Art Hunde und Katzen, welche sich als besonders Engel-empfänglich zeigen.

[….] Ich bin Constanze Ilchen, Jahrgang '79, und ich wohne im Pinneberger Quellental.
Die tiefe Verbindung zur Spiritualität und die große Liebe zu Tieren und Mutter Natur begleiten mich schon ein Leben lang. Ich war auf der Suche und glücklich vervollständigt, als ich die Engel fand. Sie alle suchen liebevolle himmlisch-irdische Helfer. Es ist mir eine Ehre, als Medium der hohen Fohat Engelenergie dienen zu dürfen. [….] 2012 gehörte ich zu den ersten nach DGH geprüften Tierheilern in Deutschland.
[….] Die feinstoffliche Arbeit mit Tieren ist meine Berufung und eigentlich möchte ich das gar nicht Arbeit nennen, sondern pure Freude ;-)! Mit ihrer Fähigkeit, im Jetzt zu leben und bedingungslose Liebe zu schenken, sind sie uns oft ein gutes Stück voraus.  Mein Ziel ist es, insbesondere Tiere ganzheitlich zu begleiten und den Fellnasen und ihren Menschen liebevolle Unterstützung zu geben. Hier arbeite ich sowohl auf physischer, als auch auf psychischer und energetischer Ebene. Das feinstoffliche Sehen der Aura und Chakren ist mir hierbei eine wertvolle Hilfe, um Blockaden zu lösen. Meine Schwerpunkte sind – neben der Wirbelsäulenaufrichtung und der Zellregeneration des Tieres – die mediale Tierkommunikation und die Wiederherstellung des Energieflusses. [….]

 Ulrike Vogt ist „Hypnoseheiltherapeutin“ für Demente; wird also offensichtlich in Pflegeheimen auf ohnehin schon hoffnungslos Verwirrte losgelassen.

Als Medium der geistigen Welt übertrage ich Fohat-Heilenergie zur harmonisierenden Wirkung Ihrer Körperzellen, Chakren und Aurakörper.
Mit liebevoll geöffneten Herzen und Engagement bin ich eine spirituelle Heilerin und biete Heilhypnose-Behandlungen an.
Aufgrund meiner eigenen Sensivität und Emphatie und ein persönliches Ereignis kam ich selber in Kontakt mit der Engelwelt und es eröffneten sich für mich neue Türen zu höheren Bewusstseinsebenen. Es sind ganz weiche liebevolle Energie.
Um diese Bewusstseinsebenen richtig zu deuten und zu erweitern und anderen Menschen und Tieren damit dienend zu helfen, habe ich hierauf eine seriöse und fundierte Ausbildung erfolgreich absolviert nach den Richtlinien des  Dachverbandes Geistiges Heilen e.V. . Wahre Heilung kann nur entstehen, wenn ich dem Menschen wirklich vom Herzen heilen möchte, denn dann fließt die Energie, da die Engel auch nur dienend Wesen sind und keine egoistischen Zwecke fördern würden. [….]

Sind das jetzt schon Symptome der Endzeit, daß ich mit meinen Kabelgebühren eine „Redaktion“ mitfinanziere, die solche Realsatire verbreitet?
Oder ist es eigentlich ein positives Zeichen, wenn wir Norddeutschen offensichtlich reich genug sind, um diese absoluten Scharlatane durchzufüttern?

Samstag, 19. August 2017

Was reißen



Es gibt eine Menge unschöne deutsche Metaphern für Pechsträhnen. Schwarzer Peter, Scheiße am Schuh, ein Unglück kommt selten allein, Generalverschiss.
Manchmal kommt so viel zusammen, daß man schon Unglücknornen walten sieht. Drei verlorene Landtagswahlen für Schulz waren schon sehr schlimm und an den Ergebnissen war nicht völlig unschuldig.
Für die noch folgenden Katastrophen kann der arme Mann aber wirklich nichts.
Der Chef seines Wahlkampfteams, Markus Engels muß acht Wochen vor der Wahl wegen einer Erkrankung aufgeben. Der SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, muß wegen einer Krebsdiagnose schlagartig zurücktreten, die Grüne Landtagsabgeordnete Elke Twesten tritt zur CDU über, weswegen SPD-Ministerpräsident Weil seine Mehrheit verliert und nun auch noch Gerd Schröders Rosneft-Engagement. Schulz wirkt wirklich wie ein Pech-Magnet.
Insbesondere ist es aber ein Pech für Politiker, wenn sich die Presse auf ein kollektives Narrativ einigt.
Wer einmal das Verlierer-Image an sich kleben hat, wird auch von der Majorität der begleitenden Journalisten so beschrieben.
Peer Steinbrück, Fipsi Rösler und Kurt Beck ging es schon so. Da wurden Petitessen zu „typisch Beck“ aufgeblasen, als habe er an allem Schuld. Kleinigkeiten, die genauso in Merkels Umfeld geschehen, ihr aber nie angekreidet werden.
Viel mehr ehemalige CDU-Größen sind tief in den Wirtschaftslobbyismus verstrickt – Wulff, Koch, Wissmann, Kohl und dazu alle ehemaligen Staatsminister aus Merkels Kanzleramt. Das schadet ihr aber gar nicht, weil ihr kollektives Narrativ vorsieht, daß sie die Bundestagswahl am 24.09. bereits strahlend gewonnen hat und in der komfortablen Lage sein wird, sich einen willigen Koalitionspartner auszusuchen.
Politiker können auch positive Kollektiv-Narrative haben. Das beste Beispiel war Karl-Theodor Baron Freiherr von und zu, der zwar politisch rein gar nichts zu Stande brachte, noch nicht mal Meinungen vertrat, aber immer nur hymnisch gefeiert wurde. „Die fabelhaften Guttenbergs“ titelte der SPIEGEL voller Verzückung über den Lügenbaron.
Zu eben jener Zeit schlug Kurt Beck vor, der als SPD-Chef das Image des provinziellen Pfälzer Deppen mit sich herumschleppte, mit den afghanischen Taliban zu reden, um aus dem kriegerischen Bahnen herauszukommen.
Die gesamte Presse fiel über ihn her. Da könne man mal sehen was für ein Provinzler ohne irgendeine außenpolitische Kompetenz Beck sei. Der Vorschlag sei purer Unsinn, denn mit den Taliban könne man nicht reden, da diese Fanatiker wären.
Becks Popularitätswerte sanken weiter.
Wenige Wochen später schlug der strahlende neue Politstar Verteidigungsminister Guttenberg vor, die Bundeswehr solle auch mit den Taliban verhandeln, um der Gewaltspirale zu entkommen.
Giovanni di Lorenzo und die anderen KTG-Fans konnten sich kaum halten vor Begeisterung. Deswegen sei Guttenberg zu Recht so beliebt, weil er als Quereinsteiger wage mutig zu denken und neue Wege zu beschreiten. Nur so könne man einen Konflikt beenden, indem man mit den Gegnern spreche.

Einem einmal anhaftenden Image entkommt man so gut wie gar nicht.
Noch Monate nachdem Guttenbergs Lügen und Betrügereien enttarnt waren, stand er in den Beliebtheitslisten ganz oben und bis heute mühen sich seine Fans in den Chefredaktionen um ein Comeback.
Der ZEIT-Chef schrieb sogar ein ganzes Fan-Buch über ihn und startete einen medialen Feldzug, um KTG nach Deutschland zurück zu holen.

Es geht nicht darum, wie viel der Baron verkraften kann. Es geht um seinen Narzissmus. Der Guttenberg, den man hier wiedertrifft, kreist um sich selbst - und liefert kaum Substanz. Denn wenn es um politische Inhalte geht, sind die Äußerungen des Mannes, den sein Interviewer "zu den größten politischen Talenten des Landes" zählt, dürftig, um es freundlich zu formulieren.
(Jakob Augstein 01.12.11)

Wieso läßt ein intelligenter Mann wie di Lorenzo Guttenberg alle seine dummdreisten Lügen und haltlosen Behauptungen durchgehen, ohne kritisch nachzufragen?
Wollte er ihn womöglich nur entlarven, indem er ihn reden ließ?

Dagegen spricht die Tatsache, daß di Lorenzo ihn noch mit als letzter verteidigte, bevor Guttenberg zurücktrat.

Dagegen spricht auch di Lorenzos Rechtfertigungsschrift in der nächsten Ausgabe der ZEIT.

Ob Martin Schulz sich selbst aus der journalistischen Loser-Schablone befreien kann, wage ich zu bezweifeln.
Dazu ist er nicht mutig genug.

SZ-Co-Chef Heribert Prantl beklagt das Rosneft-Engagement Schröders, bekennt aber, ihn gelegentlich zu vermissen. Über Nacht wäre der Wahlkampf wieder spannend, wenn er statt Schulz anträte. Er würde eine echte Alternative zu Merkel bieten und sich klar gegen Trump positionieren.
Der öde Nicht-Wahlkampf wäre vorbei, Merkel müßte wieder zittern.

Schröder ist einer der ganz wenigen Politiker, der gegen sein (meist schlechtes) Presse-Image ankämpfen kann und genügend Aufmerksamkeit erregt.
Dagegen ist Martin Schulz nahezu unsichtbar und kann tun was er will; er wird doch nicht anders rezipiert.

Ein bißchen Schröder steckt auch in Sigmar Gabriel, den anderen ehemaligen Niedersächsischen Ministerpräsidenten und SPD-Chef, der wir Schröder von seiner eigenen Partei quasi entsorgt wurde.
Gabriel ist ebenfalls mutig und auffällig. Nicht so wie der Ex-Kanzler, aber doch deutlich wahrnehmbarer als Schulz.

Mit sicherem Instinkt greift er heute die Gelegenheit beim Schopfe sich in der Angelegenheit des in Spanien auf Druck der Türkei verhafteten deutschen Schriftstellers Dogan Akhanli in Szene zu setzen.

Die Türkei ließ den in Grenada urlaubenden deutsche Staatsbürgers Akhanli über Interpol verhaften. Offensichtlich, weil der Autor sich in seinen Stücken mit dem türkischen Völkermord an den Armeniern beschäftigt.

Ein neue Ungeheuerlichkeit, die Recep Tayyip Erdoğan nur einen Tag nach seiner Aufforderung nicht CDU, SPD oder grün zu wählen lostritt.
Ja, auch Schulz verurteilt das und tut verbal das was er als Privatmann ohne Amt tun kann.

[….] SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach in der "Bild am Sonntag" ("BamS") von einem "ungeheuerlichen Vorgang". "Das Verhalten von Präsident Erdogan trägt inzwischen paranoide Züge", sagte er der Zeitung. "Es muss mit aller Vehemenz darauf gedrungen werden, dass Herr Akhanli nicht in die Türkei ausgeliefert wird und stattdessen schnellstmöglich freigelassen wird." [….]
(SPON; 19.08.17)

Gabriel aber ist effektiver und richtet sich auch brutal gegen seine Chefin Merkel, deren Schwäche er ausnutzt. Merkels Türkei-Politik, ihr Erdoğan-Apeasement ist spektakulär gescheitert. Sie steht vor einem außenpolitischen Scherbenhaufen, den sich so kurz vor der Bundestagswahl nicht ausgeleuchtet haben möchte.
So viele Zugeständnisse an Erdoğan, so viele EU-Milliarden an die Türkei und dennoch kann Merkel rein gar nichts erreichen, wenn der Präsident sich nun nach Deniz Yücel und Peter Steudtner des dritten Deutschen bemächtigt.

Gabriel tut ihr daher weh, indem er sich so vehement für Akhanli einsetzt und mit Erdoğan bekriegt.

Während die Kanzlerin gar nicht weiß wie ihr geschieht, hat sich Sigmar Gabriel in Windeseile selbst eingeschaltet. Bevor die spanische Justiz über die Auslieferung Akhanlis nach Ankara entscheidet, wies er schon die deutsche Botschaft in Madrid an, die spanische Regierung zu bitten, auf eine Auslieferung zu verzichten. Gabriel selbst telefonierte mit seinem spanischen Amtskollegen Alfonso Dastis und holte das Thema somit auf die höchste Ebene.
Der türkische Präsident schäumt.

[….] Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in einer scharfen persönlichen Attacke vor weiterer Kritik an der Türkei gewarnt. „Er kennt keine Grenzen“, kritisierte Erdogan am Samstag in einer im Fernsehen übertragenen Rede mit Blick auf Gabriel. An die Adresse des deutschen Ministers fügte Erdogan hinzu: „Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidenten der Türkei reden? Beachten Sie Ihre Grenzen!“
Des weiteren kritisierte der türkische Präsident, dass Gabriel versuche, „uns eine Lektion zu erteilen“. Wiederum an den Bundesaußenminister gerichtet fügte Erdogan hinzu: „Wie lange sind Sie eigentlich in der Politik? Wie alt sind Sie?“
Mit seiner Kritik reagierte Erdogan offenbar darauf, dass sich Gabriel wie andere deutsche Politiker auch – jede Einmischung des türkischen Präsidenten in den deutschen Wahlkampf verbeten hatte. Erdogan hatte türkischstämmige Wähler in Deutschland am Donnerstag aufgefordert, bei der Bundestagswahl im September die Wahl von CDU, SPD und Grünen zu boykottieren, worauf Sigmar Gabriel entsetzt reagierte. […]
(FAZ, 19.08.17)

Was Gabriel hier tut, nämlich mit aller Macht Akhanlis Auslieferung in die Türkei zu verhindern, ist nicht nur moralisch richtig und das was eine deutsche Bundesregierung für ihre Staatsbürger in Not tun muss; es ist auch ein guter Wahlkampfzug, der Merkel, die interessanterweise vom tobenden Türken gar nicht erwähnt wird, schwach aussehen lässt.

Ein Kanzler Schröder hätte sich mit Sicherheit in dieser Situation selbst mit Macht in den Ring geworfen.

Merkel nicht.

Aber auch Schulz bleibt, trotz seiner Bemühungen, medial unbeachtet.

Freitag, 18. August 2017

Reise nach Jerusalem



Wieder einer weniger heute.
Diesmal trifft es nun doch endlich Steve Bannon, den mächtigsten der drei Nazis unter Trumps Beratern.
Miller und Gorka sind noch an Bord, aber was heißt das schon in Trumps Personalkarussell?

Unter Amerikas Politanalysten breitet sich Ratlosigkeit aus.
Schon so oft hatten sie zusammengesessen und waren sich einig mit der Diagnose „Jetzt hat er aber wirklich überzogen; jetzt verstößt ihn die Partei!“
Schon bevor er Präsident wurde, gab es diese Momente – die Prahlerei Pussies zu begrabschen, sich über Behinderte öffentlich lustig machen, die extremen Lügen. Immer wieder war man an dem Punkt, an dem man sich einfach nicht mehr vorstellen konnte, daß Trump weitermacht, daß irgendeiner ihn wählen würde, daß die stolze republikanische Partei so einen auf den Schild hebt.

Nach dem 20.01.2017 wurde alles aber noch schlimmer. Trump leistet sich beinahe täglich abstruseste Ungeheuerlichkeiten. Es gibt eine Schablone dafür. Man kann so ein Verhalten nicht politisch-empirisch bewerten, weil es keine Präzedenzfälle gibt. Alles was Trump tut, ist im negativsten Sinne „unheard of“.

 Rassismus ist in den USA so heikel wie kaum irgendwo sonst, weil Amerika eine sehr diverse Einwanderernation ist, eine lange Sklavenhaltergeschichte hat und ob der Millionen versklavten Schwarzen sogar einen Bürgerkrieg anzettelte, bei dem 600.000 Menschen gekillt wurden.
Rassismus ist also für US-Politiker auf der nationalen Ebene eigentlich völlig tabu.
Bill Clinton war einst vor seiner Präsidentschaft aus Versehen einige Stunden in einem Golf-Club, der keine schwarzen Mitglieder zuließ.
 Das war 1992 und führte zu einem Großskandal, den er mit seinem berühmten „Bill Clinton's Sister Souljah Moment“ überstand. Er trat vor die Presse, bat aus tiefer Überzeugung um Entschuldigung, hielt ein vehementes Plädoyer wider des Rassismus und bekannte sich zur „Rainbow-coalition“.
In den folgenden 25 Jahren wurde das Thema noch viel sensibler. 2017 ist Rassismus ein NoGo und es fragt sich, ob man sich mit einem „Sister Souljah-Auftritt“ überhaupt noch von einem Kontakt mit einem Rassisten erholen könnte.
Eigentlich.
Uneigentlich ist da ein Herr Trump, der sich die Alt-Right-Stars direkt ins Oval Office holt und seit Jahrzehnten rassistisch redet.
Nach 25-Jähriger destruktiver Vorarbeit der GOPer, die seit Newt Gingrichs Total-Obstruktion nur noch Hass gegen die Demokraten verbreiten und dadurch ein radikal anti-liberales ultrarechtes Mediennetzwerk zu etablieren halfen, gelten keine Regeln des Anstandes mehr für republikanische Wähler.
Der ehemalige Republican National Committee communications director Doug Heye, der sich nun von GOP-Newsletter streichen ließ, welches er selbst einst eingeführt hatte, erzählt von seinen “Yes, but – Erlebnissen” in den roten Staaten. Wenn er mit der Republikanischen Basis spricht und die unverzeihlichen Trump-Skandale und Lügen anspricht, antworten sie immer mit einem „ja, aber…“ Hillarys Emails waren ja auch schlimm.
Offenbar haben sich die rechten Wähler so sehr in ihrem Hass auf alles Liberale eingerichtet, daß sie keine moralische Grenze mehr kennen.
Trump ist ein chronisch erfolgloser Lügner, Vergewaltiger und Nazi? Na und, macht doch nichts, dafür hat er aber auch die Dems aus dem Weißen Haus gejagt.


Trump ist vogelfrei.
Mehr und mehr wird sein Geisteszustand diskutiert. Der Mann ist offensichtlich unzurechnungsfähig und psychisch krank. Aber selbst das macht nichts.

[….] Donald Trump hat weder Anstand noch Moral. Das war bekannt. Jetzt aber sympathisiert der US-Präsident auch noch mit Neonazis und Rassisten. Ist der Mann noch bei Trost?
[….] Was hat er da eigentlich die ganze Zeit mit den Generälen? Zuerst lamentiert Donald Trump am Donnerstagmorgen auf Twitter darüber, dass jetzt angeblich überall die "wunderschönen" Reiterstandbilder von Robert E. Lee und Thomas "Stonewall" Jackson abgebaut werden, von zwei Kommandeuren, die im Amerikanischen Bürgerkrieg die Armeen der Konföderation geführt haben, also jener Südstaaten, die damals für den Erhalt der Sklaverei kämpften.  Ein paar Stunden später dann plötzlich - General John Pershing. "Schaut euch an, was US-General Pershing mit gefangenen Terroristen gemacht hat. Danach gab es für 35 Jahre keinen radikalen islamischen Terrorismus mehr", schreibt Trump. Was er genau damit meint, sagt der Präsident nicht. Aber weil gerade in Barcelona ein islamistischer Terrorist mit seinem Auto ein Dutzend Menschen totgefahren hat, liegt die Vermutung nahe, dass er die alte Geschichte über Pershing meint, die er auch im Wahlkampf schon erzählt hat.
Die geht, kurz gesagt, so: Als Pershing 1899, kurz nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg, gegen muslimische Rebellen auf den Philippinen kämpfte, trieb er einmal 50 gefangene Aufständische zusammen. Er befahl seinen Männern, 49 von ihnen zu erschießen, und zwar mit Kugeln, die in Schweineblut getaucht worden waren. Den 50. Gefangenen ließ Pershing laufen, damit er seinen muslimischen Glaubensbrüdern erzählen konnte, was passiert, wenn man sich mit den Amerikanern anlegt. Kein Märtyrertod, kein Paradies, sondern Schweineblut und Verdammnis.
 [….] Nur: Die Geschichte mit dem Schweineblut ist frei erfundener Humbug. Historiker sind ihr nachgegangen und haben keinen einzigen Beleg dafür gefunden. Viel eher - aber das ist ein Detail, das für Donald Trump wohl eine Spur zu fein ist - hat sich Pershing damals wohl dadurch hervorgetan, dass er im Spanisch-Amerikanischen Krieg auf Kuba und den Philippinen jede Menge Spanier getötet hat.
Insofern war Donald Trumps Ratschlag, man solle sich im Kampf gegen Terroristen doch den Trick mit dem Schweineblut mal genauer anschauen, ein passender Abschluss der vergangenen Woche. So endete sie, wie sie begonnen hatte: mit einem Präsidenten, der sich weder um historische Wahrheiten schert noch darum, was man allgemein Anstand und moralische Grundsätze nennt. Und der darauf auch noch sagenhaft stolz ist. [….]

Die aktuellste Umdrehung ist nun also Bannon.
Gegangen oder gegangen worden? Wer weiß das schon so genau.

"Bannon ist weg! Als er sah, dass Trump alleine in der Lage ist, die White-Power-Bewegung zu verteidigen, sagte Bannon zu sich selbst: "Mein Job ist getan - Mission erfüllt".
(Michael Moore, Trump-Kritiker und Filmemacher)

"Hey Bannon, shove a tiki torch up ur ass #fired"
(Rosie O'Donnell, Schauspielerin und Moderatorin)

Ob man je erfahren wird, wer im Weißen Irrenhaus wirklich entscheidet, ist fraglich.

Mich fasziniert heute aber eine andere Personalie, weil ich – wieder einmal – dem Irrglauben aufgesessen war, nach Spencer und Scaramucci könne es in der Presseabteilung Trumps nicht mehr weiter bergab gehen, traf mich die Realität mit dem üblichen Faustschlag genau zwischen die Augen.
Neue Kommunikationsdirektorin des mächtigsten Mannes der Welt, der die alleinige und monarchische Gewalt über 7.000 Atomsprengköpfe innehat, wird Hope Hicks. HOPE HICKS.
Kann man sich nicht ausdenken.

Die 28-Jährige Texanerin war früher Fotomodell, verfügt über keinerlei Qualifikation, jobbt seit Jahren für Ivankas Modelinie und wurde nun offensichtlich von Trump auserkoren, weil sie bedingungslos loyal ist und ihn lobpreist und bejubelt, wie es ihm gefällt.

[….] Ende Mai machte sich Hicks bei Journalisten in Washington zur unfreiwilligen Lachnummer, als sie eine Stellungnahme zur Persönlichkeit des Präsidenten abgab: "Präsident Trump hat eine magnetische Persönlichkeit und strahlt positive Energie aus, die ansteckend ist für alle, die ihn umgeben. Er hat eine beispiellose Fähigkeit, mit Menschen zu kommunizieren... Er hat sein ganzes Leben hindurch großartige Beziehungen aufgebaut und behandelt jeden mit Respekt. Er ist brillant und besitzt einen großartigen Sinn für Humor... und eine erstaunliche Fähigkeit, Menschen das Gefühl zu geben, dass sie besonders sind und mehr schaffen können, als sie jemals für möglich gehalten hätten." [….]

Die Profi-Journalisten dachten erst, es handele sich um einen Satire-Artikel von THE ONION.


Gerüchten zu Folge ist Hicks schon seit dem Beginn der Präsidentschaftskampagne sein Fickverhältnis. Möglicherweise schon seit 2012. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt, aber immerhin ist sie nicht Bannon.