Donnerstag, 6. März 2014

Fuß in der Tür, oder "Die Christin des Tages LXXVIII"


Marcel-Reich-Ranicki saß zu Lebzeiten in vielen Preiskomitees und beklagte sich bitterlich, daß stets nur die Schriftsteller bedacht würden, die bereits andere Preise erhalten hätten. Es gibt eine Menge bedeutender Literaturpreise, aber diejenigen, die die Preisträger bestimmen haben grundsätzlich nur unter dem Mikroskop erkennbare Hoden. Sie gehen auf Nummer sicher und preisen bereits Preiserprobte. MRR hatte einst Wolf Biermann für den Büchnerpreis vorgeschlagen, als Biermann noch bloß als „dieser DDR-Sänger“ galt.
Man erklärte MRR für verrückt. Ein Liedermacher?

(Dabei hatte der verstorbene Literaturpapst selbstverständlich Recht! Biermann ist bekanntlich in den letzten Jahren verrückt geworden und gibt als neuer Merkel-Fan und CDU-Wähler bizarrste politische Ansichten von sich. Aber sowohl seine Liedtexte als auch seine Prosa sind allerdings preiswürdig.
Einige der besten Essays, die ich je gelesen habe, stammen von Biermann.)

Die Schwierigkeit für einen deutschen Schriftsteller ist es also überhaupt einen Fuß in die Literatur-Szene zu bekommen. Die ersten ein, zwei Preise sind nicht einfach zu bekommen. Ist man aber erst mal einer von ihnen, läuft es von selbst und man wird kontinuierlich mit neuen Geldpreisen überhäuft.

Auch die steifen Verleihungszeremonien laufen dann wie im Schlaf.
Die aufgebrezelten Honoratioren der Literaturszene setzen sich dekorativ in Szene, schalten ihr Hirn ab und applaudieren tumb alle zwei Minuten.
Sowohl der Laudator, wie der Preisträger selbst können dann in ihrer Reden den größten Unsinn verzapfen. Auf Inhalte kommt es nicht mehr an.
Es darf auch gerne mal revanchistisch oder antisemitisch werden bei dieser Art Zombiveranstaltungen.

Mit Grausen erinnere ich mich an die von dem damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger zum 50. Jahresgedenken der Novemberpogrome 1938 gehaltene Rede am 10. November 1988 im Deutschen Bundestag.
Der Depp erschien über weite Strecken recht Hitler-freundlich, so daß die jüdische Schauspielerin und Hamburger Ehrenbürgerin Ida Ehre, die zuvor die Todesfuge von Paul Celan rezitiert hatte, entsetzt ihr Gesicht in ihre Hände stützte.



Das tumbe Bundestagsauditorium begriff natürlich nichts ließ sich nichts anmerken.

Jenningers Auszeichnungen (Auswahl):

Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik (1986)
Großkreuz des Bundesverdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1986) 1991 ging er als deutscher Botschafter nach Wien, anschließend war er von 1995 bis zu seiner Pensionierung 1997 deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl in Rom.

Zehn Jahre später geschah etwas ganz ähnliches bei der Dankesrede Martin Walsers zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche am 11.Oktober 1998.
Walser fühlte sich von Juden verfolgt und beklagte sich über die „Auschwitzkeule“, welche als „Moralkeule“ die Deutschen immer wieder treffe und von (den Juden) eingesetzt werde, um Deutschen weh zu tun und politische Forderungen durchzusetzen. Die „Instrumentalisierung des Holocaust“ geschehe, um sich moralisch überlegen zu führen.
Die Pauluskirche – bis auf den letzten Platz gefüllt mit deutschen Intellektuellen – reagierte eindeutig: MIT STANDING OVATIONS.
Nur Ignaz Bubis blieb verstört sitzen.

Martin Walsers Preise; Auswahl:

Corine-Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten für sein Lebenswerk 2008
Finalist für den Deutschen Buchpreis für "Angstblüte" 2006
Alemannischer Literaturpreis 2002
Ehrendoktorwürde der Kath. Universität Brüssel 1998
Friedenspreis des deutschen Buchhandels 1998
Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg 1996
Ehrendoktorwürde der Universität Hildesheim 1995
Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Dresden 1994
Franz-Nabl-Preis 1993
Aufnahme in den Orden Pour le mérite für Wissenschaft und Künste 1992
Friedrich-Schiedel-Literaturpreis 1992
Carl-Zuckmayer-Medaille 1990
Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 1990
Ricarda-Huch-Preis 1990
Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland 1987
Ehrenbürgerschaft seiner Heimatgemeinde Wasserburg am Bodensee 1984
Ehrendoktorwürde der Universität Konstanz 1983
Georg-Büchner-Preis 1981
Schiller-Gedächtnispreis 1980
Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg 1980

Eine dieser Multipreisträgerinnen ist auch die Schwäbische Schriftstellerin Sybille Lewiratschoff.
Sie bekommt eine Ehrung nach der Nächsten.

Auswahl:

    1998: Ingeborg-Bachmann-Preis
    2006: Kranichsteiner Literaturpreis
    2007: Preis der Literaturhäuser
    2007: Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
    2008: Marie-Luise-Kaschnitz-Preis
    2009: Preis der Leipziger Buchmesse für ihren Roman Apostoloff
    2009: Spycher: Literaturpreis Leuk
    2009: Bestenliste des Preises der deutschen Schallplattenkritik (4. Quartal) für das von ihr selbst gelesene Hörbuch Apostoloff
    2010: Berliner Literaturpreis
    2010: Mitglied der Akademie der Künste (Berlin)
    2011: Frankfurter Poetik-Vorlesungen
    2011: Zweifel am Guten, Wahren, Schönen, Zürcher Poetikvorlesungen
    2011: Kleist-Preis
    2011: Ricarda-Huch-Preis
    2011: Marieluise-Fleißer-Preis
    2011: Wilhelm-Raabe-Literaturpreis für den Roman Blumenberg
    2011: Nominierung für den Deutschen Buchpreis (Shortlist) mit dem Roman Blumenberg
    2011/2012: Stipendiatin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg
    2013: Stipendiatin der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo[22]
    2013: Brüder-Grimm-Professur[23]
    2013: Georg-Büchner-Preis

Die fromme Christin („bekennende Christin im evangelisch-lutherischen Sinne“) weiß sich moralisch stets auf der richtigen Seite.

Meine Haltung entspringt tatsächlich auch einem religiösen Fundament, und das sagt mir, dass man nicht alles tun darf, was technisch möglich ist.
(Lewitscharoff 05.03.14)

Sex darf es für sie nur innerhalb der Ehe und zum Zwecke der Kidnerzeugung geben.
Alles andere ist bähbäh. Auch Masturbation.
Dies machte sie vor wenigen Tagen bei ihrer Dankesrede zur Verleihung des wichtigsten deutschen Literaturpreises, dem Georg-Büchner-Preis im Dresdener Schauspielhaus klar. Und wie es beinahe üblich ist, kamen auch noch NS-Vergleiche, Homophobie und Nazi-Verharmlosungen aus ihrem Kopf.

Jesus war mein Beschützer. Ich war ein braves Kind und betete gern, was meine
Eltern eher komisch fanden, weil sie sich von religiösen Angelegenheiten fernhielten. Aber die Großmutter war der anerkannt gute Geist in unserem Haus, und die Eltern ließen sie gewähren.
[….] Bis die aus höchsten Höhen niederfahrende göttliche Stimme
klarstellt, dass Hiob solche ihm unterstellten Sünden nicht begangen hat.
In einer rauschenden Parade macht Gott klar, dass Er der Erzeuger der Weltalls und der Erde ist, samt aller auf der Erde wimmelnden Wesen. Ihm allein ist es verstattet, wenn Er denn will, den Leviathan und den Behemot, die beiden großen Ungeheuer, zu zügeln und sie in die
Schranken zu weisen. Die Beschlüsse, die Er verhängt, sind von den Menschen nicht zu erfassen, da hilft alles Klügeln nichts. Hiob hat aber sehr wohl das Recht, sein Leid zu beklagen, ja, es geradezu drohend gen Himmel zu schleudern. In dieser Hinsicht wird Hiob von Gott gegen seine Freunde glanzvoll bestätigt. Weil er mit der Erbsünde behaftet ist, muss der Mensch sterben. Davon spricht die Bibel allerdings auch. Selbst winzige Kinder, die noch gar nicht fähig sind, Schuld auf sich zu laden, sind von der Erbsünde betroffen. Der jüngste Fall eines solchen Winzlings, von dem mir unlängst erzählt wurde, kann einem an die Nieren gehen, selbst wenn man nur davon hört und dem Anblick des Kindes nicht ausgesetzt ist.
[…]  Absolut grauenerregend ist auch die Praxis, ein Kind durch eine Leihmutter austragen zu lassen. Sie kommt zwar selten vor, treibt die Widerwärtigkeit aber auf die Spitze. Nicht nur, dass dafür meistens Frauen aus armen Ländern als Gebärmaschinen herhalten müssen. Diese wahrhaft vom Teufel ersonnene Art, an ein Kind zu gelangen, verkennt völlig, welche Bedeutung das Erleben eines Embryos im Mutterleib hat. Man weiß inzwischen viel mehr, wie sensibel diese kleinen, noch im Bauch geborgenen Geschöpfe auf alles reagieren, was der Mutter widerfährt. Man weiß, wie der innere Resonanzraum beschaffen ist, in welchem der Embryo heranwächst und was davon in sein sich entwickelndes Gehör dringt, was ihn erschreckt, was ihn beruhigt, was ihn erfreut. Peter Sloterdijk, der sich als einziger Philosoph solchen Phänomen ausgiebig widmet, hat darüber klug und anschaulich geschrieben.
[….]Mit Verlaub, angesichts dieser Entwicklungen kommen mir die Kopulationsheime, welche die Nationalsozialisten einst eingerichtet haben, um blonde Frauen mit dem Samen von blonden blauäugigen ss-Männern zu versorgen, fast wie harmlose Übungsspiele vor. Ich übertreibe, das ist klar, übertreibe, weil mir das gegenwärtige Fortpflanzungsgemurkse derart widerwärtig erscheint, dass ich sogar geneigt bin, Kinder, die auf solch abartigen Wegen entstanden sind, als Halbwesen anzusehen. Nicht ganz echt sind sie in meinen Augen, sondern zweifehafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas. Das ist gewiss ungerecht, weil es den Kindern etwas anlastet, wofür sie rein gar nichts können. Aber meine Abscheu ist in solchen Fällen stärker als die Vernunft.
Die Hypothek, die auf Mutter und Kind bei solchen Manövern lastet, ist enorm. Besonders in den Fällen, in denen der Samenspender nicht der Mann ist, mit dem die Mutter zusammen das Kind aufzieht.

Allerliebst.

Was für eine schreckliche, menschenverachtende Tirade! Es müssen der Schriftstellerin und Büchnerpreisträgerin Sibylle Lewitscharoff alle Sicherungen durchgebrannt sein, als sie am Sonntag in ihrer Dresdner Rede im dortigen Schauspielhaus über „Geburt und Tod“ vom Leder zog. Und mit großer Dankbarkeit nimmt man zur Kenntnis, dass sich das Dresdner Staatsschauspiel als Mitveranstalter schnell und entschieden in einem Offenen Brief von dieser Rede distanziert hat.
Was Sibylle Lewitscharoff in der ihr eigenen deutlich artikulierenden und manche Sätze geradezu ausschmeckenden Art da vorträgt, ist hanebüchen. An ihrem Tonfall kann man erkennen: Es ist ihr nicht einfach unterlaufen, es ist auch kein schwiemeliger Tabubruch. Es ist eine klare Ansage: Genau das wollte Sibylle Lewitscharoff einmal grundsätzlich loswerden.
Ein „Onanieverbot“ erscheint ihr „weise“. Wenn Sperma zur künstlichen Befruchtung eingesetzt wird, ist ihr das „nicht nur suspekt“, ihr erscheint es „absolut widerwärtig“. Aus dem Vorgang, „auf künstlichen Wegen eine Schwangerschaft zustande zu bringen“, resultiert für sie „der eigentliche Horror“: „Es geht dabei sehr rein und fein und vernünftig zu. Der Vorgang selbst ist darum nichts weniger als abscheulich.“ [….]  Wie man aus der Literaturgeschichte weiß, können auch politisch fragwürdige und menschenverachtende Schriftsteller interessante Bücher schreiben. Aber dass man jetzt große Lust hat, dieses Buch zu lesen, kann man nicht sagen.

Das Auditorium fühlte sich, wie immer in diesen Fällen, nicht gestört.
Ungeheuerlich ist auch, was danach passierte: fast nichts. Es gab keinen Aufschrei, keine bestürzten Reaktionen im Literaturbetrieb, der Sibylle Lewitscharoff seit Jahren mit Preis um Preis auszeichnet, keine aufgeregten Debatten in den Feuilletons, die sie im vergangenen Jahr feierten, als sie auch noch die bedeutendste literarische Auszeichnung des Landes erhielt, den Georg-Büchner-Preis.  Die »Sächsische Zeitung« attestierte Lewitscharoff in ihrem Bericht über die Rede »Mut«, dass sie mit dem Thema ihrer Rede »vermintes Gelände« betreten habe. Die Berichterstatterin scheint zwar verblüfft über einige Positionen und Worte von Lewitscharoff und darüber, dass kein Protest aus dem Publikum zu hören gewesen sei. Aber sie kommt zu dem versöhnlich-verdrucksten Schluss, die Schriftstellerin habe immerhin »Stoff zum Nachdenken und Diskutieren« geboten, »auch zur empörenden Reaktion auf die Empörung«.

Mittwoch, 5. März 2014

Misskonstruktion.


Seit mindestens sechs Jahren hört man von linken Politikern den richtigen Satz: Wir dürfen nicht Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren.
Eins schien endlich Konsens zu werden: Die Hauptursache der Weltfinanzkrise und der drastisch zunehmenden Einkommensungerechtigkeit ist eine von Verantwortung entkoppelte Managerkaste, die ohne persönliches Risiko pro und contra alles wetten dürfen. Sharholder Value, also das unbedingte Primat des kurzfristig maximalen Gewinns vor jedem ethischen, sozialen oder nachhaltigen Gedanken ist die Wurzel allen Übels.
Jeden Monat kann man in einem der großen Wirtschaftsteile Lobpreisungen der Familienunternehmen lesen. Sie kommen besser durch Krisen und gehen seltener pleite.
Die Gründe liegen auf der Hand: Wer einen Betrieb womöglich schon seit Generationen führt, wird nicht am Ende des Geschäftsjahres jeden Cent des Gewinns abziehen, sondern so investieren, daß die Firma eine Zukunft hat.
Man wird Produkte nicht maximal verteuern, um seine Kunden so kräftig wie möglich auszupressen, sondern man wird einen fairen Preis kalkulieren und kurzfristig damit weniger verdienen – dafür aber einen zufriedenen Kunden gewinnen, der auch in den nächsten Jahren Kunde bleibt.
Ein ähnliches Prinzip wurde im heutigen „Hamburger Abendblatt“ über das Ladensterben in Hamburgs nagelneuer todschicker Hafencity beschrieben.
Die von CDU-Beust gebaute seelenlose Luxusstadt für die Schönen und Reichen hat ungefähr so viel Flair wie eine Containerhalde.
Die Gebäude gehören milliardenschweren Immobiliengesellschaften, die Ladenflächen für mindestens 45 Euro pro Quadratmeter an Eisdielen und Blumenhöker vermieten.
Wie so viele Hamburger, gehöre ich zu denjenigen, die sich das im Grunde nur einmal angesehen haben, über die abstoßenden sterilen Betonflächen staunten und die armen däumchendrehenden Ladenbesitzer bedauerten, die einsam in den Türen standen und in die menschenleere Umgebung starrten.

Zu wenige Kunden, zu teure Mieten: Immer mehr Geschäfte müssen aufgeben.
Manchmal sehe es in den Straßen aus "wie in einer Geisterstadt", sagt ein Blumenhändler. In der HafenCity, die eigentlich Hamburgs pulsierender Stadtteil am Wasser werden sollte, müssen immer mehr Läden schließen.
Zu wenige Kunden, zu teure Mieten: Allein in der Ladenzeile am Großen Grasbrook stehen fünf der insgesamt 13 Ladenflächen leer. "Insgesamt hat mich das Abenteuer HafenCity 100.000 Euro gekostet", sagt der Optiker Kevin Schütt, in dessen Geschäft Sehkunst seit einigen Tagen der Räumungsverkauf läuft. Ende März ist die Schließung geplant, Schütt wird für die GmbH Insolvenz anmelden.
Kein Einzelfall. Auch der Unternehmer Nic Mühlenkamp musste vor wenigen Monaten seine Boost Juice Bar aufgeben.
(HH Abla 05.03.14)

Das ist genau das was dabei rauskommt, wenn man wie die CDU nur Immobilienheuschrecken planen läßt, die für ihre Investoren die maximalen Gewinne erwirtschaften wollen: Sie pressen ihre Kunden (in dem Fall: Mieter) so aus, daß sie binnen kurzer Zeit ruiniert sind und nie wieder etwas mieten.
Eine Immobilie in Familienbesitz wäre womöglich weitsichtiger geführt worden. Man hätte den Mietern eher geholfen, wäre ihnen entgegen gekommen, so daß sie prosperieren und weitere Läden anlocken würden.

Die Ladenzeile am Großen Grasbrook gehört aber der „Union Investment“ (Union Asset Management Holding AG), der Investmentgesellschaft der DZ Bank-Gruppe und verwaltet ein Vermögen von 206 Milliarden Euro.
Da sollen die Aktionäre glücklich gemacht werden und so ließ man Schütts Laden "Sehkunst", eine Eisdiele, ein Schuhladen, ein Asia-Restaurant, Mühlenkamps
Saftladen "Boost Juice Bar" und Ünsals Geschäft "Blume Fresh" ohne mit der Wimper zu zucken pleite gehen. Vermutlich ist der zuständige Mitarbeiter der Union Invest ein 23-Jähriger Controler, der eben irgendeine Business-school abgeschlossen hat seine Chefs mit Profitmaximierung beeindrucken will.

Zunächst einmal werden allerdings gar keine Mieteinnahmen mehr fließen. Aber was macht das schon? Schlimmstenfalls gerät die „Union Investment“ in „finanzielle Schieflage“ und jammert dann Herrn Schäuble an, der sofort die Systemrelevanz der DG-Bank ins Spiel bringen wird und daraus messerscharf schließt, daß Bankenabgaben keinesfalls eingeführt werden dürfen.
Unser 23-Jähriger Controler hat unterdessen einen fetten Jahresbonus eingestrichen, zahlt seinen ersten 911er Porsche an und schimpft auf die faulen HartzIV-Schmarotzer.

Dabei reichen eigentlich drei Hirnzellen aus, um sich auszumalen, daß das Vermieter-Geschäft nur funktionieren kann, wenn man die Mieter nicht ruiniert, sondern konstruktiv mit ihnen zusammen arbeitet.

A propos drei Hirnzellen:
Viel mehr Intelligenz hätte man auch nicht gebraucht, um zu erkennen, daß es herkömmlicher Kohle- und Atomstrom in Zukunft schwer haben wird.
Als einer der vier Energieoligopolisten sollte man also den zukünftigen Konkurrenzdruck der vielen Windräder und Solaranlagen fürchten. Man wüßte; die Zukunft liegt in alternativen Energien und hätte deswegen so viel wie möglich in derartige Techniken investiert.
Der zweitgrößte deutsche Energiekonzern RWE hatte aber jahrelang Tomaten auf den Augen und setzte tumb weiter auf dicke umweltverpestende Kohlkraftwerke.

Der zweitgrößte deutsche Energieversorger RWE ist erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik tief in die roten Zahlen gerutscht.  Nach der am Dienstag in Essen präsentierten Bilanz stürzte das Nettoergebnis auf minus 2,8 Milliarden Euro ab. Im Vorjahr hatte RWE noch 1,3 Milliarden Euro verdient.   Grund für den hohen Verlust waren Abschreibungen in Milliardenhöhe vor allem auf konventionelle Kraftwerke. RWE fährt unter Konzernchef Peter Terium einen harten Sparkurs.
Zudem wurden im vergangenen Jahr knapp 3900 Vollzeitstellen gestrichen. RWE hat außerdem bereits mehrere Kohlekraftwerke von Netz genommen, weil sie keinen Gewinn mehr abwarfen.

Häme von Greenpeace – niemand hatte so massiv für Atomstrom und gegen die Energiewende gearbeitet wie Ex-RWE-Chef (2007-2012) Jürgen Großmann. Der 1,4 Milliarden schwere 2-Metermann (Großmann stand damit auf Platz 83 auf der Liste der reichsten Deutschen) ist Mitglied von zwei schlagenden Verbindungen und initiierte im August 2010 den Energiepolitischen Appell, eine Lobbyinitiative der vier großen Stromkonzerne um die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke voranzubringen. Niemand propagierte so sehr den Atomstrom bei Merkel und Rösler wie Jürgen Großmann.
Er wollte einfach nicht wahrhaben und muß jetzt zusehen, wie die von ihm jahrelang verspotteten Greenpeacler Recht hatten.

Gern erwecken die deutschen Stromriesen den Eindruck, als sei die Energiewende vor drei Jahren, nach der Katastrophe von Fukushima, ganz plötzlich über sie gekommen. Tatsächlich wurde das Gesetz, das vielen Energiemanagern heute als Quell allen Übels gilt, schon im Jahr 2000 geschaffen: das Erneuerbare-Energie-Gesetz, kurz EEG.
Auch der Stromkonzern RWE hatte also sehr viel Zeit, sich darauf vorzubereiten, dass in Deutschland Sonne, Wind oder Biomasse die klassischen Energiequellen ersetzen sollen. Doch was tat RWE? Das Unternehmen aus Essen startete noch 2005 ein milliardenschweres Programm, um Kohle- und Gaskraftwerke in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien zu bauen; einen Teil der investierten Milliarden muss das Unternehmen nun abschreiben. […] Man sei spät, vielleicht sogar zu spät in die erneuerbaren Energien eingestiegen, räumte Unternehmenschef Peter Terium ein, als er am Dienstag bekannt gab, dass RWE erstmals seit 1945 einen Verlust gemacht hat. [….]
 (Ulrich Schäfer, SZ vom 05.03.2014)

Man muß sich wohl keine Sorgen um Jürgen Großmann mit seinem privaten Milliardenvermögen machen.
Aber wie sieht es für den armen Peter Terium aus, der seit zwei Jahren RWE leitet und nun aufgrund der Doofheit der RWE-Führung fast 4000 Menschen entlassen hat???

Für Konzern-Boss Peter Terium, der im Juli 2012 vom Vorstandsmitglied zum Vorstandschef aufstieg, erhöhte sich das Einkommen 2013 von 3,7 auf 4,5 Millionen Euro.

Es ist Deutschland hier.

Dienstag, 4. März 2014

Mein Krim-Senf


Der Themenkomplex Ukraine, Krim, Putin ist zurzeit nicht gerade ein Stiefkind der Berichterstattung.
Es wäre äußert anmaßend von mir nun Lösungsvorschläge parat zu haben.
Mir scheint Ratlosigkeit doch der Konsens in der westlichen Welt zu sein. Alle wissen, daß in der ökonomisch stark verquickten Welt von 2014 gegen so ein großes Land wie Russland ohnehin nichts durchzusetzen ist. Putin sitzt auf so wichtigen Energie- und Devisenreserven, daß Wirtschaftssubventionen allen gemeinsam schaden würden.
Die Konfrontation der Ideologien ist ohnehin vorbei. Chinesische Milliardäre, russische Oligarchen und amerikanische Industrielle wollen alle das gleiche: Geld verdienen und Einfluß ausüben.
Ausnahmsweise ist Merkels zögerliche Haltung bei der Ausladung Putins vom G8-Gipfel verständlich. Denn Gespräche abzusagen nützt gar nichts. Im Gegenteil. Vor gut einer Dekade waren wir einmal weiter. Da befand sich Putin im engen politischen und wirtschaftlichen Kontakt zu den großen EU-Staaten. Das gemeinsame und vertrauenswolle Handeln mit Paris und Berlin war legendär.
Aber dann kamen Merkel und Gauck mit ihrer Russland-Phobie.
Man warf pikiert „den bösen Russen“ Dinge vor, die man bei den Amerikanern ganz selbstverständlich akzeptierte. Als die NATO in Osteuropa aufrüstete und Raketenabwehrsysteme installierte fühlte sich der neue Partner Putin – ZU RECHT – im Stich gelassen.
 Er hat daraus gelernt und verläßt sich jetzt lieber auf seine eigene Stärke.
Es mag bei der augenblicklichen Putin-Bashing-Stimmung auch eine Rolle spielen, daß der Präsident der größten Nation der Erde und der mächtigste Mann der Welt (laut Forbes) ziemlich erfolgreich bei seinen Machtambitionen war und ist.
Ihm kann keiner mehr was. Da die Westeuropäer schon keine Rücksicht auf russische Interessen nahmen, ist er jetzt selbst der beste Anwalt russischer Vormacht.

Bei diesen internationalen Verwicklungen ist es immer sinnvoll sich andere Perspektiven anzueignen und so konnte ich es mir nicht verkneifen mir letzte Nacht eine Stunde CNN zum Thema Krim anzusehen.
Das Verständnis für die Situation war recht gut damit charakterisiert, daß nicht ein einziger der US-„Experten“ den Namen Putin richtig ausspricht. Im Russischen wird die zweite Silbe betont. Der Mann heißt Vladimir Putin. Durch die Bank weg sind aber die Amerikaner so ignorant, daß sie die zweite Silbe regelrecht verschlucken und immer von Putn sprechen.
Die schlauen GOPer haben glücklicherweise erkannt, wer die eigentliche Ursache der Krimkrise ist: Obama!


Klar, säße der schwule atheistische Moslem aus Kenia nicht als Präsident im Weißen Haus, würde Putin nicht solche Aktionen wagen, weil er genügend Angst vor einem strammen republikanischen Durchgreifen hätte.
Genau.


Als der sogenannte Ungarische Volksaufstand durch den Einmarsch der Sowjetarmee zerschlagen wurde, die am 4. November 1956 eine pro-sowjetische Regierung unter János Kádár installierte, regierte im Weißen Haus der republikanische Weltkriegsheld General Dwight D. Eisenhower und tat nichts.

Als der sogenannte Prager Frühling durch den Einmarsch der Sowjetarmee zerschlagen wurde, die am 21. August 1968 einmarschierte und der linientreue Gustáv Husák installiert wurde, regierte im Weißen Haus Lyndon B. Johnson und tat nichts.

Als Georgiens Präsident Michail Saakaschwili am 08. August 2008 das abtrünnige Gebiet Südossetien so drangsalierte, daß die Aktion in einen Krieg zwischen Georgien und Russland umschlug, regierte im Weißen Haus der durchaus kriegswillige Republikaner George W. Bush und tat nichts.

Die drei Präsidenten scherten sich genauso wie Barack Obama nicht um das verletzte Völkerrecht.
Ich bin für Völkerrecht. Völkerrecht ist gut. Und in einer idealen Welt hält sich auch jeder daran.
Wenn aber jeder je nach eigener Stärke das Völkerrecht ohne Konsequenzen bricht, wird es schwer plötzlich auf die Einhaltung desselben zu drängen.
Merkel sagte auch nichts als Amerika (Irakkrieg! Drohnenangriffe Pakistan! Tötung bin Ladens!), Israel (Palästina!) oder Deutschland selbst (Jugoslawienkrieg!) das Völkerrecht ignorierten und militärisch zuschlugen.


Wie sollte sie jetzt ausgerechnet von Putin verlangen sich buchstabengetreu an die UN-Vorgaben zu halten?

Russland und die EU haben von beiden Seiten an der Ukraine gezogen. Das hat jetzt schon zu einer Katastrophe geführt. Und wenn die G7-Staaten jetzt erklären, dass Russland die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine anzuerkennen hat, dann ist das richtig, aber nicht glaubwürdig, wenn ein Teil dieser Staaten beide völkerrechtlichen Prinzipien im Bezug auf Jugoslawien, Afghanistan, den Irak und Libyen verletzt hat. Eigentlich müssten jetzt alle Regierungen lernen, dass das Völkerrecht immer und für alle Staaten zu gelten hat.
(Gregor Gysi 04.03.14)

Wir erleben gerade das große Staaten-Tu-Quoque. Was sich eine Supermacht heraus nimmt, tut die andere eben auch.
Israel, Pakistan und Indien haben dreist den Atomwaffensperrvertrag gebrochen. Aber sie schufen Fakten und sind nun als Atommächte akzeptiert.
Es ist wenig überraschend, daß die Methode in Nordkorea und im Iran nachgeahmt wird.


Aber zurück zu Putin. Was will er auf der Krim?
Das ist relativ einfach. Putin fühlt sich für alle Russen zuständig und greift hart durch, wenn sie irgendwo attackiert werden – auch außerhalb russischer Staatsgrenzen.
Die mit 2,5 Millionen Menschen bevölkerte Halbinsel Krim, die zum großen Teil autonom regiert wird, ist die Perle des nördlichen Schwarzen Meeres und war 300 Jahre bis auf kurze kriegerische Unterbrechungen de facto russisch. Als sich die Sowjetunion 1991 in Lyse befand, ging die Krim irgendwie an die Ukraine – nur wollten das die Bewohner nicht und entschieden sich im Dezember 1991 für eine Autonomie.
Seit 1998 sind die drei Sprachen Ukrainisch, Russisch und Krimtatarisch verfassungsrechtlich garantiert. Heute sind gut 60% der Bevölkerung der Krim Russen.

Sprung.

Nicht so schlau war es vor zwei Wochen von Herrn Steinmeier und seinen französischen, bzw polnischen Kollegen bei ihrer „Verhandlungslösung“ für die kollabierende Ukraine faschistische extrem russlandfeindliche Minister zu installieren.

„Mit der Aufnahme der rechtsextremen Swoboda-Partei in die neue Ukrainische Regierung ist der Rubikon überschritten“, erklärt Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE“, zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine. Gehrcke weiter:
„Die EU-Politiker, einschließlich Außenminister Steinmeier,  haben die rechtsextreme Swoboda-Partei in ihre Verhandlungen mit der Maidan-Bewegung einbezogen und damit salonfähig gemacht. Sie tragen Mitschuld, wenn die Sammlungsbewegung des ‚Rechten Sektor‘ unter Einschluss der ‚Swoboda-Partei‘ erstarkt. Doppelzüngig ist, wer in Deutschland für ein Verbot der NPD eintritt, in der Ukraine aber ihrer Schwesterpartei Swoboda zum Posten des Generalstaatsanwalts und einflussreichen Ämtern in der Übergangsregierung verhilft. Nein zum Faschismus –das muss in Europa überall gelten.
[…] Einige weitere Maßnahmen des Kiewer Parlaments zeugen nicht von einem demokratischen Neubeginn. So das geplante Verbot der Kommunistischen Partei oder die Abschaffung von russisch als möglicher zweiter Amtssprache. Dabei ist russisch für die Hälfte der Bevölkerung die Muttersprache.
Die deutsche Außenpolitik hat durch ihr Engagement in der Ukraine eine hohe Verantwortung übernommen. Das Verhältnis zu Russland nähert sich dem Gefrierunkt. Doch eine Neuauflage des Kalten Krieges ist gefährlich und für die Menschen zutiefst schädlich. Nicht als Bollwerk gegen Russland, sondern als Brücke zwischen EU und Russland hätte die Ukraine eine Perspektive für Frieden und sozialen Fortschritt.“

Wo die Linke Recht hat, hat sie Recht. Auch SPIEGEL-online schloß sich eine knappe Woche später dieser Darstellung an und jubelte nicht wie die FAZ der neuen Steinmeier-Merkel-Außenpolitik zu.

Ganze Regionen im Osten und Süden des Landes haben sich von [der neuen Regierung in Kiew] losgesagt, auf der Krim sieht ein Großteil der Bevölkerung die einmarschierenden russischen Soldaten als Schutzmacht.
Dass es so weit gekommen ist, liegt an fatalen Fehlern der neuen Kiewer Regierung und des ukrainischen Parlaments. Unter dem Druck rechter Straßenkämpfer, die das Parlament in bedrohlicher Weise "bewachen", hat die Werchowna Rada ein Gesetz aufgehoben, das den Status der russischen Sprache im Osten und Süden des Landes garantierte.
Die mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und Polens - Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski - am 21. Februar unterschriebene Vereinbarung sieht die Bildung einer "Übergangsregierung der nationalen Einheit" vor. Die hätte logischerweise auch Vertreter der russischsprachigen Regionen einbeziehen müssen, die mehr als ein Drittel des Landes umfassen.
Stattdessen wurden Mitglieder der rechtsextremen Swoboda Minister. Diese Partei, die sich bei ihrer Gründung noch Sozial-Nationale Partei der Ukraine nannte, unterhält freundschaftliche Beziehungen zur NPD. Im Mai 2013 war eine dreiköpfige Swoboda-Delegation bei der Fraktion der Rechtsextremisten im Dresdner Landtag zu Besuch.
Die Begeisterung der NPD für Swoboda ist erklärbar. Denn die Partei definiert die Nation als "Gemeinschaft, die durch Blut und Geist verbunden ist", und rühmt den Kampf ukrainischer Kollaborateure an der Seite der Hitlertruppen. Die Waffen-SS-Division "Galizien", rekrutiert aus westukrainischen Nationalisten, habe, so Swoboda, doch "nur an der Front gegen die Bolschewiken gekämpft".
Dass die Aufnahme von Rechtsextremen in die Regierung kein Beitrag zur nationalen Versöhnung war, erkannte man in den russischsprachigen Regionen der Ukraine schneller als in westlichen Außenministerien.
Die braune Swoboda-Partei stellt im Kiewer Kabinett mehrere Minister, einen Vizepremier und den Generalstaatsanwalt Oleg Machnitzkij. […]
Die Folge: Die russische Bevölkerung der Krim erhob sich gegen die Zentralregierung, noch bevor Putin Truppen in Marsch setzte. Die drei westlichen Unterzeichner Steinmeier, Sikorski und Fabius hätten, wenn sie wollten, für Beschwerden wegen Vertragsverletzung einen Adressaten in Kiew: Das Abkommen trägt auch die Unterschrift des jetzigen Premierministers Arsenij Jazenjuk.

Was dachten sich Steinmeier und Merkel?
Einmal Duftmarken im Pulverfass Ukraine setzen und wenn die neue Faschisten-Regierung gegen Russen vergeht, würde Putin abwarten und zugucken??????

Zumal Putin weder die EU noch die USA fürchten muß.

Der Moderator im russischen Fernsehen bricht in Gelächter aus - ungewöhnlich genug für eine ernsthafte Diskussionssendung. Andererseits: Das, was der Experte von der Staatlichen Universität Moskau da gerade gesagt hat, ist ja auch zu lächerlich: Der Westen stoppt die Vorbereitungen auf den G-8-Gipfel in Sotschi, und das soll Wladimir Putin beeindrucken? "Wo doch Putin selbst schon einen G-8-Gipfel geschwänzt hat, weil er ihm nicht wichtig war?" Nein, dieser Westen, der eine Regierung von Putschisten in Kiew unterstütze, sei erkennbar schwach auf der Brust, wenn er nach Sanktionen rufe. Da werde, die Runde ist sich einig, wenig kommen, was wirklich weh tut.
Der Wissenschaftler aus Moskau wird dann noch gefragt, warum Putin überhaupt ein Zeichen der Stärke auf der Krim setze. "Nun", antwortet der bärtige Wissenschaftler bedächtig, "der Staatsstreich in Kiew war eben ein Regimewechsel zu viel."  […]


Wir erleben hier die Folgen der dümmlichen Russland-Phobie Merkels und Gaucks. So verliert man selbstverständlich den Einfluß im Kreml. Und während die linken Blogs belustigt auf dem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat vom „lupenreinen Demokraten“ herumreiten, wünsche ich mir Schröder zurück!
DAS war die einzig richtige Methode. Putin einbinden, Vertrauen gewinnen, Verlässlichkeit demonstrieren und jede Gelegenheiten zum privaten Gespräch bieten und nutzen. Merkel blamiert sich stattdessen damit, daß ihr Spruch „Putin hat den Anschluß zur Realität verloren!“ durchsickert. Wenig erstaunlich, daß Putin nicht auf die deutsche Kanzlerin hört.


Dabei wurde in den Medien schon lange vor dem Faschisten-freundlichen Kurs der Bundesregierung gewarnt.

Die deutsche Außenpolitik vollzieht eine Zäsur und öffnet sich erstmals für eine demonstrative Kooperation mit Kräften der extremen Rechten. Am 20. Februar ist der Berliner Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit dem ukrainischen Faschistenführer Oleh Tiahnybok in den Räumen der deutschen Botschaft in Kiew zusammengetroffen. Unmittelbar flankiert von Tiahnybok stellte Steinmeier sich anschließend für die internationale Öffentlichkeit zu einem offiziellen Presse-Shooting. Wie das Auswärtige Amt auf seiner eigenen Webseite mit einem Bild bestätigt, nahm Tiahnybok, Vorsitzender der rechtsextremen Partei Swoboda, an den mehrstündigen gemeinsamen Verhandlungen über den bewaffneten Umsturz in der Ukraine mit zwei weiteren Oppositionsführern gleichberechtigt teil.
Bekannte Tatsachen
Vor dem jetzigen Verhandlungspartner der deutschen Außenpolitik, dem antisemitischen Rassisten und NS-Wiedergänger Oleh Tiahnybok, hat german-foreign-policy.com in zahlreichen Berichten wiederholt gewarnt.[1] Die Inhalte sind kein Geheimwissen geblieben und wurden auch in anderen Medien mehrmals vermerkt. Trotz der im Auswärtigen Amt bekannten Tatsachen über den vermeintlichen Freiheitskampf der Anführer des bewaffneten Umsturzes hat sich Berlin für einen Weg entschieden, der mit den Verhandlungen zwischen Steinmeier und Tiahnybok sichtbar geworden ist. Zitate aus führenden deutschen Medien zeigen, was Berlin wusste, als es diesen verhängnisvollen Weg des Zusammenwirkens mit den Erben der NS-Kollobarateure, den Mördern an Millionen Polen und Sowjetbürgern, an orthodoxen Russen und jüdischen Ukrainern beschritt.

Nun ist das zu Erwartende passiert. Ein Desaster.
Mit einem Putin, der tut, was er kann.

Was hat der Westen erwartet? Wladimir Putin ist zwar ein Schurke, aber auf die Krim kann Russlands Präsident nicht verzichten. Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier hätten das wissen müssen. Wenn so die neue deutsche Rolle in der Welt aussieht - lieber nicht.
Deutschland ist "zu groß, um die Weltpolitik nur zu kommentieren." Frank-Walter Steinmeier hat das neulich gesagt. Jetzt sehen wir, was der Außenminister meint. In Kiew hat Deutschland nicht nur kommentiert, sondern sich tätig eingemischt. Das Ergebnis ist ein diplomatisches Desaster.
Waren Steinmeier und Kanzlerin Merkel unbedarft, oder wollten sie besonders raffiniert sein? Wollten sie den Ukrainern helfen - oder den Schurken Putin in seine Schranken weisen? Beide Rechnungen werden nicht aufgehen. Spaltung oder Krieg - die Ukrainer werden einen hohen Preis dafür zahlen, dass sie den Verlockungen des Westens erlegen sind. Auch Deutschland trägt dafür Verantwortung.
[…] Was hat man im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt von Russland erwartet, als man das Angebot eines EU-Assoziierungsabkommens mit Kiew betrieb? Als man die ukrainische Opposition ermunterte, gegen den - immerhin gewählten - Despoten Janukowitsch aufzustehen? Als man die Putschregierung - so muss man die neuen Herren von Kiew wohl nennen - ohne Zögern anerkannte?
Wie sah es wohl für russische Augen aus, als der amerikanische Senator John McCain im Dezember von der Tribüne des Unabhängigkeitsplatzes in Kiew hinabrief: "Ukrainisches Volk! Das ist euer Moment! Die Freie Welt ist mit euch! Amerika ist mit euch!" Und wie sah es für russische Augen aus, als der Boxer Klitschko und die Gas-Oligarchin Timoschenko sofort nach dem Staatsstreich eine Einladung zum bevorstehenden Treffen der Europäischen Volkspartei nach Dublin erhielten?
[….]  Das internationale Recht spielt da eine untergeordnete Rolle - wie es auch bei den amerikanischen Drohnenangriffen an der Grenze zu Pakistan der Fall ist, oder bei der israelischen Besetzung des Westjordanlands, oder bei Chinas willkürlichen Grenzziehungen im Südchinesischen Meer. Wenn es um die Verteidigung der eigenen Interessen geht, zeigt sich nicht nur Russland wenig zimperlich.

Aber auch Augstein sagt nichts Neues. Das hätten Merkel und Steinmeier früher wissen können. Die Linke veröffentlichte diese Ansicht schon im Januar 2014.

„Russland-Phobie ist keine Ukraine-Politik. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Ukraine dürfen nicht weiter angeheizt werden“, so Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, zur aktuellen Entwicklung in der Ukraine, wo in Kiew zuletzt fünf Menschen bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen starben. Gehrcke weiter:
„Allerdings fallen sowohl die Europäische Kommission als auch die Bundesregierung wegen Einseitigkeit als Vermittler aus. Wer in der Ukraine vermitteln will, muss glaubwürdig sein. Die ukrainische Regierung und die Opposition müssen einen eigenen Weg finden, die Konflikte ohne den Einsatz von Gewalt auszutragen. Für die EU und für Deutschland sollte es selbstverständlich sein, dass es keinerlei Kooperation und Unterstützung für rechtspopulistische und nationalistische Kräfte in der Ukraine geben darf. Das Argument, dass sich eine politische Kraft gegen den Präsidenten Janukowitsch positioniert, heißt noch lange nicht, dass sie demokratisch ist und für eine östliche Partnerschaft in Frage kommt.
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte eine Regierungserklärung der östlichen Partnerschaft gewidmet. Nunmehr stehen Merkel und Steinmeier vor den Trümmern ihrer verfehlten Ostpolitik. Die Bundesregierung braucht eine neue Ostpolitik.“
(PM 23.01.14 Die Linke Bundestagsfraktion)