Jetzt bin ich dran. Anders als in den Obrigkeitsparteien
CDU und CSU, in denen kein Mitgliedervotum abgehalten wird, weil
dort ohnehin nicht aufgemuckt wird, müssen Klingbeil und Esken noch zittern.
Die Basis, also auch ich, hat das letzte Wort in der Causa Merz-K.O.alition.
Alle SPD-Mitglieder
entscheiden vom 15. bis zum 29. April im Mitgliedervotum über den neuen
Koalitionsvertrag. Das ist gelebte Mitbestimmung – direkt, verbindlich und
stark.
Parallel dazu gibt es von 14.-28.04.2025 Gelegenheit Fragen
bei Dialog- und Onlinekonferenzen zu stellen. Das Ergebnis wird am 30.04.2025
vorgestellt und nur bei einem „Ja“ wird es zur Kleiko Merz kommen.
Die SPD-Verhandler geben sich demonstrativ optimistisch.
Das fällt nicht sehr schwer; schließlich jammert die konservative Presse,
landauf landab, die CDU habe sich für den unbedingten Kanzlerwunsch ihres
Vorsitzenden von der SPD über den Tisch ziehen lassen und kaum konservative
Handschrift durchsetzen können.
Vielleicht ist das nur ein Manöver, um die SPD-Mitglieder
einzuwickeln. Aber plausibel ist die überproportionale Durchsetzung der SPD
schon, da die CDUCSU völlig unvorbereitet in die Verhandlungen stolperte und
wegen des enormen Erpressungspotentials Klingbeils: Merz musste der SPD sehr
weit entgegen kommen, weil er am 23.02.25 mit 28% furchtbar schwach abschnitt,
seither weiter abschmiert und keinerlei Alternative zur SPD hat. Dennoch gehen
die Ober-SPDler auf Nummer sicher und werben enthusiastisch mit ihrer
Durchsetzungsfähigkeit um die Zustimmung der Mitglieder.
[… ] als demokratische
Mitte in politisch unsicheren Zeiten tragen wir eine große Verantwortung für
die Zukunft unseres Landes. Wir haben mit der Union hart und intensiv
verhandelt. [… ]
Mit dem großen Finanzpaket für Sicherheit und Infrastruktur
können wir jetzt so stark in unser Land investieren wie niemals zuvor. In
Schulen und Kitas, in Klimaschutz und Wohnungsbau, in die Bundeswehr und in
sichere Arbeitsplätze. Auf dieser Basis wollen wir eine stabile Regierung aus
der demokratischen Mitte bilden.
Wenn es gelingt, wie bei
diesem Koalitionsvertrag, zwischen SPD und CDU/CSU Brücken zu bauen, kann uns
das auch an anderen Stellen in unserem Land wieder gelingen.
Unsere Sicherheit und unser Wohlstand sind durch Russlands
Angriffskrieg gegen die Ukraine und eine immer protektionistischere
Handelspolitik bedroht. Deshalb müssen wir handeln.
Mit dem historischen
Finanzpaket für Sicherheit und dem 500 Milliarden Euro Sondervermögen für
Infrastruktur können wir unser Land systematisch modernisieren. Bauen,
sanieren, vorankommen ist jetzt das Gebot der Stunde.
Um uns robust für die
Zukunft aufzustellen, haben wir ein großes Paket für Wachstum und Arbeitsplätze
geschnürt. Energiekosten werden gesenkt, Investitionen für Made in Germany
gefördert, Zukunftstechnologien unterstützt und die Einwanderung von Fachkräften
erleichtert.
Besonders wichtig ist uns
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und ihre Familien ein gutes und sicheres Leben führen können.
Stabile Renten, ein höherer Mindestlohn, mehr bezahlbare Wohnungen, mehr Geld
für Chancengerechtigkeit und frühkindliche Bildung, die Sicherung des
Deutschlandtickets und eine Verlängerung der Mietpreisbremse – auch das konnten
wir in den Verhandlungen erreichen.
Wer sich in Europa umschaut, sieht, dass es keine
Selbstverständlichkeit ist, dass sich in diesen Zeiten Regierungen in der
demokratischen Mitte bilden lassen. Wir haben dafür jetzt eine gute Grundlage. [….]
(Lars und Saskia, SPD-Parteivorsitzende,09.04.2025)
Ich hatte heute noch keine Gelegenheit, den 146-seitigen Koalitionsvertrag vollständig
durchzulesen, aber offenkundig werden selbst die äußerst niedrigen Erwartungen weitgehend
enttäuscht.
Ich ärgere mich über die Ambitionslosigkeit in der
Sozialpolitik. Zu den seit Jahrzehnten offensichtlichen Megaproblemen weiß
offenbar niemand in CDUCDUSPD eine Antwort, außer alles auf die lange Bank zu
schieben:
[….] Ob bei Rente,
Gesundheitssystem oder Pflege: In den Sozialversicherungen stehen die Zeichen
auf Notstand. Wichtigster Grund ist die Demografie. In den kommenden zehn
Jahren geht die Babyboomer-Generation in den Ruhestand, während weit weniger
junge Menschen das Erwerbsalter erreichen. Dadurch gehen den
Sozialversicherungen auf der Einnahmeseite nicht nur Beitragszahlende verloren
– zugleich steigen die Ausgaben für Rente, Pflege und medizinische Versorgung
erheblich. Die Folge: Die Beitragssätze werden weiter stark steigen, binnen der
nächsten zwei Jahrzehnte geschätzt von jetzt gut 40 Prozent auf etwa 50 Prozent
des Bruttolohns.
Bei allen drei
Sozialversicherungen agiert die Koalition nach dem Motto: »Und wenn ich nicht
mehr weiterweiß, gründ' ich einen Arbeitskreis.« Rente: eine Rentenkommission
soll einberufen werden und bis Mitte der Legislatur – also 2027 – ihre
Ergebnisse vorlegen. Krankenkassen: Eine »Kommission unter Beteiligung von
Expertinnen und Experten und Sozialpartnern« soll bis Frühjahr 2027 Vorschläge
erarbeiten. Pflege: Eine »Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene unter
Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände« soll Grundlagen einer »großen
Pflegereform« erarbeiten – noch in diesem Jahr.
Derweil verschärft die
Koalition die finanziellen Belastungen noch erheblich: Das Rentenniveau wird
nun bis 2031 auf dem jetzigen Stand von 48 Prozent garantiert – Kosten laut
Schätzung des Ministeriums: 9,1 Milliarden Euro allein im Jahr 2030. (Sollte die
Garantie danach verlängert werden, wären es 2035 gut 28 Milliarden Euro und im
Jahr 2040 dann rund 40 Milliarden Euro. Pro Jahr.) Die Mütterrente für vor 1992
geborene Kinder wird abermals angehoben – Kosten: gut 4,5 Milliarden Euro im
Jahr für eine armutspolitisch sehr ungenaue Leistung, da sie sowohl an arme als
auch reiche Mütter und Väter ausgezahlt wird. [….]
(SPON, 09.04.2025)
Ich ärgere mich über die Ressortverteilung, der Karl
Lauterbach zum Opfer fiel.
Ich ärgere mich
darüber, daß ein rechtspopulistischer Hetzer und als Minister erwiesener
Totalausfall, neuer Innen- und Verfassungsminister wird: Dobrindt.
Ich ärgere mich über die Personalie Merz. Ich verachte
den Mann nicht nur, sondern halte ihn für hochgefährlich.
Ich ärgere mich darüber, mit SPD-Stimmen einen chronisch
verlogenen xenophoben Geronten ins Kanzleramt befördern zu müssen.
Ich ärgere mich über den heimlichen Autoren des Koalitionspapiers:
Die AfD, deren Vorstellungen nun umgesetzt werden: Flüchtlinge an der Grenze
zurückweisen, Familiennachzug aussetzen, obwohl das garantiert kontraproduktiv ist.
Ich ärgere mich über die ängstliche Besitzstandswahrung,
die hier an den Tag gelegt wird.
[….] Dem politisch
heikleren Vorhaben, eine Wehr- oder Dienstpflicht einzuführen, weicht die neue
Koalition dagegen aus. Vorgesehen ist vorerst nur eine neue Wehrerfassung. Dies
sendet nicht das notwendige klare Signal an ein Land, das heute kaum fähig
wäre, sich selbst zu verteidigen.
Auf den ersten Blick wird
das Land nun konservativer regiert. Die neue Regierung will die irreguläre
Migration stärker bekämpfen, mehr für die innere Sicherheit tun, den Empfängern
des bisherigen Bürgergelds mehr abverlangen, Steuern senken. Das sind Kernelemente
jener Wende, für die Merz immer geworben und für die sich die Mehrheit der
Deutschen bei der Wahl entschieden hat. Allerdings stehen diese Merz’schen
Versprechen unter manchen Vorbehalten – zum Beispiel dem, ob sich die
„Zurückweisungen“ an den deutschen Grenzen so umsetzen lassen wie geplant. Und
die Unternehmen sollen zwar bald durch Abschreibungen Steuern sparen können,
was Investoren ermutigen dürfte. Aber das Absenken der Körperschaftsteuer soll
erst im Jahr 2028 beginnen, also nicht in näherer Zukunft.

[….] Schwarz-Rot ist alles
in allem weniger ein Bündnis für Fortschritt als eines, das bewahren will. Das
mag in einer Zeit, in der die deutsche Sicherheit und der deutsche Wohlstand
auf dem Spiel stehen, schon ein sehr ehrgeiziges Ziel sein. Vermutlich wären
viele Deutsche froh, wenn die Lage in vier Jahren – trotz Trump und Putin –
nicht wesentlich schlechter aussähe als heute. Eine ganz große politische Wende
aber bleibt aus, ebenso ein spektakulärer Impuls für die Wirtschaft.
Stattdessen versprechen Union und SPD neue alte Wohltaten wie die niedrige
Gastro-Steuer, den verbilligten Agrardiesel oder die nächste Anhebung der
Mütterrente. Diese teuren Geschenke, eingefordert besonders von der CSU, stehen
eher für das Bewahren des Komforts der Vergangenheit als für den Aufbruch in
eine Zeit, in der Zumutungen nicht ausbleiben werden. [….]
(Nicolas Richter, 09.04.2025)
Ich ärgere mich darüber, wie es dem C-Block gelang, Demokratie
und Transparenz zu Gunsten von Mauschelei zu schleifen.
[…..] LobbyControl übt
scharfe Kritik am heute vorgestellten Koalitionsvertrag von Union und SPD. Der
Vertrag trägt nicht dazu bei Transparenz und Lobbykontrolle in Deutschland
voranzubringen – ein enttäuschendes Ergebnis und ein falsches Signal.
Anja Nordmann, politische
Geschäftsführerin von LobbyControl, erklärt:
„Unsere Demokratie steht
derzeit von außen wie von innen stark unter Druck. Union und SPD setzen völlig
falsche Prioritäten, wenn Themen wie illegitime Einflussnahme, Integrität und
Transparenz in ihrem Koalitionsvertrag nicht vorkommen. In diesem Wahlkampf war
Einmischung von außen deutlich sichtbar – etwa durch Tech-Milliardär Elon Musk.
Außerdem gab es mehrere fragwürdige Parteispenden in Millionenhöhe. Das zeigt
deutlich: Es braucht dringend eine Reform der Parteien- und Wahlkampffinanzierung.
Wir hatten uns für einen Parteispendendeckel als wichtigste Maßnahme
starkgemacht. Gerade mit Blick auf die nächsten Wahlkämpfe ist es fatal, dass
dieses Instrument zum Schutz der Demokratie weiter fehlt.
Wir fordern Schwarz-Rot
auf, diese Missstände dringend anzugehen, um den Angriffen antidemokatischer
Kräfte standzuhalten.“
Angriffe auf
zivilgesellschaftliche Instrumente
In den letzten Monaten
haben CDU und CSU immer wieder zivilgesellschaftliche Organisationen
diffamiert. Dies gipfelte darin, dass die Unionsparteien während der
Koalitionsverhandlungen Einschränkungen für das Informationsfreiheitsgesetz und
Klagerechte im Umwelt- und Verbraucherschutz forderten – wesentliche
Instrumente einer kritischen Zivilgesellschaft. Der Koalitionsvertrag sieht nun
vor, dass Informationsfreiheitsgesetz zu „reformieren“, Verbandsklagerechte
sollen eingeschränkt werden.
Anja Nordmann: „Starke
Proteste haben immerhin erreicht, dass das Informationsfreiheitsgesetz nicht
abgeschafft, sondern reformiert werden soll. Nun kommt es darauf an, wie eine
solche Reform aussieht. Die Koalition sollte das Gesetz zu einem umfassenden
Transparenzgesetz weiterentwickeln statt es einzuschränken. Es ist gut, wenn
der Koalitionsvertrag die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft für eine
wehrhafte Demokratie betont. Zugleich ihre Handlungsspielräume zu beschneiden
ist widersprüchlich und falsch."
Weiter kommentiert Anja
Nordmann: „EU-Plattformregeln, die die Macht von Big Tech beschränken, sollen
laut Koalitionsvertrag konsequent durchgesetzt werden. Das ist gut. Doch der
Vertrag enthält auch zahlreiche Lobbygeschenke für Konzerne. Insgesamt ist der
Koalitionsvertrag ein herber Rückschlag für eine starke, transparente und
gerechte Demokratie." [….]
(LC, 09.04.2025)
Ich ärgere mich über Geschenke für die
Besserverdienenden, die sich Restaurantbesuche leisten. Ich ärgere mich über
klimaschädigende Maßnahmen zur Erhöhung des CO
2-Ausstoßes.
[…..] Wer aber wird konkret entlastet und wer
muss zur Gegenfinanzierung möglicherweise mehr bezahlen? Diese Fragen sind
zwischen Union und SPD umstritten und bleiben offen. Zugleich erlaubt die
Haushaltslage keine Steuerreform ohne Gegenfinanzierung.
Schneller merken könnten
Bürger kleinere Entlastungen. Etwa, wenn sie im Restaurant künftig den
ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Speisen zahlen – vorausgesetzt, die
Gastronomen geben das teure Geschenk weiter. Oder wenn sie Überstunden machen,
deren Zuschläge künftig steuerfrei sein sollen. Verschonen soll der Fiskus auch
bald Menschen jenseits des Rentenalters, wenn sie Einkünfte von bis zu 2000
Euro erzielen.
Ebenfalls freuen können
sich Pendler: Ab 2026 soll die Pendlerpauschale 38 Cent ab dem ersten Kilometer
betragen – aktuell sind es 30 Cent. Für Landwirte wird die sogenannte
Agrardieselrückvergütung wieder »vollständig« eingeführt. Ihre versuchte
Abschaffung durch die Ampelkoalition hatte zu massiven Protesten geführt. […..]
(SPON, 09.04.2025)
Ich ärgere mich aber auch über die höhnischen Kritiker
von links, die nun der SPD vorhalten, ihre Wurzeln, bzw Prinzipien aufgegeben
zu haben.
Die tun aber alle so, als habe die SPD die absolute Mehrheit
und wäre nun frei, ihr Parteiprogramm umzusetzen. Das ist aber absurd. Die SPD bekam 8,15 Millionen Stimmen bei 84
Millionen Menschen in Deutschland. 16% der abgegebenen Stimmen der
Wahlberechtigten. 84% wählten andere Parteien und die absolute Mehrheit wählte
rechts. Damit kann man beim besten Willen keine pure soziale Politik
durchsetzen, denn der Urnenpöbel will keine soziale, sondern ganz klar
antisoziale Politik zu Gunsten der Superreichen und gegen Minderheiten.
Ich ärgere mich über meine Parteiführung, die das
Desaster schönredet.
Ich ärgere mich über die Bredouille in der ich bei meiner
Stimmabgabe zu Mitgliedervotum stecke. Alles widerstrebt mir. Ob Personal oder Programmatik:
Ich will das alles nicht.
Ich ärgere mich, daß ich aber doch gezwungen bin, diesem
extrem beschissenen Koalitionsvertrag zuzustimmen und damit dem fürchterlichen
Merz zum Kanzleramt zu verhelfen. Denn ein Nein lässt nur zwei Alternativen zu:
Entweder die CSU schwingt direkt zur AfD um und bildet eine schwarzbraune
Koalition. Das wäre noch schlimmer als die CDUCSUSPD-Kleiko. Oder es kommt so
chaotischen Szenen, in der keine neue Regierungsbildung möglich ist. Steinmeier
müsste schließlich Neuwahlen ausrufen und ob des totalen Scheiterns von Union
und Sozis, würde die AfD noch viel stärker werden. Das wäre noch schlimmer als
die CDUCSUSPD-Kleiko.