Donnerstag, 3. August 2023

Ökonomie und Demokratie

In den 1970er Jahren fand Geopolitik in einer bipolaren Welt aus zwei militärischen bis an die Zähne bewaffneten Supermacht-Gruppen statt. Warschauer Pakt und NATO. Beide so unbezwingbar mächtig, daß ein Angriff den sicheren atomaren Selbstmord bedeutete. Das Ende dieser beiden Blöcke konnte sich niemand vorstellen und schien auch nicht erstrebenswert. Denn wer nicht dazu gehörte, mußte entweder mit Titos zahnlosen „Blockfreien“ am Katzentisch sitzen, oder aber noch schlimmer: Er wurde gar nicht als Teil der Welt angesehen und unter dem verächtlichen Label „Dritte Welt“ geführt.

Im seltsamen Gegensatz zum (militärischen) „Gleichgewicht des Schreckens“, stand  die ökonomische Stärke der NATO-Staaten, die von Prosperität und Überfluss strotzte, während der Alltag in den Warschauer-Pakt-Staaten von Mangel, Agonie, Verfall und sogar Hunger gekennzeichnet war.

Die Ost/West-Strategien der sozialliberalen Brandt- und Schmidt-Regierung setzte deswegen richtigerweise nicht auf einen Krieg des Systeme, sondern auf „Wandel durch Annäherung“, bzw später „Wandel durch Handel.“

Ein kluges Konzept, das auf erhobene Zeigefinger und arrogantes „wir sind besser als ihr“-Gerede verzichtete. Stattdessen würde jeder Kontakt zwischen den Menschen der verschiedenen Welten, den einen die Segnungen des Systems der anderen vor Augen führen.

Nina Hagen brachte es nach ihrem Rauswurf aus der DDR mit ihrem genialen Refrain „Es ist alles so schön bunt hier!“ auf den Punkt.

Jeder Warschauer Pakt-Mensch, der der nicht durch Mauern und Nachrichtensperre (wie im Dresdner Tal der Ahnungslosen) völlig von Informationen aus der anderen Welt abgeschnitten war, konnte nur zu einem Schluß kommen: Der Kapitalismus ist der Planwirtschaft in jeder Hinsicht überlegen, Freiheit führt zu unternehmerischer Blüte und das Leben in der NATO-Welt ist für jeden Bürger um ein vielfaches besser.

Je mehr touristische, kulturelle, wissenschaftliche oder wirtschaftliche Kontakte es gab, desto größer würde die Sog-Wirkung des westlichen Kapitalismus werden. Desto mehr würden die UdSSR-assoziierten Regime ins Wanken geraten. Der Westen müsste nur abwarten. Genauso schien es Ende der 1980er zu kommen. Mit dem Ende der Sowjetunion, sowie der Vereinigung aus DDR und BRD, erfüllten sich die zwangsläufigen ökonomischen und gesellschaftlichen Strömungen. So musste es sein, da sich alle Menschen nach individueller Freiheit und Wohlstand sehnten. Beides wäre nur in den westlichen Demokratien zu haben.

Das „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama 1992) war erreicht; der WP Geschichte. Die ewige Dominanz der USA eingeläutet.

Mannomann, haben wir uns da alle geirrt!

Niemanden war aufgefallen, daß ewiges Wachstum in einer Welt mit endlichen Ressourcen nicht möglich ist. Kaum einer beachtete, daß die ökonomische Stärke des Westens auf der Ausbeutung der „dritten Welt“ beruhte. Keiner wollte den Wissenschaftlern zuhören, die vor der Zerstörung der Umwelt und des Weltklimas warnten, die der Kapitalismus mit sich bringt. Man vergaß völlig, auch an die offenkundigen Verlierer der Globalisierung; an soziale Katastrophen in der muslimischen Welt, zu denken.

Außerdem stellte sich die Vergötterung der „Freiheit“ als hohle Monstranz der US-Konservativen oder Songtexter wie Marius Müller-Westernhagen heraus.

Viele Menschen entscheiden sich bei Wahlen lieber gegen die Freiheit, weil sie sich nach starker Führung sehen und sich von allzu frei lebenden Minderheiten fürchten.

Schließlich zeigten China und die asiatischen Tigerstaaten, daß radikalkapitalistisches Wirtschaften nicht nur nicht, zwangsweise mit Demokratisierung und Rechtssicherheit einherging, sondern ganz im Gegenteil, in einem autoritären System ohne Individualrechte, sogar noch besser funktioniert.

Im Hamburger Stadtteil Altona gibt es eine S-Bahn-Überführung namens „Sternbrücke“. Der 75 m lange Stahlbau wurde 1893 im Zuge der Trassierung der Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn errichtet und war nach 100 Jahren so marode, daß ein Neubau notwendig wurde. Ein ganz gewöhnlicher Vorgang. Seit 2005 plant die Stadt gemeinsam mit der Deutschen Bahn den Neubau. In einer Demokratie werden aber auch kritische Stimmen gehört, Anwohner können Einsprüche einreichen, Nachbarn äußern ihre ästhetischen Bedenken zu dem Entwurf des Neubaus und viele wollen generell nicht von Baulärm gestört werden.

Inzwischen sind 18 Jahre vergangen und es immer noch kein Spatenstich getan, während die alte Brücke immer mehr rostet. Demokratie behindert Infrastrukturausbau.

Darüber können Xi, Putin oder Salman ibn Abd al-Aziz nur lachen. Wenn in einer ihrer Provinzen eine neue kommunale Brücke gebaut werden soll, ordnet irgendein lokaler Bevollmächtigter das an und die Sache ist in Wochen erledigt.

Demokratie ist also anstrengend und behindert unter Umständen die ökonomische Entwicklung ganz enorm. Politische Führer können, selbst wenn sie klug genug sind, um zu wissen, was getan werden muss, nicht so handeln, weil andauernd Wahlen sind und sie zu befürchten haben, ihren Job ganz schnell los zu sein, wenn sich die Anwohner einer notwendigen Infrastrukturbaumaßnahme gestört fühlen.

Die Berücksichtigung von Individualinteressen kann nur dann funktionieren, wenn alle Wähler sich einig sind, auch gelegentlich zurückstecken zu müssen, um andere Interessen zu würdigen und nicht mit den prosperierenden Autokratien mithalten zu können.

Diese Einigkeit besteht aber eben nicht unter westlichen Demokraten. Sie sind geprägt von Neid-Gefühlen und enormen Verlustängsten. Sie wollen nicht abgeben und gönnen weder Migranten, noch Kriegsflüchtlingen, noch Transsexuellen Solidarität.

Demokraten sind oft so wenig demokratisch, daß sie völlig freiwillig AfD, FN oder FPÖ wählen. In Ungarn, Polen, den USA, der Türkei und Israel hatten die Bürger immer die demokratische Wahl und entschieden sich gegen die Unantastbarkeit der Menschenwürde, gegen Gewaltenteilung, gegen Pressefreiheit, gegen unabhängige Justiz. Gegen Demokratie.

Die Blockfreien von heute heißen jetzt BRICS. 20 Nationen wollen den BRICS gern beitreten, noch mehr von der BRICS-Bank profitieren.

Die fünf Staaten sind zusammen ökonomisch bereits stärker als die G7. Und sie sind interessant für alle Schwellenländer, weil sie wertfrei sind. In der BRICS-Welt muss niemand demokratisch sein, wird niemand abgemahnt, weil er Regimegegner köpft oder Schwule aufhängt.

Das gefällt Homo Sapiens einfach besser als EU-Chaos.

Mittwoch, 2. August 2023

Söder leitet den Abstieg der CSU ein

 Die Konservativen laden moralische und politische Schuld auf sich, indem sie sich immer mehr an die Rechtsextreme AfD heranwanzen und deren hetzerischen Inhalte nachplappern. So machen sie Pseudothemen salonfähig:

Hass auf Greta, Hass auf die Grünen, Zweifel am Klimawandel, Hass auf Wokeness, Hass auf Gendern, Hass auf Migranten, Hass auf Transpersonen.

Das ist sicherlich mehr als schlimm genug.

Wir sehen aber auch in allen Ländern, in denen es rechtspopulistisch tönenden Parteien in die Regierungsverantwortung schafften, daß diese reine Hetze, das pure „Dagegen-Sein“ in der praktischen Politik völlig untauglich ist. Trump oder die Tories machten aus ihren ökonomisch enorm starken Nationen, traurige Sanierungsfälle. Finnland, regiert von den rechtsextremen „wahren Finnen“ gleicht einem rechten Trümmerhaufen.

Georgia Meloni, der der EVP-Vorsitzende CSU-Mann Manfred Weber hechelnd hinterherläuft, um ihren Hintern zu küssen, versagt als Ministerpräsidentin.

[….] Es gibt im Europaparlament viele Abgeordnete, die über die aktuelle Brandmauer-Debatte von CDU und CSU nur bitter lachen. Diese Brandmauer gegen rechts, die CDU-Chef Friedrich Merz in einem Sommerinterview am Sonntag ein wenig ab- und tags darauf erschrocken wieder aufgebaut hat - die sei in der EU schon eingerissen worden, und zwar vom CSU-Politiker Manfred Weber in seiner Eigenschaft als Partei- und Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP). Grüne, Sozialdemokraten, Linke, aber auch führende Liberale werfen Weber vor, er führe Europas Christdemokraten mit Blick auf die Europawahl im nächsten Jahr aus der politischen Mitte heraus nach rechts.   […]

(Josef Kelnberger, SZ, 25.07.2023)

Wie der einfach Bürger nationale rechte Politik erlebt, kann man in Italien besichtigen.

[….]  Das kann man gerade in Italien beobachten, wo die Koalition unter der Führung von Giorgia Meloni aus drei Parteien besteht, die rechts, noch rechter und am rechtesten verfasst sind. Und die - nomen est omen - am 1. Mai dieses Jahres, dem Tag der Arbeit, einschneidende Kürzungen bei den Sozialtransfers für Menschen beschlossen haben, die gar nicht arbeiten können oder nicht von ihrer Arbeit zu leben vermögen. Eine dieser Maßnahmen, der weitgehende Wegfall des Bürgergelds von durchschnittlich 560 Euro pro Person, wird jetzt zum 1. August wirksam. Das Thema ist explosiv, auch weil die Regierung das Ganze schlampig vorbereitet hat. So bekamen zum einen die 169 000 betroffenen Haushalte die Maßnahme erst jetzt per SMS mitgeteilt. Das Land ist in Aufruhr, die Bürgermeister, die den Unmut als Erste abbekommen, appellieren an die Regierung, die Reform zu stoppen. [….]

(Marc Beise, SZ, 31.07.2023)

Die ultrarechten Talkingpoints zu übernehmen, zeigt nämlich nicht nur eine moralische Verkommenheit der CSU-Herren Weber und Söder und Ramsauer und Scheuer und Dorindt, sondern ist auch ein äußerst peinliches Eingeständnis ihrer völligen Ideenlosigkeit.

Ihnen fallen einfach keine Antworten auf die multiplen Giga-Probleme unserer Zeit ein.

Probleme, die allen voran CSU-Politiker erst verursacht haben: Die Energieabhängigkeit von Putins Erdgas, das Desaster der Bundesbahn, der enorme Digitalisierungsrückstand Deutschlands, die schlechte Infrastruktur.

In zwei Monaten wird in Bayern gewählt.

[….] Bei der CSU ist, auch mit Blick auf andere Umfragen der vergangenen Wochen, ein leichtes Schwächeln zu erkennen. In der Partei gibt es nicht wenige Stimmen, die angesichts der Popularitätsflaute für die Ampel finden, dass die CSU längst deutlich oberhalb der 40-Prozent-Marke rangieren müsste. Söder selbst hatte öffentlich nur das eher bescheidene Ziel ausgegeben, ein Ergebnis mindestens wie 2018 zu holen und die Koalition mit den FW fortzusetzen. Vor fünf Jahren hatte er mit nur 37,2 Prozent das schlechteste Resultat für die CSU seit sechs Jahrzehnten verbucht. [….]

(Johann Osel, 02.08.2023)

CSU runter, AfD rauf. Kein Wunder, denn zu den wirklich wichtigen Themen fällt Söder nichts ein: Wohnungsnot in Bayern, verpatzte Energiewende, Lehrermangel, Unterrichtsausfall.

Da funktionierende politische Konzeptionen in der CSU so eine Mangelware sind, plappert man eben die Hetze der AfD nach, regt sich über Gendern auf, belügt das Wahlvolk dreist über angebliche Grüne Verbote (Luftballons, Bratwurst) oder holt Uralt-Kamellen wie den Länderfinanzausgleich aus dem Keller.

[….] Die Ideenlosigkeit der CSU könnte die AfD noch mehr stärken.[….]

Die potenziellen Wähler im konservativen Lager wenden sich verstärkt den Freien Wählern und der AfD zu. Und damit ist es nicht mehr völlig absurd, dass ein Schreckgespenst auch das heimelige Bayern heimsuchen könnte: Die AfD könnte zweitstärkste Kraft im Freistaat werden.

Nicht aus eigener Kraft, die rechtsextreme Partei war in den vergangenen fünf Jahren im Landtag nur destruktiv, hetzerisch und peinlich. Doch viele Menschen fürchten um ihren Wohlstand, ob das nun begründet ist oder nicht. Die Kluft in der Gesellschaft wächst, gerade auf dem Land fühlen sich die Leute zunehmend missverstanden. Von der Wut, die sich gerade erst bei einer Wahlveranstaltung der Grünen in Chieming entladen hat, profitieren einerseits die Freien Wähler - und andererseits die AfD. Sie braucht dafür keine politischen Konzepte, es reicht das kategorische Dagegensein. [….] Aber warum profitiert die CSU dann nicht viel stärker? Daran hat sie auch selbst Anteil, denn außer einem Parteichef, der sich ganz offenbar vorgenommen hat, bis zur Wahl kein Bierfass unangezapft zu lassen, hat sie wenig anzubieten. Das Wahlprogramm ist eine Enttäuschung, was die CSU als Stabilität verkauft, kann auch als Ideenlosigkeit verstanden werden. Oder als Angst vor der Veränderung. Die muss aber gestaltet werden. [….]

Und die CSU? Steht ratlos daneben. [….]

(Katja Auer, SZ, 02.08.2023)

Dienstag, 1. August 2023

Impudenz des Monats Juli 2023

 Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Der arme diskriminierte Hamburger CDU-Chef Thering ist traurig und fühlt sich fürchterlich diskriminiert.

Diskriminiert von den bösen Schwulen und Lesben. Die wollen ihn nicht zum CSD einladen. Die sind so intolerant, diese Queeren.

[….] Die CSD-Veranstalter haben die Hamburger CDU ausgeladen – Landeschef Thering gefällt das überhaupt nicht. Am kommenden Samstag ist es so weit: Der CSD zieht durch Hamburg – es wird wohl der größte, den es in der Stadt je gegeben hat. Auch viele Parteien zeigen auf der Demonstration Flagge für Vielfalt und Toleranz. Die CDU wollte in diesem Jahr zum ersten Mal an der bunten Parade teilnehmen – doch nun ist es amtlich: Die CSD-Veranstalter haben die Christdemokraten ausgeladen. Landesparteichef Dennis Thering spricht von „Intoleranz“.  […]

(MoPo, 01.08.2023)

Und das alles nur, weil die CDU Jahrzehnte gegen Homorechte agitierte, hinter einem Bundesvorsitzenden steht, der Homosexualität mit Pädophilie assoziiert, verlangt, daß der schwule Klaus Wowereit sich ihm nicht nähert und insbesondere die Hamburger CDU unter ihrem Rechtsausleger Christoph Ploß, die queerfeindliche Sabine Mertens-Antigenderinitiative mit ihren homophobe Aussagen mit voller Kraft unterstützt. Die stellen sich aber auch an, die Hamburger LGBTIs. Wieso wollen die denn keine Partei dabei haben, die täglich Propaganda für die verfassungsfeindliche AfD und ihr völkisch-toxisches Weltbild macht?

Da hetzten C-Politiker im 24-Stundentakt gegen queere Menschen und dann wollen die Opfer dieser Attacken, die Aggressoren nicht herzlich zu ihnen einladen! Wie unfreundlich!

Und damit küre ich den AfD-Umarmungskurs der C-Parteien zur Impudenz des Monats Juli 2023.

Merz, Söder und die ihren, kennen keine Hemmungen mehr.

Liebe Karin Prien, lieber rheinland-pfälzischer CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder, liebe CDU; ich bin wirklich gegen den inflationären Gebrauch von Nazi-Vergleichen, aber wenn EURE C-Minister Flüchtlinge mit "Ungeziefer" vergleichen, stellen sie sich selbst weit außerhalb des demokratischen Spektrums zu den Volksverhetzern, die Paragraph 1 der Verfassung mit Füßen treten! Von Rotgrün gibt es jedenfalls nicht diese verfassungsfeindlichen Ausfälle, die Ihr Konservativen nun beinahe täglich raushaut!


Über 20% AfD sind schlimm. Aber noch schlimmer ist, wie es zu den hohen Werten kommt. Nämlich durch die freundliche PR-Hilfe der Christdemokraten.

[….] Die bürgerliche Rechte lugt bereits ungeniert über ihre nie ganz undurchlässige Brandmauer und treibt die Ampel damit - Stichworte Asyldeal und Heizungsgesetz - vor sich her. Auf kommunaler Ebene riss CDU-Chef Friedrich Merz sie im ZDF-Sommerinterview einfach ein. Insofern ist ein Aufschrei nicht nur Notwehr, sondern auch ein wichtiger Appell: Trittbrettfahren bei Populisten bleibt tabu. Ganz zu schweigen davon, dass Wut über Stimmen für die AfD und ein Bewusstsein über die gesellschaftlichen Probleme, die damit zu tun haben, einander nicht im Geringsten ausschließen. "Widerstand leisten heißt Neues schaffen", schreibt der französische KZ-Überlebende und Aktivist Stéphane Hessel in seinem 2011 erschienenen Essay "Empört euch!". Die Zivilgesellschaft muss diejenigen unterstützen, die sich der AfD entgegenstellen. Damit niemand eines Tages seine Koffer packen muss.  [….]

(Carim Soliman, SZ, 31.07.2023)

Die Empörung über die ungeheuerlichen, fortwährenden Tabu-Brüche der CDUCSU nach ganz rechts außen, fällt leider immer noch viel zu schwach aus und so schwellen die demoskopischen Zahlen der Faschisten weiter an.

[….] taz: Frau Mehrer, die AfD gab sich auf ihrem Parteitag in Magdeburg über weite Strecken unverhohlen rechtsextrem, Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang sieht verfassungsfeindliche Positionen. CDU-Chef Friedrich Merz plädierte dagegen zuletzt, zumindest kurzzeitig, für einen pragmatischeren Umgang mit der AfD in der Kommunalpolitik. Was halten Sie von dem Vorschlag?

Anne Mehrer: Natürlich nichts. Die AfD ist eine Partei mit einer antidemokratischen Agenda und das spielt sie auch in der Kommunalpolitik aus. Wer Mitglied dieser Partei ist und deren weltanschauliche Kampfansagen an demokratischen Institutionen und an eine liberale, offene Gesellschaft teilt, der geht für diese Partei nicht in die Kommunalpolitik, um dort ausschließlich Sachpolitik zu machen. Diese Person wird an gegebener Stelle immer auch AfD-Positionen einbringen, also rassistische, abwertende und geschichtsvergessene Positionen. Daher braucht es auch in der Kommunalpolitik eine klare Abgrenzung.

Taz: Sie beraten in Sachsen lokale Akteure im Umgang mit Rechtsextremen. Wie ist Ihre Erfahrung? Gibt es diese Brandmauer? Oder wird nicht längst mit der AfD kooperiert?

Anne Mehrer: Tatsächlich ist eine Zusammenarbeit mit der AfD in den Kommunen längst Alltag. Dafür gibt es viele Beispiele. Wir erleben das in Sachsen im Grunde seit 2019, seit die AfD bei den Kommunalwahlen breit in die Stadt- und Gemeinderäte gewählt wurde, teils als zweit- oder drittgrößte Kraft.  [….]

(Konrad Litschko, 01.08.2023)

Merz postuliert wahlweise eine Brandmauer, oder das Einreißen einer solchen, obwohl die nicht existiert und auch nie existierte. Schon 2017 kuschelte die CDU mit der AfD auf vielen Ebenen. Immer wieder wurden diese CDU-Faschisten-Bündnisse öffentlich angeprangert, führten aber nie zu Konsequenten in Konrad-Adenauer-Haus.

[….] Nach den jüngsten Aussagen aus der Führungsspitze der CDU muss man leider annehmen, dass es dort gar keine Brandmauern mehr gibt. Hier werden wohl gerade Koalitionen mit der AfD vorbereitet, die wir – wenn die Union sich nicht auf ihre Grundlagen besinnt – vielleicht schon nächstes Jahr auf Landesebene erleben werden.   [….]

(Politologe Gideon Botsch, 25.07.2023)

Die CDU hatte immer stark angebräunte Rechtsausleger, aber noch nie waren sie so laut und noch nie war einer von ihnen selbst Parteichef, der von der jungen CDU-Generation Frei, Spahn, Kuban, Amthor, Ploß für die Faschisten-Umarmung geliebt wird, statt daß sie ihn vom Hof jagen.

[….] Die politische Zündelei, also das bübchenhafte Spiel mit dem rechten Rand, hat es in der Geschichte der Bundesrepublik immer mal wieder gegeben. In den stabilen Jahren galt sie eher als ein moralisches Ärgernis, als Aufreger in der verantwortungspolitischen Haltung der Demokraten zur deutschen Geschichte. Die so entstandenen kleineren Sachschäden am Verputz der Demokratie wurden mit Rücktritten aus der Welt geschafft oder, in Ausnahmefällen wie dem des ehemaligen CDU-Abgeordneten Martin Hohmann, mit Parteiausschlussverfahren beantwortet. Hohmann, heute still und glücklich in den Krakenarmen der AfD zu Hause, nannte die Juden 2003 ein Tätervolk. Man entledigte sich des Mannes und brauchte kaum die Folgen seines Geschwätzes zu fürchten.

Der braune Rand, den sie, so der Vorwurf, bedienten, bestand damals schlimmstenfalls aus ein paar krakeelenden Glatzen und verpeilten Altnazis. Kurzum: Es ging damals noch eher darum, den Geschmack zu wahren, als ernsthaft Schaden vom Land abzuwenden. Auch als Martin Walser 1998 seine Sonntagsrede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche hielt, war die Aufregung über Wendungen wie "Dauerrepräsentation unserer Schande" eher eine Feuilletonade und damit ein eingehegter Skandal.

Heute sieht das verteufelt anders aus, denn es geht um den großen Warenverkehr von Wählerstimmen zwischen vor allem der CDU und der AfD - ein hoffnungsloser Wettbewerb, denn die Anziehungskraft der AfD bindet die zunehmende Zahl der potenziellen Wähler nicht durch differenzierte Inhalte, sondern vor allem durch einen inhaltlich vebrämten Dauerradau.  [….]

(Hilmar Klute, 30.07.2023)

Montag, 31. Juli 2023

Rechtsradikal, unfähig, gefährlich.

Das hat wieder einmal etwas von Realsatire: Der schlechteste deutsche Bundesminister der aktuellen Regierung, Volker Wissing, FDP, der in seinen zukunftsträchtigen Bereichen Digitales und Verkehr, gleichermaßen versagt; also dem Land, dem er dienen soll, schwersten Schaden zufügt, will dem schlechtesten deutschen Bundesminister aller Regierungen, Ondi Scheuer, CSU, an den Kragen.

[….] Bundesverkehrsminister Wissing, FDP, will mögliche Schadenersatzforderungen gegen seinen Vorgänger Scheuer von der CSU wegen der geplatzten Pkw-Maut prüfen lassen. Es solle ein externes Gutachten erstellt werden, um Rechtsfragen zu klären, sagte Wissing der Deutschen Presse-Agentur. Als Minister habe er die Aufgabe, die Vermögensinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP): „Wenn es die Möglichkeit geben sollte, jemanden in Regress zu nehmen, dann wäre es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Regressforderungen durchgesetzt werden und nicht einfach die Akten in den Keller gelegt werden. Deswegen gibt es nun dieses Gutachten und diese Prüfung.“ Es gehe um eine Summe von 243 Millionen Euro, die der Bund nach einem Schiedsverfahren als Schadenersatz an die vorgesehenen Mautbetreiber zahlen müsse.  [….]

(Deutschlandfunk, 31.07.2023)

Die bayerischen Wildsäue (FDP über die CSU) fühlen sich erwartungsgemäß schwer getriggert und verfallen in Koprolalie: „Es ist völliger Mumpitz zu glauben, daraus irgendetwas konstruieren zu können.“

Glücklich schätzen kann sich bei diesem epischen Battle der maximalen Minus-Minister nur Bettina Stark-Watzinger, die mit Bildung ein ebenso zukunftsentscheidendes Ressort wie Wissing bekleidet und hart mit ihm um die Krone des gegenwärtig schlechtersten Regierungspolitikers ringt. Die FDP-Frau ist ein fachlicher Totalausfall und lädt schwere Schuld auf sich. Aber in dem bayerischen CSU-Gebrüll geht sie mal wieder unter und kann weiterhin unterhalb des Radars dem totalen Nichtstun frönen.

[….] Ein verheerendes Erbe [….] Das Maut-Desaster ist nicht der einzige Flurschaden, den Verkehrsminister von der CSU angerichtet haben. In Sachen Deutschen Bahn und digitale Infrastruktur dürfte der volkswirtschaftliche Schaden noch höher sein. [….] Mag die Vorstellung, ranghohe Mandatsträger für politische Fehlentscheidungen in finanziellen Regress nehmen zu können, auch allerlei sinistre Phantasien beflügeln (Merkel wegen Nord Stream?) [….] Unter diesem Aspekt dürfte dem FDP-Politiker Wissing schon jetzt ein kleiner Coup gelungen sein. Denn gut zwei Monate vor der Landtagswahl in Bayern lenkt er den Blick nicht nur auf den finanziellen Schaden, den der CSU-Mann Andreas Scheuer mit dem Mautprojekt angerichtet hat.

Überdies hat Wissing von der CSU zwei weitere heikle Dossiers geerbt: Seit 2009 trugen Ramsauer, Dobrindt und Co. die politische Verantwortung für die Deutsche Bahn, seit 2013 auch noch für die digitale Infrastruktur. Die volkswirtschaftlichen Schäden, die durch die Vernachlässigung dieser Aufgaben entstanden sind und entstehen, dürften die 243 Millionen Euro Schadenersatz als die sprichwörtlichen Peanuts erscheinen lassen.  [….]

(Daniel Deckers, FAZ, 31.07.2023)

Es ist natürlich keine neue Erkenntnis, daß wir Bahn-, Infrastruktur- und Digitalisierungsdesaster – die drei ganz großen Bremsklötze Deutschlands - fast ausschließlich der CSU zu verdanken haben, die mit Ramsauer, Dobrindt und Scheuer 12 Jahre am Stück eine groteske Realsatire aufführten. Die drei Dummies werden in zukünftigen Politologie-Lehrbüchern als Negativbeispiele für Generationen von Studenten dienen:

·        Wie sieht die schlimmstmögliche Regierungsarbeit aus?

·        Wie schafft man es, schon während seiner Amtszeit, so ein Versagerclown-Image aufzubauen, daß Satiresendungen wie die Heute-Show nur ein Scheuer-Bild einblenden müssen, um das Publikum zu Lachstürmen zu veranlassen?

·        Welche katastrophalen Folgen ergeben sich aus der CSU-Bundesminister-Simulation auch noch Jahrzehnte nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt?

Die CSU-Bundesminister werden einst das für die Politik sein, was Thomas Middelhoff, Madeleine Schickedanz und Anton Schlecker für die Wirtschaftsgeschichte sind: Sich selbst maßlos überschätzende Dummbatze, die im Alleingang gesunde Multimilliardenkonzerne in den Ruin führen.

Mitleid muss man deswegen nicht mit den bajuwarischen Minusmännern haben, da sie neben ihrer Unfähigkeit auch noch maximal unsympathisch sind, keinerlei Reue kennen und sich bis heute mit ihren zutiefst menschenverachtenden, rechtsradikalen und homophoben Meinungen zu Wort melden.

In der CSU von 2023 ist Schwulenhass wieder ganz hoch im Kurs. Bär und Scheuer pilgerten sogar zum weltweit führenden Queer-Feind Ron Desantis, um ihm den Hintern zu küssen.

CSU-Kult-Homohasser Johannes Singhammer macht ebenfalls wieder Schlagzeilen.

CSU-Rechtsaußen Alexanders Dobrindt äußert sich regelmäßig so volksverhetzend, daß er gerade angezeigt wurde.

Wildsau Peter Ramsauer legt noch einen drauf, indem er übelste menschenfeindliche NS-Sprachbilder verwendet.

[….]  Ausgelöst wurde der Wirbel durch ein von Ramsauer verwendetes Zitat des früheren chinesischen Parteiführers Deng Xiaoping. Das Magazin "Mittelstand Digital" des nordrhein-westfälischen Bunds der Selbstständigen hatte den CSU-Politiker bei einer Frage nach der Zuwanderungspolitik zunächst mit folgenden Worten zitiert: "Deng Xiaoping hat einmal gesagt: 'Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein.' Das heißt - übertragen auf die Einwanderungsproblematik -, dass wir aufpassen müssen, dass wir neben den Fachkräften nicht auch x-beliebige Wirtschaftsflüchtlinge mit ins Land holen." Später wurde das Zitat entfernt. Eine BR-Anfrage an den Bund der Selbstständigen, wie es zu der Änderung kam, blieb zunächst unbeantwortet.

Darüber hinaus kritisierte Ramsauer in dem Interview, die Flüchtlingspolitik gehöre wie der Atomausstieg zu den "katastrophalsten politischen Fehlern der damaligen Bundeskanzlerin" Angela Merkel (CDU). "Nicht ohne Grund sage ich den AfD-Parlamentariern, dass sie Merkel ein Denkmal setzen müssten, weil die AfD ihre parlamentarische Existenz ausschließlich der Politik von Angela Merkel zu verdanken hat." Auch in anderen europäischen Ländern sei die Erkenntnis gereift, dass es in der Flüchtlingspolitik nicht so weitergehen könne. "Daher habe ich vollstes Verständnis für Ungarns Ministerpräsidenten Orbán, aber auch für die Polen, die eigenständig entscheiden wollen, wer in ihr Land kommen darf und wer nicht." [….]

(BR, 31.07.2023)

Mein Sarkasmus läßt mich selten im Stich, aber wenn ein christlicher Bundestagsabgeordneter und Bundesminister angesichts tausender in Mittelmeer ertrinkender Männer, Frauen und Kinder von „Ungeziefer“ spricht, fällt mir dazu nichts Adäquates mehr ein.

[….] Wer Geflüchtete mit Ungeziefer vergleicht, spricht ihnen das Menschsein ab. Ungeziefer wird bekämpft und vernichtet. Wenn Ramsauer Geflüchtete mit "Ungeziefer" vergleicht, schwingt die Geschichte des Holocaust mit, die Entmenschlichung, die der Vernichtung vorausging. Das ist lupenreine Volksverhetzung. Da spricht kein x-beliebiger Neonazi, sondern Mitglied einer bürgerlichen Partei. Ramsauer muss sein Bundestagsmandat zurückgeben. Sollte er es nicht tun, muss Fraktionschef Merz handeln und den Abgeordneten aus der Fraktion ausschließen. Wir erleben einen gefährlichen Rechtsruck in der Gesellschaft. Wenn Merz versucht, die Union auf kommunaler Ebene für eine Zusammenarbeit zu öffnen, wenn er die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl befürwortet, spielt er mit dem Feuer.   [….]

(Gösta Beutin, 31.07.2023)

Deutschland am Kipppunkt. Die faschistische AfD ist deswegen so gefährlich, weil sie von CDU und CSU unterstützt wird.

[….] Was ist heute passiert: Weitere extrem rechte Ausfälle von den konservativen Parteien, die jetzt immer normaler werden. Sobald man eine eigene Meinung entdeckt, geriert man sich sofort als unterdrücktes Opfer einer Diktatur. Der Trick: So rechtfertigt man weiteren Extremismus und weitere Unterdrückung anderer Meinung - im Gewand der Selbstverteidigung. So fängt tatsächlich Faschismus an. Deshalb will man alles verbieten - und beschimpft Grüne als Verbotspartei.

Peter Ramsauer (CSU) nannte Geflüchtete jetzt "Ungeziefer", CDU-Rechtsaußen Maaßen, der regelmäßig mit antisemitischen Codes hantiert, twitterte "Auslandsluft macht frei", eine offensichtliche Anspielung auf "Arbeit macht frei" des KZ Auschwitz. Der Mann war man oberster Verfassungschef. Die CDU behält ihn explizit in der Partei und will ihn nicht herauswerfen.  [….]

(VP, 31.07.2023)