Freitag, 26. August 2022

Durchbruch bei der Missbrauchsuntersuchung im Erzbistum Köln

Was für ein glücklicher Tag!

Es ist nämlich immer ein glücklicher Tag, wenn sich mein Lieblingskleriker, mein Idol, das strahlende moralische Vorbild, der Kardinal der Herzen, Eminenz Woelki an das gemeine Volk wendet und die Richtung vorgibt.

Dazu muss ich an dieser Stelle einen kleinen Einschub machen, weil ich annehme, das ist noch zu kaum einem durchgedrungen: Metropolit Woelki hatte da so ein klitzekleines Problemchen, weil angeblich ein oder sogar zwei Minderjährige von einem Geistlichen vielleicht irgendwann mal, bewiesen ist ja nichts, irgendwie unsittlich angesehen wurden. Vermutlich ist nichts dran an diesen Vorwürfen aus der ganz kirchenfeindlichen Ecke, aber man kennt ja die "allzeit sprungbereite Aggression" (Benedikt XVI.), mit der die Atheisten die armen frommen Gottesmänner verfolgen. Woelkis Vorgänger Meisner („Brüder im Nebel“) erkannte schon vor fast zehn Jahren die wahren Schuldigen.

[….] Der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, ein Vorstandsmitglied im Verein für klare katholische Aussprache, sieht Anlass dazu, Priester und Laienmitarbeiter im Erzbistum zu "Tapferkeit im Umgang mit öffentlicher Häme" aufzufordern. Meisner schreibt von einer "Katholikenphobie" in der Gesellschaft. […]

(RP, 09.02.2013)

Einfach unverschämt, wie sich diese feindseligen Atheisten über das bißchen Kinderfi**en aufregen. Da kann man schon stolz auf die Kleriker sein, die sich dem Versuch der Kriminalisierung dieses ganz natürlichen Priesterverhaltens, widersetzen.

Der zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte ehemals dritthöchste Geistliche der 1,3 Milliarden Katholiken ließ durch seinen Anwalt erklären, der Geschlechtsverkehr mit den minderjährigen Messdienern habe nur wenige Minuten gedauert – das zähle nicht.

(……)  Pells Anwalt erklärte die Unschuld seines Mandanten mit der Dauer des Analverkehrs. Der habe nur sechs Minuten angehalten und sei damit juristisch nahezu irrelevant: „plain and vanilla penetration sex“!

Ein paar Messdienern mal seinen Penis in den Mund zu schieben, konnte er sich da wohl erlauben – so glaubte Pell.  Gleich mehrere erzkonservative Ex-Premierminister standen in seiner Gerichtsverhandlung als Leumundszeigen da und der mächtige Papst beließ ihm demonstrativ sein rotes Kardinalshütchen – als Ausweis seiner allerhöchsten Würde derjenigen, die den Stellvertreter Gottes auswählen und durch die der Heilige Geist spricht.  So einer kann ja schlecht in den Knast kommen, befand Pell selbst, zumal er ja gar keine Kinder missbraucht hatte und unschuldig ist.

Außerdem hat er die Kinder, die er gar nicht missbraucht hat, laut seines Anwaltes nur sechs Minuten missbraucht.  (….) Nein, nein, nein, George Pell AC, 77, Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche, ehemaliger Erzbischof von Melbourne, ehemaliger Erzbischof von Sydney, ehemaliges Mitglied des Päpstlichen Kardinalsrats, Kardinalpriester der Titelkirche Santa Maria Domenica Mazzarello, langjähriger Großprior der Ordensprovinz Australien-New South Wales des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Generalkaplan im Großpriorat Australiens, Träger des Lazarusordens und des kirchlichen Großkreuzes des Verdienstordens des Heiligen Lazarus, der hochrangigste australische Katholik aller Zeiten, ist unschuldig, hat keine Kinder vergewaltigt und ist nur Opfer einer linken Hetzjagd!   So tönen heute seine Fans – darunter der allmächtige Rupert Murdoch, Executive Chairman der News Corp (Fox News) und gleich mehrere australische ehemalige Premierminister.

Gottes Top-Mann beharrt vehement auf seiner völligen Unschuld und von „sexuellem Missbrauch“ oder „Vergewaltigung“ kann gar nicht die Rede sein, weil es nämlich nur „plain and vanilla penetration sex“ mit einem 12-Jährigen und einem 13-Jährigen war. Nur sechs Minuten lang erzwang Pell den Analverkehr, wie sein Verteidiger Robert Richter beschwichtigend erklärte.

Das wäre nun wirklich nur Blümchensex.   Wo ist also das Problem?  Und dafür sechs Jahre Haft? Für sechs Minuten? Ist ja unverschämt, tobt die gesamte austro-amerikanische konservative Medien- und Politlandschaft. (…..)

(Rechtsextreme Toleranz, 13.03.2019)

Wie der arme Ratzinger, der arme Meisner und der arme Pell muss nun also auch Heldenkardinal Woelki unter den Anwürfen leiden. Und alles nur wegen Petites

Aber freundlich und entgegenkommend, wie seine Kölner Eminenz nun mal ist, entwickelte er ein vorbildliches Verfahren, um den angeblichen „Opfern“ gerecht zu werden.

[…] Eine Liste aus dem Jahr 2015 mit den Namen von Priestern, denen sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde, soll geschreddert worden sein, nachdem sie der Kölner Kardinal durchgesehen hatte. Das bestätigte das Erzbistum Köln am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur. […] "Herr Kardinal Woelki hat keine Erinnerung daran, welche Namen überhaupt auf der vor mehr als sieben Jahren eingesehenen Liste standen", schreibt das Erzbistum. " [….]

(BR, 25.08.2022)

SO nämlich geht kirchliche Missbrauchsaufklärung: Täter-Liste schreddern, alle Namen vergessen, fertig! Nun haben die liederlichen Kritiker wirklich keinen Grund mehr, sich aufzuregen.

Sicherlich ist die Kirchenaustrittswelle damit nun endlich gestoppt.

Donnerstag, 25. August 2022

Tut Lindner unfreiwillig etwas Gutes?

Das Dienstwagenprivileg ist natürlich nichts anderes als eine zig Milliarden schwere Quersubvention an die deutschen Luxuskarossen-Hersteller. Genau deswegen spenden die Familien Porsche und Quandt so zuverlässig Millionen an (vornehmlich) CDU, FDP und CSU, so daß C-Partei-Minister eigentlich kaum ihre Tätigkeit verändern, wenn sie statt als heimliche BMW-, Audi- und Mercedes-Lobbyisten im Regierungsamt, nahtlos zu 100%-Lobbyisten werden: Matthias Wissmann, Hildegard Müller, Eckart von Klaeden.
Diese Toplobbyisten sind wertvoll für die Konzerne, die schließlich ihren Däumchen-drehenden Anteilseignern Wolfgang Porsche, Ferdinand Piëch (OK, der hat 2019 den Löffel abgegeben) Stefan Quandt oder Susanne Klatten jedes Jahr Milliarden Euro Dividenden als Belohnung für das Reich-Sein an sich auszahlen. Denn wann immer die EU droht, die Gewinne zu schmälern, indem sie den tonnenschweren deutschen CO2-Schleudern mit Klima-Abgaben drohen, greifen Klaeden, Müller, Wissmann zum Handy, auf dem sie Angela Merkel auf Kurzwahl haben, die sofort untertänig losspurtet, um in Brüssel den Klimaschutz zu bekämpfen.

Wer sich in einer normalen Hamburger Wohngegend (kein Problemstadtteil, aber auch keine Villengegend) umsieht, merkt es gar nicht, weil man dran gewöhnt ist. Dazu muss man erst Besuch aus dem Ausland haben, der einen drauf anspricht: Wieso stehen da eigentlich Oberklassewagen Stoßstange an Stoßstange? Volvos, Audis, BMWs, Teslas, Mercedesse, SUVs, Caymans. Die Dinger sind verdammt teuer. Der einfachste VW-Touareg kostet neu 69.000 Euro. Wieso haben all diese normalen Leute Autos, die 50.000, 60.000, 70.000 oder 80.000 Euro kosten?

Die Antwort: Das sind zum großen Teil Firmenwagen. 5,15 Millionen Autos in Deutschland haben einen gewerblichen Halter. Davon sind 85% Oberklasse, oder obere Mitteklasse-Wagen, die für einen Durchschnittsverdiener unerschwinglich sind. Mit dem Dienstwagenprivileg finanzieren all die, die sich selbst keine Luxuskarosse leisten können, eben jene Karren für die Topverdiener. Es ist eine gewaltige von unten-nach-oben-Schaufelei, die nicht nur zutiefst ungerecht ist, die Reichen reicher und die Armen ärmer macht, sondern es ist auch eine Klimapest, denn je schwerer und größer das Auto, desto höher der Verbrauch.

[….] Wer in die Statistiken des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) schaut, stellt fest: Je teurer ein Auto, desto höher ist der Anteil der Firmenwagen. Bei den mehr als 2200 neu zugelassenen Oberklasse-Fahrzeugen im ersten Halbjahr dieses Jahres etwa wurden laut KBA mehr als 85 Prozent an gewerbliche Käufer ausgeliefert. In der Kompaktklasse waren es hingegen lediglich 68 Prozent, bei Kleinwagen rund 51 Prozent.  Kritik entzündet sich schon lange an der sogenannten Dienstwagenpauschale, den Steuerregeln für die private Nutzung von Dienstwagen. Anderen Fachleuten geht es aber auch um die generelle Möglichkeit für Unternehmen, den Kauf von Dienstwagen zu großen Teilen von der Steuer abzusetzen. Zu diesen Kritikern gehört etwa der Lobbyverband Deutsche Umwelthilfe (DUH). „Jedes Jahr erstattet der Staat Steuern in Milliardenhöhe für Dienstwagen, die zu einem ganz überwiegenden Teil besonders klimaschädlich sind“, sagt der DUH-Bundesvorsitzende Jürgen Resch. Wenn ein Unternehmen einen Dienstwagen kauft, kann es laut Bundesfinanzministerium zwischen 39 und 43 Prozent des Bruttolistenpreises vom Staat zurückbekommen. as ist aus Sicht vieler Fachleute nicht verwerflich, schließlich können Unternehmen alles mögliche von der Steuer absetzen. Doch eine Obergrenze bei Dienstwagen gibt es nicht. Bei einigen Fahrzeugen aus der DUH-Untersuchung zahlt der Staat laut Verband deutlich mehr als 100.000 Euro für ein einzelnes Dienstauto dazu.  [….]

(Mopo, 13.08.2022)

So viel Populismus muss sein: Ich hätte auch gern eine 100.000-Euro-Zuzahlung von Christian Lindner, wenn ich mein nächstes Auto kaufe,

Es ist eine schmutzige Mauschelei der Autokonzerne, Lobbyisten und konservativen Politiker zum gegenseitigen Nutzen auf Kosten der Allgemeinheit.

In Zeiten von Putin und Ukraine und Klimakrise, während Grüne und Sozi-Minister in der Regierung sitzen, gerät das Dienstwagenprivileg in Imageprobleme. Wie rechtfertigt man das, während man dem Volk einbläut, zu sparen? Wieso zahlt der Staat Milliarden, um schwere Wagen mit besonders hohem Abgasausstoß zu fördern? Hier wäre ein geschickter FDP-Finanzminister gefragt, der ein wenig auf diese Bedenken eingeht, aber den Geldstrom zu den Superreichen im Wesentlichen erhält.

Glücklicherweise ist Lindner aber leicht verblödet und geht die Sache derartig plump an, daß er das Thema Dienstwagenprivileg erst richtig bekannt macht und zusätzlich skandalisiert. Eine Mauschelei sollte unter dem Radar der der Öffentlichkeit ablaufen. Durch Lindners bizarre Porsche-Vorliebe, seine Kontakte zu Porsche-Chef Blume, seine grotesken Sprüche von der „Gratismentalität“ beim Neun-Euroticket und der Klage über das angeblich „linke Framing“ gegen Dienstwagen, erweist er der Sache aber einen Bärendienst.

[….] Steuerexperten sprechen sich für Reform aus – FDP bleibt hart

Im Konflikt über Steuern für Dienstwagen verhärten sich zwischen Grünen und FDP die Fronten. Die Liberalen wehren sich weiter gegen eine Reform. Es handele sich nicht um ein Privileg, sondern um »Bürokratieentlastung«.   […]

(Spon, 25.08.2022)

Man fragt sich, wie dämlich die FDP-Ausreden noch werden können. Es erinnert an Volker Wissings Argument wider das Tempolimit, welches wegen des Schildermangels nicht umsetzbar sei.

So macht sich die FDP selbst immer unbeliebter.

[….]  Während im krisengeplagten Land immer mehr Menschen existenzielle Sorgen umtreiben, zieht Christian Lindner auch im Ministeramt eisenhart seine Linie durch: Lobbyarbeit für Wohlhabende. Wer 9-Euro-Tickets will, hängt laut Lindner der „Gratismentalität“ an. Wer hingegen das Dienstwagenprivileg kritisiert, betreibe „linkes Framing“, also eine Art Propaganda, die er so beschreibt: „Reiche. Haben einen Dienstwagen. Ein Privileg, kriegen noch Geld vom Staat. Dienstwagenprivileg. Damit sie im Bauch schon das Gefühl haben, oh, da kann was nicht mit rechten Dingen zugehen“ [….] Wo wir verantwortungsvolle und weitsichtige Politik bräuchten, reagiert Lindner kleingeistig und rückwärtsgewandt. Das ist nicht liberal, sondern ein Trauerspiel.“ [….]
(MoPo, 24.08.2022)

Mittwoch, 24. August 2022

Unendliche Doofheit.

Der kriminellste Ex-Präsident aller Zeiten arbeitet hart dafür, um ein 330-Millionenvolk in einen gewaltigen Bürgerkrieg zu zerren. Sein Sadismus ist genauso grenzenlos wie seine Selbstverliebtheit und seine Geldgier.

Um Steuern zu sparen, verscharrte er gar seine Ex-Frau Ivana auf seinem Bedminster-Golfplatz.

Ein singulärer debiler Massenmörder-Psychopath mit Zimmertemperatur-IQ ist für die Gesellschaft aushaltbar.

Aber in den USA sind weite Teile der Bevölkerung so sagenhaft verblödet, daß sie ausgerechnet diesen Irren als ihren Messias betrachten und ihn rund um die Uhr mit Geld zuschaufeln.

 Seine Jünger

Über eine Million Dollar nimmt Trump täglich durch Kleinspenden seiner fanatisierten Red Necks ein. Aber auch die Reichen und Superreichen zücken sechs-, sieben- und achtstelligen Summen, um ihrem orangen Gott den Hintern küssen zu dürfen.

[….] Donald Trump’s super PAC is hosting a candlelight dinner with the former president at one of his New Jersey golf courses next month, according to an invitation obtained by Forbes. The price to attend: $100,000 per person.  The event will raise funds for Make America Great Again, Again!, which in turn will presumably pay Trump National Golf Club Bedminster for hosting the event. Donald Trump owns 100% of the club, according to his 2021 financial disclosure.  The $100,000 ticket comes with a photo alongside the 45th president—and perhaps an opportunity to pay even more: “Private golf opportunities with President Donald J. Trump also available upon request,” the invitation says. Such events have been lucrative for Trump in the past. By hosting them at his own properties, he can collect big hauls for his political groups and decent slices for his private business.     [….]

(Forbes, 23.08.2022)

Es ist der totale moralische Zusammenbruch der Finanzelite, der sich hier zeigt. Entweder sie unterstützen damit die rassistische, staatszersetzende, homophobe, demokratiefeindliche, frauenverachtende, umweltzerstörende, gewalttätige Politik Trumps. Oder aber sie sehen darüber hinweg, weil sie ebenso wie er von Geldgier zerfressen sind und in den vier Jahren seiner Präsidentschaft erlebten, wie Trump zuverlässig die Milliarden an das oberste 0,1% der Gesellschaft schaufelte.

Immerhin, Trump agiert inzwischen so ungeniert, daß er gar nicht erst so tut, als ob der Millionenregen für die Partei oder eine bestimmte Politik bestimmt wäre. Nein, er allein, Jabba, the Orange Hutt, bekommt das Geld.

"not autorized by any candidate or candidate’s committee”, meaning Trump just wants you to fund his extravagant criminal lifestyle because he believes that you owe it to him to give him the lifestyle he wants on your dime. And, no, it’s not tax-deductible either.

(Lisa, 24.08.2022)

Dienstag, 23. August 2022

You cannot fix the stupid.

Die FBI-Durchsuchung Mar A Lagos scheint bisher ein Glücksfall für Donald Trump zu sein. Seine kriminellen und hochverräterischen Machenschaften scheinen nun so mannigfach, daß man selbst für ihn keine Gefängnisstrafe mehr ausschließen kann.

Aber finanziell lohnt es sich. Während seine fanatischen Jünger ihm an normalen Tagen zwischen 200.000 und 300.000 Dollar spenden, nimmt Trump nach dem Search Warrant nun über eine Million Dollar TÄGLICH von seinen komplett enthirnten Kult-Mitgliedern ein.

Und je näher Trump dem Knast rückt, desto mehr bejubelt ihn das Nazi-Fußvolk. Die parteiinterne Konkurrenz wurde de facto ausgeschaltet. Ron Death Santis und Mike Pence, die beide Hoffnungen auf die GOP-Präsidentschaftskandidatur 2023 hegten, vollführten den Kotau. Alle Republikaner, die zwischenzeitlich kurz die Nase aus Trumps Hinter gestreckt hatten, krochen wieder tief in seinen Mastdarm.

[….]  Auf der anderen Seite aber schließen sich die Reihen umso fester um Trump, je mehr er unter Druck gerät. Auf der »Conservative Political Action Conference« (CPAC) in Dallas, wo er nach Kari Lake sprach, wurde Trump wie ein Messias empfangen. Und als die Eilmeldungen von der Razzia in Florida über die Fernsehschirme flimmerten, empörten sich selbst jene Republikaner über das Vorgehen des FBI, die eigentlich jedes Interesse an einem Sturz Trumps haben – etwa Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, der seit Monaten keinen Hehl daraus macht, dass er gern der nächste republikanische Präsident wäre. Das »Regime« in Washington habe seine Vasallen in Marsch gesetzt, schrieb DeSantis in einem Tweet, der in dem Wort »Bananenrepublik« gipfelte.  Marco Rubio, Senator aus Florida, verglich seine Heimat mit der Ortega-Diktatur in Nicaragua. Republikanische Abgeordnete und Senatoren stellten Beamte der Bundespolizei in eine Reihe mit den Schlägern der SA und Folterknechten der Gestapo. Es war eine Melodie, die viele Republikaner aufgriffen und die dazu führt, dass eine wachsende Zahl von Amerikanern den demokratischen Institutionen zunehmend feindlich gegenübersteht. Denn wenn das »Regime« in Washington seine Gegner verfolgt und wenn Biden und seine Regierung sich verhalten wie »Faschisten«, wie Trumps Sohn Don Jr. meint – ist dann nicht jedes Mittel legitim, um sich zu verteidigen? [….]

(René Pfister, DER SPIEGEL, 19.08.2022)

Die gesamte GOP vollzog damit die Mutation zu einem extrem gefährlichen Nazi-Mordmob.

Trump dominiert die GOP nach Belieben, schaffte es nahezu mühelos die allerletzten Personen, die es wie Liz Cheney wagten, ihm zu widersprechen, aus ihren Positionen zu kegeln.

Idealerweise wären der mögliche nächste  US-Präsident und ein Hochkrimineller, der vielleicht lebenslang in den Knast kommt, nicht dieselbe Person. 

Auf Republikaner zugeschnittene Wahlgesetze und fanatische Landeswahlleiter, die trotz anderer Mehrheiten, GOP-Wahlmänner nach Washington schicken, machen aber einen Trump-Wahlsieg durchaus wahrscheinlich. (Szenario A) Als #47 wird er die Abschaffung der Verfassung und der demokratischen Rechte sicherlich durchführen und bestärkt davon, selbst den blutigen Coup vom 06.01.2021 unbeschadet überstanden zu haben, eine Trump-Autokratie etablieren. Es wäre mit Sicherheit das Ende der USA, wie wir sie ein Vierteljahrtausend lang kennen. Dunkelheit bräche an, Millionen People Of Color und Queeren bliebe nur noch die Emigration.

Da die 80 Millionen fanatischen Trump-Fans aber immer noch eine Minderheit stellten und zudem deutlich ungebildeter als die „Liberalen“ in den Tech-Konzernen und Universitäten sind, käme es unweigerlich zu einem Kampf um das Know How.

Kari Lake, 53, ultraradikale Trumpistin und Gouverneurskandidatin in Arizona, verbreitet wie andere Südstaaten-Extremisten separatistische Ideen. Sie möchte die Verbindungen zum Bund, zu Washington lösen.

Das ist selbstverständlich eine extrem dumme Idee, weil Arizona damit schlagartig pleite und nicht mehr existenzfähig wäre.

Was wäre aber, wenn bei der nächsten Trump-Präsidentschaft, die reichen, liberalen Hightech-Staaten wie Washington State, Kalifornien und New York ihre Verbindungen zu Washington kappten? Sie sind viel eher als die dünnbesiedelten republikanischen Farmer-Staaten existenzfähig.

Ein Bürgerkrieg wäre nahezu unvermeidlich.

Deklinieren wir aber andere Szenarien durch:

B) Trump, fett, 76, geistig schwer angeschlagen, stirbt vor der Präsidentschaftswahl 2024 eines natürlichen Todes. Seine 80 Millionen Jünger würden niemals an einen natürlichen Tod ihres adorierten Messias glauben. Blitzartig würden Verschwörer den „deep state“, Hillary Clinton und Barack Obama verantwortlich machen. Es bliebe garantiert nicht bei einzelnen Übergriffen aus FBI-Zentralen und demokratische Mandatsträger. Millionen schwer bewaffnete Fanatiker würden Rache schwören. Ein Bürgerkrieg wäre unvermeidlich.

C) Merrick Garland und verschiedene andere Staatsanwaltschaften und Bundesstaatebene schaffen es, Trump zu verurteilen, obwohl es natürlich nicht möglich ist eine neutrale Geschworenen-Jury zu finden.

Trump käme entweder in Haft oder würde um seine erneute Kandidatur gebracht. Blitzartig würden Verschwörer den „deep state“, Hillary Clinton und Barack Obama verantwortlich machen. Es bliebe garantiert nicht bei einzelnen Übergriffen aus FBI-Zentralen und demokratische Mandatsträger. Millionen schwer bewaffnete Fanatiker würden Rache schwören. Ein Bürgerkrieg wäre unvermeidlich.

D) Wider Erwarten gewinnen die Demokraten bei den Midterms deutlich, können ihre Mehrheit in House und Senat ausweiten, erfolgreich Gesetze verabschieden. Der Präsident würde populärer. Biden oder Harris hätten bei der Präsidentschaftswahl 2024 gute Chancen. Die total fanatisierten Trumpisten würden die Ergebnisse allerdings genauso wenig anerkennen, wie die von 2020. Blitzartig würden Verschwörer den „deep state“, Hillary Clinton und Barack Obama verantwortlich machen. Es bliebe garantiert nicht bei einzelnen Übergriffen aus FBI-Zentralen und demokratische Mandatsträger. Millionen schwer bewaffnete Fanatiker würden Rache schwören. Ein Bürgerkrieg wäre unvermeidlich.

E) Wider Erwarten gewinnen die Demokraten bei den Midterms deutlich, können ihre Mehrheit in House und Senat ausweiten, erfolgreich Gesetze verabschieden. Der Präsident würde populärer. Biden oder Harris hätten bei der Präsidentschaftswahl 2024 gute Chancen. Umweltkatastrophen und Energiekrise träfen gerade die GOP-regierten Staaten überproportional. Trumps Nimbus als Wahlgewinner wäre so beschädigt, daß die anderen GOP nicht wagen paramilitärisch gegen Washington zu marschieren. Es bliebe aber das grotesk verzerrende Wahlrecht, der mittelalterliche Supremecourt, der Gay Marriage, gemischt rassige Ehen, Verhütung und ähnliches verböte.

Und es blieben die rund 26 roten Bundesstaaten voller Red Necks, die jetzt schon Jagd auf LGBTIQ*s und POC machen.

A Florida school has ordered all LGBTQ students to “leave the school immediately.”

Brian Tyler Cohen, 23.08.2022

[….] A religious school in Florida says it will only refer to students by their sex assigned at birth, while pupils who are gay, transgender or gender nonconforming "will be asked to leave the school immediately."   NBC News obtained an email from Grace Christian School in Valrico, about 20 miles east of Tampa, sent before the beginning of the school year by Administrator Barry McKeen. The subject line of the email reads: "Important School Policy Point of Emphasis. ... Please Read."  The June 6 correspondence to parents cited scripture and said that students will be referred to by the "gender on their birth certificates" during the school year beginning this month. While the email refers to "biological gender," the National Institute of Health defines "gender" as a social construct, as opposed to "sex," which is the biological difference between females and males.   [….]

(Antonio Planas, 18.08.2022)

[….] Schulen in Texas müssen »In God We Trust«-Schilder aufhängen.  In Texas sollen Schulen Nationalstolz und Verbundenheit zum christlichen Glauben zeigen – so legt es ein neues Gesetz fest. [….] Bürgerrechtler kritisieren das Gesetz. »Die texanischen Schulen sollten ein sicherer Ort für Kinder sein, an dem sie frei von äußeren Einflüssen lernen und aufwachsen können«, sagte Carisa Lopez von der Bürgerrechtsorganisation Texas Freedom Network laut »Austin American-Statesman«. »Dieses Gesetz ist ein weiterer Versuch gewisser Politiker, die Trennung von Kirche und Staat auszuhebeln. Unsere Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, und der Staat Texas sollte keine religiösen Anforderungen an unsere öffentlichen Schulen stellen.« [….]

(SPON, 23.08.2022)

Der Fanatismus ist auch in günstigsten Szenario E nicht mehr einzufangen.

Ein Bürgerkrieg ist wahrscheinlich.

Montag, 22. August 2022

Die deutschen Wähler sind verrückt

Als 2008 mit der Lehmann-Pleite die größte Weltfinanzkrise seit 80 Jahren eingeläutet wurde und das Jahr 2009, das totale Scheitern der neoliberalen Deregulierungs-Ideologie offensichtlich machte, weil Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert wurden, dachten sich die Wähler, „geil, Neoliberalismus! Deregulierung! Wie das die Welt in den Abgrund rauschen lässt!“ und wählten die Westerwellesche Partei der Besserverdienenden mit einem Rekordergebnis von 15% in die Bundesregierung.

Es kam, wie es kommen musste. Die schlechteste Bundesregierung seit 1949 scheiterte in jeder Hinsicht und belastet uns bis heute insbesondere mit den katastrophalen Entscheidungen gegen die Photovoltaik und Windkraft.

2022 zeigt sich nun in frappierender Deutlichkeit das totale Scheitern all dessen, wofür der Blackrock-CumEx-Multimillionär Friedrich Merz steht: Die Staatsverachtung führte zu einem grotesk unterfinanzierten Bildungssystem.

Die schwarze Privatwirtschaftsideologie mit 16 Jahren Glos/Guttenberg als Technologie- oder Ramsauer/Dobrindt/Schauer als Verkehrsministern, führte dazu, daß Deutschland digital den Anschluss an die Welt verlor. Rumänen, Ukrainer oder Montenegriner, die es nach Deutschland verschlägt, sind fassungslos über das schwache und lückenhafte Internet, begreifen nicht, wieso die Verwaltung hierzulande immer noch auf Zetteln basiert.

Migrantenfeindliche Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsregeln bedingen den tödlichen Fach- und Arbeitskräftemangel.

Dafür wurden die oberen 10.000 astronomisch reich. Milliardäre konnten durch intensives Chillen und Nichtstun jedes Jahr weitere Milliarden anhäufen.

2021 traten drei Parteien dafür an, Steuern für die Superreichen zu erhöhen und das Zweiklassen-Gesundheitssystem in eine gemeinsame Bürgerversicherung zu transformieren: SPD, Grüne und Linke.

„Ih Gitt“, dachten sich die Wähler und schickten wieder die FDP mit Rekordergebnis in die Bundesregierung. Damit waren Reichensteuer vom Tisch. Die Privilegien der Superreichen (Privatversicherung, Dienstwagenprivileg, Energiesteuerfreiheit für Flugbenzin, um Merz Privatjets zu subventionieren) werden hingegen erbittert verteidigt.

Lindner, der ideologische Merz-Zwilling, betrachtet jeden, der sich keinen Porsche leisten kann, als minderwertig.

Mit dem 9-Euro-Ticket würden nur Antifaschisten in die Bahn gelockt, warnte der Finanzminister am Wochenende.

 [….] Das 9-Euro-Ticket hat keine Zukunft – zumindest, wenn es nach Finanzminister Christian Lindner geht. Das hat er in einem Interview am Sonntag noch einmal bekräftigt. Aufsehen löste der FDP-Chef aber mit einer Äußerung aus, die suggerierte, es seien vor allem linke Gruppen wie die Antifa, die sich für das Ticket einsetzten. Clips des Zitats gingen bei Twitter viral. [….] Lindner: »Es wurde vor der FDP-Parteizentrale demonstriert. Das waren viele linke Gruppen, Antifa zum Beispiel und andere. Und die setzen sich dafür ein, dass das 9-Euro-Ticket verlängert wird. Das würde 14 Milliarden Euro kosten. Geld, das uns fehlt für die Bildung. Geld, das uns fehlen würde für das Schienennetz, also die Modernisierung.« [….]

(Florian Pütz, 22.08.2022)

Für die Millionäre Lindner und Merz bedeutet der Begriff „Wirtschaftlichkeit“ immer noch Lohndumping. Belastung der Ärmsten und Entlastung der Reichsten.

Immer noch wundern sich Unternehmer, daß sie keine LKW-Fahrer, Flughafengepäck-Schlepper, Verkäuferinnen oder Pfleger finden, wenn sie diese aber selbst nichts ausbilden wollen, sie bei Krisen als lästige Verhandlungsmasse behandeln und immer noch grotesk unterbezahlen.

Beispiel bayerische Kitas. In Kirchlicher Trägerschaft. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ist obsolet, weil der Fachkräftemangel in Kitas und Horten so eklatant ist. So jammert auch die katholische Ordensschwester Christine Gindhart, Leiterin des Theresia-Gerhardinger-Kinderhaus in Neunburg vorm Wald. Während ihre Bischöfe zwischen 12.000 und 15.000 Euro monatlich bekommen, abschlagsfrei mit derselben Summe in Rente gehen, Dienstwagen, Personal, Kost und Logis gestellt bekommen, sollen für eine gelernte Erzieherin 1.000 Euro netto reichen.

[….] In Großstädten wie München hängen in beliebten Vierteln an jeder zweiten Kita Zettel mit Hilferufen und Jobangeboten. Die Situation ist ernst. So ernst, dass die Kommunalen Spitzenverbände sich mit einem Hilferuf an Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) gewandt haben. Von einer "eskalierenden Lage" ist darin die Rede, von einem "drastischen Mangel an Fachkräften", einem "frühkindlichen Betreuungsnotstand" und "drohenden Schließungen von Betreuungseinrichtungen". Dem noch von der schwarz-roten Bundesregierung beschlossenen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern erteilen die Kommunen sogar eine Absage. Von 2026 an soll er gelten. Nicht zu schaffen, heißt es. [….]  Schon jetzt werden Betreuungszeiten gekürzt, teilweise müssen Gruppen schließen, weil Erzieher krank sind oder Stellen unbesetzt. [….]  Die Bertelsmann-Stiftung geht in ihrem aktuellen "Fachkräfte-Radar" davon aus, dass bis 2030 in Grundschulen und Kitas bundesweit 67000 Fachkräfte fehlen.  [….] Ein Vorschlag der Kommunalen Spitzenverbände lautet, die Betreuung mit "Assistenzkräften" oder "angelernten Kräften" sicherzustellen. Hauptsache die Kinder sind betreut. Uwe Kriebel seufzt tief und sagt: "Das ist zwar besser als nichts, aber ich habe Bauchschmerzen damit." Diese Idee der Kommunen stütze allein die Quantität, nicht die Qualität der Betreuung, sagt der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Nürnberger Kitas. Außerdem seien angelernte Kräfte nicht gleichzusetzen mit Fachkräften, die fünf Jahre lernen - "und dann als Einstieg nur 1000 Euro netto bekommen." [….]

(Anna Günther, 08.08.2022)

Eigenartig, wieso finden sich wohl in Bayern so schlecht neue Erzieher? Der durchschnittliche Mietpreis in München liegt bei 21,46€/m². Das sind für eine kleine 50 m2-Wohnung also 1.050 Euro. Wie das wohl klappt mit einem Nettogehalt von 1.000 Euro?

In vielen Branchen wird bei gegenwärtig diskutierten Lohnerhöhungen noch nicht mal die 8%-Inflation ausgeglichen. Das sind de facto Lohnkürzungen, schon bevor Gasumlage und Energiepreise voll durchschlagen. Tatsächlich müssten die Löhne aber eher verdoppelt oder verdreifacht werden.

Das ist eine klassische soziale Frage. Das wäre auch zu bezahlen, wenn man einige der absurd teuren Privilegien für die Superreichen streichen würde.

Das geht aber nicht mit der FDP in der Bundesregierung und all den mit Rekordergebnissen gewählten neuen CDU-Ministerpräsidenten, die im Bundesrat keine sozialen Umverteilungen nach unten zulassen.

Der Urnenpöbel will es so. Neuwahlen würden den CumEx-Mann Merz zum Bundeskanzler machen.

[….] In einer aktuellen Umfrage ist die Ampelkoalition auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. [….] Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Ampelkoalition fallen auf die schlechtesten Beliebtheitswerte seit Amtsantritt Anfang Dezember. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für "Bild am Sonntag" sind 62 Prozent der Menschen in Deutschland mit der Arbeit von Scholz unzufrieden, so viele wie nie zuvor. [….] Die Unionsparteien können unterdessen in der Wählergunst weiter zulegen. CDU/CSU kommen laut Insa auf 28 Prozent, das ist ein Prozentpunkt mehr als in der Vorwoche.  […]

(dpa, 21.08.2022)

Sonntag, 21. August 2022

Ukraine-Fatigue

Normalerweise kann ich die Zuverlässigkeit von Quellen ganz gut einschätzen und überlege genau, aus welchen Motiven heraus, wer, was schreibt.

Zum Front-Verlauf im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die Siegeschancen halte ich mich aber sehr zurück mit eigenen Prognosen.

Ganz am Anfang, Ende Februar 2022, nahm ich an, Putins Armee werde in wenigen Wochen die gesamte Ukraine erobert haben. Offenbar ein großer Irrtum. Als dann aber mehr und mehr westeuropäische Journalisten den Spieß umdrehten und prophezeiten, die Ukraine werde Russland vollständig besiegen, insbesondere, weil Putin nicht gewinnen dürfe, wurde ich vorsichtig.

Anders als Verschwörungstheoretiker, suche ich mir keine „alternativen Quellen“ und gebe nicht vor, besser zu wissen, was wirklich vorgeht.

Aber es ist schon auffällig, daß die meisten Einschätzungen über den Kriegsverlauf von Journalisten und Experten und Militärs stammen, die sehr weit weg vom Geschehen sind. Woher wissen die was in den Köpfen der Soldaten vorgeht?

Der Tagesspiegel stützt sich auf Umfragen, nach denen 80% der Ukrainer die Kriegsanstrengungen ihres Präsidenten voll unterstützen. Wenn man bedenkt, daß ein Fünftel der Bürger Russen mit ukrainischem Pass sind, muss demnach jeder einzelne Nicht-Russe in der Ukraine den Krieg mit allen Mitteln befürworten. Ich will gar nichts anderes behaupten, aber wer kann denn überhaupt wissenschaftlich basierte repräsentative Umfragen im Krieg durchführen?

Und wer kann eigentlich seriöse Kennzahlen über die Wirtschaft in Russland erfassen? Ich lese nahezu gleichzeitig, wie die Sanktionen wirken, Putins Ökonomie kollabiert ist und andererseits, wie China und insbesondere Indien ihre Importe aus Russland drastisch erhöhen. Putin schwimme wegen der gestiegenen Getreide-, Gas- und Ölpreise im Geld.

[….] Warum Indien nicht von Putin abrückt: Indien kauft so viel russisches Öl wie nie zuvor, die Geschäfte laufen prächtig. Dass der Westen irritiert ist, findet man in Neu-Delhi scheinheilig.  […]

(Spon, 18.08.2022)

Wenn ich in diesen Wochen über die enormen ökonomischen Probleme Deutschlands, durch die zusammengebrochene Nachfrage, verängstigte Verbraucher, Energieknappheit und unterbrochene Lieferketten lese, schwingt immer die Annahme mit, ab 2023 werde sich alles normalisieren.

Wieso eigentlich?

2023 ist in weniger als vier Monaten. Ähnlich, wie so viele Bürger, inklusive FDP-Ministern und dem FDP-Vizepräsidenten des Bundestages seit drei Jahren immer denken, Corona wäre bald vorbei und es käme keine neue Welle, glauben wir nun, die Ukrainekrise werde sicherlich in absehbarer Zeit enden.

Ich finde dafür allerdings gar keine Anhaltspunkte.

Die hohen Energiepreise sind bei den meisten Verbrauchern noch gar nicht angekommen, weil die Lieferanten für Wohnungen nur einmal im Jahr den Verbrauch erfassen und für das kommende Jahr die Abschläge anpassen. Mieter bekommen also erst mit der Jahresabrechnung 2022 die fetten Nachzahlungen aufgebrummt. Und ich habe noch nicht mal die Abrechnungen 2021 bekommen, weil Kalorimeta überlastet ist.

Es ist ähnlich wie mit dem grotesken deutschen Personalmangel: Das wird erst noch richtig schlimm, weil die geburtenstarken Jahrgänge jetzt noch arbeiten, aber in den nächsten Jahren in Rente gehen.

Es ist ähnlich wie mit dem Klimawandel: Wir spüren jetzt die katastrophalen Auswirkungen der katastrophalen Energiepolitik von vor 20 Jahren. Selbst, wenn wir ab sofort gar keinen Dreck mehr in die Luft pumpten, würde es noch viele Jahre immer schlimmer.

Stattdessen pusten wir aber MEHR Kohlendioxid und Stickoxide in die Atmosphäre, weil wir wieder auf Kohle und Frackinggas setzen und zudem einen Krieg führen.

Brennende Städte und der Betrieb von Panzern und Flugzeugen helfen nicht, den Klimawandel zu verlangsamen.

Ich sehe schwarz und zwar dunkelschwarz.

Selbstverständlich besitze ich keine Glaskugel, die mir verrät, wie die Lage in der Ukraine in einem Jahr sein wird.

Aber es wäre fahrlässig, die Augen davor zu verschließen, daß Putin einige Trümpfe in der Hand hat.

1.)
Die Mehrheit der Erdenbürger unterstützt eben nicht die Sanktionen gegen Russland. China und Indien, zusammen also 2,8 Milliarden Menschen, scheren aus und die Hunger-Staaten der Südhalbkugel können sich gar nicht leisten, den Mann mit dem Weizen zu blockieren.

2.)

Putin ist sicherlich skrupelloser. Das zeigt er beim Beschuss des AKW Saporischschjas, des größten Kernkraftwerks Europas. Johnson, Scholz, Macron und Biden machen sich gleichzeitig in die Hosen. Und zwar zu Recht. Das ist ein gewaltiges russisches Drohpotential. Wer zweifelt denn daran, daß der Kremls ruchlos genug wäre, Saporischschja explodieren zu lassen, bevor es militärisch vernichtend geschlagen würde?

3.)

Man kann Russland ohnehin nicht mit konventionellen Waffen besiegen, weil es eine Atomsupermacht ist.

4.)

Die deutsche Verhandlungsposition ist absolut erbärmlich: Als Strafe für den Angriff auf die Ukraine, drehen wir Nordstream 2 ab und sind fürchterlich empört, wenn Putin als Gegenmaßnahme beginnt, Nordstream 1 zu schließen. Noch sind es nur die ostdeutsche Querfront, Schröder und Kubicki, die Nordstream 2 wieder öffnen wollen, um Deutschland mit billigem Gas locker über den Winter zu bringen. Aber noch wird in Deutschland geschwitzt, noch merken die Verbraucher den Gaspreis in den Privathaushalten kaum. Und schon sammeln sich Aluhüte von Links bis AfD, um gegen die Gasumlage zu protestieren.

[….] Langsam, ganz langsam, scheint Wladimir Putin die Deutschen dorthin zu bekommen, wo er sie haben will. Der Winter steht vor der Tür, das Gas wird knapp (wegen Putin), und schon kommt in Person von Wolfgang Kubicki von der FDP der erste namhafte Politiker ums Eck, der eine Öffnung der zweiten Ostsee-Pipeline verlangt: Nord Stream 2, diese nagelneue Röhre, die nicht in Betrieb gehen durfte, weil Bauherr Russland die Ukraine überfallen hatte. Es wäre ein Triumph für Putin, würde Berlin hier umfallen. Es wäre ein Sieg der Despotie über die Demokratie und ihre Werte.  Putins teuflischer Plan läuft bisher präzise ab.  […]

(SZ, 22.08.2022)

5.)

Deutschland war in den letzten Jahrzehnten in vielen Weltkrisen eine Insel der Glückseligen. Das hatte viel mit der geographischen Lage zu tun. Wir sind von Freunden umzingelt, haben gemäßigtes Klima, keine Vulkane oder Erdbeben, lagen weit abseits der Flüchtlingsströme und Kriege. Krise und Kriege kommen nun aber viel näher. Die Pandemie kennt keine Grenzen, die Digitalisierung wurde komplett verschlafen, die Bevölkerung ist total veraltet – genau wie das anachronistische Einwanderungsrecht. Zudem schraubte CDU-Bundeskanzlerin Merkel die Abhängigkeit von russischem Erdgas von 30% (Ende Regierungszeit Schröder) auf 55%. Die „Leidensfähigkeit“ ist zwischen Flensburg und Bodensee nicht ausgeprägt. Wir flippen schon bei First-World-Problems aus, wenn zB die Chartermaschine in den Thailand-Urlaub verspätet abhebt. Frieren, Hungern und abgeschalteter Strom werden in den Reihenhäusern von Castrop-Rauxel und Buxtehude eine ganz neue Erfahrung sein.

[…] Der Westen wird kriegsmüde[…] Fast auf den Tag genau sechs Monate ist das nun her, und nicht nur für die Ukrainer hat sich eine "Zeitenwende" ereignet. Der Krieg hat die labile Statik der westlichen Sicherheitsarchitektur verändert, hat Schwachstellen und Abhängigkeiten im globalen Handel und in der Energiepolitik bloßgelegt, hat den Hunger auf der Welt verstärkt und Russland in Teilen der Welt politisch isoliert. […] Die politische Entschlossenheit, sich gemeinsam gegen die imperialen Ambitionen des Kreml zu stellen, bröckelt, parallel zur Solidarität in der Gesellschaft, mit jedem Tag mehr, mit dem die Angst vor hohen Heizkosten und wachsender Inflation weiter steigt. Rechtsextreme Gruppen mobilisieren bereits für den "Wutwinter". Laut Verfassungsschutz dürfte der Kreml versuchen, mit der "gezielten Verbreitung von Falschinformationen" die Angst vor einer existenzbedrohenden Krise in Deutschland zu schüren. Seit Juli sind zudem laut dem Ukraine Support Tracker des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) kaum noch neue Waffenlieferungen und andere Hilfsleistungen in der Ukraine eingetroffen.   Zugleich erweist sich die politische Isolation Russlands als Wunschdenken der EU; gerade mal 40 Staaten weltweit haben sich den Sanktionen angeschlossen, das Handelsvolumen zwischen Indien und Russland etwa hat sich seit Kriegsbeginn verfünffacht. Wladimir Putin hat, den indonesischen Gastgebern zufolge, jetzt auch angekündigt, persönlich zum G-20-Gipfel nach Bali zu reisen. […]

(Cathrin Kahlweit, 20.08.2022)

Ich bin kein Bellizist und finde es sehr sympathisch „kriegsmüde“ zu sein.

Aber Putin wird seinem Volk nicht erlauben „kriegsmüde“ zu werden und das perfide Spiel daher länger durchhalten.

6.)
Die Deutschen und „der Westen“ werden zunehmend irrational. Wir bekämpfen und gegenseitig und bezichtigen andere, zu nachgiebig oder zu aggressiv gegenüber Putin aufzutreten. Unsinnige Vorschläge machen es dem Kreml leicht, sich wahlweise als Hort der Vernunft oder armes Opfer darzustellen.

[…] Die ganze Welt hat plötzlich Gefallen daran gefunden, Rache zu nehmen. Politiker in Europa haben begonnen, ernsthaft über ein Visaverbot für russische Bürger zu diskutieren. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sanktionen ist diese Maßnahme keineswegs ein Mittel zur Bekämpfung des russischen Regimes. Es handelt sich lediglich um eine Vergeltungsmaßnahme – eine Gelegenheit, die Russen dafür zu bestrafen, dass sie Krieg führen. Das wird einen Sieg der Ukraine natürlich nicht wahrscheinlicher machen. Im Gegenteil, es wird Putin helfen, seine Macht zu festigen. […] Viele Russen erinnern sich noch gut daran, dass Sowjetbürger das Land nicht ohne Ausreisevisa verlassen durften. Es war fast unmöglich, solche zu bekommen – vor allem, wenn der Bewerber »unzuverlässig« schien. Reisen ins Ausland waren ein Privileg, eine Belohnung für Loyalität zum Regime. […] Die Errichtung einer neuen Mauer zwischen Russland und dem Westen ist seit vielen Jahren eines der wichtigsten Propagandaziele Putins. Das Fernsehen hat den russischen Bürgern erklärt, dass der Westen ihnen gegenüber feindlich gesinnt sei, dass Europa voller »Russophobiker« sei, und diejenigen, die nach Europa gingen, Verräter seien. Seit Monaten kursieren in Russland Gerüchte über ein Reiseverbot, über eine Wiedereinführung der sowjetischen Ausreisevisa. Aber jetzt braucht Putin sie nicht mehr einzuführen. Der Westen hat das für ihn übernommen. […]

(Mikhail Zygar, 21.08.2022)