Samstag, 12. Oktober 2019

Die Ratte, die das sinkende Schiff nicht verlässt.


Hilfe, jetzt ist es schon so weit, daß ich ob des nerosk tobenden Trumps kleine Anflüge von Mitleid mit Mike Pence bekomme.
Der 60-Jährige hatte nach 12 Jahren im Repräsentantenhaus und vier Jahren als Gouverneur von Indiana sehr viel mehr Glück als Verstand, als er plötzlich zum US-Vizepräsidenten aufstieg und ob des großen Altersunterschiedes zum potus davon zu träumen begann dereinst mächtigster Mann der Welt zu werden.
Ein Job, der ihm wahrlich nicht in die Wiege gelegt wurde.

Der mutmaßlich schwule junge fromme Pence wollte zunächst katholischer Priester werden, aber selbst dazu fehlte ihm alles. Insbesondere Intelligenz und Charisma.
Wie so häufig bei lebenslang unterdrückter Homosexualität in extrem gläubigem Umfeld, blieb ihm nur die Kompensation durch Übererfüllung der Frömmigkeit gepaart mit radikaler öffentlicher Homophobie.
Er konvertierte zu der noch radikaleren und homophoben evangelikalen Grace Evangelical Church, heiratete 1985 Karen Sue Batten und stritt fortan gegen LGBTI-Rechte und für Konversionstherapien.
In einem ultrakonservativen Umfeld musste so ein Mann ohne Charisma, aber mit handfester Hass-Agenda nur abwarten bis 2000 der bisherige GOP Mandatsinhaber David M. McIntosh weiter aufstieg, um dessen Sitz im US-Repräsentantenhaus zu erben.
Ebenso verfuhr der schwulenhassende Evangelikale beim nächsten Karriereschritt im Jahr 2013: Er folgte seinem GOPer Buddy Mitch Daniels, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren durfte.
Als Gouverneur konnte er weiterhin kein Charisma generieren, sorgte aber immerhin weltweit für Aufsehen, als er den Erwartungen seiner evangelikalen Basis entsprechend  2015 eins der homophobsten Gesetze der USA, die „Religious Freedom Bill“ unterzeichnete, mit dem Ladenbesitzer mit Verweis auf ihren Glauben Dienstleistungen an Homosexuellen verweigern können.

So ein verklemmter Ultrakonservativer hat eigentlich kaum Chancen auf ein ganz großes Amt auf nationaler Ebene. Er ist weder originell, noch schlagfertig, noch verfügt er über irgendeine Qualifikation, außer daß er wunschgemäß all die absurden Ansichten der ultraradikalen Evangelikalen nachplappert. Da das hinlänglich bekannt ist, zitiere ich an dieser Stelle ausnahmsweise Wikipedia:

„Er fasste seine Überzeugung mit "Ich bin Christ, konservativ, Republikaner - In dieser Reihenfolge" zusammen.
Als Maßnahme gegen illegale Migration stellt Pence die Birthright Citizenship in Frage, die bei einer Geburt innerhalb der Vereinigten Staaten automatisch zur US-Staatsbürgerschaft berechtigt, da Einwanderer dadurch nicht mehr berechtigt werden, durch die Geburt eines Kindes eine dauerhafte Bleibemöglichkeit in den USA zu erhalten. Pence stimmte 2001 für den USA Patriot Act. Außenpolitisch unterstützte er 2003 den Irakkrieg. Pence befürwortet ein Flat Tax-System.
Sein Abstimmungsverhalten im Repräsentantenhaus weist ihn als Abtreibungsgegner und Gegner von LGBT-Gleichberechtigung aus. Pence akzeptiert den weitgehenden Konsens unter Wissenschaftlern nicht, dass die globale Erwärmung durch menschliches Handeln verursacht wird. Er zweifelt wissenschaftlich erwiesene Fakten wie die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens an. Pence befürwortet, dass neben anerkannter Wissenschaft auch Kreationismus in Schulen gelehrt wird und die Schüler selber entscheiden könnten, was richtig ist. Er unterstützt Intelligent Design, das sich gegen die Evolutionstheorie richtet.
Pence ist Anhänger des Prosperity Gospel und somit der Auffassung, dass entsprechend der Vorstellungen zur Prädestination Gottes materieller Reichtum und persönlicher Erfolg (oder aber Misserfolg) ein Beweis für die Gunst (oder Ungunst) Gottes seien, eine bei Anhängern fundamentalistischer Freikirchen verbreitete und gesamtgesellschaftlich umstrittene Ansicht.“

So einer konnte nach den acht vergleichsweise liberalen Obama-Jahren mit bundesweit erlaubter gay marriage keinen Blumentopf gewinnen.
Aber Pence hatte wieder einmal unverschämtes Glück: Die GOP-Präsidentschaftskandidatur lief auf einen Typen hinaus, der in so ziemlich jeder Hinsicht das Gegenteil des biederen, langweiligen, uncharismatischen, vom Lande stammenden Partei- und Kirchen-Soldaten Klemmschwester Pence war:
Trump, der schillernde New Yorker ohne irgendeine Partei- und Regierungserfahrung, der Pornosternchen vögelte, Behinderte nachäffte, von 19 Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde und damit prahlte Pussys zu grabben.
Traditionell versuchen Parteien ein Ticket zu schaffen, bei dem der VP das ausgleicht, was der Spitzenkandidat nicht hat, um so größere Wählerschichten zu erreichen.
Also passte der biedere, ultrafromme GOP-Mann aus der Provinz perfekt.
Die Show, den Wahlkampf, die Finanzierung würde Trump liefern. Pence musste im Gegenzug nur still sein, durfte Trump niemals kritisieren und so durch seine pure Anwesenheit die evangelikalen und katholischen Wähler bei der Stange halten.

Und wer könnte besser durch öffentliches Schweigen und Verschweigen als PR-Aushängeschild dienen als Mike Pence, der seit über 30 Jahren vorgibt so monogam und heterosexuell zu sein, daß er sich strikt an die Graham-Regel hält, die nun auch Mike-Pence-Regel heißt: Niemals mit einer anderen Frau als der Ehefrau in einem Raum sein.

[….] 2002 [….] erklärte der Politiker, er hätte es sich zur Regel gemacht, niemals alleine mit einer Frau außer Karen Pence in einem Raum zu sein oder essen zu gehen. Außerdem würde er bei allen Veranstaltungen, bei denen Alkohol fließe, seine Ehefrau an seiner Seite wissen wollen oder sonst daheim bleiben. [….]

Pence war also der geborene Meister-Hypocrit, der als christlich-evangelikales Feigenblatt bis zur totalen Selbstaufgabe für den Kandidaten stritt, der sich Jahrzehnten mit Miss-Wahlen beschäftigte, immer wieder Pornodarstellerinnen für Sex und ihr späteres Schweigen bezahlte, mehrere Ehefrauen betrog.

Aus den glorreichen Tagen des 2016-Wahlkampfes und des ersten Trump-Kabinetts aus dem Januar 2017 ist fast niemand mehr geblieben außer den Fanatikern Kellyanne Conway und Stephen Miller hinter den Kulissen, sowie des stets stoisch an Trumps Seite stehenden Pence.
Alle anderen Berater, Sprecher, Minister, Beauftragten sind inzwischen schreiend weggelaufen.
Und zum Ende des Jahres 2019 scheinen sich endlich die drei Jahre Schweigen, die totale Selbstverleugnung, die nie dagewesene Heuchelei, das Lügen auszuzahlen: Trump gerät bei dem angedrohten Impeachment und durch seine radikal verrückte und korrupte Außenpolitik derart unter Druck, daß es nun doch nicht mehr ausgeschlossen scheint ihn vor dem Januar 2021 aus dem Amt zu schieben.
Dann könnte das eigentlich Ungeheuerliche und maximal Unwahrscheinliche passieren: Ein verklemmter, vollkommen ungeeigneter und radikal evangelikaler Provinz-Depp, der immer noch behauptet nicht schwul zu sein, könnte zum mächtigsten Mann der Welt werden.

Aus Pence‘ Sicht ist das nicht so abwegig. Alle anderen Trump-Alliierten wie Scaramucci, Hicks, Sanders mussten das sinkende Schiff verlassen, weil sie mutmaßlich noch viele weitere Jahre einen Job benötigen werden und sich nicht erlauben können durch die Nähe zu Trump für den Rest ihres Lebens so vergiftet zu sein, daß sie niemand mehr einstellen würde.
Pence aber hat nichts zu verlieren. Er ist schon 60, EX-Gouverneur und EX-Abgeordneter aus der Provinz, der nichts kann außer nachzurutschen, wenn der über ihm ausfällt.
Das ist seine Chance. Seine einzige. Wenn er Trump verließe und sich damit den donnergrollenden Zorn des tobenden Orangs zuzöge, hätte er keine Chance aus eigener Kraft noch irgendwo irgendetwas zu werden.
Also hält er weiter seinen Mund und leckt Trump artig dessen Füße.

Aber die ultimativen Karrierepläne des VP könnten zerplatzen, weil er immer noch die destruktive und bösartige Seite seines Chefs unterschätzt. Trump erwartet bedingungslose Loyalität, ist aber selbst radikal illoyal zu seinen Mitarbeitern. Gerät er unter Druck, wirft er mit Freude seine Freunde in das gegnerische Waffenfeuer. Er wollte doch Selenskyj gar nicht anrufen, tat das nur auf Wunsch von Rick Perry. Er wollte doch seinen Fixer Rudy gar nicht nach Kiew schicken; das war Pompeo.
Trump ist schiebt immer die Schuld auf andere und so war es auch sein erster Instinkt Pence mit Dreck zu bewerfen, als sich die Impeachmentscheinwerfer auf ihn gerichtet wurden.

Gut möglich, daß es Nero-Trump aus purer Bosheit gelingt bei einem Amtsenthebungsverfahren auch seinen VP mit in den Abgrund zu ziehen.

[….] Mike Pence ist dieser Tage eher selten in Washington. Der US-Vizepräsident tingelt lieber durch die Provinz, um Wahlkampf zu machen.


Doch selbst 1600 Kilometer von Washington entfernt konnte Pence dem Drama in der US-Hauptstadt nicht entkommen: Die Reporter fragten ihn nicht nach Iowas Landwirtschaft, sondern sofort nach der Ukraineaffäre.
[….]  Ob er gewusst habe, dass Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gedrängt habe, gegen seinen demokratischen Rivalen Joe Biden zu ermitteln, wollte NBC-Korrespondent Vaughn Hillyard wissen. "Das ist Ihre Frage" murrte Pence - ohne sie zu beantworten. [….]  Pence [spielt] weiter den unbedarften Loyalisten, eine Rolle, die er perfektioniert hat, seit Trump ihn zum Vize gemacht hat. Doch die Ukraineaffäre bringt nun auch ihn in die Zwickmühle: Entweder hat er tatsächlich keine Ahnung - oder er ist ein Mitwisser. So oder so: Es scheint immer fraglicher, dass er einen Sturz Trumps schadlos übersteht.
Pence ist tiefer in den Skandal verstrickt, als er zugeben will. Trump wies ihn an, nicht an der Vereidigung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Mai teilzunehmen. Erst im September traf er sich mit Selenskyj, um Trumps Forderungen an die Ukraine zu vertreten. Was genau besprochen wurde, bleibt unklar. Unter Strafandrohung haben die Demokraten nun auch von Pence interne Papiere angefordert, um seine Rolle in der Affäre aufzuklären.
[….]  Bisher hielt sich Pence bei allen Skandalen im Hintergrund, doch in der Ukraineaffäre fällt ihm das immer schwerer. Schon wird gemunkelt, dass der Skandal auch ihn stürzen könnte, ob durch Impeachment oder gerichtliche Anklage - ein Schicksal, das einst auch Richard Nixons Vizepräsident Spiro Agnew drohte. [….]

Freitag, 11. Oktober 2019

Rechts und das ganze Programm!


So wie durchschnittliche Menschen eine Inselbegabung haben können, also ein ganz spezielles Talent, in dem sie unübertroffen sind, diagnostiziert Michael Schmidt-Salomon umgekehrt auch Inselverarmungen.
Religiosität bei Hochgebildeten kann so eine Inselverarmung sein.
Das sind rationale, belesene, denkende Menschen, die dennoch tiefgläubig sind.
Natürlich tritt religiöse Inselverarmung selten auf. Die allermeisten Intellektuellen sind nicht religiös und betrachten metaphysische unüberprüfbare Mythen skeptischer als der Durchschnitt.
Je höher die Bildung, desto geringer die Bindungen an die Kirchen.
Glaube ist umso mehr ausgeprägt, je dümmer, ungebildeter und ärmer Menschen sind.
Das ist auch in sich logisch.

Rechtsradikalismus gibt es hingegen fast nie als Inselverarmung.
Schlaue und integre Menschen wählen nicht NPD.
Es gibt keine sympathischen Altuisten, die xenophob ticken.

Im Gegenteil, Rechtsextreme zeichnen sich nicht nur durch eine politische Einstellung und besonders unangenehme Persönlichkeit aus.
In vielen Fällen vergesellschaftet sich ein rechtsradikales Weltbild auch mit einer Menge anderer kruder Einstellungen.
Wer AfD wählt ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch empfänglich für alle anderen menschenverachtenden und/oder debilen Theorien.
Stramm Rechte hassen nicht nur Ausländer, sondern sind auch Rassisten, Homophobe, Misogyne, Antisemiten. In der AfD finden Klimawandelleugner, Impfgegner, Creationisten, Ufologen, Chemtrailer, Fans der Germanischen Neuen Medizin, sogar Geozentristen und Flacherdler zusammen.
Es gibt Überschneidungen zu Reichsbürgern, Identitären, Preppern, Revisionisten und Revanchisten.
AfD zu wählen ist keine Inselverarmung, nein, dabei handelt es sich üblicherweise um eine ganze Inselgruppe, ein Archipel der Hass-Überzeugungen und Doofheit.

Ein typisches Beispiel ist der Harburger AfD-Abgeordnete Harald Feineis in der Hamburger Bürgerschaft.
Feineis, 68, vertritt nicht nur eine rechtsradikale Partei in einem Landesparlament, er ist auch noch Pfarrer und Geistesheiler.

Feineis studierte Bautechnik und ab 1986 studierte er evangelische Theologie. Seit 1991 ist er hauptberuflich Pastor und rückte am 1. Januar 2018 für den ausgeschiedenen Joachim Körner für die inzwischen ganz braune AfD in die Hamburgische Bürgerschaft nach.

Das Gründungsmitglied der AfD ist aber auch ein Medium und behauptet durch Handauflegen heilen zu können.

[….] Als „Scharlatan der AfD“ bezeichnet die Initiative „Keine Stimme den Nazis“ den Hamburger AfD-Abgeordneten Harald Feineis (68) aus Harburg. Denn der Pastor veranstaltet in einer freien Kirchengemeinde in Neugraben Heilungs-Gottesdienste im „Healingroom“, wirbt für heilende Gebete und für die Linderung von Krankheiten durch Handauflegen, wie jetzt der Blog „AfD Watch Hamburg" ans Licht brachte. [….]

[….] In seinem Lebenslauf auf der Bürgerschaftsseite gibt der Abgeordnete eine 2004 erfolgte „Verleihung des D.Min (Doktor of Ministry)“ als Qualifikation an. Ein promovierter Arzt oder Theologe? Weit gefehlt. Neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter ist Feineis als Pastor in der Freien Gemeinde Neugraben (FGN) aktiv, wo er aktuell als Kontaktperson für einen so genannten „Healing Room“ geführt wird. Damit ist er eins von vielen Beispielen für Überschneidungen von AfD und fundamentalistisch-christlichen Gruppen.
[….] Die FGN gehört der Pfingstbewegung an, einer charismatischen Strömung innerhalb der Evangelikalen Kirchen, die die Bibel wortgetreu auslegen. [….] Viele sind Kreationisten und Pro-Life-Aktivist*innen. Sie bieten Konversionstherapie für Homosexuelle an und führen Exorzismen durch. [….]

[….] 2004 bekam Feineis den Titel Doctor of Ministry einer evangelikalen Universität, der „School of Bible Theology Seminary and University (SBTSU)“ mit ebenso fragwürdiger Akkreditierung. AfD-Watch Hamburg  befragte dazu Larry Rosenthal, Professor der Goldman School of Public Policy an der University of Califonia, Berkeley. Er antwortete, dass sowohl die SBTSU, wie auch Akkreditierungsagentur einen sehr zweifelhaften Ruf haben: „Sowohl die SBTSU als auch die Akkreditierungsagentur befinden sich in San Jancinto, einer kleinen Stadt in Riverside County California. Das macht beide Institutionen noch verdächtiger, euer AfD-Mann hat also einen Abschluss von höchst zweifelhaftem Gehalt und Glaubwürdigkeit.“ Feineis‘ spezielle Bibelschule und Universität, die auf Facebook 713 Fans hat, präsentiert sich dort vor allem mit Fotos von pompösen Doktortitel-Verleihungen.
Ein nur bei Evangelikalen gültiger Titel einer unbekannten Fernuni und mangelnde Expertise hindern Feineis allerdings nicht daran pseudo-medizinisch verpackt das zu tun, was die AfD-Abgeordneten gerne machen  – rassistisch konnotierte Anfragen stellen. So behauptete er im November 2018 unter dem Titel „Infektionskrankheiten durch Flüchtlinge und Asylbewerber“, eine angeblich „unkontrollierte Migration nach Deutschland“ (DRS 21/14924) hätte seit 2015 eine Reihe von Infektionskrankheiten nach Deutschland gebracht, „die hier nicht mehr oder nie existierten.“ [….]

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Die wahren Amerika-Hasser sind die Republikaner.


Diesmal fehlte mir wirklich die Phantasie.
Wie könnte Trump nun noch ein „doubling down“ schaffen, nachdem er öffentlich davon prahlt wie kriminell er ist und kategorisch die US-Verfassung ablehnt, die zu schützen er schwor?


Der IS-Mitarbeiter des Monats, der bar jeder Kenntnis Benzinfässer in die Nahost-Glut katapultiert und dazu auch noch schriftlich verkündet er sei nicht nur ein „stable Genius“ sondern beeindrucke mit seiner „unmatched wisdom“.
Wie kann man noch tiefer sinken?
Das ist wir Apnoe-Tauchen, wenn man vom Grund des Mariannengrabens aus startet.

 
Aber auf Trump ist Verlass, auch das schaffte er wieder spielend.
Die 10.000 von Kurden festgehaltenen IS-Gefangenen wären kein Problem, da sie nach Europa zurückgingen. Und die nun vermutlich von Erdogan massakrierten Kurden wären ihm egal, da diese der USA nicht am 06.06.1944, dem D-Day in der Normandie beigestanden hätten.

[….] He shrugged off the likely escape of ISIS fighters from Kurdish prisons, essentially saying it is Europe's problem, not his. "Well, they're going to be escaping to Europe, that's where they want to go," Trump said. He added that "we have no soldiers in the area."
Trump downplayed the alliance with the Kurds, 11,000 of whom died fighting to help the US mission against ISIS. "They didn't help us in the second World War, they didn't help us with Normandy for example," Trump said. "They're there to help us with their land, and that's a different thing." Normandy is an area of France, not the US. […..]


Dumm, kriminell, irrsinnig, bösartig, gefährlich, zerstörerisch, neroesk, debil, tödlich, korrupt, autokratisch, antidemokratisch, senil, psychopathisch, verblödet, sadistisch, idiotisch, versaut, übergriffig, vulgär, ungebildet – all das trifft sicher zu.
All das ist den Republikanern ganz offensichtlich nicht wichtig.


Aber war da nicht mal was mit Patriotismus?
Normalerweise definieren sich doch gerade die Konservativen und gerade in den USA über ihren Patriotismus.


Wieso ist den GOP-Parlamentariern das Wohlergehen der Vereinigten Staaten von Amerika gar nichts mehr wert?
Wieso sehen sie achselzuckend zu, wie IHR Mann, IHR Anführer, IHR Präsident nicht nur den inneren Frieden der USA, die wirtschaftlichen Grundlagen und die Verfassung platttrumpelt, sondern auch noch das internationale Ansehen final ruiniert?

Obschon ich einen US-Pass besitze, habe ich bekanntlich keinen Funken Patriotismus in mir.
Niemand könnte das Wohlergehen der USA weniger wichtig sein als mir.
Mir tut nur die Hälfte der US-Amerikaner Leid, die Trump genauso verabscheuen wie ich.
Ich sorge mich um die internationalen Verwerfungen, die Trump auslöst.
Aber müsste man nicht auf der rechten Seite des Spektrums daran interessiert sein die amerikanische Nation stark und gesund zu erhalten?
Der irre Trump ist nicht zu ändern, aber wieso sich hunderte Republikaner freiwillig die Testikel abschneiden und sich so einem Zerstörer der USA zu Füßen werfen, ist doch erstaunlich unpatriotisch.



Mittwoch, 9. Oktober 2019

Der Halle-Spin

Der bekannte Antisemitismus-Forscher Prof. Wolfgang Benz, 78, erklärte einst über die neuen Bundesländer, daß Antisemitismus auch in völliger Abwesenheit von Juden existiert.
Es handelt sich um ein klassisches Vorurteil, wie es bei gruppenbezogenen Hass-Delikten häufig vorkommt.
Xenophobie und AfD-Affinität ist ebenfalls in den Bundesländern am stärksten ausgeprägt, wo es die wenigstens Ausländer gibt.
Das ist kein monokausaler Zusammenhang, offensichtlich spielen Bildung und Prosperität auch eine große Rolle, aber man kann durchaus sagen, daß die westdeutschen Stadtteile mit der größten kulturellen Durchmischung und dem höchsten Migrantenanteil politisch liberaler gedacht wird.
Wer Türken, Eritreer, Amerikaner, Inder und sogar Bayern als Nachbarn hat, sie täglich sieht, lernt sie schätzen und baut Vorurteile ab.

Die enorme weltweite Verbreitung von Judenhass, die auch immer wieder dazu führt, daß sie propagandistisch ausgeschlachtet wird, hat sicher auch mit der geringen Zahl von Juden zu tun.
Zwei Milliarden Christen und 1,4 Milliarden Muslimen stehen nur etwa 12 Millionen Juden gegenüber. Sie sind (außer in dem winzigen Staat Israel) immer verschwindende Minderheiten, über die man wenig weiß und daher umso heftiger spekulieren kann. Und wer könnte besser als Sündenbock instrumentalisiert werden, als jemand, den man noch nie gesehen hat?
Natürlich nutzen Islamistische Herrscher, faschistische Regime – in erster Linie natürlich die deutschen Nazis – und heutige Autokraten in Polen und Ungarn Antisemitismus als Kitt, um ihre hassenden Anhänger beisammen zu halten.
Das funktioniert in christlichen Staaten deswegen besonders gut, weil die Kirchen seit 2000 Jahren auf extremen Antisemitismus basieren. Juden sind für Christen „Gottesmörder“, die sogar vom Gott der Liebe, einem gewissen Jesus Christus gehasst werden.

(….) Evangelikale wissen genau wie ultraorthodoxe Juden, daß die Zukunft schon vorbei ist und der Herr bald ankommen wird.
Endzeitgläubige Amerikaner gehen daher Hand in Hand mit den Schas- und Likud-Israelis. Man hat erst mal ein gemeinsames Interesse und spricht nicht ganz so offen darüber, daß der gute Jesus ganz zum Schluß natürlich auch noch alle nicht zum Christentum konvertierten Juden abmurxen wird.

Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun. Jener war ein Menschenmörder von Anfang an und stand nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben.
(Joh 8,44)

Beschweren können sie sich aber nicht; schließlich wurde all das von höchster Stelle in der Bibel angekündigt. Jesus konnte die Juden nicht ausstehen und so war der Antisemitismus der christlichen Päpste genauso folgerichtig wie der Judenhass der frommen Christen Martin Luther und Adolf Hitler.

14 Denn, Brüder, ihr seid Nachahmer der Gemeinden7 Gottes geworden, die in Judäa sind in Christus Jesus, weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt wie auch sie von den Juden,
15 die sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns verfolgt haben und Gott nicht gefallen und allen Menschen feindlich sind,
16 indem sie - um ihr Sündenmaß stets voll zu machen - uns wehren, zu den Nationen zu reden, damit die gerettet werden; aber der Zorn ist endgültig über sie gekommen.
(1 Thess 2) (…..)

So konnten Päpste und Bischöfe über Jahrtausende zu antijüdischen Pogromen anstacheln, Kreuzzüge anzetteln und bis in jüngste Zeit in einer widerlichen antisemitischen „Karfreitagsfürbitte“ weltweit Hass säen. Die christliche Kirche nannte die Juden seit 750 perfidis („treulos“), ihren Glauben iudaica perfidia („jüdische Treulosigkeit“).

    „Lasset uns auch beten für die treulosen Juden, dass Gott, unser Herr, wegnehme den Schleier von ihren Herzen, auf dass auch sie erkennen unsern Herrn Jesus Christus.“
(Deutsche Variante des vatikanischen Volksmessbuches 1884)

Selbstverständlich verschwand der staatlich und gesellschaftlich tiefverankerte Judenhass nach 1945 nicht über Nacht aus Deutschland.

Man konnte und wollte aber den Antisemitismus nicht tatsächlich offensiv bekämpfen, da er Kernelement des Konservatismus und des Christentums war – zweier immer noch sehr mächtiger Pfeiler der deutschen Gesellschaft.
Marcel Reich-Ranicki, der in Deutschland aufwuchs, die deutsche Kultur liebte und kannte wie kaum ein Zweiter wurde deportiert nur weil er Jude war. Seine gesamte Familie wurde von den Deutschen restlos getötet. Nur er selbst und seine spätere Frau Theofila überlebten durch aberwitzige Zufälle das Warschauer Ghetto.
Nachdem er schon über 20 Jahre im Nachkriegsdeutschland lebte, ein gefeierter Kritiker, Journalist und prägendes Mitglied der Gruppe47 war, wurde seine jüdische Herkunft völlig totgeschwiegen. Selbst in den intellektuellen und liberalen Kreisen mied man ihn, lud ihn nicht zu den Redaktionsfesten ein.
Die spätere RAF-Ikone Ulrike Meinhof war Ende der 1960er Jahre die Erste (und lange Zeit einzige) Person, die ihn nach seiner Familiengeschichte, seiner Zeit im Ghetto befragte.
Das Thema war quer durch alle Schichten der Gesellschaft unangenehm.
Man sprach lieber nicht darüber. Die Rechten nicht, weil sie „die Juden“ immer noch hassten und die Linken nicht, weil sie sich dann schlecht fühlten.
So prägte Ralph Giordano den Begriff „die Zweite Schuld“.
Die Deutschen konnten den Juden den Holokaust nicht verzeihen.

Man wußte noch nicht mal was ein Jude ist. Ganz offensichtlich eine Religion und keine menschliche Rasse.
Aber wieso war dann der zeitlebens überzeugte Atheist Reich-Ranicki, der also nie ein Gläubiger war, überhaupt Jude? Lag es doch an seiner Nase?

Bis in die 2000er Jahre galt es diesen gesellschaftlichen Impuls Antisemitismus zu verschweigen, obwohl er in rechten Kreisen immer weiter existierte und perfiderweise sogar noch in Verquickung mit dem Begriff „Israelkritik“ sogar für braune Ränke ausgenutzt wurde. So gewann die FDP unter Jürgen Möllemann Wahlen – „man wird doch wohl Israel kritisieren dürfen“.
Eine infame Behauptung der Westerwelle-Parte, die schließlich sogar die liberale Ikone Hildegard Hamm-Brücher aus der FDP trieb. Natürlich konnte man nicht nur immer Israels Politik kritisieren, sondern das wurde seit Jahrzehnten in den Feuilletons, aber auch auf höchsten politischen Ebenen getan.
Bundeskanzler Schmidt kritisierte Jerusalemer Politiker, ließ israelische Botschafter einbestellen – Jahrzehnte bevor FDP und noch später AfD jammerten das dürfe man nicht.

Es war immer ein nachkriegsdeutscher Skandal, daß jüdische Einrichtungen nicht sicher waren.
Synagogen mussten bewacht werden, die wenigen öffentlich bekannten Juden wie Heinz Gallinsky oder Ignaz Bubis mussten mit Polizeischutz leben.
Selbst die Initiatorin des Holokaustmahnmals Lea Rosh stand Jahre unter Polizeischutz. Die Journalistin und Publizistin war Opfer des „sekundären Antisemitismus“. Man hasste sie in rechtsextremen Kreisen, drohte ihr massiv und mutmaßte, sie müsse Jüdin sein. Hatte sie nicht auch eine große Nase, war außergewöhnlich gebildet und hieß auch noch Lea mit Vornamen?
Das war alles Quatsch, weder stammte Rosh aus einer jüdischen Familie, noch war sie gläubig, aber Antisemitismus braucht keine Fakten.
Er blüht auch ohne Juden und schafft sich zur Not selbst welche.

Als 2010 ein jüdischer Teenager im ostdeutschen Fußballverein niedergeprügelt wurde, mogelten sich Stadt und Landesregierung über eine Verurteilung des NPD-Mannes Battke herum.
Wie man den Juden nicht den Holokaust verzeihen wollte, verzieh man dem Opfer von 2010 nicht die Schande für Laucha: Wieso war den die israelische Familie überhaupt ausgerechnet nach Sachsen-Anhalt gezogen? Wieso ging der Junge ausgerechnet in einen Fußballverein?
Tenor: Jeder weiß doch, daß es dort von Nazis wimmelt. Wenn man als Schwarzer oder Jude dahin geht, hat man selbst Schuld verprügelt zu werden.

(…..) Als im April 2010 ein 17-Jähriger Junge einer aus Israel stammenden Mutter in Sachsen-Anhalt von Skinheads schwer verletzt wird, greifen sechs Passanten nicht ein.

Als Noam Kohen [Name geändert!] am 16. April mit dem Regionalzug aus Naumburg zurückkehrt, ist sein Leben in Deutschland noch in Ordnung. Es ist 18 Uhr, er kommt vom Friseur, alles sieht nach einem ganz gewöhnlichen Abend aus. Ein paar seiner Schulfreunde sitzen an der Bushaltestelle vor dem Bahnhof in Laucha, Sachsen-Anhalt. Noam setzt sich zu ihnen. Kurz darauf kommt Alexander P. vorbei. Er ist 20 und trägt Glatze. Ohne Warnung schlägt er Noam ins Gesicht und brüllt: »Geh zurück, wo du hergekommen bist. Du Judenschwein!«
(Zeit 14.6.2010)

Als die Tat später in Zeitungen auftaucht, stellt sich schnell ein besonderer Tenor ein - Noam sei ja auch selbst Schuld; denn wieso wollte er auch Fußball spielen, obwohl doch jeder wußte, daß der Fußballtrainer im Ort, »Lutz Battke«, der bekannteste und angesehenste Rechtsradikale ist.
Daß er seine Anhänger dazu bringen würde, das „Judenschwein platt zu machen“ sei abzusehen gewesen. Battke wäre zwar ein gewalttätiger Nazi, aber eben auch ein guter Fußballtrainer, da könne man ja auch nicht von der Stadt erwarten irgendetwas gegen ihn unternommen zu haben. (…..)

Wieder einmal mogelten sich die Deutschen um ihre Verantwortung herum und zeigten auf das Opfer.

Erst mit dem Auftauchen der antiislamischen AfD nach 2015 änderte sich der deutsche Blick auf den Antisemitismus, da es durchaus auch Araber und Palästinenser gibt, die Juden hassen.

Die historischen Hintergründe sind anders als bei Deutschen. Denn „der Islam“ war die längste Zeit ganz anders als das Christentum außerordentlich tolerant gegenüber Juden. Jüdische Gelehrte hatten hohe Positionen an den Höfen der Kalifen in Bagdad. 800 Jahre lebten auch die islamischen Mauren in Spanien friedlich mit Juden Tür an Tür. Der tödliche Antisemitismus breitete sich auf der iberischen Halbinsel erst mit der Herrschaft Isabella, der Katholischen aus, die Christentum, Inquisition, Hass und Intoleranz nach Spanien brachte.

Palästinensische Flüchtlinge haben also keinen religiös über Jahrhunderte gewachsenen Antisemitismus, sondern sind erbitterte Gegner der aktuellen Politik der konservativen Netanjahu-Regierung in Israel.
Wer sich auch nur ein kleines bißchen mit den Zuständen in Gaza und dem Alltag im Westjordanland zwischen all den fanatischen jüdischen Siedlern beschäftigt, kann sich nicht darüber wundern, daß Jerusalem dort wenige Fans hat.
Deutsche Parteien und Publizisten interessieren diese Hintergründe wenig.
Aber wenn ein Rabbiner oder Kipa-Träger in Berlin von einem jungen Migranten angepöbelt wird, kann man endlich wieder Partei ergreifen, verurteilen und guten Gewissens den Antisemitismus verurteilen: Es sind ja nicht Deutsche Schuld, sondern die anderen, die Migranten, die Muslime!

Bei antisemitischen Anschlägen in Deutschland funktioniert jetzt die Empörungsspirale auch bei den Erzkonservativen sehr gut.
Als die ersten Meldungen aus Halle durch die Nachrichten schwappten, man nur von zwei Toten in Halle am jüdischen Versöhnungsfest Jom Kippur und Schüssen auf eine Synagoge wußte, zögerten AfD-Politiker keine Sekunde. Sie badeten genüßlich im Blut der Opfer, nutzten das Leid perfide aus.
Endlich wieder kräftig hetzen und auf der richtigen Seite stehen.


Nur blöd, daß sich recht schnell herausstellte, wer der wahre Täter war.

[…..] Nach SPIEGEL-Informationen handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um den 27-jährigen Stephan B. aus Sachsen-Anhalt. Den Ermittlern liegt inzwischen ein Video vor, das der Attentäter offenbar mithilfe einer Helmkamera aufnahm. Der Film zeigt, wie B. eine Passantin in der Nähe des jüdischen Friedhofs sowie einen Gast in einem Döner-Bistro in der Nähe der Synagoge erschießt.
Aus dem Video ergeben sich klare Hinweise auf ein antisemitisches und rechtsextremes Motiv. So schimpft der Täter mehrfach über "Juden" und spricht auch von "Kanaken". Nach Informationen des SPIEGEL war B. zuvor nicht polizeibekannt. Er wurde am Nachmittag auf der Bundesstraße 91 festgenommen. [….]
(Spon, 09.10.19)