Samstag, 20. April 2019

Obrigkeiten


Eins können wir Sozis eindeutig besser als alle anderen Parteien: Unzufrieden an der eigenen Führung herumnörgeln.
Die da oben sollen alle unsere Wünsche erfüllen, auch die sich gegenseitig diametral Widersprechenden. Wenn das nicht sofort gelingt, fallen wir automatisch in ein tiefes Tal der Tränen.
Die Ausschläge sind extrem. Erst überschütten wir neue Führungen mit grenzenlosem Vertrauen und Vorschusslorbeeren – 100% der Delegiertenstimmen für Martin Schulz – und wenn sie dann sehr schnell wieder zurückgetreten sind, hassen und verachten wir sie (Lafontaine, Scharping, Schröder), vergessen sie völlig (Engholm, Platzeck) oder ignorieren sie (Beck, Schulz).
(Andrea Nahles ist insofern etwas Neues, als sie a priori unbeliebt war, niemand von ihr irgendwas erwartete und sie nur mangels Alternative gewählt werden musste mit 2/3 der Delegiertenstimmen.)
Das liegt in den Genen der Sozialdemokratie: Wir wollen, daß sich alles ändert, gerechter wird, daß es allen besser geht und zwar sofort und ganz ohne daß es irgendjemand wehtut.
Wenn wir das nicht bekommen, ist natürlich der Vorsitzende Schuld.
Von der Parteiführung erwarten wir tatsächlich Führung. Der Chef soll Emotionen wecken, uns mitreißen, den Weg weisen, Pläne entwickeln, Konzeptionen darlegen, die Welt erklären, staatsmännlich agieren, gebildeter und schlauer als die anderen sein und gleichzeitig soll er aber auch ein ganz durchschnittliches Würstchen wie wir sein. Er darf kein Geld haben oder womöglich mal einen Maßanzug tragen. Das ist schon suspekt.

Natürlich kann die Erwartungen niemand erfüllen. Der letzte große Sozialdemokrat war Gerhard Schröder. Der wußte sogar wie man Wahlen gewinnt, schraubte die SPD bei der Bundestagswahl 1998 auf fast 41%, konnte zweimal das Bundeskanzleramt erobern und eine Fülle sozialdemokratischer Herzensangelegenheiten umsetzen: Zwangsarbeiterentschädigung, Ökosteuerreform, Friedenspolitik (Irak), gesellschaftliche Liberalisierungen (Homoehe, Prostitutionsgesetz), drastische Steuersenkungen und enorm verbesserte Beziehungen zu den Nachbarn.
Zum Dank dafür wird Bundeskanzler Schröder auch noch 14 Jahren nach seinem totalen Rückzug aus der Politik von den allermeisten Sozis gehasst wie die Pest.

Die CDU hat es in dieser Hinsicht sehr viel einfacher.
Die konservative Basis erwartet von ihrer Führung zu führen.
Das bedeutet in erster Linie zu regieren und zwar nicht um des Regierens Willen, sondern um zu verhindern, daß andere regieren.
Eine CDU- oder CSU-Führung, die Wahlen gewinnt und die höchsten Posten des Landes zuverlässig mit Unions-Leuten besetzt, wird kaum hinterfragt.
Ein/e Vorsitzende/r, der/die das abliefert, muss auf Parteitagen niemals das erleben womit sich SPD-Obere abmühen.
C-Chefs brauchen keine guten Redner sein, sie benötigen keine Konzepte, können auf Charisma verzichten.
Sie brauchen keine Versprechen einzuhalten, können beliebig ruppig mit den Untergebenen umgehen. Affären, Lügen, finanzielle Katastrophen, akademische Betrügereien, Skandale sind nahezu irrelevant, wie man beispielsweise an Roland Koch sah. Ungeniert wählten ihn seine eigenen Leute immer wieder.
Merkel konnte in ihren fast zwei Dekaden als Chefin nahezu jedes Unions-Alleinstellungsmerkmal einreißen, dennoch bekam sie immer über 90% der Delegiertenstimmen.
Das gemeine CDU-Mitglied ist zufrieden, wenn einer der ihren es an die Spitze geschafft hat und schläft dann gemütlich ein. Genau zu dem Zeitpunkt wird ein Sozi erst richtig wach und zappelig.

Wenn ein konservativer Chef die Wahlchancen ruiniert – und das kommt im strukturell konservativen Deutschland nicht leicht vor  - kann es allerdings ungemütlich werden.
So wurden die Parteichefs Erwin Huber und Horst Seehofer gegangen, so warf letztes Jahr selbst Angela Merkel hin.

Eine höchst seltene und ungewohnte Situation für die CDUler. Denn Merkel ist schließlich noch Bundeskanzlerin und um so weit zu kommen, braucht man einmal die Kanzlermehrheit im Bundestag.
Die homophobe Annegret ist zwar die neue starke Frau, die Zukunft der CDU, das Objekt, das nun von allen, die Karriere machen wollen umschwärmt und umschmeichelt wird, aber AKK weiß nicht, wie sie selbst jemals die Kanzlermehrheit erlangen könnte.
Schon wieder #Neuland für die CDU. Um Pöstchen zu bekommen, muss man sich an Kramp-Karrenbauer heranwanzen und von Angela Merkel distanzieren.
Aber die Neue kann bisher nur Versprechungen machen und hat nichts zu verteilen.
Am Fleischtopf der Macht, dem Kabinett, sitzt noch AKKs Vorgängerin und ist dort auch nicht so leicht wegzubekommen.
Mutmaßlich liegt Merkel durchaus so viel an ihrer Partei, daß sie ihrer Wunschnachfolgerin einen guten Start verschaffen will. Aber um gut in die Bundestagswahl 2021 zu starten, müsste AKK Bundeskanzlerin sein.
Zurzeit hat sie noch nicht mal ein Bundestagsmandat und es ist nicht einfach sie vorzeitig zur Kanzlerin zu machen.
In der bestehenden Groko ist es nahezu unmöglich, weil die SPD bei Neuwahlen nur zu verlieren hätte und der neuen Konkurrenz einen gewaltigen Vorteil verschaffen würde, wenn AKK mit dem Kanzlerbonus ausgestattet werden sollte.
So verrückt kann noch nicht mal Andrea Nahles sein. Seit 2005 warten die Sozis verzweifelt darauf, daß Merkel verschwindet, weil sie nicht gegen sie gewinnen können. Die winzige Chance, die sich für die Sozis auftut, indem Merkel endlich nicht mehr antritt, werden sie nicht sofort wieder schmälern, indem AKK aufgewertet wird.
Die CDU/CSU-Fraktion müsste also erst mal die Groko aufkündigen. Und dann?
Sie wäre auf Lindners Leute angewiesen, die sich Ende 2017 bekanntlich als unzuverlässige Hasenfüße erwiesen und wegliefen.
Selbst wenn Lindi umfiele, hätte die FDP aber nicht genug Stimmen für die Kanzlermehrheit. Die Grünen müssten ins Boot.
Die müssten allerdings auch verrückt sein, wenn sie ihre derzeit nur 8,9% (im Bundestag) in die Waagschale schmissen, um Ministerposten zu ergattern.
Schließlich sehen alle Umfragen sie derzeit weit mehr als doppelt so stark an; eher auf CDU-Augenhöhe. Sogar GR2 ist in rechnerischer Reichweite.
Habeck könnte also bei Neuwahlen selbst Bundeskanzler werden.
Wieso sollte er sich also auf die 8,9% reduzieren und als kleinster Partner in einer CDU/CSU/FDP/Gr-Koalition das schöne Amt an AKK zu schieben?
Alles spricht dafür, daß die Groko bis 2021 hält. Mit Kanzlerin Merkel.
Es sei denn, es gibt bei den Landtagswahlen so erhebliche Verschiebungen, daß im Willy-Brandt- und Konrad-Adenauer-Haus Köpfe rollen

[…..]  Dass sich daraus eine besondere Dynamik bis hin zum vorzeitigen Ende der Koalition entwickelt, ist nicht ausgeschlossen.
Und so wird in diesen Tagen munter spekuliert, wie es weitergeht in Berlin. Räumt Merkel vorzeitig das Kanzleramt für Annegret Kramp-Karrenbauer? Hat Friedrich Merz doch noch eine Chance auf einen Ministerposten? Und was ist eigentlich mit den diversen Wackelkandidaten im Kabinett - gibt es womöglich demnächst einen größeren Umbau in der Regierung? [….]

Freitag, 19. April 2019

Self inflicted wounds Teil II


Jeden Karfreitag gibt es wieder Diskussionen um das kirchlich erzwungene Tanzverbot für alle Menschen in Deutschland – inklusive einer langen Liste mit 756 Filmen, die auf Befehl der Katholiban und Evangeliban nicht angesehen werden dürfen:

"Schnapsnase und Schlappohr" (1980)
"Das Leben des Brian" (1980)
"Louis der Spagettikoch" (1981)
"Käpt’n Blackbeard’s Spuk-Kaschemme" (1981)
"Didi Hallervorden – Alles im Eimer" (1981)
"Die Feuerzangenbowle" (1981)
"Piratensender Powerplay" (1981)
"Durchs wilde Kurdistan" (1983)
"Sunshine Reggae auf Ibiza" (1983)
"A Hard Day’s Night" (1984)
"Max und Moritz" (1985)
"Top Gun" (1986)
"Police Academy" (1988)
"Harold And Maude" (1988)
"Ghostbusters" (1990)
"Reservoir Dogs" (1992)
"Lotta zieht um" (1995)
"Meisterdetektiv Blomquist" (1995)
"Heidi in den Bergen" (2001)

[…..] Es ist aber auch eine grausame Geschichte: Ein fünfjähriges Waisenmädchen in einer gottverlassenen, zugigen Berghütte. Ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Ein mürrischer alter Mann ohne richtigen Namen. Eine karrierewütige Großstadttante, die das Kind zwingt, der gehbehinderten Cousine als Gespielin zu Diensten zu sein.
Nein, entschieden fünf Prüfer der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) im Oktober 2001. Ein unzumutbares Machwerk. Dieser Film sei geeignet, das "religiös sittliche Empfinden an stillen christlichen Feiertagen zu verletzen". Seither darf "Heidi in den Bergen" an Karfreitag nicht mehr in öffentlichen Filmvorführungen gezeigt werden. Der Cartoonklassiker von 1975 – eine Gefahr für das seelische Wohl der Nation und seiner schützenswerten Schäflein. [….]
Es ist immer problematisch Strafgesetze aufgrund des religiös sittlichen Empfindens Einzelner zu erlassen.
Wie soll man ermessen was das eigentlich ist?
Immerhin gibt es offensichtlich auch genügend Menschen in Deutschland, deren religiös sittliches Empfinden empfindlich durch Frauen ohne Kopftuch, Ehescheidung, Küsse zwischen Männern oder Miniröcke gestört wird.
Wenn wir auf jede Empfindlichkeit mit Verbotsgesetzen reagieren, bleibt nichts mehr erlaubt.
Wenn ich nur allein daran denke was alles MEIN empfindlich sittliches Empfinden beeinträchtigt:
Nackte Füße, Sandalen, Trachten, Volksmusik, Bärte, schwarzrotgold, Schlager, Countrymusic, Blaskapellen, Schützenvereine, Fußball, Fangesänge, Hupkonzerte, Kirchenglocken, Motorradlärm, Hundegebell, Kindergeschrei, RTL-Vorabendserien, Quizsendungen, Weihnachtslieder, Loveparade, Radfahrer, Smombis, Grillen, Fischgeruch, Donald Trump, Radiowerbung, die AfD, Horst Seehofer, Jens Spahn, beige Steppwesten, Man-buns, Hipster, kurze Hosen, Zigarettenrauch, Biergärten, Imbissbuden, Feuerwerk, Rollkofferlärm, Sex-Geräusche, junge Mütter im 80.000-Euro-SUV, Repp-Musik.
Und das war nur das, was mir in einer Minute einfällt.
Wenn ich diese Liste mit 82 Millionen (Bürger in Deutschland) multipliziere, bekomme ich eine offensichtlich nicht praktikable Anzahl von Verboten.
Das kirchliche Tanz- und Filmverbot insbesondere in einer atheistischen Stadt wie Hamburg ist anachronistischer Humbug und gehört sofort abgeschafft.

(….) Heute darf ich nicht tun was ich will.
Völlig antiquierte Gesetze aus den 1950er Jahren – also der Zeit, als Frauen noch nicht ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten durften und Schwule ins Gefängnis gesteckt wurden – legen fest, daß man am Karfreitag nichts vergnügliches tun darf.

[….] Tanz, Konzerte und in manchen Bundesländern sogar Sportveranstaltungen: Am Karfreitag ist einiges verboten, was sonst erlaubt ist. Eine Initiative in Bochum wehrt sich dagegen - mit der Aufführung eines Monty-Python-Klassikers.
Der Karfreitag ist nicht nur ein christlicher Feier- sondern ein Trauertag, auch "stiller Tag" genannt: An so einem Tag sollen Bürger in Deutschland nicht tanzen, zu Konzerten oder Sportveranstaltungen gehen. So ist es in den Bundesländern mehr oder weniger scharf gesetzlich geregelt - die Verbotszeiten variieren dabei.
Verstöße werden mit Ordnungsstrafen geahndet, und dabei geht's manchmal gar nicht ums Tanzen oder Sport treiben: Für die Aufführung des Monty-Python-Klassikers "Das Leben des Brian" am Karfreitag hat die Bochumer Initiative "Religionsfrei im Revier" im vergangenen Jahr einen 300 Euro Bußgeld-Bescheid bekommen. Nun droht dasselbe noch einmal. [….]

Wie immer sind es die Kirchenvertreter, die sich bis zuletzt gegen den gesellschaftlichen Fortschritt wehren und damit am Ende als die Ewiggestrigen dastehen, die sich für Diskriminierungen einsetzen.

Nun wird diese anachronistische Absurdität 2015 nicht das erste mal in Frage gestellt.
Jahr für Jahr laufen mehr Menschen dagegen Sturm, treffen sich demonstrativ zum Tanzen, Singen und Filme gucken.

Das zwingt die Kirchisten dazu sich zum Thema zu äußern.
Wären sie gut beraten oder gar intelligent, wüßten sie, daß der Kampf nicht zu gewinnen ist.
Sie würden die Initiative ergreifen und öffentlich erklären, daß karfreitagliches Partyverbot zu den Dingen gehört, auf die man nicht stolz ist.
So wie die kirchliche Unterstützung für Krieg und Hitler, wie das Waffensegnen, der Widerstand gegen Frauenwahlrecht und Sklavenbefreiung.
Aber man lerne schließlich dazu und wolle nun lediglich Anregungen geben und nicht mehr mit dem Strafrecht seine religiösen Überzeugungen den Konfessionslosen aufzwingen.

Das brächte den Kirchen mit Sicherheit einen großen Imagegewinn.

Statt Klugheit bestimmen aber Platthirne wie Kässmann und Bedford-Strohm die Topetage der EKD. (….)

Das absurde Tanzverbot wird mit Sicherheit irgendwann fallen, so wie auch das Wahlverbot für Frauen, oder das Sexverbot für zwei Männer oder das Kinderarbeitsverbot irgendwann trotz des erbitterten Widerstandes der Kirchenführer irgendwann fiel.

(…..) Das ist eins dieser sonderlichen Christenprivilegien, die der Durchschnittschrist, welcher Atheisten ablehnt, gar nicht kennt.
Atheisten zahlen die Bischofsgehälter, finanzieren das Theologie Studium, geben die Gelder für christliche Heime/Kitas/Schulen und bekommen von Christen vorgeschrieben was sie in ihrer Freizeit tun dürfen.
Wir Atheisten dürfen so brisante Filme wie Mary Poppins oder Astrid Lindgrens Gebrüder Löwenherz nicht sehen und wir dürfen Ostern nicht tanzen.

[….] Die Gegner des Tanzverbots können endlich ihre vor Gericht erzwungene "Heidenspaß"-Party feiern. Pure Gaudi ist das nicht.
[….] Ein Heidenspaß kann furchtbar anstrengend sein. Zum Beispiel dann, wenn man sich jahrelang durch sämtliche gerichtliche Instanzen kämpfen muss, um eine Party mit diesem Namen veranstalten zu dürfen. Doch die Anstrengung war es den Veranstaltern wert, es geht ihnen ums Prinzip: Nämlich um Selbstbestimmung, also darum, dass sie sich von einer Religion nicht vorschreiben lassen wollen, was sie an einem bestimmten Tag zu tun und zu lassen haben. Also nun die Feier im mit gut 150 Menschen voll besetzten Oberanger-Theater. Die Menschen, die hier sind, wollen nicht nur aus Gaudi feiern. Michael Schmidt-Salomon betont sogar ausdrücklich: "Wir haben uns heute hier versammelt, weil es uns ernst, ja sogar bitterernst damit ist, den Karfreitag nicht ernst zu nehmen." [….] 

Zehn Jahre mußten sich Atheisten durch alle Instanzen klagen, um erstmalig am Karfreitag eine Veranstaltung machen zu können.

Pim Spahn, der neue Rechtsaußen und künftige Superstar der CDU, verbreitet seine eigenen Ansichten über das atheistische Pack, das es wagt sich der Kirche  zu widersetzen. Alles Kriminelle, genau wie andere Schwerverbrecher. (…..)

Statt aber ihre Privilegien zu genießen, so lange sie bestehen, bemühen sich Kirchisten glücklicherweise unfreiwillig selbst darum diese zu schleifen, indem sie mit besonders dümmlichen und rücksichtslosen und arroganten Aussagen vorpreschen.
Hardcore-Katholik Wolfgang Thierse ist dafür immer gut, der auch diese Woche mal wieder eifrig damit beschäftigt war seiner Partei und seiner Kirchen möglichst stark zu schaden.

[….] Tanzverbot-Streit in der SPD: Thierse kontert Kühnert scharf
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat die Forderung von Juso-Chef Kevin Kühnert kritisiert, das Tanzverbot an Karfreitag abzuschaffen.
Er sei erstaunt darüber, was Kühnert für wichtig halte und welche Interessen er bedienen wolle, sagte Thierse den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Donnerstag. "Bisher wusste ich nicht, dass die SPD eine Spaßpartei ist", sagte Thierse. Der 75-Jährige ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.
Kühnert hatte gefordert, das Tanzverbot am Karfreitag abzuschaffen. Er würde keine Party in einer Kirche anmelden, sagte Kühnert. Doch "wer an dem Tag in die Disko gehen will, sollte das auch tun können". Die Entscheidung, an Karfreitag feiern zu gehen, müsse jedem selbst überlassen werden.
Julis über Tanzverbot: „Relikt aus vergangenen Tagen“
Auch die Jungen Liberalen in Hamburg sprachen sich dafür aus, das Tanzverbot abzuschaffen. Es sei "ein Relikt aus vergangenen Tagen", erklärten sie am Donnerstag. Wer Karfreitag in Stille verbringen wolle, könne sich gegen das Feiern entscheiden. Dem Rest der Bevölkerung müsse es aber möglich sein, an diesem freien Tag zu tun, worauf er Lust habe. [….]

Danke Thierse für diesen effektiven Versuch die SPD weiter in die Einstelligkeit zu treiben.
Dies wäre eigentlich die Stunde einer funktionierenden Parteiführung das senile Relikt zurück zu pfeifen, aber bekanntlich sitzt im Chefsessel ja auch eine Hardcore-Religiotin.

(…..) noch unsanktioniert vom Staat Jugendliche sexuell missbrauchen und anschließend den Täter schützen, fügen sich die deutschen Volksvertreter anachronistischen Absurditäten wie dem österlichen Tanzverbot oder Filmverbot.

Darf am Karfreitag, wenn ChristInnen der Kreuzigung Jesu Christi gedenken, getanzt werden? Nein, sagt das Gesetz in vielen deutschen Bundesländern.

Als Angehöriger der 99%-Mehrheit der Hamburger, die nie zum Gottesdienst gehen, fordere ich ein Bet-Verbot an allen Nicht-Ostertagen.
Die Gebete von messianischen Pröbstinnen stören mein humanistisches Empfinden nämlich genauso sehr, wie es den Glauben der praktizierenden Hamburger Christen stört, wenn ich am Karfreitag ein Tänzchen aufs Parkett lege oder womöglich sogar einen Louis de Funès-Film gucke.

Doch nicht nur Feiern ist verboten - auch bestimmte Filme. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) hat im Januar eine Liste von Kinofilmen herausgegeben, die zwischen 1980 und 2015 keine Freigabe für die stillen Feiertage erhielten. Ein Verbot bestimmter Filme findet sich sogar im ein oder anderen Feiertagsgesetz, in NRW etwa, wo es bis zum Karsamstag um 6 Uhr zumindest offiziell verboten ist, Filme zu zeigen, die nicht vom Kultusministerium anerkannt sind.
[…]  Darauf finden sich auch Kinderfilme wie "Mary Poppins", "Heidi in den Bergen" und "Lotta zieht um". Daneben: Titel wie "Horrorsex im Nachtexpress" (FSK 18), aber auch Klamauk wie "Louis, der Schürzenjäger" (mit Louis de Funès) und "Didi und die Rache der Enterbten" (mit Didi Hallervorden).

Als SPD-Freund sind Verbündete wie Nahles oder Thierse natürlich ein Elend.
Müssen die ausgerechnet in meiner Partei rumlungern?
Als Atheist ist es umso erfreulicher, daß sich in der RKK und EKD weitüberwiegend Doofe tummeln, die eifrig daran werkeln ihre Vereine der Lächerlichkeit preis zu geben.

Das Kirchenmitglied Micky Beisenherz fasst zusammen:

[…..] Die Marke Christentum rangiert irgendwo zwischen Deutscher Bank und Monsanto.
Da braucht es nicht einmal mehr eine Netflix-Doku.
Sicher, der Islam hatte PR-technisch auch schon bessere Zeiten, aber die Katholische Kirche arbeitet fleißig daran, auch den treudoofsten Beitragszahler mit der Nase in das modrige Weihwasserbecken zu drücken.
"Na, gefällt Dir DAS, ha?!“
Und jede Woche kommt irgendein Neuer unter seinem Stein her gekrochen, um den Ruf der Organisation zu beschädigen.
Womöglich ist es unschicklich, einen fast 92-jährigen Wirrkopf zu zitieren. Andererseits war Joseph Ratzinger mal Papst und in seiner Funktion als Konzernchef und Aufsichtsratsvorsitzender der Katholiken verantwortlich für einen derart kapitalen Haufen großen Unrechts, dass sogar die Chefs von Nestlé sich beschämt abwenden.
The Artist formerly known as Benedetto jedenfalls erklärt sich den jahrzehntelangen, tausendfachen Missbrauch von Kindern in der Katholischen Kirche mit der institutionellen Hilflosigkeit ob der moralischen Erosion der damaligen Gesellschaft:
So kann man das natürlich auch sehen.
Die Erläuterung, warum sich dann vor allem Kirchenvertreter von dieser Entwicklung animiert gefühlt haben, bleibt er schuldig.
Vor allem aber bestätigt eine so zynische wie weltfremde Aussage, dass Ratzinger immer schon ein seelenloser Hostien-Bot war, dessen einziges Bejubelungsmerkmal als Papst es war, dass er Deutscher ist.
Zumindest den BILD-Lesern hat das immer gereicht.
Damals, als Ratzinger, komplett überfordert vom Missbrauchsskandal (oder dessen immer komplizierterer Vertuschung), als Papst zurücktrat, versprach er "künftig für die Welt verborgen" zu bleiben.
Wäre nett gewesen, hätte er sich darangehalten.
Was für eine jämmerliche Gestalt.
Ratzinger. Tebartz van Elst. Kardinal Meißner (bei dem ich es stets bedauert habe, dass er die Ehe für alle nicht mehr mitbekommen konnte).
Sie alle sind die Infantinos, die Blatters, die Berlusconis des Katholizismus.
Dubiose Gestalten, die einen förmlich zum Amt treiben, um sich endlich als Beitragszahler austragen zu lassen.
Selbst der einst so gehypte Franziskus setzt vermehrt auf den klerikalen Markenkern, wenn er Homosexualität als Modeerscheinung bezeichnet oder Abtreibung als Auftragsmord.
Wie man auf die Art Neu-Abonnenten gewinnen will, während die Stammkunden wegsterben, bleibt mir schleierhaft. [….]

Donnerstag, 18. April 2019

Die fromme Vorsitzende.


Es gibt so gut wie nichts, das ich politisch an Andrea Nahles schätze.
Aber auch darüber hinaus ist die SPD-Chefin nach meinem Geschmack in nahezu jeder Hinsicht die negativste Version einer Spitzenpolitikerin:
Katholikin, Rheinische Närrin, Pfälzer Landei, hundsmiserable Taktikerin, laut, proletige Aussprache, mangelnde Bildung, grauenvoller Klamottengeschmack, ungeniert, extrovertiert, sagenhaft naiv, sich unverständlicherweise extrem überschätzend und insbesondere ohne jedes Gespür für Stimmungen und Notwendigkeiten.






Sicher, vieles davon ist irrelevant für die Qualität eines Politikers und entspringt nur meinem persönlichen, ebenfalls irrelevanten Geschmack.
Zum Teil führt ihre religiotische Persönlichkeit aber eben auch nicht nur zu persönlicher Ablehnung durch norddeutsche einfach Parteimitglieder, sondern führt wie im Beispiel Sterbehilfe zu extremer Grausamkeit gegenüber Menschen in größter Not.

Das einzig Positive, das ich über Nahles denke, ist daß ihre schlechte Politperformance lediglich ihrer Minderbemittlung zu verdanken ist. Sie ist einfach nicht intelligent genug, um zu durchschauen was sie anrichtet.
Das ist immerhin sympathischer als schlechte CDU/CSU/FDP-Politik, die eher einem schlechten Charakter, Korruption oder schlichter Bösartigkeit entspringt.

Lindner will Reiche reicher machen, Nahles verursacht das vermutlich eher unabsichtlich. Ich glaube ihr, daß sie sich ernsthaft mehr Gerechtigkeit und Solidarität wünscht. Die soziale Schere in Deutschland ging während ihrer vierjährigen Amtszeit als Sozialministerin nicht deswegen weiter auf, weil sie es wollte, sondern weil sie sich übertölpeln ließ und schlicht nicht in der Lage ist taktisch und strategisch so Politik zu machen, daß sie sich durchsetzt und das erreicht, was sie will.

Diese immer wieder zur Schau gestellte Dämlichkeit und ostentative grinsende Selbstgefälligkeit, verleitet mich leider immer mal wieder dazu beleidigend über Nahles zu denken oder mich öffentlich über ihre primitive Sprache und die grottigen Outfits zu echauffieren.


Schande über mich; dazu sollte ich mich natürlich nicht hinreißen lassen.
Das ist unfair gegenüber einer Frau mit einem Knochenjob, die sich bemüht.

Aber andererseits ist Nahles eine extrem mächtige Frau, die ihren Job nicht nur freiwillig macht, sondern sich seit Jahrzehnten massiv nach vorn drängelt.
Sie muss mit Spott rechnen und bietet diese enorme Angriffsfläche.

Urban Priol wechselte in seinem üblichen Jahresrückblick zwischen Fassungslosigkeit und echter Besorgnis, als es um Nahles Plan ging die SPD zu erneuern und er fortfuhr zu schildern, sie habe dazu extra einen Parlamentskreis gegründet.
„Parlamentskreis Pferd, zusammen mit Ursula von der Leyen, um die Interessen reicher Gestütsbesitzer zu vertreten“
Nein, das ist kein Witz.


Natürlich lacht man sie aus. Weil man anderenfalls weinen müsste.

Kein Mensch hat etwas dagegen, daß Nahles Pferde mag, aber es ist wieder einmal ihre sagenhafte Instinktlosigkeit, die sie gar nicht erkennen lässt, wie verheerend das auf die sogenannten „kleinen Leute“ wirkt, wenn sich die SPD-Chef während der größten Krise der Partei ausgerechnet auf ein Thema setzt, das mit reichen Adeligen assoziiert wird. Guido Westerwelles Ehemann, Herr Mronz, verdiente sein Geld mit Pferdesport, brachte seinen Minister-Ehemann dazu weiterhin Brandzeichen auf Pferden nicht als Tierquälerei ahnden zu lassen. Das ist glasklare Klientelpolitik.
Priol hat Recht: Eine SPD-Chefin mit halbwegs intakten Instinkten, hätte den „Parlamentskreis Pferd“ genutzt, um zumindest ein bißchen gegen die Pferde-affine Multimillionärs-Fraktion aus dem Adel zu sticheln.

Andrea Nahles hingegen ist nach 30 Jahren in der Politik noch immer völlig überrascht von solchen Anwürfen.

[…..]  Vor ein paar Monaten gründete Nahles mit Abgeordneten von CDU und FDP im Bundestag den „Parlamentskreis Pferd“. Etliche Genossen zerrissen sich das Maul. Wie kann eine Vorsitzende, die gern reitet, mitten in der SPD-Krise eine Pferderunde aufmachen? Hätte ein SPD-Mann einen Fußball-Fanclub gegründet, hätte es Freibier und Applaus gegeben. Nahles, deren Friesen-Wallach in Weiler in einem Reiterverein versorgt wird, hat lange auf der Sache herumgekaut. „Ich war persönlich wirklich verstört. Richtig verstört.“ […..]

In dem Artikel berichtet das Abendblatt darüber hinaus Bekanntes, das ich seit Jahren auch in diesem Blog schreibe. Sie lebt, denkt und fühlt immer noch in ihrem winzigen Dorf in der Vulkaneifel, hat sich habituell nie darüber hinaus entwickelt. Sie merkte nicht wie die Maaßen-Affäre und die §219a-Absprache die Parteibasis schockierte.
Daß Nahles in einer hermetisch abgeschlossenen Politblase lebt, in der sie nur von ihr zustimmenden Fans umgeben ist und daher immer wieder vollkommen überrascht ist, wenn sie beispielsweise auf Parteitagen auf die Realität in Form von Wahlergebnissen trifft.
Offenbar ist sie aber auch völlig unfähig daraus Konsequenzen zu ziehen und rühmt sich wie der sprichwörtliche Gegen-die-Wand-Renner auch noch damit, es immer wieder zu versuchen. „Ich habe Steherqualitäten.“ Ein politischer Alptraum für die SPD, der nun sogar so weit geht, daß sich konservative Medien darin ergehen Andrea Nahles zu bedauern, weil sie so viel Häme aushalten müsse.

[…..][…..] Beim politischen Aschermittwoch im thüringischen Suhl stand sie mit dem SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee auf der Bühne. Sehr oft haben Nahles’ Berater ihr den Spruch ans Herz gelegt: „Don’t sing, don’t dance.“ Nicht singen, nicht tanzen. Der Frohnatur ist das schnuppe. Sie redet manchmal eben so, wie sie es aus der Eifel kennt . „Bätschi“, „Fresse“ , „Kacke“, „Wurst“. Bei der Karaoke in Suhl trällerte sie „Humba humba humba tätäräää“, „Wollibolli“ und „Mindestlohniii“.
Im „Spiegel“ folgte ein Verriss. Nahles sprenge die Grenzen der Peinlichkeit. Im Dienstwagen darauf angesprochen, verengen sich ihre Augen zu Schlitzen. Knurrendes Schweigen. […..]

Jeder halbwegs vernünftige Parteivorsitzende würde verstehen, daß er verloren hat, wenn er bundesweit bedauert wird.
Als Vorsitzender darf man keine trübe Gestalt sein, die Mitleid auslöst.
Mit solchen Konnotationen ist man nur noch Urnengift und muss sofort zum Wohle der Partei verschwinden.
Unnötig zu erwähnen, daß Nahles auch dafür jegliches Gespür fehlt.
Und so ist es nach wie vor ihre eigene Partei, die darüber nachdenkt wie man sie bloß schnell wieder loswird.

 […..] Die SPD ist in den Umfragen weiter abgesackt, und der Niedergang nimmt existentielle Züge an. Nur noch 16 bis 17 Prozent der Deutschen würden heute SPD wählen. Unter Nahles haben die Genossen also noch einmal 20 Prozent der verbliebenen Stammwähler verloren. Die SPD kommt in den Kraftzentren der Republik (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen) nur noch auf einstellige Werte. […..]  Ein Wahlergebnis von deutlich weniger als 20 Prozent dürfte den Stolz der Genossen tief erschüttern und einem gefühlten Abstieg in die zweite Liga der Politik gleich kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass Nahles katastrophale persönliche Umfragewerte hat. Gegenüber Annegret Kramp-Karrenbauer liegt sie seit Monaten hoffnungslos zurück. Nach einer neuen Umfrage trauen ihr nur noch 9 Prozent der Deutschen das Kanzleramt überhaupt zu. Der Grünen-Politiker Robert Habeck kommt immerhin auf respektable 20 Prozent. […..] In der SPD mehren sich nun die Stimmen, die eine personelle Neuaufstellung mit Blick auf die Bundestagswahlen 2021 haben wollen. Berliner Genossen-Zirkel beraten emsig, wie man Nahles zum freiwilligen Rückzug bewegen könnte. Sie möge Fraktionsvorsitzende bleiben, aber den Parteivorsitz abgeben, raunt es. […..]