Donnerstag, 5. April 2018

Wer tauend mal lügt…

Was für ein bizarrer Twist – der schlimmste Online-Hetzblog, Bergers Philosophia-Phimose – wettert gegen meinen Lieblingsminister Heiko Maas und ich kann es nicht in Bausch und Bogen verdammen, weil ein ganz kleines Körnchen Wahrheit in der ansonsten gewohnt bösartig-verlogenen Tirade liegt.

Es geht, wieder einmal um Wladimir Putin, den Helden der islamophoben Rechtsradikalen, die ihn nämlich als Verbündeten gegen Liberalität, Schwulheit und Atheismus ansehen.
Das ist natürlich alles großer Blödsinn, da Putin vermutlich weit weniger ideologisch und germanophil ist, als sich das Elsässer und AfD wünschen, aber RT lässt sich so schön dazu einsetzen, um die deutsche Regierung zu diskreditieren.

PP verlinkt auf den Compac-Autor Marc Dassen, der wutschnaubend und geifernd den Rücktritt des deutschen Außenministers fordert, da dieser in der leidigen Causa Skripal gelogen habe.

Dürfen Staaten töten? Fraglich
Hat Russland einen Mord befohlen? Möglich.

Unumstößliche Fakten sind nur der Giftanschlag auf Sergej Skripal und seine Tochter Yulia.
Sie ist außer Lebensgefahr und auch er scheint stabilisiert zu sein.
Das verwendete Gift Nowitschok ist identifiziert.

Alles andere sind Indizien, die Heiko Maas so ernst nimmt, daß ihm keine andere Urheberschaft als die Russlands plausibel erscheint.

Der Jurist Maas drückt sich dabei vorsichtig und korrekt aus.
Ja, es ist durchaus wahrscheinlich, daß irgendwer, irgendwann in Russland den Mord an Skripal befahl. Möglicherweise sollte ein Zeichen an andere potentiell abtrünnige russische Agenten gesetzt werden: Egal in welchem Land ihr euch versteckt, ihr werdet für den Verrat büßen.

Indem die Bundesregierung aber antirussische diplomatische Sanktionen Englands mitträgt, verhält sie sich politisch so, als ob die Schuld des Kremls bereits bewiesen wäre.

Das ist aber eben gerade nicht der Fall.

Ist gibt für alle Indizien Widersprüche und zu allen Thesen Gegenthesen.
Moskau sagt, es besitze kein Nowitschok mehr, aber 20 andere Staaten wären in der Lage es herzustellen.
Außerdem gäbe es in London und Washington ein großes Interesse Russland die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Auch das kann sein. Tatsächlich half das rabiate Vorgehen der britischen Regierung der Premierministerin May sehr. Ein dringend benötigter Boost für die Umfragewerte der in Bedrängnis Geratenen.

Seit Wochen behauptet London so ziemlich alles, das gerade noch unter der Schwelle eines Beweises liegt.

[….] Bei keinem anderen Land gebe es die Kombination aus Fähigkeit, Absicht und Motiv für eine Tat wie in Salisbury, sagte Premierministerin Theresa May am Montag. Es gebe Beweise, dass Russland den Einsatz chemischer Kampfstoffe für Attentate erforschen ließ. [….]

Wir haben zwar keine Ahnung, ahnen aber irgendwie, es könnte Russland gewesen sein, weil die das eigentlich hinbekommen müssten und ihnen das irgendwie in den Kram passt?

Nur der Mann, der in England phänotypisch am ehesten an Trump heranreicht, Boris Johnson, behauptet die britische Regierung habe einen Beweis gegen Putin.

Johnson spielt zwar in einer niedrigeren Liga, kann noch keine 2.500 dokumentierten Lügen wie der US-Präsident aufweisen.
Aber so dreist und häufig wie Trump lügt niemand.

Boris Johnson bemüht sich aber und hat immerhin den gesamten Brexit-Wahlkampf auf einer Lügenkaskade aufgebaut, behauptete beispielsweise immer wieder, ohne die EU-Mitgliedschaft könne London wöchentlich (!) 350 Millionen gesparte Pfund in den National Health Service (NHS) stecken.
Blanker Unsinn, von dem Lügen-Boris und seine Brexiteers einen Tag nach der entscheidenden Abstimmung wieder abrückten.
Johnson wurde stattdessen Außenminister und log weiterhin immer mal wieder öffentlich.

[….] Hat Boris Johnson im Fall des vergifteten Ex-Agenten Skripal gelogen? Der britische Außenminister muss sich peinliche Fragen gefallen lassen - und bringt die eigene Regierung in Bedrängnis. Wieder einmal.
[….] Gary Aitkenhead, Chef des Defence Science and Technology Laboratory, sagte am Dienstag über die Herkunft des bei der Attacke auf Skripal und dessen Tochter verwendeten Gifts: "Wir haben die genaue Quelle nicht identifiziert." [….] Für die britische Regierung ist diese Selbstverständlichkeit ein Problem - vor allem für Boris Johnson. Der Außenminister gehört zu jenen, die Moskau im Fall Skripal am heftigsten attackieren. Auf die Frage nach der Herkunft des Gifts hatte Johnson erst kürzlich in einem Interview mit der "Deutschen Welle" geantwortet, die Experten aus Porton Down hätten "keinen Zweifel".
Am Mittwoch wies zudem die russische Botschaft in London auf Twitter genüsslich darauf hin, dass das britische Außenministerium einen Tweet vom 22. März mittlerweile gelöscht hat. [….]

Zu allem Übel zeigte sich Johnson schon früher rabiat Russland-feindlich, ließ jede Diplomatie vermissen, verschlimmerte Englands Position immer wieder, indem er sich mit absurden Behauptungen um Kopf und Kragen redete.

[….] Boris-Johnson-Spruch über Libyen: „Unglaublich krass, kaltblütig, grausam“ Der britische Außenminister hat mit einer Bemerkung über Tote in Libyen Empörung ausgelöst. Er verglich die Stadt Sirte mit der florierenden Metropole Dubai - man müsse nur „die Leichen wegräumen“. [….]
(SPIEGEL ONLINE - 04.10.2017)

[….] Prosecco gegen Fish & Chips: Boris Johnson blamiert sich mit Brexit-Plänen. Der britische Außenminister will trotz Brexit vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt. Die Italiener lockt er mit angeblichen Vorteilen für ihren Prosecco-Absatz. [….]
(SPIEGEL ONLINE - 17.11.2016)

[…..] „Unglaublich unsensibel“: Johnson zitiert kolonialistisches Gedicht in Ex-Kolonie. Der britische Außenminister hat bei einem Besuch in der einstigen Kolonie Burma beinah einen diplomatischen Eklat provoziert. [….]
(SPIEGEL ONLINE - 30.09.2017)

[….] Tagelang weigerte sich der britische Außenminister, einen Fehler einzugestehen. Nun gab Boris Johnson im Parlament zu: Seine lapidare Äußerung über eine in Iran inhaftierte Britin habe ihre Lage verschlimmert. […..]
(SPIEGEL ONLINE - 13.11.2017)

[…..] Johnson wirft Russland Destabilisierung Europas vor. Schwerwiegende Vorwürfe - oder einfach nur lächerlich? Vor seinem Besuch in Moskau hat der britische Außenminister Johnson harte Anschuldigungen gegen die russische Regierung erhoben. [….]
(SPIEGEL ONLINE - 22.12.2017)

[….]  „Übel, militaristisch, undemokratisch": Mit harschen Attacken auf den Kreml hat der britische Außenminister Johnson seinen Besuch in Moskau begonnen. [….]
(SPIEGEL ONLINE - 22.12.2017)

Das ist nicht hilfreich nachdem es 2003 doch die britische Regierung war, die mit einer Lüge über angebliche Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein in den Irakkrieg anzettelte, damit den halben Nahen Osten in Flammen setzte, Hunderttausende Tote und Millionen Vertriebene verursachte.

Deutschland sitzt schön in der Patsche. England ist schließlich als EU-Partner (noch) und NATO-Partner einer der engsten Verbündeten und zudem als UN-Vetomacht und Atommacht außerordentlich wichtig.
Wie sollte sich ein deutscher Außenminister Maas, der erst wenige Tage im Amt ist, gegen England stellen?

Aber das May-Johnson-Britannien macht es ihm sehr schwer.

Compacs schäumender Maas-Hetzer Dassen, auf den Berger stolz verweist, verfügt natürlich auch über keine andere Informationen, erzählt lediglich das nach, was man auf Spiegel Online und anderswo lesen konnte: Daß Gary Aitkenhead, Chef des Defence Science and Technology Laborator anders als von Johnson behauptet, eben nicht die genaue Quelle des Giftes beweisen konnte.
Im Folgenden lügt Compac, daß auch Maas genau das behauptet habe.




Das ist großer Unsinn, Maas hatte sich auf die Britische Regierung bezogen und gesagt, er verfüge über keine andere plausible Erklärung als die Urheberschaft Russlands.
(Eine durchaus bestehende Möglichkeit).
Er hat aber eben nie behauptet es gäbe Beweise – anders als Johnson.

Daß die rechte Alternativmedienmaschine aber überhaupt einen Angriffspunkt findet, um gegen die eigene Regierung zu agitieren, liegt natürlich an der höchst dubiosen Handlungsweise der Briten und womöglich auch an der gelungenen PR Moskaus.
Für Maas gab es da keinen sauberen Weg hinaus.
Die Bundesrepublik trägt zwar die Sanktionen ihrer Partner USA und GB mit, weist aber tatsächlich mit drei Diplomaten so wenige aus, daß die Arbeit der russischen Botschaft kaum eingeschränkt wird.

[…..] Vor wenigen Tagen fragte ein russischer Bekannter: Christina, was macht ihr eigentlich da im Westen? Er meinte das Vorgehen im Fall des vergifteten früheren Doppelagenten Sergej Skripal. Die Stimmung gegenüber den europäischen Ländern werde immer schlechter, klagte der Bekannte, selbst bei jenen wie ihm, die dem System von Wladimir Putin kritisch gegenüberstehen. Letztendlich spiele der Westen dem Präsidenten in die Hände, der sich einmal mehr als Beschützer seines Volkes inszenieren könne. Der Bekannte klang resigniert.
Leider hat er recht. Denn vier Wochen nach dem Anschlag auf Skripal und seine Tochter fragen sich auch in Russland viele, welche Belege es für die Schuld Moskaus denn nun eigentlich genau gibt. Außer der öffentlichen Erklärung, man habe nach geheimdienstlichen Erkenntnissen den Eindruck gewonnen, dass eine andere Erklärung nicht plausibel sei. [….]

Wir sehen hier exemplarisch in welchen Abgrund uns die Politiker neuen rechten Typs wie Johnson und Trump reißen:
Sie verstricken sich so in ihre Lügenmärchen, daß ihre Verbündeten in Teufels Küche kommen und ihre Gegner leichtes Spiel haben.



Nachtrag:


[….] Chinesen zufrieden: Plan, Skripal zu vergiften, um Russland und Westen gegeneinander zu hetzen, geht voll auf
"Operation Nowitschok war die beste Idee seit Langem!" – mit gegenseitigen Gratulationen hat die Spitze der Regierungspartei der Volksrepublik China heute den Erfolg ihrer geheimen Pläne gefeiert, Russland und den Westen gegeneinander aufzubringen. Auch Staatspräsident Xi Jinping ist vollauf zufrieden.
Zuvor hatte der für "Operation Nowitschok" zuständige Geheimdienstkoordinator Lang Zhen gegenüber den wichtigsten Funktionären der Kommunistischen Partei dargelegt, wie es China mit einfachsten Mitteln gelang, seine beiden größten militärischen und wirtschaftlichen Konkurrenten bis an den Rand eines Krieges zu treiben. [….]

[….] Gerhard Schindler, ehem. Präsident Bundesnachrichtendienst:
"Ich glaube, die Sachlage ist sehr komplex und lässt viele Fragen offen und die Beweislage ist nach meiner Auffassung nicht so robust wie die getroffenen Maßnahmen vermuten lassen."

Bekannt ist bis dato nur  der Ursprung der Nowitschok:  der Wissenschaftler Mirsanjov machte das geheime Programm der Sowjets in den 90er Jahren öffentlich.
Russland hat  aber bis 2017 alle Chemiewaffen vernichtet. Offiziell gibt es also keine Nowitschoks mehr.
Aber: auch westliche Staaten haben offenbar zu Schutzzwecken an Nowitschoks geforscht, etwa die USA – und Großbritannien in diesem Militärlabor, erklärt der weltweit anerkannte Chemiewaffenexperte Ralf Trapp.

Ralf Trapp, Chemiewaffenexperte:
 "In Fachkreisen wurde immer davon ausgegangen als die Strukturen der Nowitschoks Anfang der 90er Jahre in die Öffentlichkeit kamen, dass einige der Labors im Westen und auch anderswo sicher, zu Schutzzwecken an diesen Stoffen gearbeitet haben". […..]
 

Mittwoch, 4. April 2018

Taxiweisheiten


Endlich, auf den Röntgenbildern ist Knochenwachstum zu erkennen. Ich kann von 20 kg Teilbelastung innerhalb von wenigen Wochen in die Vollbelastung übergehen.
Ich darf aber aus rechtlichen Gründen immer noch nicht Auto fahren. Vermutlich könnte ich es schon wieder ganz gut, weil ich Muskelkraft in der rechten Wade habe und das Sprunggelenk fast voll beweglich ist.
Wenn aber irgendein kleiner Unfall passierte, bei dem ich völlig unschuldig wäre, könnte mir der gegnerische Anwalt einen Strick aus der bloßen Tatsache drehen, daß ich Krücken dabei habe.
Heute ließ ich mich also wieder einmal mit dem Taxi abholen, um die zehn Minuten ins Krankenhaus zu fahren.
Leider kam wie so oft eine Mercedes E-Klasse, die für meine Körpergröße ungeeignet ist. Zwar ist die vordere Beinfreiheit sehr gut, aber die Karre ist einfach zu niedrig, wenn man mit dem Hintern voran einsteigt. Das Autodach geht mir dann so etwa bis zum Nacken und ich muß mich extrem krümmen um den Kopf hineinzuzirkeln. Fehlkonstruktion, diese Dinger.
Meine 1,30 m langen Krücken passen auch nicht rein.
Zum Glück erwies sich die Fahrerin, Anfang 30, groß, schlank, lockiges brünettes Haar, gepflegte Erscheinung, als ausgesprochen fürsorglich und zugewandt.
Das „Wie ist DAS denn passiert?“-Gespräch wickele ich inzwischen routiniert und humorig ab; aber diese Dame war mit so starken Spiegelneuronen ausgestattet, daß sie ernsthaft mitlitt und immer wieder „Oh Sie Armer!“, „Oh wie fürchterlich!“, „Das muss ja wehtun!“ und „Sie sollten die BILD anrufen und sich beschweren!“ ausbrach.
Ja, klar haben einige Ärzte und Schwestern auch mal etwas nicht ausgesucht höflich und perfekt erledigt, aber wer wüßte nicht über den Pflegeschlüssel in Krankenhäusern Bescheid und beklagt sich anschließend bei Springer Haupthetzblatt, um gemeinsam mit Margot Käßmann und FJ Wagner Julian Reichelt zu dienen?
Abwegig. Aber die Taxifahrerin war offenbar sehr ernsthaft um mich besorgt, so daß ich immer wieder beruhigend erklärte, die OP habe im Februar stattgefunden; das Schlimmste wäre vorbei.
In der Röntgenambulanz angekommen, begann sie das große Kramen im Handschuhfach, weil sie ihren Quittungsblock suchte. Da ich inzwischen aber genug aus dem Nähkästchen geplaudert hatte und ob meiner Langsamkeit auch dringend aussteigen musste, um den Termin einzuhalten, winkte ich ab. „Nein, ich brauche keine Quittung.“ Auf die paar Euro käme es nun wirklich nicht mehr an und ob die Krankenkasse das übernähme sei ohnehin sehr zweifelhaft.
Da legte sich bei ihr ein Schalter um. Der Ton wurde schlagartig schrill, das freundliche, mitfühlende Gesicht wurde eiskalt, die Gesichtszüge hart:

„Nein, das DÜRFEN SIE SICH NICHT BIETEN LASSEN!
Jeder Kanake aus Syrien und Afghanistan kann hier alle seine Cousins herholen, um die auf unsere Kosten operieren und behandeln zu lassen und Sie sollen noch nicht mal eine Taxifahrt ersetzt bekommen?“

Das kam wieder mal so plötzlich; gerade dachte ich noch, das ist aber mal eine nette Fahrerin und dann fällt mir der Xeno-Hammer auf den Kopf.
Ich hätte bei der BILD-Bemerkung schon skeptisch werden sollen, aber da mutmaßte ich noch, sie wäre einfach nur etwas ungebildet.

Deswegen fahre ich auch lieber allein im Auto und meide ÖPNV oder Taxis. Da trifft man nur auf andere Menschen, mit denen man womöglich ins Gespräch kommt und das ist meist gruselig.

Dem Volk auf’s Maul zu schauen ist eine Vorform des politischen Populismus, wird aber andererseits noch positiv konnotiert.
Ein Politiker, dem attestiert wird, nicht abgehoben zu sein, nicht vergessen zu haben woher er kommt, bürgernah zu sein und den Puls am kleinen Mann zu haben, kann sich über gute Wahlergebnisse freuen.
Die Wähler mögen es, wenn ein Minister die Bürger da draußen, bzw den kleinen Mann auf der Straße nicht vergessen hat, sondern weiß was ein Busticket oder ein Viertelpfund Butter kostet.

Aus diesem Grund lässt Frau Merkel das Bundespresseamt auch exzessiv Umfragen erstellen. So lange sie genau weiß wie die Majorität der Deutschen tickt, kann sie im Zweifelsfall immer das tun, was den meisten gefällt – und nicht etwa das was RICHTIG wäre.
Das Richtige zu tun, ist eine Methode, die Gerd Schröder anwendete und das bestrafen die Wähler.

(….) Wie wir unter anderem der letzten SPIEGEL-Ausgabe entnehmen konnten, richtet sich Merkel in ihrem Regierungshandeln weitgehend nach Umfragen.
Millionen Euro gibt das Bundespresseamt für wöchentliche genaue Befragungen nach den Befindlichkeiten der Wähler aus.
Schon 200 exklusiv nur der Kanzlerin zugänglichen Umfrageanalysen unterschiedlicher Institute nutzt die Frau für ihr Herrschaftswissen.
Das was ihr die Chefs der Institute als Mehrheitsmeinung des Urnenpöbels aufschreiben, verwendet sich bisweilen wortwörtlich in ihren Regierungserklärungen.
Bis auf wenige Ausnahmen ist es Merkel ziemlich egal WAS entschieden wird; es soll nur a) möglichst geräuschlos passieren und b) niemand im Wahlvolk verunsichern.
Die große Koalition ist daher Merkels natürlicher Lebensraum, wenn auch zu vermuten ist, daß sie lieber einer rechtere und illiberalere Agenda durchsetzen würde. (….)

Vor allem SPON-Leser kennen inzwischen CIVEY sehr gut,

[….] Wir ermöglichen repräsentative Umfragen im Internet. Dabei sehen erstmals alle die Ergebnisse. Kostenlos und in Echtzeit.
Wir stellen spannende Fragen zu aktuellen Themen. Egal ob Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft: Ihre Meinung zählt. Stimmen Sie ab und zeigen Sie, was Sie denken.   Wir sortieren die Meinungen im Internet und gewichten sie. Mit unserer neuen Technologie berechnen wir ein repräsentatives Ergebnis, in dem alle Meinungen berücksichtigt werden [….]

Natürlich ist es verlockend dort registriert zu sein und bei Fragen mit mehreren Hunderttausend ist man tatsächlich geneigt eine gewisse Repräsentativität zu unterstellen.

Wer länger durch Civey-Ergebnisse scrolt, stellt fest, daß ökonomische Fragen meistens kein eindeutiges Meinungsbild ergeben. Offensichtlich sind die Zusammenhänge zu kompliziert, um die Denken der Deutschen in eine Richtung zu beeinflussen.

Fragen nach Personen, also beispielsweise der Bewertung einzelner Minister sind ähnlich divers. Immer gibt es gute zehn Prozent, die ihn sehr gut und gute zehn Prozent, die ihn sehr schlecht finden. Dazwischen fächert es sich auf. Je bekannter Politiker sind, desto positiver werden sie bewertet.
Auch die Frage nach Parteivorlieben ergibt das übliche zersplitterte Bild

Es gibt aber auch Themenkomplexe, bei denen die Deutschen ausgesprochen einheitlich ticken.
Dazu gehören alle Aspekte, die mit Ausländern, Abschiebungen, doppelter Staatsbürgerschaft und geschlossenen Grenzen zu tun haben.
Da sind die Ergebnisse eindeutig. Die Deutschen können Ausländer einfach nicht leiden. Flüchtlinge sollen nicht reingelassen werden, bzw schnell abgeschoben werden.
Die Obergrenze ist extrem populär, das barmherzige Kirchenasyl wird radikal abgelehnt und Abschiebungen mitten in Kriegsgebiete stören die angeblich ach so christlichen Deutschen gar nicht.
Die Majorität der Deutschen ist klar xenophob, kaltherzig und missgünstig.








Ganz offensichtlich bespielen Politiker fast aller Parteien, von Gauland über Dobrindt, Spahn und Lindner bis Wagenknecht deswegen so gern die ausländerfeindliche Karte.

Hier ist ihnen kostenlose und große Zustimmung sicher.
Es kostet ja nichts „Härte gegen Flüchtlinge“ zu fordern, das ist keine Frage der Finanzierung und das angebräunte Volk stimmt diesem Kurs mit weit überwiegender Mehrheit zu.

Interessanterweise gibt es aber auch einen weiteren Themenkomplex, bei dem die Antworten sehr einseitig und eindeutig sind.
Immer wenn es um Verbraucherschutz oder Umweltschutz versus Industrielobbyismus geht, schlagen sich die Deutschen sehr klar auf die sympathischere Seite gegen die Multimilliardenkonzerne.








Bei Glyphosat, Kükenschreddern oder Massentierhaltung verfügen dieselben Politiker, die bei xenophoben Themen so gern dem Volk nach dem Maul reden, über erstaunliches Rückgrat und stemmen sich eisern gegen die überwältigen Mehrheitswillen der Bevölkerung.

Der Grund liegt auf der Hand. Die Schwachen, Ausländer, Flüchtlinge, Heimatvertriebene haben keine starke Lobby – da folgt Politiker der Massenmeinung.
Ganz anders bei der Auto-, Banken, Energie-, Landwirtschafts- oder Pharmaindustrie. Deren Lobby ist so zahlungskräftig und spendet so fleißig an Parteien, daß die Bundestagsparteien hartnäckig Volkes Willen widerstehen.



Das gilt auch für die Kirche, die ihre Anliegen von der Maximalen unnötigen Qual am Lebensende offenbar ebenfalls problemlos gegen die überwältigende Mehrheit der Bundesbürger im Bundestag durchsetzen kann.

Dienstag, 3. April 2018

Schwarzgelb, der Traum der linken Groko-Gegner.


Was passiert, wenn die CDU regiert und keine Sozis mit am Kabinettstisch sitzen?
Dann können die Lobbyisten ganz ungehindert agieren.
Wir erlebten das 2009-2013 in der Merkel-Westerwelle-Koalition.
Aufgrund einer Millionenspende eines Hoteliers ermäßigte Schwarzgelb die Hotelsteuer.
2010 wurde den Atomkonzernen, die bei abgeschriebenen AKWs eine Millionen Euro Gewinn pro Tag machten eine Laufzeitverlängerung um 12 Jahre beschert.
Gegen Sonderrabatte für FDP-Mitglieder wurden Pharmakritiker aus Behörden geworfen.

Gegen eine kleine Aufwendung vom Hotelbesitzer Baron Finck („rechts vom Gustl steht nur noch Dschingis Khan“) an die FDP, genehmigte man großzügig Milliardensteuervorteile für Hoteliers.

Milliardär Finck, der auch ein großer Immobilienmogul ist - ihm gehören unter anderem die Clair Immobilien Deutschland GmbH und die Mercantor Verwaltungs GmbH - hatte sich mit Spenden an die CSU (2,4 Millionen Euro seit 2000) auch Freundlichkeiten für die Immobilienwirtschaft erkauft.

Ganz im Sinne des Immobilienmoguls dürfte sein, dass die Koalition etwa so genannte Real Estate Investment Trusts (REITs) stärken will. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, hier seien "überflüssige Hemmschwellen für den deutschen Markt abzubauen". Das entspricht ziemlich genau einer Forderung des Immobilien Verbandes Deutschland (IVB). "Schnellstmöglich sollten Reits eingeführt werden, damit den Anlegern eine international konkurrenzfähige Form der indirekten Immobilienanlage auch in Deutschland zur Verfügung steht", heißt es in einem Verbandspapier. Reits sollen dabei "möglichst wenig reguliert werden".
Im Klartext: Geldgeber sollen leichter als bisher auch mit Wohnimmobilien zocken dürfen.
Und es gab noch mehr Grund zu jubeln für die Immobilienwirtschaft.
"Im Bereich des Mietrechts greift der Koalitionsvertrag alle Forderungen von Haus & Grund Deutschland auf und übernimmt sie", frohlockte der Hauseigentümerverband in einer Stellungnahme zum Koalitionsvertrag.
Wichtigster Punkt: das Ende der "asymmetrischen Kündigungsfristen". In Zukunft sollen für Mieter und Vermieter gleich lange Kündigungsfristen gelten. So können ungewollte Mieter schneller vor die Tür gesetzt werden. Ausgehebelt werden soll auch das Recht auf Mietminderung, etwa während einer Gebäudesanierung. 

12 weitere Lobbyforderungen - 1:1 umgesetzt von den Pay-Policy-Parteien der schwarzgelben Regierung - listet allein die SZ auf.

Die Pharmalobby machte sich ihren Hauptverband FDP so gefügig,
daß drei Monate nach Regierungsantritt tatsächlich Deutschlands oberster Pharmakontrolleur Sawicki geschasst wurde.
Seine am Patientenwohl orientierte Position war zu wenig Pharma-freundlich.

Der private Krankenversicherung DKV räumt FDP-Mitgliedern Sonderrabatte ein und schon bekommt einer der wichtigsten PKV-Lobbyisten, Christian Weber, einen Job in zentraler Stelle des FDP-geführten Gesundheitsministeriums.

Besonders erfolgreich war die Automobilindustrie beim Einkauf von ihr genehmen Gesetzen.

(…..) In Brüssel trifft der gescheiterte CDU-Mann Oettinger auf den mächtigsten Lobbyisten Europas, nämlich den seit 2007 amtierenden Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) Matthias Wissmann, der ebenfalls ein Untergebener Merkels ist.
 Fünf Jahre saßen die Minister Merkel und Wissmann Seit an Seit im Kabinett Kohl und blockierten Umweltpolitik und nachhaltiges Wirtschaften.
Mehrfach hatte Brüssel beabsichtigt angesichts der sich dramatisch verschärfenden Klimakatastrophe Anreize zu schaffen Autos mit weniger CO2-Ausstoß zu fördern.
Auf Geheiß des viele Millionen schweren VDA, dessen Mitglieder auch fleißig sechsstellige Summen an die CDU spenden, intervenierte Merkel stets, um solche EU-Regelungen zu verhindern.
In der CDU-Logik würde das nämlich deutsche Arbeitskräfte kosten.
Wie jeder weiß, ist nur der Bau von extrem umweltschädlichen Autos arbeitsintensiv und sichert die Beschäftigung in Deutschland.
Intelligente Antriebe, das drei-Liter-Auto, Hybridmotoren und ähnliche CO2-vermindernde Techniken fallen bekanntlich vom Himmel und müssen nicht gefertigt werden, so daß auch keine Arbeitsplätze dafür benötigt werden.
(…..)

EU-Kommissar rühmt sich, Klimaziele aufzuweichen.
[…] In einem Brief an VW-Chef Martin Winterkorn meldet Oettinger, 'Verbesserungen' der Klima-Normen im Sinne von VW erreicht zu haben. Zudem erklärt er, dass VW sich nicht wegen möglicher neuer verbindlicher Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxid nach 2020 sorgen müsse. Dank des Engagements könne 'die Diskussion über unsere CO2-Politik für Pkws nach 2020 ergebnisoffen geführt werden'.

Die Dreistigkeit, mit der CDU und FDP nur noch die Interessen derer bedienen, die vorher großzügig an die Parteikassen gespendet haben, hat ein neues Maximum erreicht. VW, BMW und Daimler haben sich bei den Parteien gut eingekauft.
(…..)
Von Daimler-Chrysler kommen regelmäßig dicke Schecks auf dem CDU-Konto an; im Jahr 2004 waren es beispielsweise 150.630,00 €, 2005 dann schon € 300.000.
2007 folgte ein € 150.000-Scheck aus Stuttgart in Merkels Kasse.

Während die drei BMW-Eigentümer Stefan und Johanna Quandt, sowie Susanne Klatten jedes Jahr jeweils sechsstellige Beträge an die CDU spenden, erhielt die Merkelpartei Volkswagen-Geld teilweise auf verschlungenen Wegen.


Direkt überwiesen von VW in die CDU-Parteikasse wurden im Jahr 2002, 2003, 2004, 2005, und 2006 je nur € 10.400

Hinzu kamen aber noch nette Spenden von den VW-Eigentümern, der Familie Porsche.
Sie spendete 2002 und 2003 je € 30.000 an die CDU, im Jahr 2004 schickte man € 78.500. Als Merkel an die Regierung kam, engagierte sich Porsche/VW schlagartig noch großzügiger. 2005 flossen 265.000 Euro von Porsche an die CDU. 2007 noch mal € 100.000.

Wer mehr CDU-„Spender“ sehen möchte, möge im „taz-Parteispenden-Watch“ nachsehen.

(Bitte beachten: Altana, Klatten, Quandt, BMW sind alles eine Familie, die praktischerweise auf ihre rund 600 Millionen leistungsloses Einkommen pro Jahr dank der von ihr unterstützten Parteien nur maximal 25% Steuern zahlen  - und nicht etwa 46% wie Arbeitnehmer!)

Das finanzielle Engagement der Autobauer lohnt sich aber auch ganz direkt.
CDU und FDP bestätigen die Absatzgarantien „Dienstwagenprivileg“ und „Entfernungspauschale“.
Und sie halten lästige Umweltschutzregelungen von den deutschen Autoschraubern und den vielen Zulieferern fern. (…..)

Fast vergessen ist die Nacht- und Nebelaktion, mit der Schwarzgelb das Bundesmeldegesetz zu Gunsten der Industrielobby änderte.
Erstaunlich, daß es die Piratenpartei trotz solcher Wahnsinnsskandale auf so viel Unfähigkeit brachte, dennoch unterzugehen, statt sich zu profilieren.

 In 57 Sekunden hatte der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen mal eben so auf Wunsch von ein paar Lobbyhörigen CSU- und FDP-Parlamentariern verfügt, daß Ortsämter zukünftig private Daten der Bürger verkaufen dürfen.    (….)

Von einem Datenschutzskandal ist jetzt die Rede, von einer "Nacht- und Nebel-Aktion" des Bundestages. Die Abgeordneten müssen Hohn und Spott über sich ergehen lassen.
 Für Außenstehende muss es tatsächlich merkwürdig wirken: Innerhalb von 57 Sekunden wird das Gesetz vermeintlich durchs Parlament gejagt. Die Reden dazu werden lediglich zu Protokoll gegeben. Die Redner sind während der Sitzung gar nicht anwesend - ihre Texte lediglich im schriftlichen Protokoll nachzulesen.

Es ist eine Sache sich mit Bundestagsparteien zu beschäftigen, die andere Meinungen vertreten, als die, die ich klug finde.

Aber diese sagenhafte UN-Professionalität, mit der insbesondere Merkels Laienschar durch das politische Theater stolpert, bereitet mir ernsthaft Kopfschmerzen.

Die derzeitige Form des Parlamentarismus in Deutschland scheint ungefähr so gut zu funktionieren wie der Verfassungsschutz. Wenn sich struktureller Informationsmangel und Arbeitsüberlastung sehr lieb haben, dann bekommen sie ein Kind namens Unprofessionalität.
Wir werden unprofessionell regiert in Zeiten, in denen handwerkliche Professionalität der absolute Mindeststandard sein müsste. […]
Nach Informationen von Abgeordnetenwatch soll Hans-Peter Uhl (CSU) die seltsamen Änderungen am Meldegesetz vorangetrieben haben. Uhl fordert hauptberuflich bei jeder Gelegenheit und auch zwischen den Gelegenheiten die Vorratsdatenspeicherung. Offenbar wird Uhl von einer großen Liebe zur Datenspeicherung um jeden Preis getrieben, vielleicht sollte er Archivierungskurse geben beim Verfassungsschutz.
[…] Die eingangs erwähnte, erschütternde Unprofessionalität der Regierung ist auch überdeutlich geworden, während sich das regierte Volk so einig ist wie niemals zuvor. Bei einer nicht repräsentativen Online-Umfrage von tagesschau.de haben sich von über 65.000 Teilnehmern unfassbare 99,1 Prozent gegen das Gesetz ausgesprochen.

Auch wenn ich es für falsch halte; es ist kein Wunder, daß mehr und mehr Desillusionierte ihre Parteibücher zurückgeben.

Nun sind die Schwarzgelben ungefähr so internetaffin wie ein Nilpferd fliegen kann.
Die (ehemaligen) auf EU- und nationaler Ebene zuständigen IT-Minister Alexander Dobrindt und Günther Oettinger mit Cambridge Analytics in einem Satz zu nennen wäre vermessen. Oettinger kannte nach Jahren als „EU-Kommissar für Digitalwirtschaft“ noch nicht mal den Unterschied zwischen Festplatte und Cloud.

Aber immerhin waren CDU und FDP in der Lage Menschen einzustellen, die wissen wie man Daten kauft und was man damit anfangen kann.

Am Wochenende wurde bekannt…..

[….] CDU und FDP hätten im Bundestagswahlkampf 2017 jeweils einen fünfstelligen Betrag für straßengenaue Analysen der Post Direkt gezahlt. Die CDU habe darauf ihren Haustürwahlkampf aufgebaut, die FDP habe auf dieser Basis Wahlwerbung an bestimmte Zielgruppen verschickt. SPD, Grüne, Linke und AfD hätten nach eigener Aussage nicht mit der Post zusammengearbeitet. CDU und FDP versicherten, nur anonymisierte Daten genutzt zu haben. Die CDU-Zentrale in Berlin teilte mit, die Post Direkt habe eine statistische "CDU-Wahlwahrscheinlichkeit" für Straßenabschnitte geliefert. [….]

Massenhaft Daten der Bürger zu politischen und ökonomischen Zwecken zu verkaufen, ohne daß die Betroffenen es verhindern können, hatte Schwarzgelb 2012 möglich gemacht.

[….] Die CDU hatte im Wahlkampf eine Massenpostsendung in Auftrag gegeben. Nach Angaben der Post werden solche Aufträge über einen zwischengeschalteten "Letter-Shop" abgewickelt. [….]  Zusätzlich hat die CDU für ihren Haustürwahlkampf Wahrscheinlichkeiten ermitteln lassen, in bestimmten Straßenzügen auf Sympathisanten zu treffen - damit ihre Wahlkampfhelfer vor allem dort klingeln, wo es sich potenziell für die Partei lohnt.
[….] Kritik kam von der netzpolitischen Sprecherin der Linken im Bundestag, Anke Domscheit-Berg. "Eine Weitergabe dieser privaten Daten muss ohne ausdrückliche Zustimmung verboten sein", sagte sie der Bild am Sonntag. [….] Hintergrund der Debatte ist der Fall Cambridge Analytica. Die britische Firma hat mutmaßlich illegal Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern abgeschöpft, die dann im Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump genutzt wurden. [….]

Unnötig zu erwähnen, daß auch in dieser Angelegenheit Andrea Nahles ein Totalausfall ist, die tumb schweigt und auch diese Gelegenheit wie alle anderen verstreichen lässt, um die SPD gegen die CDU abzugrenzen und die Kanzlerin zu kritisieren.

Auch der angeblich so netzaffine SPD-General Klingbeil verschläft den Skandal, ist offensichtlich in irgendein tiefes Loch versunken, so daß in den Medien keine SPD-Stimme zum CDU-Adressenkauf zu vernehmen ist.
Auch als Parteimitglied bekomme ich dazu keine Stellungnahme des im tiefen Winterschlaf befindlichen Willy-Brandt-Hauses.