Montag, 17. Juli 2017

Deutschland, armes Diskussionsland.



Das kann doch wirklich nicht wahr sein.
CDU-Rechtsaußen Wolfgang Bosbach, eitelster TV-Politiker und notorischer Lügner, beherrscht weiterhin die Schlagzeilen damit, daß er in einem absolut kalkulierten Eklat zeternd aus einer Talkshow über den G20-Gipfel lief.

Immer noch erscheinen in gedruckten Zeitungen Leserbriefe, die in Frage stellen, ob man ihrem geliebten Bosbach überhaupt widersprechen dürfe.


Man könnte sich mit den politischen und diplomatischen Ergebnissen des Gipfels befassen, diskutieren wie weit sich Aufwand und Resultat noch in Einklang bringen lassen. Man sollte sich über Lehren für die künftigen Gipfel verständigen, analysieren wie Polizei und Politik in Zukunft besser auf solche Großveranstaltungen vorbereitet werden können. Es ist weiterhin unbedingt erforderlich mit Soziologen, Jugendarbeitern und Psychologen zu klären, wie es zu dieser offenbar enormen Wut auf die Institutionen kommt.
Sollte man nicht abgesehen von den allseits hochgejubelten „harten Strafen“ a posteriori durch Bildung und Sozialarbeit dafür sorgen, daß tausende junge Erwachsene gar nicht erst den Drang entwickeln auf den Straßen zu randalieren?

All das tut man aber kaum, sondern schiebt sich parteipolitisch den Schwarzen Peter zu und bietet dem ewigen Bosbach jeden Tag wieder ein Forum.

Dabei war es doch offensichtlich, daß der Talkshowkönig seinen TV-Marktwert erhöhen wollte.

[…..]  Dass aus­ge­rech­net Wolf­gang Bos­bach frei­wil­lig eine Talk­show ver­las­sen wür­de, da­mit hat­te nun wirk­lich nie­mand ge­rech­net. Der Talk­kö­nig der Uni­on gilt be­stimmt nicht als je­mand, der ohne Not auf zu­sätz­li­che Zeit auf dem Bild­schirm ver­zich­tet. Es muss also tie­fe­re Grün­de ha­ben, dass Bos­bach am ver­gan­ge­nen Mitt­woch de­mons­tra­tiv aus San­dra Maisch­ber­gers Run­de stürm­te. […..] Im ver­gan­ge­nen Jahr hat­te Bos­bach sei­nen Ti­tel als häu­figs­ter Talk­show­gast des Jah­res an Sah­ra Wa­genk­necht ver­lo­ren. Zu­dem ent­schied er sich, nicht noch ein­mal für den Bun­des­tag zu kan­di­die­ren. […..] Es stand also schlimm. Bos­bach wuss­te, wie hart der Ent­zug von der Po­li­tik für ihn wer­den wür­de. Nur ver­ständ­lich, dass er sich auch Sor­gen um sei­ne Zu­kunft als Talk­gast mach­te. Ihm muss klar ge­we­sen sein, dass ein ein­fa­cher Auf­tritt, bei dem er sei­ne kan­ti­gen, aber er­wart­ba­ren The­sen ver­tritt, nicht mehr aus­rei­chen wür­de, um im Auf­merk­sam­keits­busi­ness wirk­lich zu punk­ten. Da muss­te er schon noch ei­nen drauf­le­gen. Er hat es ge­schafft. […..]
(DER SPIEGEL, 29/17, Christiane Hoffmann)

Bosbachs Ausflippereien sind so durchsichtig, daß ihn auch Polizisten, die er doch vordergründig lobpreist und gegen die böse, böse Jutta Ditfurth verteidigt, sich erstaunt abwenden.
Der Berliner Polizist Oliver von Dobrowolski, der als Beamter des Anti-Konflikt-Teams (AKT) beim Hamburger G20-Einsatz dabei war, schreibt:

[…..] Welche öffentlichen Aussagen waren an Schrägheit kaum zu überbieten?
Da gab es einiges zu vermelden:
Ein Gewerkschafts-Zombie entsteigt den Sümpfen und wagt sich erneut ins Rampenlicht. Ob Print, Online oder TV, plötzlich gerierte sich wieder ein Rainer Wendt von der DPolG als "Experte" und tat u.a. kund, wie sehr er mangelnde Fehlerkultur bei den (seines Erachtens) Verantwortlichen vermisst und forderte Rücktritte.
Angesichts der bigotten Vita dieses Herrn wirkt das alles wie knallharte Satire. Ist sie aber nicht, sagt mein Hirn und will daraufhin angesichts dieses paradoxen Bullshits implodieren.
Ganz oben auf der Liste verorte ich auch Wolfgang Bosbach, langjähriger Ausschussvorsitzender Inneres im Bundestag. Dass er sich unmittelbar nach den Krawallen in Hamburg auf n-tv derart in Rage redet, nur weil er von der Interviewerin nach einer möglichen falschen Polizeitaktik gefragt wird, spricht nicht eben für eine realitätsbezogene Wahrnehmung der Dinge. Vielmehr mag man hier dem eigenen Lager entsprechen und um Himmels willen nur nicht am Gewaltmonopolisten Polizei Zweifel anbringen. Aber hieße das dann statt „Auch Mensch“ nicht eher „unfehlbarer Polizeiroboter“?
Viele andere Politiker standen dem aber nicht viel nach. Wer Vergleiche der kriminellen Krawallmacher mit Terroristen anstellt, kann nicht bei Sinnen sein und verhöhnt gleichzeitig die Opfer und Hinterbliebenen tatsächlicher terroristischer Gewalt.  [….]

Völlig klar, daß Bosbach selbst weiter auf seiner Erfolgswelle surft und medial alles aus seinem Ditfurth-Eklat rausholen will. Kein Tag, an dem er nicht mehrfach nachlegt – natürlich immer eifrig von der Presse verbreitet.

„Maischberger”-Eklat Bosbach legt nach: „Ich hätte noch früher gehen sollen”

Kein anderer Teilnehmer der betroffenen Maischberger-Sendung wird dazu befragt, dabei waren bis auf Herrn Lenders alle Diskutanten weitaus seriöser und konstruktiver als Bosbach. Insbesondere Jan van Aken und Katharina Barley sind zu lobende Politiker.
Aber Differenziertheit und Kritik wird in der Medienwelt nicht belohnt.

Bosbach, der ganz offensichtlich nicht die allergeringste Ahnung von den Hamburger Gegebenheiten hat, die „Schanze“ nicht kennt und auch bei den G20-Demos nicht dabei war, verbreitet sich aber munter weiter.
Immer mit einer aggressiven konservativen Grundhaltung.

[…..] Die Rote Flora in Hamburg gehört einer Stiftung der Stadt. Hier existiert kein Mietvertrag und es wird keine Miete gezahlt. Die Rote Flora ist formal ein Kulturzentrum, tatsächlich auch Organisationszentrum und Rückzugsraum für radikale Linke. Wenn Hamburg ernsthaft den Willen hätte, den Linksautonomen die Rote Flora zu entziehen, wäre das möglich. Aber ich rechne nicht damit, weil die Stadt Angst vor den Reaktionen der Nutzer hat. [….]

Wer kann es da Jutta Ditfurth verdenken, daß sie stichelt und ebenfalls verbal ein wenig überzieht. Immerhin wird sie so – im Gegensatz zu van Aken und Barley – überhaupt noch wahrgenommen von den Bosbach-affinen Medien.
Selbstredend wird dabei die gebotene Neutralität der Presse ignoriert und klar gestellt, auf wessen Seite man steht.
Dithfurth ätze, verhöhne und trete nach.

[…..] Der verbale Schlagabtausch zwischen Wolfgang Bosbach und Jutta Ditfurth geht in die nächste Runde. Drei Tage nach dem Eklat in der Talk-Sendung von Sandra Maischberger tritt die Linksaktivistin gegen den CDU-Politiker nach.
Bei Twitter wird Bosbach von Ditfurth verhöhnt. "Mimose macht Mimimi bei Medien, seit Tagen", ätzt die frühere Grünen-Politikerin. "Armer Mann, kein Leben." […]

Nein, das Wort „Lügenpresse“ ist hier nicht angebracht, weil tatsächlich nicht gelogen wird bei der Berichterstattung.
Man verliert sich aber auf Nebenschauplätzen, stellt die „Ökosozialistin“ Ditfurth grundsätzlich als unverschämt und unseriös dar, während Bosbach, der ein vielfach überführter öffentlicher Lügner ist, mit deutlich spürbarer Sympathie der Autoren befragt wird.

Springer-Frau Franzisca Barth lässt Bosbach nicht nur den Rote-Flora-Unsinn verbreiten, sondern bemenschelt ihn derart liebesdienerisch wie es Ditfurth niemals widerfahren würde.

[….] Barth, BZ:
Sie hören diesen Herbst nach 23 Jahren mit der Politik auf. Was kommt danach?

Biosbach:
Ich werde weiter anwaltlich tätig sein. Außerdem hat Armin Laschet mich gebeten, eine Expertenkommission für innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen zu leiten. Und ich freue mich auch auf mehr Freizeit und Freiheit. Wir fahren diesen Sommer mit der „MS Europa“ über die Ostsee nach St. Petersburg. Anfang nächsten Jahres geht es in den Oman und im nächsten Sommer nach Griechenland. Zum ersten Mal in meinem Leben.

Bartz, BZ:
Und der Krebs, haben Sie den überwunden?

Bosbach:
Im Westen nichts Neues. Ich mache seit Jahren eine Hormonentzugstherapie. Das ist zwar kein Vergnügen, aber es gibt Schlimmeres. Ich habe keine Schmerzen oder Beschwerden, die mich daran hindern, das Leben zu genießen. [….]

Und wieder werden Bosbachs Beliebtheit und Marktwert steigen.

Inhaltlich und politisch kommen wir hingegen nicht voran.
Keine Konstruktivität, nirgends.

Sonntag, 16. Juli 2017

Christen-Hobby.

Peter Wensierski ist einer der Guten, einer der Wenigen.
Wensierski schreibt im SPIEGEL mit der nötigen Distanz und angebrachter Neutralität über kirchliche Themen.
Üblicherweise sind bei den großen Periodika die Frommen für Frommes zuständig.

Das ist einer der von mir immer wieder beklagten Presse-Missstände.
Alle Kirchenthemen werden von frommen Gläubigen behandelt.
Dafür hat Springer Badde und Englisch, der Tagesspiegel die unvermeidliche Claudia Keller, die Zeit Frau Finger und die SZ eben Matthias Drobinski.
(……) Man stelle sich vor über die CDU würden nur noch CDU-Mitglieder schreiben. Oder nur noch Soldaten über die Bundeswehr. 

Geht es um die Grundfrage des Christentums in Deutschland – was geht da eigentlich so sagenhaft schief, daß jedes Jahr Hunderttausende aus der Religionsgemeinschaft flüchten, während aus anderen Kontinenten ein reger Zulauf herrscht – wird es bei den großen Zeitungen ganz gediegen.

Wensierski zeigt mit dem aktuellen Artikel im PRINT-SPIEGEL allerdings auch auf wieso es wöchentliche Nachrichtenmagazine schwer haben im Jahr 2017.
Seine lobenswerte Recherche über die Allianz von Homophoben, Pegidioten, AfD, Katholischer Kirche und Evangelikalen hätte mich vor 20 Jahren vom Hocker gehauen; ich wäre begeistert von der Enthüllung gewesen.
Aber im Internet-Zeitalter dient so eine Story eher der Multiplikation. Wer sehr an diesen Themen interessiert ist, wie ich zum Beispiel, kennt die Fakten nämlich längst.
Die genannten Namen, wie zum Beispiel Hedwig Beverfoerde, tauchen unter anderem auch in diesem Blog immer wieder auf.

Den evangelikalen Schwulenhasser Hartmut Steeb habe ich ebenfalls schon einige Jahre auf dem Schirm.

Wie man auch an David Berger, dem Niederträchtigsten der rechtsradikalen Klero-Szene sieht, knüpfen Nationalisten, Reichsbürger, Identitäre, Dunkelkatholiken, verhärmte Klemmschwestern, Evangelikale, Gender-Fanatiker, rechte CDUler, AfDler und Pegidioten eifrig Bande, um den verhassten „linksgrün versifften Staat“ zu bekämpfen.
Typen wie Kuby und Berger betreiben jede Menge Blogs und Foren, in denen sie sich mit anderen stramm Rechten vernetzen.

Das ist so widerlich, wie bekannt.

Interessant ist aber der Blick auf das Privatleben der Gay-Gegner. Was tun die eigentlich in ihrer Freizeit, wenn sie so ziemlich alles als unchristlich und undeutsch ablehnen, das Fernsehen, Musik, Kunst oder Sport bieten?
Mutmaßlich verfügen diese Leute, bedingt durch ihre unsympathischen Charakterzüge nicht über große Freundeskreise.
Was tut man da den ganzen Tag, wenn man nicht gerade Schwule, Schwarze und Linke beschimpft?

Nun, ein Hobby haben sie immerhin: Poppen!

[…..] Zum Be­ten kniet sich Joa­chim Kuhs auf die Kir­chen­bank, vor ihm liegt ein klei­ner ro­ter Tep­pich, da­mit die Ge­len­ke nicht schmer­zen.
Kuhs ist ein Mann, der gern lacht. Man sieht es an den Fal­ten um sei­ne Au­gen. Und er trägt gern An­zug, Hemd, Kra­wat­te. „Mei­ner lie­ben Frau und mir“, so stellt er sich gern vor, „wur­den zehn Kin­der an­ver­traut.“ Lie­be au­ßer­halb der christ­li­chen Ehe ist für ihn Sün­de, Ab­trei­bung gleich­be­deu­tend mit der Tö­tung ei­nes Men­schen.
Am Nach­mit­tag ver­sam­melt sich die Fa­mi­lie im Gar­ten, es gibt Bra­ten mit Kar­tof­fel­sa­lat, vier ver­schie­de­ne Ku­chen. Acht der zehn Kin­der sind schon er­wach­sen, fünf sind AfD-Mit­glie­der. Sie wa­ren scho­ckiert von ei­ner Bil­dungs­po­li­tik, die auch über un­ter­schied­li­che se­xu­el­le Ori­en­tie­run­gen auf­klä­ren soll­te, hal­ten nichts von ei­ner Fa­mi­li­en­po­li­tik, die das Mo­dell Mann-Frau-Kind nicht mehr zum al­lei­ni­gen Ide­al er­hebt. […..]
(Valerie Höhne, Peter Wensierski, DER SPIEGEL 29/2017 s.49)

Zehn Kinder sind das Maß der Dinge für die Frömmler.

Für die WELT, den Rheinischen Merkur und die Junge Freiheit arbeitet der ultrarechte Katholik Jürgen Liminski, 57, der es ebenfalls auf zehn Kinder bringt.

[….] Liminski ist verheiratet, hat gemeinsam mit seiner Ehefrau Martine Liminski zehn Kinder und lebt in Sankt Augustin. Eines seiner Kinder ist Nathanael Liminski, der Mitbegründer des Netzwerks „Generation Benedikt“ seit August 2013 umbenannt in „Initiative Pontifex“. Jürgen Liminski ist Mitglied der katholischen Laienorganisation Opus Dei und Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der Paneuropa-Union. […..]
(Wikipedia)

Leider überträgt sich das fundamentalistisch eingeengte Hass-Weltbild oft auf die Brut. So ist Gabriele Kubys Tochter Sophia ebenfalls ultra-katholische Aktivistin; beispielsweise als Sprecherin der „Generation Benedikt“ und Chefin der radikalen Abtreibungsgegner European Dignity Watch. Die Kuhs-Kinder streiten für die AfD und auch die jungen Liminskis treten in Papas Fußabdrücke.

(….) Hat man [Hendryk Broder] allerdings zufällig auf seiner Seite, sind seine Formulierungen ein absoluter Genuß.
Wenn er in seiner ruhigen Art in einer Talkshow sitzt und anwesenden Bischöfe zur Weißglut bringt, gefällt mir das natürlich.

Unvergessen, als er im Februar 2009 in Illners Schwatzrunde die „affirmative Schleimerei“ des Papst-Bewunderers Nathanael Liminski (23) von der "Generation Benedikt" beklagte.

Der anwesende Bischof (ich glaube es war Jaschke) warf ihm vor den „interreligiösen Dialog“ zu sabotieren, worauf Broder entgegnete er müsse sich diesbezüglich keine Vorhaltungen machen lassen, er führe den „interreligiösen Dialog“ jeden Tag, da er mit einer Katholikin verheiratet sei - das solle der Bischof ihm erst einmal nachmachen. (…..)
Da will ein Evangelikaler wie Hartmut Steeb natürlich nicht als Schlappschwanz dastehen und begattet seine in der Gemeinde schweigende Frau ebenso fleißig.
Auch er kommt auf zehn Kinder.

[…..] Ein an­de­rer Mit­tels­mann zwi­schen re­li­giö­sen und po­li­ti­schen Rech­ten ist Hart­mut Steeb. Er ist der Ge­ne­ral­se­kre­tär der Deut­schen Evan­ge­li­schen Al­li­anz, ei­nes evan­ge­li­ka­len Netz­werks, dem nach ei­ge­nen An­ga­ben 1,3 Mil­lio­nen Mit­glie­der an­ge­hö­ren. […..]  Be­son­ders zu Frak­ti­ons­chef Vol­ker Kau­der habe er ei­nen „di­rek­ten Draht“. Auch mit CDU-Ge­sund­heits­mi­nis­ter Herr­mann Grö­he ver­ste­he er sich, der sei ein „gu­ter Christ“. Doch die kon­ser­va­ti­ve Par­tei ist mo­der­ner ge­wor­den. Für Steeb ist das ein Pro­blem. Sein Traum ist eine „Pro Life“-Be­we­gung in Deutsch­land, die wie in den USA Ab­trei­bun­gen er­schwe­ren will.

[…..] Steeb spricht gern über sei­ne Hei­mat­ge­mein­de in Stutt­gart, über sei­ne Kin­der, er hat zehn, ge­nau wie Kuhs. Er sagt, dass Frau­en nicht ab­trei­ben soll­ten. Selbst wenn die Schwan­ger­schaft die Fol­ge ei­ner Ver­ge­wal­ti­gung ist. [….]
(Valerie Höhne, Peter Wensierski, DER SPIEGEL 29/2017 s.49)

Samstag, 15. Juli 2017

Washingtoner Theorien.



Nach wie vor sind viele US-Ministerien so katastrophal unterbesetzt, daß normales Arbeiten gar nicht möglich ist.
Geradezu lahmgelegt ist ausgerechnet Tillersons Außenministerium. Ganze Etagen sind leer, so daß Topdiplomaten in aller Welt gar keinen Ansprechpartner mehr in Washington haben.

Nach einer Kündigungsflut im Januar 2017, konnte (oder wollte) bisher niemand das state departement wieder in einen arbeitsfähigen Zustand versetzen.
Nach einem halben Jahr Trump fragt man sich, ob die Stellen überhaupt wieder besetzt werden sollen. Trump interessiert sich nicht für Außenpolitik und Rex Tillerson ist ohnehin faktisch entmachtet.

[…..] Tillerson [leitet] jetzt das dezimierte US-Aussenministerium und muss mitansehen, wie ihm Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in die Diplomatie pfuscht.
Tillersons Etat ist brutal zusammengestrichen worden, das diplomatische Corps demoralisiert, wichtige Posten im Aussenamt bleiben unbesetzt, weil die Kandidaten vom Weissen Haus blockiert werden. Zusammen mit Verteidigungsminister Jim Mattis fällt dem Texaner überdies die undankbare Aufgabe zu, hinter Trump und Kushner aufputzen zu müssen – in Sydney wie in Brüssel, in Ottawa wie im Nahen Osten.
Vergangene Woche entlud sich Tillersons Frust im Beisein Kushners in einer Explosion: Bei einer Besprechung im Weissen Haus mit Trumps Personalchef Johnny DiStefano, Stabschef Reince Priebus sowie Tillersons Stabschefin Margaret Peterlin beschwerte sich der Aussenminister bitter über die Widerstände des Weissen Hauses gegen seine Personalentscheidungen und über gezielte Indiskretionen über ihn. Tillerson wurde dabei so laut, dass sich Kushner anschliessend bei Peterlin beschwerte und dem Aussenminister vorwarf, er verhalte sich «unprofessionell». […..]

Trump verachtet die traditionelle Diplomatie, missachtet andere Staaten. Es heißt jetzt bekanntlich „America first“; die dafür notwendige Außenpolitik wird im kleinsten Kreis des Weißen Hauses ausgeheckt. Die Ideologen Steve Bannon und Jared Kushner ziehen die Fäden.
Dabei kommt Kushner die entscheidende Rolle zu, weil er als Ehemann von Trumps Daughter-Wife Ivanka zum intimsten Kreis der Familie gehört.

Kushner, 36, verfügt weder über Erfahrung noch Qualifikation, ist aber nach Trump de facto der mächtigste Mann der USA.

(……)  Keiner kennt Kushners Beweggründe, seine Absichten. Der Mann gibt keine Auskünfte. Er ist aber zweifellos inzwischen der zweitmächtigste Mann der USA, obwohl ihn niemand gewählt hat und er keinerlei demokratischen Kontrolle unterliegt. Ordinäre Minister haben verglichen mit ihm nur ein winziges Einsatzfeld und nicht annähernd den Zugang zum Präsidenten wie er.

 […..] Jared Kushner's role in the Donald Trump White House has provoked heated criticism from Democrats and skepticism from an array of pundits. It has also given late-night comics, satirists and the Twitterati plenty of free material. And at one level their responses are understandable: Not only does Kushner's role reek of good old-fashioned nepotism, but it is frankly absurd to think a young real estate developer can possibly perform all the miracles his loving father-in-law has asked him to produce.
At last count, Kushner's assignments include solving the Israeli-Palestinian conflict, leading a "SWAT team" of private consultants that will reorganize and streamline the federal government, and serving as an informal presidential envoy to China, Iraq and anywhere else Trump decides to send him. He also seems to have acquired the job of keeping Steve Bannon in check (or maybe getting rid of him entirely). Kushner hasn't made his situation any easier by coming across like a spoiled rich kid who'd rather go skiing than govern.  […..]

Kushner bekam all diese Jobs, weil er mit Trumps Daughter-Wife Ivanka schläft, die ebenfalls im Weißen Haus arbeitet und vermutlich die einzige ist, die noch mehr Einfluss auf den Präsidenten hat als ihr Mann.
Das ist Nepotismus pur und hat mit demokratischer Kontrolle nichts mehr zu tun. [….]

Für so einen extrem wichtigen Job benötigt Jared Kushner die geradezu legendäre „White House security clearance“, also die höchste Geheimdienstliche Freigabe, die vom FBI erteilt werden kann.
Dafür mußten Ivanka und Jared das Formular SF86 Questionnaire for National Security Positions ausfüllen.

Mindestens drei Mal, so viel ist bereits sicher, log Kusher beim SF86.
In Washington wird daher gefordert ihm die höchste Geheimhaltungsstufe wieder zu entziehen.

[…..]  The House Appropriations Committee on Thursday rejected two amendments to a key spending bill intended to revoke the security clearance of President Trump’s son-in-law and senior adviser Jared Kushner.
One of the amendments to the Commerce, Justice and Science Appropriations Bill, introduced by Rep. Debbie Wasserman Schultz (D-Fla.), would bar funds from being used "to issue, renew, or maintain a security clearance for any individual in a position in the Executive Office of the President who is under a criminal investigation by a Federal law enforcement agency for aiding a foreign government." The amendment failed in a 22-30 vote.
The second amendment was aimed at revoking the security clearance of White House staffers who deliberately fail to disclose meetings with foreign nationals or governments on their questionnaire for national security positions. The committee also rejected the amendment 22-30.
[…..]  The president's son-in-law has also come under renewed scrutiny in recent days for attending a meeting last summer with Russian lawyer Natalia Veselnitskaya, after his brother-in-law and President Trump's eldest son Donald Trump Jr. was promised compromising information about Hillary Clinton. […..]  Kushner came under fire earlier this year after it was reported that he met with Russian Ambassador Sergey Kislyak and the CEO of a Russian state-run bank during the presidential transition. [….]

Es gibt nun eine interessante Theorie über Donald Trump Junior, der im Moment schwer unter Feuer steht, weil auch er über ein ganzes Jahr immer wieder zu seinen Russland-Kontakten log und nun womöglich als Landesverräter überführt wurde.

[…..]  Auf der Suche nach Schmutz über die Gegenseite hat das Wahlkampfteam von Donald Trump offenbar auch einen russischen Ex-Agenten getroffen. […..]  So erzählte es jetzt Rinat Akhmetshin der Nachrichtenagentur AP. Der gebürtige Russe arbeitet als Lobbyist in den USA, soll früher aber in den Diensten des sowjetischen Militärgeheimdienstes GRU gestanden haben. Gegenüber AP bestritt er dies. Was Akhmetshin aber bestätigte: Auch er nahm an dem vor einer Woche enthüllten Treffen im Trump-Tower teil, das kompromittierende Informationen über Hillary Clinton bringen sollte.
Damit wird immer deutlicher, dass das Trump-Lager auch zweifelhafte Kontakte in Richtung Russland gepflegt hat. […..]  
So erweckte der vermeintliche Ex-Spion Akhmetshin bereits im April die Aufmerksamkeit von Charles Grassley, dem republikanischen Vorsitzenden des Justizausschusses im US-Senat. In einem Brief an das Heimatschutzministerium erbat er Auskünfte zu Akhmetshin, der beschuldigt werde, "ein nicht-registrierter Vertreter russischer Interessen zu sein und offenbar Verbindungen zu russischen Geheimdiensten" habe.
So wie Anwältin Wesselnizkaja trat auch Akhmetshin den Angaben zufolge als Lobbyist gegen das sogenannte Magnitskij-Gesetz in Erscheinung. Mit diesem verhängte der US-Kongress 2012 Sanktionen gegen russische Beamte und Geschäftsleute, die in die Ermordung des Steueranwalts Sergej Magnitskij verwickelt sein sollen. Magnitskij starb in russischer Untersuchungshaft, nachdem er einen gigantischen Steuerbetrug aufgedeckt hatte. […..]  
[Trumps] Sohn Donald junior könnte es noch als Zeichen politischer Unerfahrenheit und falsch verstandener Vaterliebe ausgelegt werden, dass er sich mit Anwältin Wesselnizkaja traf und sein Interesse an belastendem Material dabei sogar schriftlich bekundete.
Doch bei dem Treffen waren auch Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner dabei, das bestätigte nun auch Lobbyist Akhmetshin. Nach Informationen des TV-Sender CNN gab es insgesamt sogar acht Teilnehmer. Kushner galt bislang als der kühle, strategische Kopf in Trumps engstem Zirkel. Müsste auch er sich aufgrund von Ermittlungen zurückziehen, so wäre das für Trump ein schwerer Schlag.  [….]

Wieso exponiert sich Don Trump so; zieht den gesamten Shitstorm auf sich, läßt sich mit dem Argument verteidigen, er sei halt etwas blöd und unerfahren?

Einer (Verschwörungs)-Theorie zu Folge wurde klein Donnie absichtlich als Sündenbock ausgewählt das feindliche Feuer auf sich zu ziehen, um seinen Schwager Jared, seine Schwester Ivanka und natürlich Papa Donald zu schützen. Auffällig oft betont der bedrängte Junior dieser Tage wie „close“ die Familie sei, wie sehr sie für einander einstünden.

Der Hintergrund ist, daß ein Abstrafen des Juniors viel besser zu verkraften wäre, weil Donald-Sohn nicht im Weißen Haus arbeitet und keine „security clearance“ besitzt.
Er ist eine Privatperson, die juristisch weniger gefährdet ist als Jared, der als einer der höchsten Regierungsmitglieder lügt und mit einer feindlichen Macht in Verbindung steht.
Es klappt auch ganz gut. Kushners Name taucht in der Berichterstattung über die Treffen mit Akhmetshin und Wesselnizkaja viel weniger auf, obwohl das politisch sehr viel heikler ist.

Die Nervosität der nepotistischen Oval-Office-Gruppe ist aber mit den Händen zu greifen. Trumps langjähriger Pitbull, RA Marc Kasowitz, der intensiv versucht Don Jr und Jared aus der Schusslinie zu bringen, rastete aus, als ihm ein ihm ein befreundeter PR-Berater empfahl sich von den Trumps loszusagen.

[….]  Unter dem Druck der Russland-Affäre hat der Anwalt von US-Präsident Donald Trump, Marc Kasowitz, einen Kritiker mit einem Schwall vulgärer Beschimpfungen und Drohungen überschüttet. Inzwischen hat er sich für seine Äußerungen entschuldigt.
[…..]  Der Druck auf Trump und damit auch seinen Anwalt war in den vergangenen Tagen durch die Enthüllungen über den ältesten Präsidentensohn nochmals gewachsen. [….]

Hier noch mal die englische Version.

 “I’m on you now.  You are fucking with me now Let’s see who you are Watch your back , bitch.”
 “Call me.  Don’t be afraid, you piece of shit.  Stand up.  If you don’t call, you’re just afraid.” “I already know where you live, I’m on you.  You might as well call me. You will see me. I promise.  Bro.” 









Man bedenke, es handelt sich hier um den persönlichen Anwalt des mächtigsten Mannes der Erde. Was für ein Vorbild für die Advokaten-Zunft.

Freitag, 14. Juli 2017

Ein normaler Tag für Amerikaner



Der notorisch lügende Präsident, der kein einziges seiner politischen Konzepte umsetzen kann, weil seine Aufmerksamkeitsspanne so kurz ist, daß man ihn noch nicht mal briefen kann, hockt seit einer Woche extrem wütend ununterbrochen vorm TV. Binge-watching, um seiner Eitelkeit zu frönen.

Noch nicht einmal die heiß ersehnte Abschaffung der kommunistischen Obama-Krankenversicherung für alle, sogar für Arme, klappt.

Die Grenzmauer, die bisher ebenfalls weder geplant, noch finanziert ist, hat durchsichtig zu sein, fordert der schlaue Trump mit gewichtigen (30kg!) Argumenten.

[….] Grenzbeamte müssten auf die andere Seite blicken können, sagte Trump nach einer vom Weißen Haus veröffentlichten Zusammenfassung des Gesprächs. Die Beamten müssten sehen können, wenn mexikanische Kriminelle 30 Kilogramm schwere Säcke mit Drogen über die Mauer werfen, sagte der US-Präsident. "So verrückt das klingt", fügte er hinzu. "Wenn dich die Dinger am Kopf treffen? Dann ist es vorbei." […..]

Im Weißen Haus werden die Fliehkräfte so stark, daß sich inzwischen fast alle Top-Aides Anwälte genommen haben, um sich dagegen zu wehren im Trump-Strudel unterzugehen.

Trump, der Reisen außerhalb Amerikas hasst und erst vor fünf Tagen aus Hamburg zurückkam, setzte sich erneut in den dicken Flieger, um in Paris an der großen Militärparade teilzunehmen.
GEIL. WAFFEN.

„Macron fährt während der Militärparade zum Nationalfeiertag viele Geschütze auf. Staatsgast Trump ist begeistert und findet nur warme Worte für seinen französischen Kollegen.“
(SZ, 14.07.17)

Das einzige, das Trump ein wenig die Laune verhagelte, ist dieses peinliche Turm-Imitat – mit Türmen kennt sich der Bewohner des Trump-Towers schließlich aus.

[…..]  Eklat bei Donald Trumps Frankreich-Reise: Der US-Präsident zeigte sich bei seinem Besuch in der französischen Hauptstadt entsetzt darüber, dass die Franzosen offenbar den Turm des berühmten amerikanischen "Paris Las Vegas" Hotels in Nevada schamlos kopiert haben. Er wehre sich dagegen, dass sich andere Nationen einfach so US-amerikanisches Kulturgut aneignen, erklärte Trump.
Zuvor war der Präsident bereits stutzig geworden, als er erfuhr, dass die französische Hauptstadt ebenfalls "Paris" heißt – wie das berühmte Hotel in Las Vegas. "Aber das hätte ja noch ein Zufall sein können", so Trump. "Ist ja ein Allerweltsname. Immerhin heißt auch Paris Hilton Paris."
Doch als er dann den Turm mit seiner markanten Form sah, war das dreiste Plagiat unverkennbar:
"Ich erkenne eine billige Kopie, wenn ich sie sehe", soll sich der US-Präsident gegenüber Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron empört haben. "Das ist fast 1:1 eine Kopie des Turms vor dem 'Paris Las Vegas'. Mit Casinos und Hotels kenne ich mich aus." [….]

Aber nachdem Trump standesgemäß erst mal die französische First Lady beleidigt hatte, kühlte sein Zorn wieder ab.
Worüber soll man auch sonst reden, wenn sich zwei Präsidenten der wichtigen UN-Vetomächte treffen, als die Figuren ihrer Frauen?

[…..] Im konkreten Fall hatten die beiden Paare immerhin gerade den Invalidendom besichtigt. Klassizistischer Barockbau, Übergang vom 17. ins 18. Jahrhundert. Das böte doch Stoff: Napoleons Mausoleum, eine recht beeindruckende Kuppel, Deckenmalereien, fette Engel. Und in dieser Szenerie: eines der spannendsten Paare der europäischen Politik - und, wenn unbedingt nötig, auch des europäischen Boulevards. Es lässt sich bestimmt viel sagen über ein solches Treffen und die Menschen, die dabei waren.
Was für Donald Trump von so einer Begegnung bleibt, was er zu sagen hat: Urteile über das Aussehen der Frau. "You know, you're in such good shape." Und an den Mann von Brigitte Macron gerichtet: "She's in such good physical shape" ("Sie ist in toller körperlicher Verfassung."). Dazu ein eher allgemeines "beautiful". Preispferde werden so gelobt, als Kompliment von einem Besitzer zum anderen. Rassehunde auch und vielleicht noch Tour-de-France-Fahrer, die sich gerade einen Berg hochgeschunden haben. Ehefrauen eher nicht mehr. Dem Ideal nach.
In der Realität besuchen zwei Paare immer noch ein 300 Jahre altes Gebäude und ein sehr mächtiger Mann fällt ungefragt ein Urteil über die Optik einer weniger mächtigen Frau - obwohl es doch so unendlich viele Alternativthemen gegeben hätte. Die absolute Reduktion auf Äußerlichkeiten. Und im Nachfassen männliches Besitzdenken. […..]

Es sind halt nur die miesen „libtards“ und „leftists“, die sich zu Hause drüber aufregen.
Für echte Amerikaner ist Trump ein Held, der zusammen mit hochseriösen Journalisten wie Alex Jones endlich mal den linken Medien ordentlich auf’s Maul gibt.


Was scheren schon Regierungschaos und völlig politische Unfähigkeit der amerikanischen Regierung, wenn doch die steinreichen Lobbyisten – allein sechs Goldman-Sachs-Topbanker sitzen in Trumps Kabinett – erfolgreich dafür sorgen, daß die Umwelt zerstört und auf den Armen rumgetrampelt wird – zu Gunsten der Gewinne der Superreichen?

[….] US-Großbanken verdienen Milliarden!
Amerikas Großbanken schwächeln an der Börse - und machen dennoch Milliardengewinne. Allein JP Morgan Chase erwirtschaftete einen Gewinn von sieben Milliarden Dollar.  [….]

Ist doch ganz egal, wenn das gesamte Trump-Team aus hochkorrupten Lügnern besteht.

Ethik und Moral sind längt völlig fehl am Platze.

Da kann sich die letzte anständige Republikanerin, Ana Navarro, noch so sehr echauffieren.