Dienstag, 20. Dezember 2016

Im Spin-Room



Gut möglich, daß ich die Vergangenheit idealisiere.
Aber gab es nicht mal Zeiten, in denen bei Katastrophen aller Art zunächst neutral berichtet, anschließend von Experten analysiert und schließlich von Klugen kommentiert wurde?

Inzwischen sind aber die Reaktionen auf die Nachricht die eigentliche Nachricht.
In TV-Nachrichtenstrecken unterläßt man es eigene journalistische Kompetenz zu zeigen und blendet stattdessen Tweets relevanter und noch mehr irrelevanter Personen ein.

Beispielsweise auf sueddeutsche.de gibt es zwar noch einen Artikel „Was wir über die Tat wissen und was nicht“, aber ich muß das eigentlich gar nicht mehr anklicken. Mir reicht das, was ich in den Überschriften aufgeschnappt hatte: Berlin, Weihnachtsmarkt, LKW in Menge, 12 Tote.

Mehr Fakten braucht niemand. Während die Einsatzkräfte noch zwischen den Leichen und Verletzen knien, fährt die „wie schlage ich daraus Kapital?“-Maschine blitzschnell auf 100% Leistung.

Ja, natürlich haben die paar Extrarationalen vollkommen Recht, die 12 Tote durch einen mutmaßlichen Anschlag in Relation zu anderen, größeren Todeszahlen setzen. So viele Menschen sterben jeden Tag im deutschen Straßenverkehr; es sterben sogar weit mehr Menschen in Deutschland täglich durch Ärztepfusch und noch mehr durch Hygienemängel in Krankenhäusern, weil die Politik vor der Lobby eingeknickt ist. Bekanntlich kann man MRSA-Infektionen, also das myriadenfache Sterben durch multiresistente Krankenhauskeime auch verhindern – das zeigt Holland. Aber das würde Geld kosten, mehr Personal erfordern und somit die Milliardengewinne von Typen wie Bernd große Broermann schmälern.
Die Oma von nebenan, die nach einer Knie-OP an Wundinfektionen stirbt, weil im Asklepios-Krankenhaus siffiges OP-Besteck benutzt wurde, ist aber politisch schlecht auszunutzen.

Terrortote in Berlin (Hauptstadt! Merkel!) zur Weihnachtszeit (Christlich! Friedlich!) in Zusammenhang mit einem Flüchtling (Muslim! Asylantenflut!) sind wesentlich wertvollere Leichen. Damit kann man etwas anfangen.

Lange Partynacht: Anwohner von AfD-Parteizentrale beschweren sich über Ruhestörung
Berlin (dpo) - Was war da denn los? Die Berliner Polizei hat in der Nacht von Montag auf Dienstag um kurz nach 22 Uhr mehrere Anrufe wütender Anwohner erhalten, die sich über lauten Partylärm aus der AfD-Parteizentrale in der Schillstraße beschwerten. Die Polizei musste mehrfach anrücken und löste die Feierlichkeiten schließlich in den frühen Morgenstunden auf.
"Ich wollte mich gerade schlafen legen, da höre ich plötzlich diesen Krach, als wenn einer mit einem Maschinengewehr rumballert", erzählt uns ein Anwohner. "Nach einer kurzen Schrecksekunde wurde mir bewusst: Das sind Sektkorken! Dann wurde Musik laut aufgedreht und herumgegrölt. Ich habe dann die Polizei alarmiert."
Im Laufe des Abends erhielt die Polizei weitere Anrufe von Anwohnern, die sich über Jubelgeschrei, lautstarkes Gelächter und ohrenbetäubende Musik aus der AfD-Parteizentrale beschwerten. Die Beamten müssen mehrfach ausrücken und die Feierwütigen dazu ermahnen, die Musik leiser zu stellen – vergeblich. [….]

Die üblichen Verdächtigen recken ihre kotbraunen Twitterfingerchen und legen los.


Längst sind es nicht mehr nur oppositionelle Fascho-Populisten, die genüsslich ihre demagogischen Werbesprüche in die Welt ballern.

Der zukünftige US-Präsident handelt genauso, ist für diese Methoden sogar gewählt worden.

Zehn Etagen unter dem menschlichen Mindestanstand agitieren aber auch Politiker der in Bayern mit absoluter Mehrheit gewählten CSU.


Deutsche Profipolitiker anderer Parteien versagen aber auch bei ihren öffentlichen Reaktionen. Bis auf wenige.

Ulrich Schulte: Auf eine solche Tat haben die Rechtsextremen gewartet?

Konstantin von Notz: Diejenigen, die unsere liberale und offene Gesellschaft spalten und den Rechtsstaat beschädigen wollen, werden versuchen, den Anschlag zu instrumentalisieren. Sie versuchen es jetzt schon. Islamisten und Rechtsextreme kochen dabei übrigens dieselbe Suppe. Sie versuchen, aus Angst Profit zu schlagen.

Ulrich Schulte: Der nordrhein-westfälische AfD-Landeschef Marcus Pretzell twitterte kurz nach dem Attentat, dies seien „Merkels Tote“. Sollte man solche Provokationen ignorieren – oder verurteilen?

Konstantin von Notz: Politische Widerlichkeit ist wählbar und heißt AfD. Pretzell macht nicht mal den Versuch, seine abgründigen Interessen zu kaschieren. Das spricht für sich selbst. Demokratische Parteien dürfen sich die Debatten nicht von der AfD aufzwingen lassen, aber eben auch nicht schweigen, wenn sich Rechtsextreme im Leid der Opfer und der Angst der Menschen suhlen.

Lügenminister de Maizière, der schon seit anderthalb Jahren Flüchtlingen genauso pauschal wie faktenwidrig alles Negative unterstellt, verkündete zunächst einmal, er bete für die Opfer.


Das ist an Schwachsinnigkeit kaum zu unterbieten. Schließlich ist Religion mit ihrer rechthaberischen und jenseitsgläubigen „wir sind besser als die“-Haltung die Ursache der Gewalt.
Der deutsche Innenminister will nun also das Übel mit mehr Übel bekämpfen.
Mit Beterei, also der Ausrede von Menschen, die nicht tatsächlich helfen wollen.






Einen Tag später schrieb de Maizière doch tatsächlich "Herr, gib ihnen die Kraft..." in das Kondolenzbuch. Dem Mann ist nicht mehr zu helfen.

Mein nachbarlicher SPD-Ortverein Eppendorf verbreitete auf Facebook schwarzen Trauerfloor mit dem Hashtag #PRAYFORBERLIN.
Auch bei denen also intellektuelle Schlichtheit. Sie preisen das Gift als Medizin, welches den Schaden angerichtet hat. Wir brauchen nicht mehr Gebete, sondern weniger.


Eigentlich unnötig zu erwähnen, aber da sie nun mal die deutsche Regierungschefin ist: Merkel blamiert sich selbstverständlich, wenn sie es menscheln lassen soll.
Von ihr kommen kryptische Sätze, auch wenn man gutmeinend ahnen könnte, daß sie es eben nicht so mies und populistisch wie Kollege Seehofer machen wollte:

Sollte sich bestätigen, dass es sich bei dem Täter um einen Flüchtling gehandelt habe, wäre es nach Merkels Worten "für uns alle besonders schwer zu ertragen". "Dies wäre besonders widerwärtig gegenüber den vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind", sagte Merkel, "und gegenüber den vielen Menschen, die unseren Schutz tatsächlich brauchen und sich um Integration in unser Land bemühen."

Gilt das auch für die Verletzten und Angehörigen der Opfer?
Wären die fröhlich und erleichtert, wenn sich herausstellen sollte, daß sie nur von einem normalen Irren und keinem Muslim massakriert wurden?
Das dachte sich vermutlich auch die in Berlin die U-Bahntreppe heruntergetretene Frau mit dem gebrochenen Arm, als sie erfuhr von einem CHRISTEN attackiert worden zu sein: „Habe ich ein Glück gehabt!“

Fairerweise will ich nicht verschweigen, daß es auch kluge und besonnene Reaktionen gibt.
Aber das sind weitgehend wieder nur die paar offiziell bekannten Atheisten, die nur in sehr wenigen FACEBOOK-Bubbles wahrgenommen werden. Michael Schmidt-Salomon passiert die meisten Facebook-Filter gar nicht erst.

 [….] Die Nachricht von der Tragödie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt war gerade erst über die Ticker gelaufen, da wusste der Landeschef der AfD in Nordrhein-Westfalen Marcus Pretzell bereits, wer die Schuld daran trägt. Via Twitter verkündete Pretzell zu einem Zeitpunkt, als nicht einmal ansatzweise klar war, ob es sich bei den dramatischen Ereignissen an der Gedächtniskirche um einen Unfall, einen apolitischen Amoklauf oder einen terroristischen Anschlag gehandelt hatte: "Wann schlägt der deutsche Rechtsstaat zurück? Wann hört diese verfluchte Heuchelei endlich auf? Es sind Merkels Tote!" Dabei übersah der AfD-Politiker allerdings, dass gerade er und seinesgleichen den Terroristen in die Hände spielen. Denn Rechtspopulisten zählen – wenn auch unfreiwillig – zu den wichtigsten Verbündeten der Islamisten im globalen Dschihad.
Die islamischen Gotteskrieger verfolgen eine perfide und bislang sehr wirkungsvolle Strategie, die in zahlreichen, u.a. im Internet verbreiteten Schriften nachzulesen ist: Da sie nicht die Mittel besitzen, die westlichen Demokratien militärisch ernsthaft zu gefährden, sollen viele terroristische Einzelaktionen die Bürgerinnen und Bürger in Angst und Schrecken versetzen und entsprechende Aversionen gegen "die Muslime" wecken, was wiederum zu einer weiteren Radikalisierung unter Muslimen führen soll.
Den Masterplan für diese Strategie hat der einflussreiche Islamist Abu Musab al-Suri in seiner 1.600-seitigen Propagandaschrift "Aufruf zum weltweiten islamischen Widerstand" dargelegt. Darin heißt es: "Wenn wir zwölf Angriffsteams in der gesamten islamischen Welt bilden könnten und jedes dieser Teams würde eine Operation im Jahr ausführen, dann gäbe es jeden Monat einen Angriff. Wenn sie zwei Operationen schaffen, wäre das alle fünfzehn Tage ein Angriff." [….][….][….]



Montag, 19. Dezember 2016

Im Spiegelglück



Es ist ein ewiger und nicht zu gewinnender Kampf gegen die tägliche Flut der Zeitungen/Nachrichten. Es sammelt sich und stapelt sich wie von selbst herum um mich.
Da ist es ein unerwarteter Zeitgewinn, wenn DER SPIEGEL gleich zweimal nacheinander mit einer für mich vollkommen uninteressanten Titelgeschichte kommt, für die ich keine Sekunde Zeit aufwenden muß.
So geschehen am 03.12.2016 „Football Leaks – die Geldmeister. Enthüllt: Die schmutzigen Geschäfte der Fußball-Superstars“ und am 10.12.2016 „Bundesliga intern. Football Leaks: Die geheimen Verträge der Profis.
Perfekt. Es gibt ohnehin nichts uninteressanteres und proletigeres als Fußball.
Daß die tausendfach überbezahlten, wehleidigen Deppen mit ihrem Small-Penis-Superluxussportwagen und den immer gleichen operierten Model-Freundinnen nicht mit ihren Einnahmen mauscheln, wäre eine Meldung gewesen.
Kann so weitergehen mit dem Spiegel.
Die Überraschung aber in der nächsten Ausgabe vom 17.12.2016.
Titelthema Asklepios-Konzern.


Der Hauptartikel beschäftigt sich zudem auch noch fast ausschließlich mit dem AK St. Georg, das ich sehr viel besser kenne, als mir lieb ist.
Was haben wir in dem Ding schon erlebt.
Und wie heftig habe ich mit meinem Anwalt gestritten, weil er unbedingt wollte, daß ich Klage gegen die Klinik und den Chefarzt einreiche; Klagen mit hoher Gewinnchance.
Ich habe mich aber immer dagegen entschieden, weil die Erfahrungen dort über Monate schon in jeder Hinsicht so extrem unerfreulich waren, daß ich mich psychisch nicht in der Lage sah, das alles noch mal aufzurollen.

Immerhin habe ich in diesem Blog seit zehn Jahren regelmäßig immer wieder Horrorgeschichten über Asklepios geschrieben, mich an der grausamen Behandlung der Patienten abgearbeitet, die abartige Bereicherung des Besitzers Bernd große Broermanns beklagt und voller Empörung auf die politischen Verantwortlichen Peiner und Beust gezeigt.

DER SPIEGEL fasst dazu recht eindrucksvoll die Methoden zusammen, wie der Asklepios-Konzern seine Mitarbeiter mit zweifelhaften Methoden dazu drängt mehr Geld aus den Patienten zu quetschen und nicht bei der eher nebensächlichen Heilung von Kranken Zeit zu verschwenden.
Broermannwohl vor Patientenwohl heißt die oberste Regel in den Asklepios-Krankenhäusern.
Ein lesenswerter Artikel. Jeder sollte sich diese Woche den SPIEGEL kaufen.
Erfreulich klar auch die Auskünfte darüber was für einen geradezu grotesk schlechten Deal der damalige CDU-Senat für den Busenfreund des Finanzsenators ausgehandelt hatte.

[….] Der Ver­kauf der Ham­bur­ger Kran­ken­häu­ser an As­kle­pios ist ein Lehr­stück miss­lun­ge­ner Pri­va­ti­sie­rung. Es zeigt, wie sich die Stadt Ham­burg von ei­nem pri­va­ten Kon­zern den Schneid ab­kau­fen ließ, nur um dem ei­ge­nen Ver­sa­gen zu ent­rin­nen. Und wie sie es dem Un­ter­neh­mer Ber­nard gro­ße Bro­er­mann er­mög­lich­te, sich mit Geld aus dem so­li­da­risch fi­nan­zier­ten Ge­sund­heits­sys­tem ei­nen mil­li­ar­den­schwe­ren Kli­nik­kon­zern zu bau­en.

Ob­wohl die Mehr­heit der Ham­bur­ger 2004 in ei­nem Volks­ent­scheid ge­gen die Pri­va­ti­sie­rung ge­stimmt hat, ent­schied der Se­nat um CDU-Bür­ger­meis­ter Ole von Beust, As­kle­pios die Mehr­heit von 74,9 Pro­zent am Lan­des­be­trieb Kran­ken­häu­ser zu ver­kau­fen. Der mit 565 Mil­lio­nen Euro chro­nisch ver­schul­de­te Lan­des­be­trieb sei ein „Fass ohne Bo­den“.
Was die Stadt­vä­ter als not­wen­di­gen und lu­kra­ti­ven Ver­kauf be­war­ben, en­de­te in ei­nem fi­nan­zi­el­len De­ba­kel. Die 318 Mil­lio­nen Euro Kauf­preis fei­er­te der Se­nat als gro­ßen Er­folg. Da­bei über­nahm Ham­burg mehr als die Hälf­te der LBK-Schul­den, also über 300 Mil­lio­nen Euro. 75 Mil­lio­nen Euro des Kauf­prei­ses muss­te As­kle­pios gar nicht erst über­wei­sen: Sie wä­ren nur fäl­lig ge­we­sen, wenn die Kli­ni­ken in den ers­ten fünf Jah­ren in Sum­me gut 408 Mil­lio­nen Euro ope­ra­ti­ven Ge­winn (Ebit­da) ab­ge­wor­fen hät­ten, ein Ding der Un­mög­lich­keit. Für den Rest der Sum­me gab die Stadt As­kle­pios noch ein Dar­le­hen.
Den Groß­teil des Kauf­prei­ses press­te der Kon­zern sei­nen neu er­wor­be­nen Kran­ken­häu­sern ab. Sie be­gli­chen gut 180 Mil­lio­nen Euro der Rech­nung – mit Schul­den, die sie selbst ab­ar­bei­ten muss­ten. As­kle­pios zahl­te nur 19 Mil­lio­nen Euro aus vor­han­de­nem Ver­mö­gen, für Kli­ni­ken, die heu­te rund eine Mil­li­ar­de Euro wert sein dürf­ten.
Als wenn das nicht rei­chen wür­de, über­nahm Ham­burg die Pen­si­ons­las­ten aus­ge­schie­de­ner Mit­ar­bei­ter. Die Grund­stü­cke, auf de­nen die Kran­ken­häu­ser ste­hen, über­ließ die Stadt dem Kon­zern für min­des­tens 60 Jah­re – pacht- und miet­frei. Mit­ar­bei­ter, die bei As­kle­pios nicht blei­ben woll­ten, hat­ten ein Rück­kehr­recht zur Stadt. Für je­den An­ge­stell­ten, den sie zu­rück­nahm, muss­te As­kle­pios der Stadt 25 000 Euro zah­len, ins­ge­samt aber höchs­tens 15 Mil­lio­nen Euro, so steht es im Kauf­ver­trag vom De­zem­ber 2004. Weil fast 1500 Mit­ar­bei­ter vor dem neu­en Ei­gen­tü­mer flo­hen, kos­te­ten die Rück­keh­rer die Stadt­kas­se am Ende über 150 Mil­lio­nen Euro.
An­ge­sichts all des­sen mu­tet es gro­tesk an, wel­che Mit­spra­che­rech­te sich die Stadt Ham­burg trotz ih­res An­teils von 25,1 Pro­zent ab­kau­fen ließ. Der ge­hei­me Be­tei­li­gungs­ver­trag zwi­schen der Stadt und As­kle­pios, der dem SPIEGEL vor­liegt, de­gra­diert die städ­ti­schen Ver­tre­ter in Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung und Auf­sichts­rat zu Ma­rio­net­ten. [….]
(DER SPIEGEL, 17.12.2016)

Wie gesagt, ein interessanter und lehrreicher Artikel – wenn mir auch das Meiste schon vorher bekannt war.
In Hamburg ist der Ruf der Asklepioshäuser ohnehin ruiniert. Jeder kennt jemand, der als Patient schlechte Erfahrungen dort gemacht hat.
Wer es irgendwie verhindern kann, vermeidet die Broermannhäuser.
Wichtig ist es aber via SPIEGEL das Thema überregional zu puschen, um auch entsprechenden Druck auf die Gesetzgeber zu machen.

Im Geiste hatte ich schon einen Leserbrief formuliert.
Zunächst dachte ich daran dem SPIEGEL meine eigene haarsträubende Horrorgeschichte aus dem Asklepios St. Georg zu schildern und die wesentlich besseren Erfahrungen aus einem Nicht-Asklepios-Krankenhaus dagegen zu stellen.
Da ich mir aber sicher bin, daß jede Menge bestätigende Fallbeispiele beim SPIEGEL eintrudeln werden, wollte ich lieber den falschen Adressaten des Artikels monieren.
Broermann wird kritisiert, die untätigen Landesgesundheitspolitiker pauschal angegriffen und auch allgemein „die Hamburger Politik“ benannt, die diesen Deal eingegangen ist.

Das reicht aber nicht.
Denn diese totale Fehlentscheidung des offensichtlich korrupten CDU-Senates war über ¾ der Hamburger schon vorher klar.
SPD, Grüne und Linke hatten das entsprechend angeprangert. Alles war öffentlich diskutiert worden.
Aber es war die Hamburger CDU, die gegen ale Vernunft und gegen die überwältigende Mehrheit der Wähler entschloss zum Schaden der Gesundheit der Hamburger den Freund des Finanzsenators zum Milliardär zu machen.

Im September 2001 übernahm eine Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP nach 44 Jahren SPD-Herrschaft die Regierungsgeschäfte in Hamburg.
Im Dezember 2003 beschloss der neue Senat nach einer internationalen Ausschreibung, dem privaten hessischen Klinikbetreiber Asklepios Anteile am LBK zu verkaufen. Drahtzieher war der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner. Da Asklepios-Inhaber Bernard gr. Broermann zum Verwaltungsrat einer Versicherung gehörte, als Peiner dort im Vorstand saß, warf die SPD dem Senat Vetternwirtschaft vor.
Am 29. Februar 2004 beteiligten sich 788.563 Hamburger Bürger an einem Volksentscheid, den Gewerkschaften und soziale Gruppen unter den Slogan "Gesundheit ist keine Ware" organisiert hatten. 593.497 stimmten gegen den Verkauf, das waren 76,8 Prozent der Stimmen. Da die mittlerweile allein regierende CDU um Bürgermeister Ole von Beust den Volksentscheid als nicht bindend einstufte, zogen dessen Initiatoren vor das Hamburger Verfassungsgericht.
Am 15. Dezember 2004 bestätigte das Gericht die Sichtweise der CDU. Einen Tag später beschloss die Bürgerschaft, den LBK zu 74,9 Prozent an die Asklepios-Kliniken GmbH zu verkaufen. Als Kaufpreis wurden knapp 320 Millionen Euro vereinbart, wovon 75 Millionen ertragsabhängig waren und nicht bezahlt werden mussten, da der erwartete Ertrag ausblieb.

2004 hatte Hamburg den LBK privatisiert, obwohl eine Mehrheit der Hamburger Wahlberechtigten sich in einem Volksentscheid dagegen ausgesprochen hatten. Die Opposition aus GAL und SPD hat schon bei Abschluss des Kaufvertrages 2004 kritisiert, dass die Stadt bei dem Geschäft draufzahle. Nach Lektüre der Verkaufsunterlagen hatten sie den Vorwurf erhoben, Peiner habe bei dem Deal kräftig manipuliert. Er habe sich, entgegen seiner eigenen Darstellung, aktiv in die Verhandlungen eingemischt und strittige Details mit Asklepios-Chef Bernard Broermann persönlich verhandelt - einem alten Geschäftspartner aus Peiners Zeit bei der Gothaer-Versicherung. So sei das Angebot der Asklepios-Klinikgruppe mehrfach geschönt worden.

Inzwischen wird das aber schicksalhaft als gegeben hingenommen. Ist ja auch so lange her.

Und genau das ist falsch!
Tausende Patienten leiden heute jeden Tag unter den Verhältnissen in den Asklepios-Kliniken, während der Besitzer in rasendem Tempo immer reicher wird.

Bernd Broermanns Vermögen wuchs in den letzten 12 Monaten von 2,95 Milliarden auf 3,10 Milliarden Euro (BILANZ Magazin September 2016).
150 Millionen Euro Zuwachs in einem Jahr beutet, daß der Mann alle zwei bis drei Tage eine Million Euro mehr hat, die er aus seinen Patienten herauspresst. (…..)
(Staatsverachtung, 26.11.2016)

Menschen wie Ole von Beust und Wolfgang Peiner gehören zur Rechenschaft gezogen. Ich bin kein Jurist; aber kann man da nicht irgendwas machen? Untreue? Die Hamburger CDU sollte sich vor dem Richter rechtfertigen und natürlich müssen die Pensionen der Protagonisten gekürzt, bzw gepfändet werden.

Es ist wichtig für den nicht eben hellen Urnenpöbel nicht nur zu ahnen/wissen, daß etwas schiefläuft, sondern daß auch klar die Zusammenhänge aufgezeigt werden. Daß deutlich wird, welchen Personen und Parteien sie das Desaster zu verdanken haben.

Es sind nicht allgemein „die Politik“ oder „die Politiker“ Schuld, sondern es muß außerordentlich präzise aufgezeigt werden, welcher einzelne Politiker, welche Partei verantwortlich ist.

Unerwartet deutlich und klar schlägt zwei Tage nach der SPIEGEL-Titelgeschichte heute die kleine Boulevard-MOPO in dieser Kerbe.
Holla, daß ich dieses Blatt mal so loben würde. Hätte ich nicht gedacht.

Asklepios, HSH, Elphi Ole von Beust ist der teuerste Bürgermeister aller Zeiten
[…..]  Diese Riege erfolgreicher und verdienstvoller Bürgermeister ließe sich noch fortsetzen. Einer aber gehört wohl nicht drauf: Ole von Beust (CDU). Dabei haben sie ihn alle anfangs so gern gehabt. Smart sah er aus. Und freundlich, fast ein bisschen schüchtern kam er rüber. Als er Schill rauswarf, den koksenden und erpresserischen Innensenator, regierte er zeitweise mit absoluter Mehrheit. Am Ende stiegen sogar die Grünen zu ihm ins Bett.
[…..] Tja, wer aber heute mit etwas Abstand darüber nachdenkt, was in neun Jahren Ole eigentlich gut war, der kommt nach einigem Grübeln zu dem erschreckenden Ergebnis: Viel fällt einem da nicht ein...
Seine Fehler aber werden noch in Generationen zu spüren sein: Nehmen wir die Wohnungsnot: von Beust hat sie hervorgerufen durch eine völlig verfehlte Baupolitik.
Der Verkauf der Krankenhäuser: Schlau war der jedenfalls nicht. Dann die Elbphilharmonie: Ein wunderschönes Projekt, miserabel gemanagt. Ganz zu schweigen von den Milliarden, die im Zusammenhang mit der HSH-Nordbank verpulvert wurden!
Vieles deutet darauf hin, dass Ole von Beust einer der schlechtesten  Bürgermeister war, den die Stadt je hatte. Der teuerste ist er auf jeden Fall. […..]

In diesem Blog habe ich in zehn Jahren immer wieder die geradezu absurden Fehlleistungen Ole von Beusts aufgezählt und mich bitterlich über die zu 99% ultrafreundliche Presse für ihn beklagt.
Den Medien gefiel die Story dieses vermeidlich neuen liberalen Großstadt-CDU’lers, der angeblich so gut mit Merkel konnte.
Nur weil Beust schwul ist, kann man ihm nicht verzeihen Schill zum Bürgermeister gemacht zu haben und der Stadt einen zweistelligen Milliardenschaden aufgebrummt zu haben.
"Schlechtester Bpürgermeister aller Zeiten" - wohl wahr. Den Schuh muss sich von Beust anziehen. Wäre nur schön gewesen, wenn die Hamburger das 15 Jahre früher erkannt hätten.
In meinem Blog stand es von Anfang an.
(Ein "I told you so" muß ich mir auch mal gönnen.)

Sonntag, 18. Dezember 2016

Putin wird Obama nicht vermissen



Nein, natürlich vergeht kein Tag, an dem man sich nicht fassungslos vor den Kopf schlägt, weil Donald Trump wieder beweisen mußte was für ein gefährlicher und völlig verblödeter Prolet er ist.
Unerträglich, daß der Typ mit inzwischen fast drei Millionen Wahlstimmen weniger als Hillary Clinton US-Präsident wird und den „Football“  mit den nuclear codes bekommt.

Dear Mr. Trump:
I refer to you as “Mr” because I do not recognize you as my president. Or anyone’s president for that matter. You lost the popular vote by almost 3 million votes, more than any president in United States history. And with the likely help of Russian hacks, oppressive voter ID laws, other acts of voter suppression and election fraud, and an embarrassingly neutered media, you squeaked out a measly 306 electoral votes, placing you in the bottom fifth of all presidents ever.
But in true Trumpian fashion, you’ve boasted of a “massive landslide victory.” Sorry, pal. The only “landslide” was Hillary Clinton’s, as she received more votes than any president in history except for Barack Obama in 2008. One thing’s for sure though: you were right about the election being “rigged.” For you.
Now that we’ve gotten the niceties out of the way, let me ask the most obvious question: what the fuck is wrong with you!? Seriously, do you not give a shit about your legacy, if not for yourself, at least for your kids, grandkids and future generations of Trumps? If your goal is to beat James Buchanan as the worst president in history, well then Mazel Tov, as you’re halfway there and you’ve still got five weeks till inauguration day! [….]

„Bully“ ist tatsächlich ein passender Ausdruck für den 70-Jährigen Orang.
Gut möglich, daß er mit seiner sagenhaften Unbeherrschtheit und Ahnungslosigkeit noch einen Krieg vom Zaun bricht.

Trump provoziert das Dronegate
Mit der Beschlagnahmung einer US-Unterwasserdrohne will China eine deutliche Botschaft an Washington senden. Der designierte Präsident Trump reagiert ungehalten - und geht weiter auf Konfrontation.
[….] Peking hat indes bereits angekündigt, die Sonde "auf angemessene Weise" zurückgeben zu wollen. Details gab das Verteidigungsministerium nicht dazu. Es kritisierte aber den "unangebrachten Rummel", der von amerikanischer Seite um den Zwischenfall gemacht werde.
Der Kommentar zielt auf den designierten US-Präsidenten Donald Trump ab. Er twitterte, die Drohne sei von China "gestohlen" worden und bezeichnete den Vorgang als "bisher einmalig" (wobei ihm ein Schreibfehler durchrutschte und er in einem ersten Tweet von einem "präsidentenlosen" Vorgehen sprach). Später ließ er das Regime in Peking wieder via Twitter wissen, dass sie die Sonde seiner Ansicht nach auch behalten können.
Er tritt sein Amt am 20. Januar 2017 an, doch es ist nicht das erste Mal, dass er China schon im Vorfeld brüskierte. [….]

Im besonderen Focus steht gegenwärtig Trumps devotes Verhalten gegenüber dem Kreml.
Obama hat natürlich Recht – daß eine ausländische Großmacht offensiv und offensichtlich auch noch erfolgreich die amerikanischen Wahlen beeinflusst, sollte echte amerikanische Patrioten im höchsten Maße alarmieren.
Ein bißchen Bauchschmerzen haben offensichtlich auch Trumps Republikaner bei der ostentativen Russlandfreundlichkeit seines Kabinetts.

Der designierte US-Außenminister Rex Tillerson leitete nach einem Medienbericht eine Tochterfirma des Ölkonzerns Exxon mit russischer Beteiligung. Ihr Sitz liegt im Steuerparadies der Bahamas. [….]

Unerträglich, da haben die Amis mal einen Präsidenten, der nicht auf den Kopf gefallen ist und international das Ansehen Amerikas wieder steigern konnte und dann zerstören sie alles mit der Wahl dieses irren Milliardärs, der die US-Regierung wie in Marxens schlimmsten Alpträumen mit dem militärisch-industriellen Komplex verquickt.
Nun sitzen nur noch Milliardäre und Generäle am Kabinettstisch Trump.

Aber bevor man sich nun weinend uns schreiend Obama zu Füßen wirft, seine Beine umklammert und ihn anfleht nicht zu gehen, sei doch noch einmal angemerkt, daß er zwar viel besser als George W Bush war und mutmaßlich um Dimensionen besser als sein Nachfolger sein wird, aber fehlerlos ist der coole amtierende oberste Dronebomber auch nicht.

Es ist Zeit noch einmal daran zu erinnern, daß ich mich immer wieder bitterlich über Barack Obamas Politik beschwert habe, daß ich seine Außenpolitik schwach, seine Drohnenangriffe unentschuldbar, seine Waffenexporte abscheulich, sein Kuschen vor den Saudis erbärmlich, seine TTIP-Unterhändler amoralisch, seine Russland-Aversion grundfalsch und seine Harmoniesucht in der Innenpolitik zumindest in den ersten Jahren für desaströs halte.

Völlig unerklärlich ist mir wieso sich ausgerechnet der als „Mr. Cool“ bejubelte Obama gegenüber Russland so gehen lässt.
Das ist ja schon fast Trump-artig wie wenig Obama gegenüber Putin seine Gefühle im Griff hat.
Es muß doch für einen Präsidenten das tägliche Brot sein auf andere Staats- und Regierungschefs zu treffen, die man nicht ausstehen kann.
Noch nie was von Diplomatie gehört?
Obama kann auch Bibi Netanjahu nicht leiden. Das wurde aber nur durch einen Hack bekannt, als ein nicht für die Öffentlichkeit bestimmter Spruch Obamas an die Weltpresse gelangte. Bibi rächte sich gewohnt unsouverän, indem er in der Folge ungeniert massiv die oppositionellen US-Republikaner unterstützte.
Das war aber eine Panne Obamas. Pannen können immer passieren. Nie würde Obama offiziell als Präsident coram publico über die israelische Regierung oder gar das Land Israel an sich lästern.

Seine Abneigung gegen Russland ist aber so enorm, daß er Putins Nation immer wieder öffentlich bewußt demütigt.

Im August 2013 ging es los.

Bei einer Pressekonferenz unterbricht US-Präsident Barack Obama seine Ausführungen über die oft „offenen“, „ehrlichen“ und „konstruktiven“ Gespräche, die er mit „Putin“ - nicht „Präsident Putin“ - gehabt habe, um anzumerken, das russische Staatsoberhaupt „lümmele manchmal herum wie das gelangweilte Schulkind in der letzten Bank“.[….]
(Alan Posener, 10.08.2013)

Ein halbes Jahr später verhöhnte Obama die einstige Supermacht Russland erneut.

[….] Deeskalation sieht anders aus: In der Krim-Krise verspottet US-Präsident Obama Russland - er nennt das größte Land der Welt eine Regionalmacht. [….] Barack Obama hat Russland als Regionalmacht bezeichnet. Das Land bedrohe seine unmittelbaren Nachbarn, sagte er im niederländischen Den Haag beim Gipfel zur Atomsicherheit. Das Verhalten Moskaus resultiere jedoch "nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche".[….]

Zum Ende seiner Amtszeit pöbelte Obama noch einmal richtig gegen Putin los.

Im Stil Erdogans kündigte der noch vier Wochen amtierende US-Präsident Vergeltung gegen Russland an.

Weltpolitik auf Sandkasteniveau.

Damit aber nicht genug. Nachdem Forbes erneut Wladimir Putin zum mächtigsten Mann der Erde wählte, verlor Obama völlig die Kontrolle über sich selbst und zog wieder über Russland her – erkennbar in der Absicht, das ganze Land möglichst heftig zu beleidigen.

[…..] Obama sagte: «Russland kann uns nicht ändern. Es ist ein kleineres Land, es ist ein schwächeres Land. Die Wirtschaft produziert nichts, was irgendjemand kaufen möchte. Ausser Öl, Gas und Waffen.» Er warnte: «Aber Russland kann uns beeinflussen, wenn wir vergessen, wer wir sind. Wenn wir uns von unseren Werten verabschieden.»
«Warum haben so viele Amerikaner Vertrauen in Putin, den ehemaligen Chef des Geheimdienstes KGB? Wie konnten wir soweit kommen?», fragte Obama. «Ronald Reagan würde sich im Grabe umdrehen.» […..]

Ich verstehe, daß jemand Putin nicht leiden kann und ich rechtfertige auch Putins Politik nicht.
Ich verstehe, daß Obama sehr genervt von Moskau ist. Aber das muß er doch nicht wie auf dem Schulhof ständig rausposaunen.
Ich verstehe nicht, wie ein intelligenter Mann wie Obama so dumm sein kann mutwillig immer wieder Öl ins Feuer zu gießen, indem er Putin zur Weißglut reizt.
Gut möglich, daß die Arroganz aus Washington, das ständige „Dissen“ Putin erst so aufgebracht hat, daß er in die Wahl eingriff.
Nun haben wir einen Präsidenten Trump und mitschuldig ist Obama, der so viel russisches Porzellan zerschlug.