Donnerstag, 25. Juni 2015

Shame on you, Europa.


Ist das mit Friedensnobelpreisen eigentlich genauso wie mit Dr.-Titeln; daß sie „verliehen“ werden und deswegen auch nicht einfach zurückgegeben werden können, sondern nur von der Institution, die sie verliehen hat auch wieder entzogen werden können?

Friedensnobelpreise werden ja aus sehr unterschiedlichen Gründen verliehen. Zum Beispiel um die Wandlung eines Falken zur Taube zu würdigen.
Oder auch, um einer Privatperson, die eher im Stillen wirkte Publicity zu geben.
Gelegentlich sind Friedensnobelpreise auch unstrittig, weil sie für jeden ersichtlich wirklich verdient waren.
Albert Schweitzer (1952), Martin Luther King (1964), Willy Brandt (1971), Anwar as-Sadat (1978), Elie Wiesel (1986), Michail Sergejewitsch Gorbatschow (1990), Nelson Mandela (1993) und Jitzchak Rabin (1994) waren, bzw sind solche Ausnahmemenschen.

2009 wollte Oslo sich offensichtlich in dem Glanz des eben erst gewählten Barack Obama sonnen. Das war in vielerlei Hinsicht großer Mist. Oslo blamierte sich, Oslo schadete Obama enorm, indem es seine Gegner von der GOP aufstachelte und Oslo wählte einen, dessen spätere Taten als Potus das Gegenteil von friedlich waren.

2012 war ich von der Entscheidung über den Friedensnobelpreis zunächst überrascht, ließ mich dann überzeugen.
In der Tat ist es nach 2000 Jahren Kleinstaaterei und permanenten Krieg tatsächlich so etwas wie ein Wunder, daß mitten in Europa seit 70 Jahren Frieden ist und sich die jüngere Generation gar nicht mehr vorstellen kann, daß nebenan über Jahrhunderte stets nur „der Erbfeind“ lebte, den man mit allen Mitteln bekämpfen mußte.
Die unglaubliche Symbolik dessen, daß sich Gerhard Schröder und Jacque Chirac auf verschiedenen EU-Gipfeln gegenseitig vertraten, daß man sich so gut kannte und sich so sehr vertraute, daß Chirac für Deutschland und später Schröder für Frankreich eine Stimme abgab, verursacht immer noch Gänsehaut.
Würden sich heute Paris und Berlin gegenseitig den Krieg erklären, stünde das Volk auf, um die eigenen Regierungen abzusetzen. Kein Soldat würde auf Soldaten des Nachbarlandes schießen.
Was für eine fundamentale Wende verglichen zu dem Zustand vor genau 100 Jahren als Franzosen und Deutsche sich massenhaft freiwillig meldeten und in beiden Ländern auf der Straße Jubelprozessionen losgingen, weil man sich so dermaßen für den Weltkrieg begeisterte.
Da kann man schon mal einen Nobelpreis für die EU rausrücken.
Sicherlich sollte der 2012er Preis auch ein Ansporn sein Europa weiter zu entwickeln; noch näher zusammen zu rücken.

Erstaunlich was dann doch noch alles schiefgehen konnte.
Ein Krieg in der Ukraine, der mitausgelöst wurde durch extrem schlechte, überhebliche und unüberlegte Russlandpolitik der EU.
Ein Europa der Ängste, das Millionen Wähler in Nord und Süd den Europafeinden und Rechtsextremen zutreibt, gestörte Beziehungen zwischen den engsten Partnern, Debatten über Grexit und Brexit, Brüsseler Entscheidungen, die einzelne Mitgliedsländern in den Ruin treiben und dazu auch noch perfide menschenfeindliche Flüchtlingspolitik, die Europas Südgrenze zu einem Friedhof macht.

Merkel, beliebteste Kanzlerin aller Zeiten trägt einen Großteil der Schuld an der Griechenlandkrise.
 Sie marschiert wider besseres Wissens in die Sackgasse und Europa guckt tumb zu.
Offensichtlich will man Athen und damit letztendlich auch Europa das Genick brechen.

Unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfeltreffens haben die Kreditgeber der griechischen Regierung einen Forderungskatalog vorgelegt, den diese niemals erfüllen kann, ohne daheim von den Bürgern davongejagt zu werden. Sollte Premierminister Alexis Tsipras die auf neun Seiten aufgelisteten prior actions, also die am dringendsten durchzuführenden Maßnahmen, unterschreiben, käme dies einer Kapitulation seiner Regierung vor den Kreditgebern gleich […]
Die Botschaft der Experten von Europäischer Kommission, Zentralbank und Internationalem Währungsfonds klingt zwischen den akkurat und bis ins Detail aufgelisteten Forderungen unmissverständlich durch: Sie sind nicht bereit, auf die bisherigen Reformangebote der griechischen Regierung einzugehen. Sondern halten an den alten Vereinbarungen fest. Die in der Liste aufgeführten Forderungen entsprechen grundsätzlich den im Herbst 2012 von der konservativen Vorgängerregierung von Premier Antonis Samaras unterschriebenen Verpflichtungen des zweiten Rettungsprogramms für Griechenland. Also genau dem, was der linke Premier Tsipras verändern und eben nicht erfüllen wollte. Selbst die kleinen Annäherungen, die in den vergangenen Tagen erreicht wurden, sind wieder gestrichen. Statt weniger fordern die Kreditgeber mehr.

Es ist einfach nur erbärmlich was die großen Reichen mit Europa anstellen.
Der große Philosoph Habermas dringt nicht mehr durch.

[….] Weil für die deutsche Bundeskanzlerin schon im Mai 2010 die Anlegerinteressen wichtiger waren als ein Schuldenschnitt zur Sanierung der griechischen Wirtschaft, stecken wir wieder in einer Krise.
[….] Gewiss, in der Sache geht es um das sture Festhalten an einer Sparpolitik, die nicht nur in der internationalen Wissenschaft überwiegend auf Kritik stößt, sondern in Griechenland barbarische Kosten verursacht hat und hier nachweislich gescheitert ist. Aber in dem Grundkonflikt, dass die eine Seite einen Wechsel dieser Politik herbeiführen möchte, während sich die andere Seite hartnäckig weigert, sich überhaupt auf politische Verhandlungen einzulassen, verrät sich eine tiefer liegende Asymmetrie.
Man muss sich das Anstößige, ja Skandalöse dieser Weigerung klarmachen: Der Kompromiss scheitert nicht an ein paar Milliarden mehr oder weniger, nicht einmal an dieser oder jener Auflage, sondern allein an der griechischen Forderung, der Wirtschaft und der von korrupten Eliten ausgebeuteten Bevölkerung mit einem Schuldenschnitt - oder einer äquivalenten Regelung, beispielsweise einem wachstumsabhängigen Schuldenmoratorium - einen neuen Anfang zu ermöglichen.

Statt-dessen bestehen die Gläubiger auf der Anerkennung eines Schuldenberges, den die griechische Wirtschaft niemals wird abtragen können. Wohlgemerkt, es ist unstrittig, dass ein Schuldenschnitt über kurz oder lang unvermeidlich ist. Die Gläubiger bestehen also wider besseres Wissen auf der formellen Anerkennung einer tatsächlich untragbaren Schuldenlast.
[….]  Unsere Presse macht sich über den Akt der Umbenennung der Troika lustig; er ist tatsächlich so etwas wie eine magische Handlung. Aber darin äußert sich der legitime Wunsch, dass hinter der Maske der Geldgeber doch das Gesicht der Politiker hervortreten möge. Denn nur als Politiker können diese für einen Misserfolg, der sich in massenhaft vertanen Lebenschancen, in Arbeitslosigkeit, Krankheit, sozialem Elend und Hoffnungslosigkeit ausgebreitet hat, zur Rechenschaft gezogen werden.
[….] Diese Auflösung von Politik in Marktkonformität mag die Chuzpe erklären, mit der Vertreter der deutschen Bundesregierung, ausnahmslos hochmoralische Menschen, ihre politische Mitverantwortung für die verheerenden sozialen Folgen leugnen, die sie als Meinungsführer im Europäischen Rat mit der Durchsetzung der neoliberalen Sparprogramme doch in Kauf genommen haben.
Der Skandal im Skandal ist die Hartleibigkeit, mit der die deutsche Regierung ihre Führungsrolle wahrnimmt. Deutschland verdankt den Anstoß zu dem ökonomischen Aufstieg, von dem es heute noch zehrt, der Klugheit der Gläubigernationen, die ihm im Londoner Abkommen von 1953 ungefähr die Hälfte seiner Schulden erlassen haben. [….]

Nach zehn Jahren Merkel hat sich Europa in ein von Egoismen zersetztes St. Florians-Konglomerat verwandelt.

Noch widerlicher ist die allgemeine Xenophobie, die sich überall in Europa durchsetzt.

Kommen noch Touristen, wenn hier Ausländer rumstehen? In Österreich geben die rechten Ultras von der FPÖ den Ton an. Die etablierten Parteien eifern ihr nach. Über einen Verfall.
[….]  In Wien standen FPÖler jüngst direkt vor einem Flüchtlingsheim mit großen Schildern, auf denen zu lesen war: "Nein zum Asylantenheim". In Linz hielten jetzt übrigens Sozialdemokraten Schilder am Straßenrand hoch: "Sind Sie auch gegen ein großes Asylzentrum? Dann nicken Sie doch mal." Kriminalität, Zuwanderung und Asylfragen hatten im Wahlkampf in der Steiermark und im Burgenland eine herausragende Rolle gespielt. Wie viele Fremde kommen noch, wer muss wie viele aufnehmen, kommen die dann auch zu uns, sind wir noch sicher? Erst jetzt, da zwei Wahlen verloren sind und der Wahlkampf um Oberösterreich und Wien begonnen hat, werden endlich Asylgipfel angesetzt, Lösungen gesucht, macht der Kanzler das Ganze zur Chefsache, wird an Menschlichkeit und Solidarität appelliert.
Vorher hatte die Innenministerin Zelte aufstellen lassen, weil nicht genug Unterkünfte für die Asylbewerber zur Verfügung stünden. Als Signal, "dass wir der Sache nicht Herr werden, war das ein Turbo, ein Brandbeschleuniger", wie ein Wiener Politiker wütet. Monatelang habe man sich im Kabinett nicht für die steigenden Flüchtlingszahlen interessiert, "das war allen egal". Dann sei plötzlich Panik ausgebrochen. Die Diskussion habe aber nicht etwa der Frage gegolten, wie man das Problem konstruktiv angeht. Sondern wie "Österreich möglichst unattraktiv für Flüchtlinge wird" - eine Politik, die der Nachbar Ungarn derzeit mit besonders spektakulärer Verve exerziert.
[….] Dass die Konkurrenz der FPÖ hinterherrennt, sie gar imitiert, das ist der eigentliche Erfolg der FPÖ. So stark ist derzeit praktisch keine rechtspopulistische Partei in Europa, nicht mal der Front National in Frankreich oder Jobbik in Ungarn, schon gar nicht Vlaams Belang in Belgien oder die Freiheits-Partei von Geert Wilders in den Niederlanden, auch nicht die dänischen Rechtspopulisten, die gerade einen historischen Sieg errungen haben.
[….] Auch bundesweit rangiert die FPÖ mittlerweile ganz vorn, sie würde, wenn jetzt der Nationalrat gewählt würde, laut Umfragen wohl stärkste Partei Österreichs werden. Die früheren Volksparteien sind im Schock. Ist dies das Ende von Österreich, wie man es kennt?
[….] Auch die ÖVP verliert an Boden, Halt und Haltung. Im Wahlkampf in der Steiermark hatte ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer davor gewarnt, dass "Ausländer langsam das demokratische System unterhöhlen". Belohnt wurde er dafür mit dem Amt des Landeshauptmannes.  [….]

In Deutschland haben wir für tumbe rechtsradikale Ressentiments sogar mehrere eigenen Parteien: NPD, CSU und AfD.
Es gibt keine Peinlichkeit, vor der Crazy Horst, Erfinder der Anti-Ausländermaut zurückschrecken würde.

CSU-Chef Horst Seehofer hat am Donnerstag mit einem Interview zur Flüchtlingspolitik erheblichen Unmut verursacht. Der bayerische Ministerpräsident hatte darin "massenhaften Asylmissbrauch" beklagt und Bundespräsident Joachim Gauck kritisiert.
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, warf Seehofer vor, "billigen Populismus auf dem Rücken von Flüchtlingen" zu betreiben. Linken-Chef Bernd Riexinger nannte den Ministerpräsidenten einen "Hinterwäldler". Auch die SPD kritisierte Seehofer heftig. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, der CSU-Chef spiele mit dem Feuer. Gerade in Zeiten, in denen sich "mancherorts brutaler Protest gegen Flüchtlinge zusammenrottet", sollten Politiker ihre Worte genau wägen, "statt wie Seehofer Ressentiments zu schüren und Stammtischparolen hinauszuposaunen".

Flüchtlinge, Menschen in Not, die unvorstellbares Grauen erlebt haben, sind im Europa des Jahres 2015, etwas vor dem man sich „abschottet“.
Die EU bündelt lieber die Kräfte, um Flüchtlingsboote zu zerstören – nachdem sie schon jeden anderen Weg blockiert hatte.
Menschen retten steht nicht auf der Tagesordnung der EU.

Gescheiterte Flüchtlingsquote  Triumph der Egoisten
[….] Große Geste ohne Folgen: Nach der Schiffskatastrophe im April, bei der 800 Flüchtlinge starben, versprach Europa eine bessere Migrationspolitik. Jetzt konnten sich die EU-Staaten noch nicht einmal auf eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge einigen - der Eigennutz hat gesiegt.

Im Poker um die Zukunft Griechenlands wäre eine Nachricht vom EU-Gipfel in Brüssel beinahe untergegangen: Europas Staats- und Regierungschefs lehnen eine Flüchtlingsquote für den Kontinent ab. Flüchtlinge sollen, wenn überhaupt, auf freiwilliger Basis in Europa umverteilt werden, aber keinesfalls nach einem festen Schlüssel.
[….] Ein Blick auf die kurze Karriere der Flüchtlingsquote genügt, um das Ausmaß des politischen Versagens zu begreifen. Die Forderung nach einer gerechten Verteilung von Asylbewerbern in Europa war eine Reaktion auf das Massensterben von Migranten an den EU-Grenzen. Mindestens 800 Flüchtlinge ertranken bei der bislang schlimmsten Schiffskatastrophe im Mittelmeer am 19. April.
[….] Zwei Monate nach der Havarie im Mittelmeer ist von der Agenda nicht viel übrig geblieben. Die EU-Staaten, die große, humanitäre Anstrengungen versprachen, konnten sich noch nicht einmal auf die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen einigen. Nationale Egoismen haben über Menschlichkeit gesiegt. [….] Gemäß des Schlüssels hätte Portugal wenige Hundert zusätzliche Flüchtlinge beherbergen müssen. Deutschland, das reichste EU-Land, knapp 9000. Die türkische Grenzstadt Suruc nahm vergangenen Herbst innerhalb einer einzigen Woche 30.000 Syrer auf.

In Deutschland betrachten die C-Parteien verzweifelte Menschen in Not als Gefahr, vor der man sich schützen muß.

Flüchtlinge werden einkaserniert – zuweilen sogar in Gefängnissen und sogar ehemaligen KZs (!!!) – bewacht, drangsaliert, schikaniert, mit Stacheldraht umzäunt und mit Jahrelangem Arbeitsverbot belegt.
Ein Wahnsinn.

Das gelegentlich so hysterische Amerika macht es anders und VIEL besser.
Hier werden Flüchtlinge auch als Chance begriffen.
Sie werden auf US-Kosten LEGAL ins Land geholt, müssen anschließend aber die Kosten erstatten. Dies ist natürlich sehr viel billiger als die illegalen Schlepper rund um die EU kosten.
In den USA bekommen Flüchtlinge nicht nur KEIN Arbeitsverbot, sondern werden vom ersten Tag an ausdrücklich ermuntert zu arbeiten und sich selbst zu verwirklichen.

Die großartige  Isabel Schayani (2005-2014 Redakteurin bei MONITOR, jetzt Korrespondentin in NY) berichtete vor einigen Tagen im NDR von so einem Fall.

Utica ist eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. Die Stadt drohte zu zerfallen, doch Flüchtlinge bewahrten sie davor. Jedes Jahr kommen Hunderte Flüchtlingen nach Utica.

Mittwoch, 24. Juni 2015

Franzosen


Irgendwann Ende der 80er, ich vermute kurz nach meinem Abitur war ich mal mit meiner Mutter und ihrem Bruder, also meinem Onkel ein paar Tage in der Dordogne.
Die beiden haben mich die ganze Zeit geärgert.
Immer wenn wir in irgendeinem Lokal oder Geschäft waren, schoben sie MICH nach vorn, um das Reden zu übernehmen – nur so lernt es das Kind, lachten die sich einen.
Ich würde zwar behaupten fließend englisch und deutsch zu können, aber generell bin ich leider etwas unfähig beim Thema Fremdsprachen.
Vermutlich weil ich nicht drauf losplappern kann, sondern immer erst lange überlege, wie es wohl grammatikalisch richtig heißen müßte.
Vier Jahre Französisch-Unterricht in der Schule und dann stelle ich mich so an, wenn ich etwas bestellen soll. Das fanden meine Mutter und mein Onkel absurd und verweigerten sich nur umso konsequenter mir zu helfen. Beide sprachen nämlich fließend Französisch und unterhielten sich dann auch noch in Französisch über mich. Sauerei.
Noch gemeiner war allerdings, als ich am letzten Morgen in der Boulangerie radebrechte und der knorrige Bäcker mich auf einmal auf DEUTSCH verabschiedete.
Der Blödmann hatte die ganzen Tage zugesehen wie ich mich quälte; dabei konnte der perfekt deutsch.
So ist das hier auf dem Lande, meinte mein Onkel.
Das sind stolze Franzosen; die wollen, daß man französisch spricht und tun gegenüber Touristen so, als ob sie NUR französisch sprechen, selbst wenn sie noch andere Sprachen beherrschen.

Kurz zuvor war ich eine Woche in Rotterdam gewesen und da war es genau umgekehrt.
Holländer sind ja ohnehin alle Sprachgenies. In Rotterdam kam ich gar nicht dazu meine paar Brocken Niederländisch auszuprobieren, weil die kleinste Andeutung, daß ich Amerikaner sei reichte, daß auf einmal alle englisch sprachen. Genauso funktionierte es mit Hinweisen darauf, daß ich aus Deutschland käme – sofort sprachen alle deutsch.

Frankreich ist aber als LA GRANDE NATION eine der großen vier Siegermächte.
Die Kulturnation.
Eine der fünf UN-Vetomächte – von 200 Nationen.
Frankreich ist zudem offizielle Atommacht und stolz auf seine Force de frappe (Force de dissuasion nucléaire de la France).

So sehr einem der französisch Nationalismus und die Selbstverliebtheit auf die Nerven gehen, so sehr muß man als Frankreich-Tourist auch zugeben, daß es wirklich eine Kulturnation ist.
Franzosen haben Klasse. Das merkt man im kleinsten Dorf, daß auch alte Männer der einfachsten sozialen Schichten niemals so ein Proletentum wie entsprechende Deutsche vorexerzieren: Kurze Hosen, Sandalen mit Socken, grässliche T-Shirts.
Französinnen laufen niemals rum wie die Flodders.
Genau das was Amerikanerinnen immer falsch machen und weswegen sie überall auf der Welt sofort als Amerikanerinnen erkannt werden (man denke an GOPer-Ehefrauen oder FOX-Moderatorinnen mit greller Schminke, unnatürlichen Zähnen und Betonfrisur), machen Franzosen richtig. Sie sind schick.
Kein Franzose würde solche unförmigen Säcke als Anzug tragen wie einst Helmut Kohl; keine französische Ministerin trüge so schlecht geschnittene Kostüme wie Merkel und erst recht würden sie nicht mit derart ungepflegten Fingern rumlaufen.
Damit hängt es auch zusammen, daß französische Schauspieler internationale Superstars werden, daß französisches Kino weltberühmt ist, während in Deutschland Veronica Ferres und Til Schweiger als die besten gelten.
Paris ist die Traumstadt der Welt, während man von Berlin gerade mal weiß, daß man dort sehr billig saufen kann und die Bewohner den ganzen Tag mit ungekämmten Haare im Trainingsanzug rumschlurfen.
Und natürlich das Essen.
Solche Käse, solche Weißbrote, solche Weine wie man sie in Frankreich auch im letzten Kaff bekommt, muß man in Deutschland lange suchen.
Unbegreiflicherweise.
Die Deutschen reisen doch inzwischen alle und wissen wie frische Weißbrotwaren auch schmecken können. Wieso gibt es dann hier fast nur diese pappsigen, garantiert geschmacksfreien Brötchen/Semmeln/Rundstücke/Schrippen aus in China gefertigten Teigrohlingen?
Müßte es nicht auch in Deutschland ein paar Menschen geben, die bereit sind 10 Cent mehr auszugeben, wenn dafür das Brötchen auch schmeckt?
Amerika mag gods own country sein, aber wie Gott leben, kann er nur in Frankreich.

That said, komme ich zum Thema NSA.
Wenig überraschenderweise wurde gestern geleakt, daß Washington auch die letzten drei französischen Präsidenten, sowie engste Berater der Präsidenten, weitere Diplomaten, Kabinettsmitglieder, Regierungssprecher, hohe Beamte und Abteilungsleiter in Ministerien und den Botschafter Frankreichs in den USA abhören ließ.
Merkel hatte das ja schon 2013 erlebt und daraufhin in Merkel-Manier reagiert; nämlich gar nicht.
Business als usual und jedes Mal, wenn sie seitdem direkt auf Obama traf, hatte sie den Hosenanzug viel zu voll, um ihn darauf anzusprechen.
Besonders augenfällig wird das rückgratlose deutsche Verhalten bei der Selektorenliste, die das Kanzleramt auf Wunsch der Amerikaner nicht den eigenen Parlamentariern zeigen will.
Man stelle sich die Situation umgekehrt vor: Der BND hätte Washingtoner Politiker ausgeforscht, es käme heraus, daß Obama dazu eine deutsche Interessenliste vorläge und Merkel würde dem amerikanischen Kongress sagen: „ich will aber nicht, daß Ihr Euch damit befasst!“
Der Gedanke ist völlig absurd. Um nichts und niemand in der Welt würden sich amerikanische Abgeordnete des House oder US-Senatoren  von Europäern sagen lassen, was sie tun dürfen.
Diese extreme Form des deutschen Duckmäusertums gegenüber Washington ist durchaus atemberaubend.

Und die Franzosen?

Wie sie langfristig reagieren kann man noch nicht sagen, aber immerhin sind sie in Gegensatz zu Merkels müder Mannschaft in der Lage sich ordentlich zu ärgern und dies auch auszudrücken. Unterwürfig vor den Amerikanern auf dem Boden zu robben, so wie es Berlin durchexerziert, ist für die grande nation natürlich unmöglich. Premierminister Manuel Valls polterte er sei "wütend über die inakzeptablen Praktiken eines befreundeten Staates" und verlangte von den USA, den angerichteten "Schaden zu reparieren.“

Es handelt sich um Tatsachen, die inakzeptabel sind und die bereits Ende 2013, nach den ersten Enthüllungen, Gegenstand von Erläuterungen waren", so die ebenso dürre wie bittere Mitteilung des Élysée nach einer Sondersitzung des Verteidigungsrates. "Diese Vereinbarungen gehören strengstens beachtet."
"Spionage unter Alliierten ist schlicht nicht hinnehmbar", ergänzt Regierungssprecher Stéphane Le Foll trotz der Versicherungen aus den USA, dass sich die Kommunikation von Hollande nicht "im Visier" der NSA-Lauscher befände. Für den Nachmittag wurde der US-Botschafter in Paris ins französische Außenministerium einbestellt.
Präsident François Hollande telefonierte inzwischen US-Präsident Barack Obama über die Vorwürfe. Dabei habe Obama seine Zusage bekräftigt, "mit Praktiken zu brechen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben können und die zwischen Verbündeten inakzeptabel sind", teilte der Élyséepalast mit.[….]
"Die Amerikaner schulden uns Entschuldigungen und die Garantie, dass diese Praktiken vorbei sind", schimpft Éric Ciotti, Berater von Nicolas Sarkozy und bei den Republikanern zuständig für Sicherheitsfragen. "Frankreich ist zum Protektorat der USA verkommen", so ein Kommuniqué von Frankreichs Souveränisten, und der Chef der Linkspartei fordert den sofortigen Abbruch der TTIP-Verhandlungen.
Der Schock sitzt tief, denn die jahrelangen Aktionen richteten sich gegen einen historischen Alliierten, Mitglied im Uno-Sicherheitsrat und Nato-Partner.

Der Präsident macht eine böse Miene, böse Miene zum bösen Spiel. Demonstrativ verärgert blickt François Hollande am Dienstagmorgen in die Runde, als er im Sitzungssaal des Élysée-Palastes den "Conseil de Défense" - sein Sicherheitskabinett - um sich versammelt: Krisensitzung. Das präsidentielle Protokoll hat ein paar Fernsehkameras Zutritt gewährt ins Zentrum der Macht. Die TV-Bilder sollen aller Welt beweisen, wie ernst das Staatsoberhaupt die Lage nimmt.
Ernst, bitter ernst sogar klingen dann auch einige Zeilen, die Frankreichs Präsidentschaft eine knappe Stunde später per E-Mail verbreitet…[….]  Der Palast gibt sich indigniert, im Namen der Nation: "Frankreich wird keinerlei Machenschaften tolerieren, die seine Sicherheit oder den Schutz seiner Interessen infrage stellen."
[….]  Mancher in Paris schäumt gar vor Wut: Yves Pozzo di Borgo zum Beispiel, ein liberaler Senator aus Paris, hat am Morgen in Libération gelesen, dass im obersten Stockwerk der amerikanischen Botschaft gleich neben der Place de la Concorde allerlei Hightech und Spezialmikrophone versteckt seien, mit denen die US-Profis vom Special Collection Service (SCS) in Ministerien hineinhorchen könnten. [….] Nun aber will, ja kann Pozzo di Borgo solcherlei Zustände nicht länger ertragen. Er fordert Taten, und zwar drastische: "Wenn Frankreich sich selbst achten würde", twittert der Senator, "würde es jenen Teil der US-Botschaft, in dem abgehört wird, zerstören lassen." Von heiligem Zorn überwältigt ist auch Jean-Pierre Mignard, ein enger persönlicher Freund von François Hollande: Als "angemessene Antwort" auf die Horch&Guck-Aktionen der NSA plädiert der prominente Rechtsanwalt am Mittwochmorgen dafür, Amerikas Staatsfeinden Nummer eins und zwei - dem Whistleblower Edward Snowden und dem Wikileaks-Mitgründer Julian Assange - endlich Asyl in Frankreich zu gewähren.  [….]








Dienstag, 23. Juni 2015

Plapperismus nach Käßmann.



Die Kirchen in Deutschland schwimmen geradezu im Geld, werden von 100% aller Mitglieder der Bundesregierung massiv unterstützt und haben zudem auch noch gewaltige Medienaufmerksamkeit, weil ihre Vertreter in den Rundfunkräten und Programmkommissionen sitzen.
Die Kirchen halten riesige Kirchentage ab, bei denen sich Bundeskanzlerin, Vizekanzler und Bundespräsident extrem engagieren.
Bezahlt werden diese Kirchenwerbeaktionen mit Millionenzuschüssen der verarmten Kommunen.
Paradiesische Zustände also für Christen in Deutschland.
Der einzige kleine Wermutstropfen:
Die Deutschen haben keine Lust mehr in dem Verein mitzumachen du rennen in Scharen davon.

In Hamburg  lesen wir seit einigen Wochen immer mehr Berichte über massive Kirchenschließungen.
Unter anderem in einem ganzseitigen Abendblatt-Interview räumte die Kirsten Fehrs (Bischöfin des Sprengel Hamburg und Lübeck) die Notwendigkeit von Kirchenschließungen ein.

Fehrs ist vermutlich nicht ganz so auf den Kopf gefallen wie Margot Käßmann, aber auch sie beherrscht diese typisch protestantische Kirchenleitungssprache.
Man kann ein noch so ausführliches Interview mit ihr lesen und hat doch auf wunderbare Weise nach wenigen Minuten komplett vergessen was sie gesagt hat.
Evangelensprech ist ähnlich inhaltsleer wie das Politsprech der Bundeskanzlerin.
Ich mußte unmittelbar nach dem Lesen noch mal den Text in die Hand nehmen, um festzustellen, ob sie nun eigentlich gesagt hat, daß sie Kirchen schließen will oder nicht.

Im Original lautet ihr Satz dazu:

Es ist gut, dass sich die Menschen vor Ort für den Erhalt der Kirchen engagieren. Zum anderen: Fakt ist, dass es Gemeindehäuser gibt, bei denen das Verhältnis von Auslastung und Finanzierung nicht mehr stimmt. Dass da genauer hingeschaut wird, finde ich richtig. Schließlich geht es um einen verantwortlichen Umgang mit den finanziellen Ressourcen. Wichtig ist ein offener Umgang mit diesen Gebäudefragen.
(Bischöfin Fehrs 03.06.2015)

Das sagt alles und nichts.
So drückt sich eine Verantwortliche um ihre eigentliche Aufgabe.

Nach diesen Verbaltranquilizern können Kirchisten beruhigt sein. (………)

Die lilagrünen Kirchenführer der Protestanten schaffen nun also das Kunststück ganz ohne Kinderfickerskandale, Bischofsprotzbauten und Zölibat ihre Mitglieder noch schneller aus der Kirchen zu treiben als die muffigen katholischen Kollegen.
Erklären lässt sich dies zweifellos mit den lockereren städtischen evangelischen Milieus. Es folgt keinerlei nachbarschaftliche Ächtung, wenn man in Hamburg aus der Kirche austritt. In einem kleinen streng katholischen Dorf ist der Schritt viel schwieriger, weil man anschließen womöglich zumindest schief angesehen wird.

Ein weiterer Grund dürfte aber auch im Personal liegen.
Katholische Bischöfe werden vom Papst ernannt. Daher sind sie üblicherweise ortsfremd und es bleibt ein Geheimnis weswegen sie ausgerechnet ausgewählt wurden. Ein mysteriöser Touch bleibt immer.

Protestanten wählen an die Spitze ihrer Synode und anderer Laiengremien gerne ausrangierte Politiker – und dabei vorzugsweise diejenigen, die sehr unbeliebt waren, bei Wahlen scheiterten und einen Ruf als Langsamdenker erwarben.
Kathrin Göring-Kirchentag, Wahlverliererin 2013, von 2009 bis September 2013 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und somit Mitglied im Rat der EKD, Günther Beckstein, CSU-Hardliner, Wahlverlierer 2008, seit 1996 berufenes Mitglied der Landessynode der Evangelischen Kirche in Bayern, seit 2009 Vize-Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kuratoriumsmitglied von ProChrist, Irmgard Schwätzer, seit 2013 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland – die ehemalige Debakel-Bauministerin der FDP oder Hermann Gröhe (seit 1997 Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, von 1997 bis 2009 Mitglied des Rates der EKD und von 2000 bis 2009 Mitherausgeber des Magazins Chrismon).

Es verwundert nicht, daß solche Typen Mitglieder abschrecken.

Noch schlimmer sieht es allerdings an der geistlichen Front aus.
Mit Huber, Käßmann, Schneider und nun Bedford-Strom gab es schon vier EKD-Chefs in Folge, die durch besondere Doofheit auffielen.
Tiefer kann man kaum noch sinken.
Es gibt ohnehin keinen vernünftigen Grund Mitglied der Kirche zu sein.
Um Mitglied zu BLEIBEN, müßte aber wenigstens das Spitzenpersonal mit Charisma und Überzeugung agieren.
Aber so einer ist bei der EKD nicht zu finden.
Die Konsequenzen sind genau die zu Erwartenden.

Austrittswelle bei der Nordkirche – Landesbischöfin besorgt
[…] Neue Hiobsbotschaften für Gottes Bodenpersonal: Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Norddeutschland zählte Ende 2014 nur noch 2,14 Millionen Mitglieder – rund 47.500 weniger als im Vorjahr. Damit war der Mitgliederverlust in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr um 10.000 Menschen höher als im Jahr 2013, berichtet jetzt der Evangelische Pressedienst (epd) mit Hinweis auf die amtliche Statistik. 2012 hatte die Nordkirche noch 2,23 Millionen Mitglieder.
[…] Der protestantisch geprägte Norden Deutschlands erlebt derzeit den wohl gravierendsten Abwärtstrend seit 20 Jahren. […]
Die EKD-Mitgliederstatistik zeige, dass Kirchenaustritte zum "Massenphänomen" geworden seien, schreibt jetzt die evangelische Nachrichtenagentur idea. "Kexit", neudeutsch für Kirchenaustritt, sei für viele Menschen heute wieder eine Option, meint idea mit Hinweis auf den "Grexit", Griechenlands potenziellem Austritt aus dem Euro.
Dazu kommt ein gering ausgeprägtes Interesse der norddeutschen Protestanten, am kirchlichen Leben teilzunehmen. Wie ebenfalls aus einer EKD-Statistik hervorgeht, besuchen durchschnittlich nur noch 2,4 Prozent der Nordkirchen-Christen einen Gottesdienst. […]

Bischof Bedford-Strom, der seit seiner Wahl zum Chef-Protestanten Deutschlands in kurzer Abständen immer wieder mit spektakulärem Niveau-Limbo auf sich aufmerksam macht, zeigte auch angesichts des dramatischen Mitgliederschwundes wie erbärmlich er argumentieren kann.
Wie ein schmieriger Parteigeneral in der Berliner Runde, der nach Machtverlust und Stimmenverlust mit abstrusesten Vergleichen das Ergebnis schönredet, beeindruckt auch Bischof BS mit einer Aussage, die sogar Gott aus der Kirche austreten lassen würde.

Der neue EKD-Ratsvorsitzende, Professor Heinrich Bedford-Strohm, beobachtet freilich auch eine positive Entwicklung: "Unter den Kirchenmitgliedern steigt der Anteil derer, die sich keinen Austritt vorstellen können.

Chapeau!

Montag, 22. Juni 2015

Linke nerven und linke Nerven.


Nach dem kleinen SPD-Parteitag am Wochenende, überschlagen sich wieder laute im linken Spektrum aktive Menschen mit SPD-Bashing.
Jetzt könne man die SPD nicht mehr wählen, heißt es dort ebenso häufig wie „schon seit Schröder ist die SPD unwählbar“.

Das hört man besonders massiv von den Typen, die ohnehin nie SPD wählen, weil sie deutlich weiter links stehen, oder denjenigen, die durch Nichtwählen oder ein Kreuz bei der Linken oder den Piraten letztendlich für Frau Merkel gestimmt haben.

Dessen muß man sich immer bewußt sein: Wenn man sich als ehemaliger SPD-Wähler nun beleidigt abwendet und gar nicht mehr wählt, bzw seine Stimme einer Partei gibt, die unter der 5%-Hürde bleibt, freut sich nur eine: Frau Merkel.
Damit ist sie wieder eine Stimme näher an der Kanzlermehrheit.
Diejenigen, die von der SPD gefrustet ihre Stimme dem Gesamtkuchen entziehen, sind letztlich dafür verantwortlich, daß es noch wesentlich übler als die angeblich so rechte SPD kommt: Nämlich CDU.
Schon bei der Wahl 2013 hätten wir um ein Haar CDU/CSU-pur bekommen.
Dann gäbe es aber gar keinen Mindestlohn, wesentlich mehr Überwachung, garantiert keine Homoehe oder doppelte Staatsbürgerschaft. Dann gäbe es keine Mietpreisbremse, sondern Steuerentlastungen für die Reichsten.
Neben den Gaga-Projekten Maut und Herdprämie würden weitere xenophobe Programme durchgedrückt werden. Schon jetzt schreit die CSU wieder nach mehr Abschiebungen und Asylrechtsverschärfungen.
Die CDU würde massiv aufrüsten und in der Außenpolitik noch brutaler gegen Russland und Griechenland vorgehen.
Und auch wenn man Gabriel noch so sehr verachtet: Er hat so viele Rüstungsexporte verhindert wie noch keine andere Bundesregierung zuvor.
Ohne die SPD in der Bundesregierung und im Bundesrat könnte man Patientenverfügungen vergessen – ebenso wie Integrationskurse, Hilfen für die Bundesländer bei Sprachförderung und Bildungseinrichtungen.
Ohne die SPD gäbe es mit Sicherheit kein Bestellerprinzip bei Wohnungsvermittlungen; es würden weiterhin VERmieter den Makler bestellen und den MIETER drei Monatsmieten Courtage zahlen lassen.
Ohne Gabriel und Maas würde die NSA bis heute ungeniert den BND instrumentalisieren und es bestünde gar keine Chance etwas über die geheimen Selektorenlisten zu erfahren.
Es gäbe keinen Justizminister, der sich gegen rechtsradikale Umtriebe von Pegida und Co engagieren würde. Keine Umweltministerin würde das Ego-Bundesland Bayern zwingen auch seinen Beitrag bei der Atom-Endlagerung zu leisten.
Ohne die Sozis säßen wieder die Lobbyisten des Atomoligopols direkt im Bundesumweltministerium, um sich selbst die passenden Gesetze zu schreiben.

Es gibt also eine Menge rein inhaltlicher Überlegungen, die eine CDU-Bundesregierung mit SPD-Beteiligung wesentlich besser als CDU-pur oder Schwarzgelb machen.

Natürlich ist das was Gabriel am Wochenende erzwang, also seine Partei auf Vorratsdatenspeicherungskurs zu bringen, aus meiner Sicht der blanke Unsinn.
Ich finde es inhaltlich völlig falsch und glaube – offenbar im Gegensatz zu Gabriel – daß dieser Schwenk auch bei zukünftigen Wahlen eher schadet.

Am Wochenende ist die SPD-Spitze so heftig kritisiert worden, daß ich mir jetzt keine eigenen Formulierungen aus den Fingern saugen muß.
Christoph Hickmann beispielsweise spricht mir aus der Seele:

Sigmar Gabriel hat sich durchgesetzt, die SPD steht zur Vorratsdatenspeicherung. Um das zu erreichen, hat der Parteichef dem bislang erfolgreichen Justizminister Maas die Glaubwürdigkeit genommen, einen tiefen Graben durch die SPD gezogen und den Grünen mal wieder die Gelegenheit gegeben, das Bild einer Law-and-Order-Sozialdemokratie zu zeichnen. All dies für ein Gesetz, das der SPD allenfalls unterhalb der Promillegrenze Stimmen bringen dürfte. Warum tut der Mann sich und seiner Partei das an?
[…..] Sein Einsatz für die Vorratsdatenspeicherung speiste sich aus der Sorge, dass es hierzulande irgendwann einen Terroranschlag geben könnte und dann alle Welt, die Union vorneweg, schnell auf die Sozialdemokraten gezeigt hätte: Weil die nicht wollten, haben wir jetzt halt keine Vorratsdatenspeicherung! Der entscheidende Einwand, dass man den Anschlag damit ja nicht verhindert hätte, wäre in der innenpolitisch aufgeheizten Atmosphäre mit ziemlicher Sicherheit untergegangen - so jedenfalls Gabriels Überlegung. […..] Gabriel ist sich seines Kurses umso sicherer, je lauter die Parteilinken aufjaulen. […..]
        (Hickmann, SZ, 22.06.15)


Aus meiner Sicht war es also inhaltlich und taktisch absurd was die Parteispitze am Wochenende durchzog.
Ja, da muß man sich als einfaches Mitglied mal wieder schämen.

Aber anders als die CDU sind wir keine Abnickerpartei.
Immerhin 40%, also 88 Delegierte, haben NEIN gesagt.
Das war schon ordentlich Gegenwind für den Vorsitzenden. Er kann beim besten Willen nicht behaupten die Basis stünde in dieser Frage voll hinter ihm.
Bei der nächsten derartigen Frage müssen eben noch mal 10% mehr Delegierte mobilisiert werden.
Immerhin hatte man als Parteimitglied so zu wiederholten Male (nach der Mitgliederbefragung über die GroKo) direkten Einfluss auf die Bundesregierung.
Blöderweise gehörte ich in beiden Fragen zur Minderheit, aber das muß ja nicht immer so sein.



Und außerdem betrachte ich Wahlentscheidungen immer noch als Suche nach dem kleinesten, aber realistisch möglichen Übel.
Meine Traumpartei, die 100% aller meiner Wünsche im Programm hat würde ich nicht wählen, wenn sie entweder nicht über 5% käme, oder sie wie die Linke 2013 als Koalitionspartner ausgeschlossen worden wäre.
Und die Grünen, die jetzt so von oben herab über die SPD spotten, sind die Partei, die fest an der Seite der schwarzbraunen Hessen-CDU (Roland Koch, Hohmann, Kristina Schröder, Erika Steinbach, Kanther, Dregger, jüdische Vermächtnisse) steht und zudem inzwischen zu einem Subunternehmen der protestantischen Kirche geworden ist.
Das ist tatsächlich unwählbar für mich.