Montag, 5. Mai 2014

In der schwarzen Provinz



In allen Bundesländern gibt es diese ultraschwarzen Wahlkreise, in denen nur konservative Bauern oder ähnliches hocken.
Der bundesweit bekannteste superschwarze Wahlkreis ist Cloppenburg-Vechta in Niedersachsen. Dort leben nur Schweinezüchter und die die CDU holt dort Ergebnisse, die klar über denen der CSU in ihren Hochburgen liegen.
Da kann Merkels Partei auch einen Hydranten aufstellen; er würde die absolute Mehrheit holen.
In der Millionenstadt Hamburg gibt es zwar keine sicheren Bundestagswahlkreise für die CDU, aber wenn man eine Ebene drunter rutscht, finden sich doch Stadtteile, die fest in CDU-Hand sind. Dazu zählen Blankenese, Nienstedten, Wellingsbüttel, Poppenbüttel, Lemsahl, Sasel, Ohlstedt, Tatenbarg, Ochsenwerder, Reitbrook, Spadenland, Kirchwerder und Francop. (Glücklicherweise sind die Letztgenannten im Hamburger Süden allesamt dünn besiedelt)
In NRW sieht es ähnlich aus – auch da sind die tiefschwarzen Wahlkreise die großen Ländlichen am Rande. Und selbst in der „Herzkammer der Sozialdemokratie“ gibt es todsichere CDU-Hochburgen.
Paderborn, Hochsauerlandkreis, Coesfeld, Steinfurt, Borken, Heinsberg und Kleve.

Sprechen wir über Kleve.
Zugegeben, ich kenne Kleve nicht. Aber Kleve ist mir schon deswegen unsympathisch weil es seit 20 Jahren kontinuierlich Ronald Pofalla mit meistens mehr als 50% der Erstimmen in den Bundestag schickt. (1994-2014)
Das ist eigentlich unverzeihlich.
Vor Pofalla war es in Kleve allerdings noch schlimmer CDU. Heinrich Seesing (1983-1994) holte ebenso wie Jochen van Aerssen (1976-1983) bis zu 60%, der Bauer und Theologe Emil Solke (1969-1976 und 1953-1961)  kam auf bis zu 76% und der stramm katholische Adelige Felix Freiherr von Vittinghoff gen. Schell zu Schellenberg (1961-1969) holte ebenfalls über 70% für die CDU in Kleve.

Untypischerweise für Kleve ist die Inkarnation der verbalen Entgleisung Ronald Pofalla ein evangelischer Christ.


Daß der Schreihals kurz nach dem erneuten Gewinn seines Bundestagsmadats 2013 seine eigenen Parteifreunde gleich wieder im Stich ließ, um seine politische Karriere zu Gunsten eines extra für ihn geschaffenen pro-forma-Jobs beim Staatskonzern Bundesbahn mit einem siebenstelligen Jahresgehalt hinzuwerfen, kam nicht überall gut an.

Die Nachricht, dass der Kreis Klever CDU-Bundestagsabgeordnete Ronald Pofalla in den Vorstand der Deutschen Bahn AG wechselt, ist bei den Christdemokraten landauf, landab gestern wie eine Bombe eingeschlagen. […]   Wie die Gemütslage der christdemokratischen Mitglieder im Kreis Kleve aussieht, machte der CDU-Kreisparteichef Dr. Günther Bergmann aus Kalkar deutlich: "Das ist jetzt eine schwierige Zeit für die Partei im Kreis Kleve. Vor wenigen Wochen hat Ronald Pofalla noch die Koalitionsverhandlungen in Berlin als Kanzleramtsminister koordiniert, um dann in letzter Sekunde auf ein Ministeramt zu verzichten, weil er eine Familie gründen wollte. Und jetzt kommt der nächste Überraschungssprung", sagt Bergmann, für den die Meldung vom Seiteneinstieg bei der Bahn "völlig überraschend" kam.   Kleves CDU-Stadtverbandschef Jörg Cosar setzt einen drauf: "Das Ganze hat in meinen Augen mit politischer Kultur nichts mehr zu tun. Das schadet der CDU im Kreis und ist auch für die Kommunalwahl nicht gerade günstig."  […]

Aber was passiert bei den am 25.05.2014 in Kleve stattfindenden Kommunalwahlen? Werden die Wähler sauer auf ihre CDU sein?
Die Religionsstruktur der an der niederländischen Grenze gelegenen Stadt gibt da Hinweise. 66% sind römisch-katholisch, 16 % evangelisch, 19% bekennen sich zu einer anderen Konfession oder sind konfessionslos.
Wie sollten so fromme Menschen nicht die CHRISTLICH-demokratische Union wählen?
Nun ja. So wie sich die Bürger nicht mehr auf ihre CDU verlassen können, so lockern sich auch die Bindungen zur RKK. Gucken wir auf die kleine Hansestadt Emmerich am unteren rechten Niederrhein, die als  kreisangehörige Stadt zum Kreis Kleve gehört.
Emmerich wurde vor 1.300 Jahren als Missionsstation im Bistum Utrecht gegründet; heute leben dort 30.000 Menschen.
Bürgermeister Johannes Diks, natürlich von der CDU, wurde mit 61,4% gewählt. Die vielen katholischen Schäfchen verteilen sich auf fünf Pfaffen.

In Emmerich gibt es zwei römisch-katholische Seelsorgeeinheiten mit fünf Pfarren.
Die Seelsorgeeinheit St. Christophorus und St. Johannes der Täufer deckt räumlich die Ortsteile Altstadt, Leegmeer, Speelberg, Vrasselt, Praest und Dornick ab. Am 28. November 2004 wurden die vier katholischen Stadtgemeinden St. Martini, St. Aldegundis, Heilig-Geist und Liebfrauen zur neuen Stadtpfarre St. Christophorus fusioniert.
Zur Pfarre St. Johannes der Täufer zählt die namengebende Kirche in Dornick, St. Antonius in Vrasselt, und St. Johannes Baptist in Praest.
Die Seelsorgeeinheit Elten, Hochelten, Hüthum wird gebildet von den Pfarren St. Georg in Hüthum, St. Martinus in Elten, und St. Vitus in Hochelten.
Die katholischen Pfarreien von Emmerich gehören zum Dekanat Emmerich im Kreisdekanat Kleve des Bistums Münster.
(Wiki)

Aber selbst im Rheinisch-katholischen Kernland ist nicht mehr alles eitel Sonnenschein. Die frommen Schäfchen des mächtigen Münsteraner Bischofs Felix Genn geben sich im Amtsgericht die Klinke in die Hand, um auszutreten. 2012 sagten 58 Emmericher der RKK Adieu, im drauffolgenden TVE-Jahr traten 120 aus und selbst diese Rekordzahl ist in den ersten vier Monaten des Jahres 2014 schon fast eingeholt – 95 Menschen verließen die Katholische Kirche bis April 2014.
Was ist da los?
Eigentlich nichts Besonderes. Es ist nur die RKK 2014, die nervt.

Als sich die Situation um die Geistlichen Karsten Weidisch und Christian Olding zuspitzte, äußerten viele Gläubige deutlich ihre Enttäuschung über die Kirche. Ins Zentrum der Kritik rückte nicht der Glaube an sich, sondern die Amtskirche. Daher wurden Stimmen laut, einen Schlussstrich zu ziehen und aus der Kirche auszutreten. Quasi als Denkzettel für die Amtskirche.
Hubert Lemken, Geschäftsführer des Kreisdekanates Kleve, weiß, dass Entwicklungen rund um die Kirche genau verfolgt werden und die Gläubigen sensibel darauf reagieren. So war die Zahl der Austritte im gesamten Kreisdekanat schon einmal 2010 spürbar angestiegen, als die Kirche wegen der Missbrauchsvorwürfe Negativschlagzeilen machte. "Und als es diese Geschichte mit Tebartz van Elst gab, haben wir das sofort bei den Austrittszahlen in Kevelaer gemerkt", sagt Lemken. Der umstrittene Bischof stammt aus der Kommune.

Sonntag, 4. Mai 2014

Koalitionen



 In meiner Küche hängt noch aus den 80er Jahren die RR-Weltkarte.


Es war eine Domäne der wenigen richtig Linken in der Welt sich auf diese Weise über den großen Bruder lustig zu machen. Die SPD stand ebenso fest an der Seite der USA wie die Union.

Wenn ich mir die Graphik heute so ansehe, ist die US-Sichtweise erstaunlich aktuell. Russland wird fast noch mehr dämonisiert. Während des kalten Krieges war die Sowjetunion wenigstens noch weit weg.
Was hatte man schon mit den bizarren Kommunisten im Warschauer Pakt zu tun, außer daß sie mit ihren bizarren Namen und abstoßender Physionomie auf internationalen Sport-Events die Medaillenspiegel durcheinander wirbelten?
Ich erinnere mich noch gut an die Olympiade 1984 in Sarajewo, als Katharina Witt ihren internationalen Durchbruch feierte und sie den Spitznamen „das schöne Gesicht des Sozialismus“ abbekam.
Es war eine völlig neue Erfahrung, daß Menschen ansehnlich und sogar anmutig aussehen konnten, obwohl sie aus dem Kommunismus stammten.
Nach gängiger westdeutscher Vorstellung hatten alle Menschen „der zweiten Welt“ wie mürrische Pykniker auszusehen.
Seit dem hat sich viel verändert.
Erst kollabierte die Sowjetunion. Es wurde Demokratie ausprobiert, die katastrophale Folgen hatte: Kriminalität explodierte, wenige Oligarchen rissen sich fast das gesamte Volksvermögen unter den Nagel, die breite Masse der Russen verarmte. Es kam zu echten Hungersnöten, Rentner mußten auf der Straße um ihr Überleben betteln, weil weder Löhne noch Renten ausgezahlt wurden. Zudem verlor die Regierung fast ihren gesamten weltpolitischen Einfluß. Jede ehemalige UdSSR-Teilrepublik und jeder ehemalige Warschauer-Pakt-Staat konnte Russland nach Belieben auf der Nase rumtanzen. Russland mußte sich Carepakete schicken lassen und zusehen, wie sich die NATO als Sieger feierte.

In den letzten zehn Jahren zog Wladimir Putin die Zügel an. Er stoppte den totalen Ausverkauf des Landes, wies die raffgierigen Neu-Milliardäre in die Schranken, indem er beispielsweise den im Westen gefeierten Chodorowski daran hinderte russische Ölvorkommen an die USA zu verscherbeln.
Und auch die lästige Opposition wurde kontinuierlich geschwächt, bis der Kreml wieder so handlungsfähig wurde, daß er überhaupt das Land regieren konnte.
Die ökonomischen Folgen sind zweifellos beeindruckend.
Im tiefsten Sibirien quellen die Geschäfte über vor Waren, die Arbeitslosigkeit beträgt weniger als 5%, die Russen können es sich erstmals seit Jahrhunderten leisten zu reisen. Es gibt wieder Sicherheit auf den Straßen, die Infrastruktur wurde repariert und sogar die vielen Russlanddeutschen, die Anfang der 90er in Scharen das Land verließen, kommen zurück, weil die Karrierechancen inzwischen in Russland besser sind.
Nach einer aktuellen Studie der Weltbank, welche die Kaufkraft eines Landes als entscheidenden Parameter untersucht, wird Russland nach Deutschland noch dieses Jahr die sechstgrößte Wirtschaftsmacht der Erde sein. Platz 1: China, Platz 2: USA.

Indien wird laut den neuen Daten die drittgrößte Wirtschaftsmacht. Darauf folgt Japan, gefolgt von Deutschland, Russland und Brasilien. Die Plätze acht bis 12 belegen demnach Frankreich, Großbritannien, Indonesien, Italien und Mexiko.

Zweifellos ist Russland wieder wer.
Nicht unbedingt demokratisch, aber für demokratische Freiheiten à la Gorbatschow gilt erst einmal „Tried it once, didn’t like it!“
Verglichen mit dem ökonomischen Giganten China, das jährlich vermutlich 10.000 Menschen hinrichtet und gar nicht erst wählen läßt, ist Russland allerdings geradezu eine Musterdemokratie.
Merkel und Obama kritisieren allerdings nicht China. Die Menschenrechte in China spielen auch in der russophoben deutschen Presse derzeit keine Rolle.
Natürlich nicht, denn China läßt sich nicht sanktionieren. „Der Westen“ ist schließlich vollkommen finanziell und ökonomisch von China abhängig.

(Ich teile übrigens die Ansicht, daß Deutschland China nicht wegen der Demokratiedefizite kritisieren sollte. Allerdings nicht aus ökonomischen Gründen, sondern weil ich das schlicht und ergreifend für extrem anmaßend halte, wenn ein Land, welches den Planeten mehrfach mit Weltkriegen überzog, hundert Millionen Tote dabei verursachte und mühevoll vor 60 Jahren zwangsdemokratisiert werden mußte, einer 6000 Jahre alten Kulturnation, die nicht kolonialisierte und Weltkriege anzettelte, erklärt, wie es sich politisch zu organisieren hat! Aber das ist ein anderes Thema.)

Um auf das Weltbild des Ronald Reagan zurückzukommen:
Es gibt also doch Unterschiede zur US-Sicht von vor 30 Jahren.
China ist sakrosankt und Russland ist viel näher gerückt. Es gibt russische Tennisspieler, in Moskau findet der Eurovision Song Contest statt und russische Touristen sind als Konsumenten europäischer Luxuswaren unverzichtbar.
St. Moritz, die Côte d'Azur, Baden Baden und die gesamte deutsche  Energiewirtschaft könnten ohne Russland gleich zumachen.

Russland differenzierter zu betrachten und sogar verstehen zu wollen, ist nicht mehr nur ein exotischer Spleen einiger universitärer K-Gruppen, sondern wird von einer sehr heterogenen Gruppe Menschen betrieben:
Helmut Schmidt, Philipp Mißfelder, Klaus von Dohnanyi, Gabriele Krone-Schmalz, Peter Scholl-Latour, Gregor Gysi, Gerhard Schröder, Henning Voscherau, Peter Gauweiler, Katja Kipping, Erhard Eppler und Jakob Augstein.
Eine seltsame Koalition, die von fast der gesamten strikt russophoben Presse, also taz bis FAZ, SPIEGEL bis BILD und Welt bis SZ, scharf kritisiert wird.

Im Ukraine-Konflikt halte ich es aufgrund der völlig unübersichtlichen Lage für absolut verantwortungslos sich auf eine Seite zu schlagen, wie es Washington tut.

Wer die inzwischen freigelassenen OSZE-Beobachter auf wessen Befehl festgesetzt hat, weiß noch niemand. Aber ausgerechnet CSU-Rechtsaußen und Parteivize Gauweiler unterstützt im SPIEGEL-Interview von morgen meine Skepsis bezüglich deutscher Offiziere mitten im Getümmel und heißt zudem Schröders Gespräch mit dem russischen Präsidenten gut. Bizarr.

Während der ganzen Ukraine-Krise lautete Deutschlands Position, wir dürfen bei aller Kritik den Draht zu Russland nicht abreißen lassen. Noch vor wenigen Tagen haben die Vorstände der Bundestagsfraktionen von Union und SPD dies in einem Beschluss bekräftigt. Wenn Altkanzler Schröder genau das tut, habe ich das nicht zu beanstanden. […] Darf man mit Fidel Castro über mehr Freiheit reden und eine von ihm angebotene teurere Zigarre annehmen und mitrauchen? Ich denke, man muss – selbst wenn man Nichtraucher ist! […]Noch mal: Zwischen Deutschen und Russen besteht hoher Gesprächsbedarf, gerade auch weil
richtig und falsch in dieser Krise nicht so eindeutig verteilt sind, wie wir gern tun. […]  Aktuell werfen die Aktivitäten deutscher Bundeswehroffiziere in Zivilkleidung in der Ostukraine Fragen auf: Entgegen dem in der deutschen Öffentlichkeit erzeugten Eindruck waren diese Bundeswehrangehörigen nicht Teil der „Sonderbeobachtermission der OSZE in der Ukraine“, auf die sich über 50 Länder, darunter Russen und Amerikaner, im März geeinigt hatten. Diese OSZE- Sondermission sollte aus gutem Grund nur aus zivilen Beobachtern bestehen. [….] Ich habe mich allerdings auch gefragt: Warum zum Beispiel bedankt sich ein deutscher Offizier bei seinem Geiselnehmer in einer öffentlichen Pressekonferenz? Der ganze Vorgang macht auch für die Bundeswehr einen unguten Eindruck. [….] Helmut Schmidt [hat] recht: Die Rückkehr der Krim nach Russland ist vom Selbstbestimmungsrecht der Völker gedeckt und insofern nicht rechtswidrig.  Warum soll den Menschen auf der Krim von Kiew verboten werden können, was die Regierung in Großbritannien den Schotten erlaubt – ein Referendum über ihre eigene Zukunft?
(Peter Gauweiler im SPIEGEL 05.05.2014)

Ich bin gespannt, ob Obama sich nicht bald auch für uneingeschränkte Parteinahme für die an die Macht geputschte Kiewer Übergangsregierung („Obama lobt die Kiewer Übergangsregierung ohne Vorbehalt“) genauso auf die Zunge beißen wird, wie für seine nicht überschreitbaren roten Giftgas-Linien in Syrien.
Die feine englische Art ist es ja nicht eben, wie sie diejenigen verhalten, die so begeistert von westlichen Politiker aller Couleur – etwa der Grünen EU-Spitzenkandidatin Harms – in Kiew gefeiert werden. Im Ukrainischen Odessa sind Russland-freundliche Bewohner offenbar vogelfrei.

Die Polizei sah tatenlos zu, als im südukrainischen Odessa ein Gewerkschaftshaus in Brand gesetzt wurde. Dutzende prorussische Aktivisten kamen ums Leben. […] Laut ukrainischen Medien wurde von prorussischen Besetzern aus den Fenstern und vom Dach aus geschossen. Aus der Menge vor dem Gebäude flogen Steine und Molotow-Cocktails. An mehreren Stellen im Gewerkschaftshaus brach Feuer aus. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich wohl mehrere hundert Menschen im Inneren. Manche versuchten, sich mit einem Sprung aus dem Fenster zu retten. Videoaufnahmen zeigen einen Überlebenden der Katastrophe, der auf allen vieren aus der Ruine kriecht. Er wird von seinen Widersachern mit Knüppeln und Fußtritten traktiert.
Die Polizei tat nichts, um den Hass zu bremsen. Die Sicherheitskräfte sahen weitgehend tatenlos zu, wie sich die Gewalt in Odessa durchsetzte. […] Verstörend ist die Sprache, die Behörden und Medien angesichts der Katastrophe wählen. Während in Odessa Menschen verbrannten, meldeten ukrainische Medien geradezu triumphierend, "Patrioten" hätten die "Separatisten zurückgeschlagen". Man sei dabei, sie erfolgreich "auszuräuchern".
[…] Der Gouverneur des Gebiets, Wladimir Nemirowsky […] hat drei Tage Trauer in Odessa angeordnet. Versöhnlich aber war er nicht. Ausgerechnet die Brandstifter, deren Feuer Dutzende Menschen das Leben gekostet hat, nahm der Gouverneur ausdrücklich in Schutz: Um "bewaffnete Terroristen zu neutralisieren" sei das Vorgehen "legal" gewesen. […]

 Mit einer schwarz-weiß-Sicht, also Ukraine = edle Freiheitskämpfer, Russen = bähbäh, tun sich EU und NATO keinen Gefallen.

Man sollte sich nicht wundern, wenn die russische Öffentlichkeit sich angewidert abwendet und nach einem drakonischen Eingreifen Putins verlangen sollte. Es ist schwierig einen Überblick zu behalten und klar auseinander zu halten wer wo mit welchem Interesse die Strippen zieht. Deshalb sollte man auch kritischere Medien wahrnehmen. Zum Beispiel:

Die beispiellose Desinformationskampagne führender deutscher Medien hat anlässlich der in Odessa verübten Morde an über 40 Menschen einen neuen Höhepunkt erreicht. In der ukrainischen Millionenmetropole sei das Gewerkschaftshaus "in Brand geraten" - "eine Katastrophe", deren Urheber noch nicht bekannt wären, hieß es unmittelbar nach der Brandschatzung am 2. Mai übereinstimmend. Während auf Fotos internationaler Presseagenturen Anhänger der Kiewer Putschisten zu sehen waren, die den im Gewerkschaftshaus Eingeschlossenen Brandsätze hinterherwerfen, übernahmen maßgebliche deutsche Medien mehrfach Lügenberichte ukrainischer Geheimdienstorganisationen.
[…] Am gestrigen Sonntag und damit 72 Stunden nach den Morden von Odessa verfiel die ARD schließlich auf die Idee, Arsenij Jazenjuk, einem der aggressivsten Vertreter der Kiewer Putschisten, das Wort für die Schutzbehauptung zu erteilen, wonach die Polizei von Odessa versagt habe, die Urheber aber in Russland säßen (Moskauer "Plan zur Zerstörung der Ukraine"). Die ARD zitierte die antirussischen Hasstiraden auf ihrer Internetseite in wörtlicher Ausführlichkeit und zusätzlich in einem Bildbericht zur Prime Time um 20.00 Uhr, ohne auch nur eine einzige zweite Quelle zu nennen, die der Propaganda Tatsachen hinzufügte oder entgegensetzte. Weiter ist von "blutigen Zusammenstößen" die Rede, denen bei der ARD die handelnden Subjekte fehlen oder deren Urheber ausschließlich unter den Aufständischen gesucht werden. So hieß es in der gestrigen "Tagesschau" um 20.00 Uhr, die Morde von Odessa seien nur eine Reaktion auf Angriffe der Ermordeten gewesen.
Die Nachrichtengebung über die Verbrechen von Odessa ist Teil einer seit Monaten anhaltenden systematischen Einebnung journalistischer Standards, die inzwischen den politischen Vorgaben der Berliner Außenpolitik fast vollständig angepasst sind. So erging sich die ARD tagelang in einem Verwirrspiel über die Militäroperation der Bundeswehr, die auf Anfrage des Putschregimes in Kiew sogenannte Beobachter Richtung Ostukraine geschickt hatte, ohne dass den Zuschauern Ross und Reiter genannt wurden. Mal hießen die deutschen Militärs in der ARD "Teilnehmer einer OSZE-Mission", mal wurde ihr Status auf den von "Diplomaten" reduziert.
[…] Gegen die Desinformationskampagne führender deutscher Medien regt sich erheblicher Widerspruch, der zur zeitweisen Abschaltung der Kommentarfunktionen auf den Internet-Seiten der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten führt - "wegen Überlastung". Tatsächlich gelingt es der staatsnahen Presse nicht, die Mehrheit ihres Publikums von einer unausweichlichen militärischen Neuausrichtung zu überzeugen, wie sie der NATO-Generalsekretär (wiederum in der ARD vom gestrigen 4. Mai) unverblümt fordert (Erhöhung der Rüstungsbudgets) Die Zweifel einer Bevölkerungsmehrheit gelten der weiteren Einkreisung Russlands, der damit steigenden Kriegsgefahr und strafen das EU-Leitmotiv ("Frieden in Europa") Lügen. […]

Und, nein, ich bin kein Verschwörungstheoretiker und verbürge mich auch nicht für die GFP-Sichtweise.
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es ganz andere Wahrnehmungen als die der großen Medienanstalten GIBT.

Samstag, 3. Mai 2014

In der Schmollecke.



Es ist schon an sich demütigend wie unterwürfig Merkel im Weißen Haus auftritt und dann auch noch von ausgerechnet dem Senator, der Sarah Palin für eine wunderbare US-Vizepräsidentin hielt und persönlich auf dem Euromaidan zusammen mit Faschistenführern Öl ins Kiewer Feuer goss, angepinkelt wurde.
Nun gut, in Amerika wimmelt es bekanntlich von enthirnten Politikern, die unter Außenpolitik Säbelrasseln und Kriegführen verstehen.

Weniger schön ist es natürlich zu beobachten wie Obama seine inzwischen ohnehin ruinierte Glaubwürdigkeit weiter unterminiert, indem er wie sein Vorgänger Behauptungen über andere Länder aufstellt, die nicht zu belegen sind.

[….] Obama lobt die Kiewer Übergangsregierung ohne Vorbehalt, Merkel ist vorsichtiger. Der US-Präsident sieht die prorussischen Separatisten uneingeschränkt als Werkzeuge Moskaus, die Kanzlerin ist da nicht so explizit. Und vom russischen Präsidenten spricht Obama nur noch als "Mr. Putin".
[…]  Merkel [ist] bereit, sich in der Causa NSA zu gedulden. Erwartungsgemäß hat ihr der US-Präsident an diesem Freitag keine wirklichen Zugeständnisse gemacht, der von Obama erwähnte "Cyber-Dialog" war bereits von den Außenministern beider Seiten vereinbart worden. [….]

Und Merkel steht daneben und sagt nichts.
Dabei bestreiten die sogenannten „prorussischen Kräfte“ überhaupt in Kontakt zu Moskau zu stehen.
Offenbar hat sie aus den falschen Anschuldigungen, die das Weiße Haus gegen den Irak abfeuerte nichts gelernt.
Diplomatie?
Globalisierte Welt?
Wechselseitige Abhängigkeiten?

Merkel und Obama wollen durch Ausgrenzung und Isolation einer Nation ihre Zwecke erreichen – in der Annahme, daß Russland, von dem Deutschland auch noch energiepolitisch abhängig ist – dann vor ihnen in den Staub fällt und alles tut was Amerika möchte.
Was für eine dumme und veraltete Denkweise.
Wir sind nicht mehr im 19. Jahrhundert, in dem man wirtschaftliche Verbindungen einfach kappen konnte. Die Menschen sind auch nicht mehr ortsgebunden, sie agieren supranational und dann gibt es auch noch so etwas wie das Internet; auch wenn das für unsere Kanzlerin noch „Neuland“ ist.

Ich staune immer noch über den Tonfall, der in der deutschen Presse herrscht. Dabei zeigen doch gerade die Ereignisse im Osten der Ukraine, daß die in Ohnmacht vereinten Merkel und Obama ohne Putin völlig hilflos sind. Das gilt im Übrigen auch für andere internationale Konflikte.

Günther Jauch, der politische Depp, schafft in seiner morgigen Sendung mit reißerischen russophoben Titeln Hysterie:
"Kriegsgefahr in Europa - Ist Putin noch zu stoppen?"
In der Mopo wird die normale Anrede „Präsident Putin“ gar nicht mehr benutzt, sondern nur noch bedrohlich vom „Kreml-Herrscher“ gesprochen, als handele es sich um Sauron.
Sehr seriöser Journalismus!


Nun tat er als außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion einmal das, was wirklich sein Job ist und versuchte sich an Ort und Stelle Informationen über die große aktuelle außenpolitische Krise zu besorgen, statt nur devot die Anweisungen aus dem Kanzleramt abzunicken.
Das ist schließlich die ureigene Aufgabe der Mitglieder des außenpolitischen Ausschusses.
Da schreit die CDU aber Zeter und Mordio und fällt über den eigenen Parteifreund her. Eine sehr „merkwürdige Mission“ sei das, assistiert gehässig Spiegel-Online.

Offenbar frönt man in der größten Regierungsfraktion den eigenen Vorurteilen und will sich unter gar keinen Umständen von der Realität verwirren lassen.

Daß es womöglich Schröder stille Diplomatie war, die dafür sorgte, daß jetzt die deutschen Offiziere der OSZE freigelassen wurden, weil Moskau den Sondergesandten Wladimir Lukin nach Slawjansk schickte, um dem selbsternannten Bürgermeister Wjatscheslas Ponomarjow, einzuheizen, wird kaum erwähnt.

Eine rühmliche Ausnahme bildete gestern ein längerer und empfehlenswerter Kommentar von Thorsten Denker, der aufgrund der ökonomischen, kulturellen und politischen Verquickungen ausdrücklich dafür wirbt JEDEN Gesprächsfaden mit Moskau zu pflegen.
Die Ausgrenzungspolitik der EU, die lieber Putin von Gesprächen und Gipfeln auslädt und auf die große Sprachlosigkeit setzen, ist verrückt.

[…]  Jeder weiß, dass die Nord Stream AG zu 51 Prozent dem russischen Gasriesen Gazprom gehört. Die anderen 49 Prozent aber liegen in deutschen, niederländischen und französischen Händen. Der deutsche Energiekonzern Eon aus Düsseldorf und die zur BASF-Gruppe gehörende Wintershall Holding mit Sitz in Kassel teilen sich zusammen 31 Prozent der Anteile.
Die Pipeline-Gesellschaft Nord Stream ist also auch ein sehr deutsches Unternehmen. Gazprom hält die Mehrheit. Die Schlüsselpositionen in dem Unternehmen aber sind mit Deutschen besetzt. Es wäre recht eigentümlich, wenn an der Feier kein Deutscher teilgenommen hätte.
Die von Nord Stream gebaute Pipeline endet übrigens an der Küste von Mecklenburg-Vorpommern. Einer wie Erwin Sellering müsste schon hinterm Mond leben, um nicht die Chance zu ergreifen, sich im direkten Gespräch mit den deutschen und russischen Betreibern eine Lageeinschätzung aus erster Hand zu holen.
Moralisten würden vielleicht sagen, Schröder hätte die Party absagen müssen. Das wäre nicht realistisch. Putin hätte sich vor den Kopf gestoßen gefühlt. Und das wegen einer Feier. Es darf bitte wichtigere Anlässe geben, das Verhältnis zu Russland noch schlechter werden zu lassen, als es ohnehin schon ist.
Nein, es ist gut und wichtig, dass auch solche informellen Anlässe genutzt werden, um mit Putin im Gespräch zu bleiben. Gewiss: Die Lösung für die Dauerkrise in der Ukraine, die auch von den USA akzeptiert werden kann, wird nicht bei einem pompösen Galadinner gefunden werden. Aber Deeskalation durch Gesprächsbereitschaft auf allen Ebenen: Das ist das zweite deutsche Interesse. Mit Putin zu reden ist besser, als nicht mit ihm zu reden. Das weiß sogar die Kanzlerin. […]  Das wäre eigentlich auch eine Aufgabe für den für Außenpolitik zuständigen Fraktionsvize Andreas Schockenhoff, in der Fraktionshierarchie sozusagen der direkte Vorgesetzte von Mißfelder. Schockenhoff war von 2006 bis 2014 sogar Koordinator für die deutsch-russischen Beziehungen. Aber dank seiner langjährigen und fast schrillen Anti-Russland-Rhetorik bekommt er wohl nicht mal mehr den Hausmeister im russischen Außenministerium an den Apparat. […]