Montag, 8. April 2019

Alte Weisheiten.


Manchmal staune ich selbst wie umfangreich meine Büchersammlung inzwischen geworden ist.
Wenn ich nur die Zeit hätte das alles zu lesen.
Dabei lese ich schon sehr schnell, am schnellsten deutsch, dann kommt englisch und schon deutlich langsamer französisch.


Ich besitze unter anderem eine 200 Jahre alte Originalausgabe des „Lavater“ in zehn Bänden. Das sind echte Kunstwerke mit wundervollen Zeichnungen.
Wenn es nicht französisch wäre, hätte ich mich längst intensiver damit beschäftigt.


Johann Caspar Lavater (*1741 in Zürich; † 1801 ebenda), Pfaff, Philosoph und Schriftsteller war zu seiner Zeit eine Berühmtheit in Europa, verkehrte mit den größten Geistern seiner Gegenwart: Johann Wolfgang von Goethe, Johann Bernhard Basedow, Christian Fürchtegott Gellert, Moses Mendelssohn, Friedrich Gottlieb Klopstock.
  Über seine Versuche Mendelsohn zum christlichen Glauben zu bekehren würde man vermutlich bei einer Straßenumfrage vor einem McDonald nicht viel erfahren können, aber möglicherweise wissen doch einige den Namen Lavater mit Physiognomik zu verbinden.
Mit seiner Theorie der Physiognomik erklärt er ausführlich wie man den Charakter eines Menschen an Gesichtszügen und Körperformen erkennt.
Auf nach dem zweiten Weltkrieg Geborene wirkt das etwas schauderhaft; man denkt gleich an die NS-Rassenkunde und eifrige Nazi-Lehrer, die Nase, Kopfumfang und Kiefer ihrer Schüler akribisch maßen, um den genauen Arier-Typ zu bestimmen.

Das kann eigentlich gar nicht sein, daß man Charaktere an Gesichtern und Figuren erkennt.
Aber immer wieder erwische ich mich dabei zu denken, daß man an der Physiognomie die politische Gesinnung ablesen kann.
Jeder, der sich auf Phoenix Parteitage ansieht, muss eigentlich schon mal diesen ketzerischen Gedanken gehabt haben.
Sozialdemokraten sehen besser aus als Christdemokraten.
Wer beim Zappen rein zufällig in eine Parteiveranstaltung gerät, kann vermutlich schon vor der erhellenden Regie-Einblendung ahnen, ob es sich um AfDler oder Grüne handelt.
Ich meine, am besten lassen sich politische Gesinnungen bei den Jugendorganisationen zuordnen. Je älter, grauer und voluminöser die Gesichter werden, desto mehr verschwimmen die Unterschiede.
Am sichersten lassen sich jüngere Politiker der FDP (bzw Julis) und CDU (JUler) zuordnen.
Typen wie der junge Westerwelle, Lindner, Daniel Bahr, Rösler können nur zur FDP gehören.
Insbesondere bei den pyknischen, teigigen Gestalten mit massivem Knochenbau, weiß man es handelt sich um CDU- oder CSU-Nachwuchs.
Natürlich gibt es Ausnahmen, wie die filigrane Ursula von der Leyen, aber eigentlich sehen C-Frauen aus wie Steinbach, Merkel, Schavan, Pantel, Aigner, Hasselfeld, Maria Böhmer, Marlene Mortler, Anita Schäfer.

Bei den Männern ist es noch extremer. Altmaier, von Klaeden, Gröhe, Glos, Söder, Bouffier, Koch, Kohl, Strauß – die hätte Johann Caspar Lavater ganz klar in die CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder die Bischofskonferenz gesetzt.

Die extremsten Formen der C-Visagen findet man aber, wie gesagt, in den Jugend-Organisationen. Jeder kennt das aus der Schule oder der Uni: Die in JU und RCDS Organisierten sehen auch so aus als ob sie in der CDU wären.


Die JU-Chefs Philipp Mißfelder, Paul Zimiak, Tilman Kuban, Jürgen Echternach, Matthias Wissmann, Christoph Böhr, Hermann Gröhe oder Schatzmeister Philipp Amthor.

Ziemiak

von Klaeden

Kuban

Gröhe

[….] CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak [ist] "fassungslos darüber, dass jetzt die Maske gefallen ist" bei den Grünen, sagte Ziemiak nach einer Sitzung des Parteipräsidiums. Das sei keine Grundlage für eine Zusammenarbeit mit der CDU.
"Die Grünen sind nicht die nette bürgerliche Partei", sagte der CDU-Generalsekretär. Sie seien "die alten Grünen" mit Konzepten aus der Mottenkiste. Das gelte nicht nur für den Vorschlag Habecks zu Enteignungen, sondern auch für die erneute Forderung von Grünenfraktionschef Anton Hofreiter, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. [….]

Sonntag, 7. April 2019

Geistige Giganten des Konservatismus – Teil XXI


Gestern hatte ich mich mit der Prädisposition dafür ein Opfer zu werden beschäftigt.
Sehr problematisch ist aber auch wie Täter, aber auch Richter, Staatsanwälte und Medien die Opfer relativieren, indem sie stillschweigend davon ausgehen, die litten mehr oder weniger.
Das ist ein beliebter Topos in Krimiserien wie „Law And Order SVU“. Wird ein braves, jungfräuliches, weißes College-Mädchen vergewaltigt, setzt sich ein riesiger Apparat in Gang, um den Täter dingfest zu machen.
Ist aber eine Drogensüchtige, eine Schwarze oder gar eine Prostituierte das Opfer des gleichen Verbrechens, geht sie oft gar nicht erst zur Polizei, weil man eine Vergewaltigung an ihr als weniger schlimm ansehen könnte.
Diese Überlegungen schwingen auch in der causa #MeToo und #Grabbembythepussy eine Rolle. Haben nicht Frauen partiell selbst Schuld, wenn sie sich in Gefahr begeben? Kann ein Mann überhaupt anders, wenn die Frau aufreizend tanzt, kurze Röcke trägt oder ein ausladendes Dekolletee zeigt?
Kann man überhaupt eine Prostituierte vergewaltigen; eine Frau, die professionell mit Fremden schläft?
Die Fragen werden tatsächlich gestellt und im Jahr 2019 ist es offenbar immer noch notwendig „Nein heißt Nein“ zu betonen.
Dieses Jahr relativierten Kardinal Pell und sein Verteidiger Richter seine Vergewaltigung zweier kleiner Jungs damit, daß es sich um „naughty boys“ gehandelt haben, die zudem auch noch Messwein stehlen wollten.
Eine absolut ungeheuerliche Aussage für die Nummer Drei der 1,3 Milliarden Katholiken, der RKK, der selbsternannten Hüterin der Moral.

Eine andere Katholikin, Frau White, schrieb einen offenen Brief an die Studentinnen der Notre Dame, sie mögen doch bitte aufhören Leggings zu tragen. Sie habe vier Söhne und der Anblick quasi nackter Frauenbeine zwinge sie geradezu teuflisch zu werden.

[….] For years, Maryann White suffered in stoic silence. She prayed that fashions would change and the legging problem would go away. Alas, athleisure only became more popular. Eventually White could stand it no longer; distraught and desperate, she wrote a letter to Notre Dame’s student newspaper imploring female students to “turn their backs(ides) on leggings”.
“I’m not trying to insult anyone,” White writes in the letter, published on Monday. “I’m just a Catholic mother of four sons with a problem that only girls can solve: leggings.”
White explains that while her sons “know better than to ogle a woman’s body”, leggings make not-ogling impossible. She recounts a traumatic episode while attending mass at the university, when she was confronted by a group of young women wearing tight clothing. “You couldn’t help but see those blackly naked rear ends. I didn’t want to see them – but they were unavoidable.” Which honestly sounds like something she should have saved for the confession booth, rather than the letters page of her sons’ student newspaper.
“Leggings are so naked … so exposing,” she concludes. “Could you think of the mothers of sons the next time you go shopping and consider choosing jeans instead?” [….]

Die klassische Burka-Argumentation: Wenn Frauen sich nicht komplett verhüllen, nötigen sie die armen Männer dazu sie vergewaltigen zu müssen.
Das ist also keine ausschließlich islamische Argumentation.
Auch Frauen, die so supersexy wie Annegret Kramp-Karrenbauer oder Annette Schavan sind, müssen sich im Vatikan züchtig verhüllen, weil sonst die notgeilen Bischöfe lüsterne Gedanken bekommen.
Christliche Kleidervorschrift.



Die Abrahamiten frönen alle dieser perversen Logik; keine orthodoxe Jüdin zeigt in der Öffentlichkeit ihr Haar. Im Gegensatz zu vielen Muslimischen Frauen tarnen sie aber ihre Tarnung, indem sie Perücken tragen, um den abstrusen Regeln ihrer primitiven Hirtenkultur zu folgen.

Der Geistige Gigant des Konservatismus Nummer 21 ist der republikanische Politiker David Stringer aus Alaska.
Der Jurist wurde 2016 in das Arizona House of Representatives gewählt; inszeniert sich dort als typischer konservativer, frommer Geschäftsmann.

[….] David Stringer is a local businessman, and long-time advocate for the taxpayers and families of the First Legislative District in Arizona. He is running for re-election to the Arizona Statehouse to continue his work with State Representative Noel Campbell and provide a strong voice for rural Arizona and its unique needs. During his first term in the State House, he helped on cutting taxes, boosting classroom funding and teacher pay, reducing regulation, and boosting Arizona’s status as a top-job creating state.
David is committed to working on criminal reform in Arizona and protecting our personal freedoms as guaranteed by the First, Second, and Fourth Amendments of the Constitution. [….]

Als echter Konservativer halt er nichts von Diversität.
Die USA solle keine schwarzen Immigranten aus Afrika aufnehmen, die könnten sich nicht einfügen, erklärte der Abgeordnete vor vier Monaten.

[….] Stringer recently told Arizona State University students that African-Americans "don't blend in" and that Somali immigrants don't look like "every other kid" as previous European immigrants did. In the New Times story, backed up by audio recordings, students question Stringer about his views on immigration and race.
He told them "diversity in our country is relatively new." He then was asked about immigrants from eastern Europe who assimilated well into the 20th century.
"They were all European," Stringer said. "So after their second or third generation, everybody looks the same. Everybody talks the same. That's not the case with African-American and other racial groups because they don't melt in. They don't blend in. They always look different." [….]

Seine Politkarriere ist jetzt allerdings erst mal unterbrochen.
Der homophobe Anwalt hatte in den 1980er Jahren Jungs unter 18 Jahren für Sex bezahlt. Er zog nachts durch die Parks von Baltimore und poppte sogar geistig behinderte Jungs. Für zehn Dollar.


Das ist für homophobe GOPer nicht sehr ungewöhnlich und muss nicht unbedingt ihre Karrieren beenden. Man betet und erklärt anschließend wie Ted Haggard Gott habe ihm verziehen. Schwamm drüber.

Stringer stritt aber alles ab, am 02.04.2019 veröffentlichte er ein entsprechendes Statement; alles wäre erlogen.

[….] What I will say is that the charges I faced in 1983 are as false today as they were 35 years ago. I had forgotten exactly how sharp the gut-punch sensation was when I first heard about them way back then. But seeing them splashed around in headlines today by people celebrating them takes me back to the same feelings I had then. That experience gave me an inside view of the dark side of the criminal justice system. I have been a crusader for fairness and reform ever since. [….]

Stringer schob 35 Jahre später allerdings eine Pell-artige Relativierung hinterher, die selbst in Trumpmerica nicht so gut ankam: Diese Kindersexgeschichten mit fünf Jungs und die Kinderpornos, für die er angeklagt wurde, wären nicht so eine große Sache; man solle das nicht dämonisieren, schließlich hätten ihnen das auch gefallen. Es gäbe schließlich 15-Jährige Prostituierte, lachte Stringer in einem Video.


[….] Their discussion can be overheard in a video, which Hamilton recorded as she live-streamed the event on Facebook.
In the video, Stringer and Hamilton discuss what issue he should ask the speaker about, and she suggests Stringer ask about child trafficking.
He responds by saying that he doesn't think sex trafficking is a concern and said, "I don't like to demonize it."
Stringer also said while he doesn't think there is much child sex trafficking there are "a lot of 15-year-old prostitutes." He laughed after making that comment. The 1980s charges included accusations that Stringer paid for sex with one child who was 15 for part of the time. [….]

Da ist sie wieder, diese Relativierung eines Verbrechens.
Waren ja Stricher, diese 15-Jährigen. Halb so wild.

Nun ist Stringer Ex-Abgeordneter.

Samstag, 6. April 2019

Veranlagungen und Umstände


In der Viktimologie werden unter anderem Opferpersönlichkeitsstrukturen untersucht.
Welche Charaktereigenschaften prädestinieren dazu für Verbrecher „attraktiv“ zu sein?
Der Gedanke fasziniert mich; so wie man genetisch prädisponiert sein kann Suchtkrankheiten zu verfallen oder eine besondere Affinität zu Sekten/Religionen hat, könnte man auch ein überdurchschnittliches Risiko in sich tragen ein Opfer krimineller Machenschaften zu werden.
Das trieb mich schon als Teenager um, als die Mutter eines Bekannten immer mehr zu Scientology driftete. Sie war gänzlich unspektakulär in der Hamburger Innenstadt von Aktivisten mit einem „Dianetik-Flyer“ in der Hand angesprochen worden.
Natürlich fiel das Wort „Scientology“ nicht sofort, aber ich verstand damals nicht wie ein Erwachsener mit so wenig Skepsis auf so eine „Anmache“ auf der Straße reagieren konnte.
Für mich war das ähnlich plump wie diese Hausbesuche der Zeugen Jehovas, die ich immer außerordentlich amüsant fand.
(Liebe Mormonen; Eure Hamburger Zentrale ist doch ganz in der Nähe; ich warte schon lange auf einen Besuch!)
Inzwischen vermute ich, daß mir schlicht und ergreifend diese metaphysische Prädisposition fehlt. Ich bin nicht empfänglich für derartige Anliegen; an mir beißt sich jeder Missionar die Zähne aus.
Vielleicht hat das gar nichts mit Verstand oder Willen zu tun, sondern ist eine zufällige Veranlagung, wie blaue Augen?
Sicherlich gibt es keine monokausale genetische Erklärung. Intelligenz, Bildung und das Umfeld spielen auch eine Rolle bei der Affinität für Übersinnliches und Irrationales.

Ich halte es für gut vorstellbar, daß ein pädophiler Verbrecher, der vor einer Grundschule lauert ein Gespür dafür hat, ob er leichter Kind A oder Kind B missbrauchen kann. Kind A wirkt möglicherweise selbstbewußter oder aufgeweckter, wird sich mit höherer Wahrscheinlichkeit wehren.

Im Zeitalter vor den Mobiltelefonen traf ich mal ein paar Straßen weiter eine Nachbarin, die einen kleinen verirrten Jungen aufgelesen hatte. Der war möglicherweise sechs oder sieben (ich kann Kinder nicht einschätzen). Der Kleine war ganz tapfer, wußte auch seine Adresse, nur nicht mehr wie er dahin kommen sollte. Da ich gerade aus meinem Auto stieg, kamen wir nach kurzer Unterhaltung überein, daß ich den Jungen schnell nach Hause fahre, weil meine Nachbarin zu Fuß da war und es sehr eilig hatte, nachdem sie schon lange von dem Verirrten aufgehalten worden war.
Als sie ihm bedeutete in mein Auto zu steigen, änderte sich seine Haltung total. Er wurde sehr energisch und wirkte irgendwie größer und aufrechter. Nein, zu mir, dem fremden Mann würde er keinesfalls ins Auto steigen; selbst als die Nachbarin anbot mitzufahren.
Der Plan war schnell beerdigt und sie musste ihn zu Fuß nach Hause bringen.
In dem Fall hatte sich der Kleine das Leben durch sein Misstrauen zwar etwas schwerer als nötig gemacht, aber ich bewunderte ihn auch. Offensichtlich war das ein viktimologischer Underperformer, der nicht prädestiniert ist in gefährliche Situationen zu geraten.
Möglicherweise hatten ihm seine Eltern auch eingeschärft sich so verhalten.
Das kannte ich schon aus meiner frühesten Kindheit: Steige nicht zu fremden Männern ins Auto, sei auf der Hut vor Mitschnackern, nimm keine Süßigkeiten an. Ich glaube, ich fürchtete mich damals auch vor so etwas, aber ich geriet glücklicherweise nie in eine Situation, in der ich mich als kleines schwaches Kind tatsächlich gegen einen Erwachsenen hätte behaupten müssen. Ich weiß nicht wie ich reagiert hätte. Ob ich mich laut schreien gewehrt hätte und mit allen Möglichkeiten gekämpft hätte? Ich bezweifele das.
Allerdings war ich so kontemplativ und aufmerksam veranlagt, daß ich womöglich auf die „bösen Mitschnacker“ nicht hilfesuchend und verloren-gegangen gewirkt hätte.

Die Beziehungsstrukturen dürften ebenfalls wesentlich sein. Ich wuchs nicht mit absoluten Autoritäten auf, denen man untern allen Umständen zu gehorchen hätte.
Kleine Kinder, die in katholischen Heimen/Internaten/Kitas/Kindergärten abgeliefert werden und wie beispielsweise mein Vater damit indoktriniert wurden, daß ein allmächtiger Gott alles sieht, alle straft und zur ewigen Höllenqual verurteilt, werden sich vermutlich weniger selbstbewußt benehmen.
Diesen Kindern wird durch Riten, Drohungen, durch ein Weltbild, durch beeindruckende Gebäude eingetrichtert sich unterzuordnen, dem Mann in der schwarzen Soutane zu gehorchen.

"Sexuelle Probleme treiben Menschen in den Priesterberuf"

Deswegen gibt es unter Priestern mehr Pädosextäter als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Aber die religiösen Strukturen mit einer absoluten Hierarchie und absoluten Macht machen auch die Messdiener viktimologisch „attraktiv“.
Ein derart eingeschüchtertes und unterwürfiges Kind eignet sich besser als Opfer.

Freitag, 5. April 2019

Ruppige Rechte.


So abscheulich Rechte auch sein mögen; immerhin wird es ganz lustig, wenn sie sich untereinander hassen.
Die Kombination aus Eitelkeit, Selbstüberschätzung, Vorurteilen, Komplexen, Borniertheit und Dummheit, die man bei allen stramm Rechten findet, bietet eine gute Basis, um sich auch in Rekordzeit mit den Gesinnungsgenossen in bösartige Fehden zu verwickeln.
Meine Generation war zutiefst verstört, als nach dem Beitritt der DDR in vielen Bundesländern rechtsradikale Parteien in die Parlamente gewählt wurden. DVU, NPD. Später auch Schill und schließlich die AfD.
Wie umgehen mit den Nazis auf den Nachbarbänken, fragten sich Parlamentarier von Nord bis Süd.
Aber eigentlich musste man nicht viel tun; fast immer zerlegten sich die rechtsradikalen Fraktionen binnen kürzester Zeit selbst. Sie stritten, spalteten sich, bekriegten ihre eigene Führung, traten empört aus oder in andere Fraktionen über. Die Unfähigkeit der Rechten ist generell so beeindruckend, daß fast nie eine Fraktion das Ende der Legislaturperiode überlebte. Jedenfalls nicht vollständig. Der klägliche Rest taugte am ehesten als Materiallieferant für Satiriker aller Art.




Auch die AfD reüssiert in dieser Disziplin. Am Tag nach der Bundestagswahl von 2017 trat die Vorsitzende aus der Bundestagsfraktion aus und gründete ihren eigenen Verein, die Partei Die Blauen. Ein gesamter Landesverband und auch die Jugendorganisation „JA“ mussten aus der Partei ausgeschlossen werden und auch in den Bundesländern bröckelt es. André Poggenburg, der ehemalige Vorsitzende von Partei und Fraktion in Sachsen-Anhalt, wurde 2018 aus seinen Ämtern entfernt, trat im Januar 2019 aus der Partei aus und gründete wie Frauke Petry seine Privatpartei Aufbruch deutscher Patrioten.
Der Hamburger AfD-Vorsitzende Jörn Kruse war so verhasst, daß er sich nur an der Spitze halten konnte, indem er einen Job in den USA annahm und dem Parlament fernblieb. Dennoch hagelte es Parteiaustritte, bis Kruse 2016 rausgeworfen wurde.
Gegenwärtig ist der alte Ronald-Schill-Intimus Nockemann neuer AfD-Chef in Hamburg.
Die AfD-Fraktion in Baden Württemberg spaltete sich 2016 gleich komplett in zwei Fraktionen. Die Bundesvorsitzende Petry schritt ein, geriet dabei so mit dem Führer der einen Partialpartei Meuthen, der zufällig auch ihr Co-Bundesspracher war, aneinander, daß sie am Ende auch noch ihren Posten verlor.
[….] AfD in Bayern: Schurken unter sich
Die AfD-Abgeordneten im bayerischen Landtag verleumden sich gern gegenseitig. Nun wirft das erste Fraktionsmitglied hin - und könnte die Spaltung befördern. [….]

Selbst der bayerische AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Plenk hat die Nase voll von dem eigenen Saftladen und will nun der CSU-Fraktion beitreten.

Ähnliche Kabale, die einem nicht gedanklich erinnerlich sein mögen, findet man für jeden Landesverband einer rechten Fraktion. Da kann man wahllos ein Bundesland in die Google-Suchmaske tippen. Zum Beispiel Niedersachsen – dort hassten sich die Spitzenkandidatin Guth und der Landesvorsitzende Hampel so sehr, daß sie ebenfalls die Partei zerlegten.

[….]2017 – 2018: Eskalation des Machtkampfes und Absetzung des Landesvorstandes. Bereits am Abend der Landtagswahl kam es zum Bruch des Landesvorstandes. Sechs Landesvorstandsmitglieder forderten in einem Schreiben an die Kreisverbände einen personellen Neuanfang auf einem außerordentlichen Parteitag. Der Landeskonvent beschloss am 26. November einen Antrag beim Landesvorstand mit der Einrichtung eines Parteitages am 13. und 14. Januar 2018. Jeweils die Hälfte des Vorstandes verschickte dann Einladungen zu Landesparteitagen an unterschiedlichen Orten mit verschiedenen Tagesordnungen und bezeichnete die jeweils andere Einladung als ungültig. [….]

Was auf politischer Ebene vorexerziert wird, ahmen die medialen Rechten nach.
Auch sie hassen sich oft wie die Pest.

Nehmen wir zum Beispiel die konservative Juristin Liane Bednarz, *74, die in Periodika wie dem European, in Christ & Welt, in der Jüdischen Allgemeinen und in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Kolumnen verfasst. Gegenwärtig ist sie die Jan Fleischhauer des Tagesspiegels und verfasst dort ihre „liberal-konservativen“ Ansichten.


Andere selbsternannte Angehörige der „liberal-konservativen Elite“ wie Pipi-Blogger Berger kann sie nicht leiden. Dieser überwarf sich seinerseits inzwischen mit Roland Tichy, den er einst bewunderte und nun hasst, weil er vermeidlich nicht stramm genug auf der ganz rechten Linie ist.
Als typischer Rechter tritt Berger bei jeder Gelegenheit nach, wenn es um seinen alten Kampfkumpan Tichy geht.

Natürlich kübelt der Phimoseblog auch Hass über Bednarz, weil sie es wagte Kritik am Chef  zu üben. Erst vor wenigen Tagen zog er wieder höhnisch über sie her.

[…]  Liane Bednarz gilt als eine der ganz großen investigativen Publizistinnen dieser Republik. Was sie zur Desiderius-Erasmus-Stiftung und zu „Philosophia Perennis“ aufgedeckt hat, könnte unsere Republik nachhaltig erschüttern.
Liane Bednarz hat es nicht leicht: Auf dem Buch- und Zeitschriftenmarkt, der von Publikationen, die Verschwörungstheorien zu der rechten Szene ventilieren, nur so überschwappt, muss man jedem einzelnen Käufer inzwischen mehr oder weniger nachlaufen. Und das selbst wenn man so Hochqualitatives wie Bednarz zu bieten hat, die bereits auf einem Blog mit solch durch und durch sympathischen Geistesriesen wie Alan Posener und Ruprecht Polenz publizierte. [klar, daß der Urinduscher seine ehemaligen Parteigenossen von der CDU ebenfalls hasst wie die Pest]
So landet nun die Autorin sogar bei der Aras-Postille HuffPost bzw. dem was von dem Pleiteblättchen noch übrig ist. Und widmet sich dort der Deisderius-Erasmus-Stiftung. So recht will es ihr allerdings nicht gelingen, eine eindeutige Einschätzung zu geben. 
[…] Die Argumentationskette für letzteres geht dann so: Die Stiftung sei zwar für AfD-Verhältnisse gemäßigt, aber sie ist AfD-nah. Die AfD auf der anderen Seite hat Kontakte zur Identitären Bewegung (was immer das heißen mag). Also scheint die Stiftung so etwas wie ein Fanclub der IB zu sein: Dreisatz-Logik vom Feinsten.
[…] Warum ich ein Scharfmacher bin, erklärt mir Frau Bednarz dann auch kurz und bündig:
„David Berger: Rechtspopulistischer Blogger
[…] Ende Juni 2017 erschien auf “philosophia perennis“ ein Gastbeitrag mit einem positiven Bericht über eine Demonstration der Identitären Bewegung in Berlin, in dem auch das Wort “Systempresse“ auftauchte.“
[…] Ich weiß von gar nichts. Und wenn ich etwas wüsste, würde ich es schon gar nicht dort sagen oder schreiben, wo die Systempresse mithört, sondern es Martin Sellner heimlich bei der nächsten IB-Demo, bei der ich mit Dirndl und blonder Langhaarperücke verkleidet als deutsche Maid mitmarschiere, in sein rechtes Ohr flüstern. [….]

Instinktiv möchte man eine so vom Berliner Hetzblogger Gescholtene unterstützen.
Aber das ist nur ein kurzer schwacher Moment.
Bis einem wieder einfällt wie Bednarz selbst tickt. Wie sie Steinbach-artig gegen Greta Thunberg giftet.
Der Feind meines Feindes ist eben nicht mein Freund, sondern beides bleiben Blödmänner. Da sollte man sich entspannt zurücklehnen.

[….]  Wie Greta & Co. den Neuen Rechten nützen
[…] Bekanntlich hat sich die Neue Rechte und ihre Sympathisantenszene in den vergangenen Jahren verstärkt Aktions- und Protestformen wie Blockaden und Besetzungen angeeignet. Dazu gehörten vor allem auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise Blockaden von Flüchtlingsheimen, Grenzübergängen und Bussen. […] Was die Legitimität und Rechtskonformität solcher Verhaltensweisen betrifft, macht sich die Neue Rechte einen schlanken Fuß. Sie behauptet schlichtweg, man könne oder müsse „die kleine Ordnung stören, um die große zu erhalten“. Aus dem Mund des Verlegers Götz Kubitschek […]: „Klar ist, dass es durchaus legitim ist, die kleine Ordnung zu verletzten in so einer Lage, um die große Ordnung zu retten. Es ist erlaubt, etwas zu blockieren, es ist erlaubt, einen Grenzübergang zu blockieren, es ist erlaubt, ein Asylheim zu blockieren oder zu besetzen[…] Verblüffenderweise empören sich viele der eher links- bzw. linksliberal ausgerichteten Unterstützer Greta Thunbergs  und ihrer „Fridays for future“-Bewegung, die sonst die rechte Widerstandsrhetorik ablehnen, sobald man in den Schulstreiks, mithin der Verletzung der Schulpflicht, ein Problem sieht. […] Wer in diesem Fall das Schulschwänzen für vollkommen legitim hält oder wie Bundeskanzlerin Angela Merkel die Proteste lobt, ohne das Schwänzen zu thematisieren, muss sich darüber im Klaren sein, dass er oder sie auf diese Weise zumindest mittelbar das neurechte Postulat, man müsse „die kleine Ordnung stören, um die große Ordnung zu retten“ affirmiert. […] Das Grundgesetz mit seinem in Art 28 verankerten Rechtsstaatsprinzip kennt aus gutem Grund außerhalb des eng gefassten Widerstandartikels keinen allgemeinen „zivilen Ungehorsam“, mit dem man sich aus eigenem Gutdünken heraus über das Recht hinwegsetzen kann. Damit sollte sich namentlich Robert Habeck, der Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, einmal näher befassen. Gerade erst behauptete er in der Talkshow von Anne Will, dass das Ziel von Schule darin bestehe, „mündige Bürgerinnen und Bürger zu erziehen“. Dafür dienten ihm ausgerechnet die Schulstreiks als ein perfekter Beweis. Die Verantwortung für die Streikbeendigung schob er der Politik in die Schuhe, die einfach nur die Forderungen der Thunberg-Bewegung erfüllen müsse. Es ist zu hoffen, dass eine solch verquere Argumentation nicht im wahrsten Sinne des Wortes Schule macht. Denn sonst könnte man vielleicht irgendwann argumentativ ziemlich hilflos dastehen, wenn rechte Schüler die Schule schwänzen, um für die Durchsetzung ihrer migrationspolitischen Forderungen zu demonstrieren.[…..]

Sorry, lieber Bonner Junge, der mir den Artikel schickte – ich kann inhaltlich nicht detailliert auf eine selbsternannte Liberal-konservative Elite-Juristin eingehen, die Thunberg und die xenophoben Menschenhasser, die vor Asylunterkünften randalieren, in einen Topf wirft, eingehen.
Das macht meine Gesundheit nicht mit.

Berger und Bednarz sind beide solche Blitzbirnen, daß ich kaum Partei ergreifen kann.
Wenn die sich gegenseitig hauen, wenn die AfD-Parlamentarier sich gegenseitig mobben, trifft es keinen Falschen!