Manchmal staune ich selbst wie umfangreich meine
Büchersammlung inzwischen geworden ist.
Wenn ich nur die Zeit hätte das alles zu lesen.
Dabei lese ich schon sehr schnell, am schnellsten deutsch,
dann kommt englisch und schon deutlich langsamer französisch.
Ich besitze unter anderem eine 200 Jahre alte
Originalausgabe des „Lavater“ in zehn Bänden. Das sind echte Kunstwerke mit
wundervollen Zeichnungen.
Wenn es nicht französisch wäre, hätte ich mich längst intensiver
damit beschäftigt.
Johann Caspar Lavater (*1741 in Zürich; † 1801 ebenda), Pfaff,
Philosoph und Schriftsteller war zu seiner Zeit eine Berühmtheit in Europa,
verkehrte mit den größten Geistern seiner Gegenwart: Johann Wolfgang von
Goethe, Johann Bernhard Basedow, Christian Fürchtegott Gellert, Moses
Mendelssohn, Friedrich Gottlieb Klopstock.
Über seine Versuche Mendelsohn zum christlichen Glauben zu
bekehren würde man vermutlich bei einer Straßenumfrage vor einem McDonald nicht
viel erfahren können, aber möglicherweise wissen doch einige den Namen Lavater
mit Physiognomik zu verbinden.
Mit seiner Theorie der Physiognomik erklärt er ausführlich
wie man den Charakter eines Menschen an Gesichtszügen und Körperformen erkennt.
Auf nach dem zweiten Weltkrieg Geborene wirkt das etwas
schauderhaft; man denkt gleich an die NS-Rassenkunde und eifrige Nazi-Lehrer,
die Nase, Kopfumfang und Kiefer ihrer Schüler akribisch maßen, um den genauen
Arier-Typ zu bestimmen.
Das kann eigentlich gar nicht sein, daß man Charaktere an
Gesichtern und Figuren erkennt.
Aber immer wieder erwische ich mich dabei zu denken, daß man
an der Physiognomie die politische Gesinnung ablesen kann.
Jeder, der sich auf Phoenix Parteitage ansieht, muss
eigentlich schon mal diesen ketzerischen Gedanken gehabt haben.
Sozialdemokraten sehen besser aus als Christdemokraten.
Wer beim Zappen rein zufällig in eine Parteiveranstaltung
gerät, kann vermutlich schon vor der erhellenden Regie-Einblendung ahnen, ob es
sich um AfDler oder Grüne handelt.
Ich meine, am besten lassen sich politische Gesinnungen bei
den Jugendorganisationen zuordnen. Je älter, grauer und voluminöser die
Gesichter werden, desto mehr verschwimmen die Unterschiede.
Am sichersten lassen sich jüngere Politiker der FDP (bzw
Julis) und CDU (JUler) zuordnen.
Typen wie der junge Westerwelle, Lindner, Daniel Bahr, Rösler
können nur zur FDP gehören.
Insbesondere bei den pyknischen, teigigen Gestalten mit
massivem Knochenbau, weiß man es handelt sich um CDU- oder CSU-Nachwuchs.
Natürlich gibt es Ausnahmen, wie die filigrane Ursula von
der Leyen, aber eigentlich sehen C-Frauen auswie Steinbach, Merkel,
Schavan, Pantel, Aigner, Hasselfeld, Maria Böhmer, Marlene Mortler, Anita
Schäfer.
Bei den Männern ist es noch extremer. Altmaier, von Klaeden,
Gröhe, Glos, Söder, Bouffier, Koch, Kohl, Strauß – die hätte Johann Caspar
Lavater ganz klar in die CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder die Bischofskonferenz
gesetzt.
Die extremsten Formen der C-Visagen findet man aber, wie
gesagt, in den Jugend-Organisationen. Jeder kennt das aus der Schule oder der
Uni: Die in JU und RCDS Organisierten sehen auch so aus als ob sie in der CDU
wären.
Die
JU-Chefs Philipp Mißfelder, Paul
Zimiak, Tilman Kuban, Jürgen Echternach, Matthias Wissmann, Christoph
Böhr, Hermann Gröhe oder Schatzmeister Philipp Amthor.
Ziemiak
von Klaeden
Kuban
Gröhe
[….] CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak [ist] "fassungslos darüber, dass jetzt die Maske gefallen ist" bei
den Grünen, sagte Ziemiak nach einer Sitzung des Parteipräsidiums. Das sei
keine Grundlage für eine Zusammenarbeit mit der CDU.
"Die Grünen sind nicht die nette bürgerliche Partei", sagte
der CDU-Generalsekretär. Sie seien "die alten Grünen" mit Konzepten
aus der Mottenkiste. Das gelte nicht nur für den Vorschlag Habecks zu
Enteignungen, sondern auch für die erneute Forderung von Grünenfraktionschef
Anton Hofreiter, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. [….]
Sehr problematisch ist aber auch wie Täter, aber auch
Richter, Staatsanwälte und Medien die Opfer relativieren, indem sie
stillschweigend davon ausgehen, die litten mehr oder weniger.
Das ist ein beliebter Topos in Krimiserien wie „Law And
Order SVU“. Wird ein braves, jungfräuliches, weißes College-Mädchen
vergewaltigt, setzt sich ein riesiger Apparat in Gang, um den Täter dingfest zu
machen.
Ist aber eine Drogensüchtige, eine Schwarze oder gar eine
Prostituierte das Opfer des gleichen Verbrechens, geht sie oft gar nicht erst
zur Polizei, weil man eine Vergewaltigung an ihr als weniger schlimm ansehen
könnte.
Diese Überlegungen schwingen auch in der causa #MeToo und #Grabbembythepussy
eine Rolle. Haben nicht Frauen partiell selbst Schuld, wenn sie sich in Gefahr
begeben? Kann ein Mann überhaupt anders, wenn die Frau aufreizend tanzt, kurze
Röcke trägt oder ein ausladendes Dekolletee zeigt?
Kann man überhaupt eine Prostituierte vergewaltigen; eine
Frau, die professionell mit Fremden schläft?
Die Fragen werden tatsächlich gestellt und im Jahr 2019 ist
es offenbar immer noch notwendig „Nein heißt Nein“ zu betonen.
Eine absolut ungeheuerliche Aussage für die Nummer Drei der
1,3 Milliarden Katholiken, der RKK, der selbsternannten Hüterin der Moral.
Eine andere Katholikin, Frau White, schrieb einen offenen
Brief an die Studentinnen der Notre Dame, sie mögen doch bitte aufhören
Leggings zu tragen. Sie habe vier Söhne und der Anblick quasi nackter
Frauenbeine zwinge sie geradezu teuflisch zu werden.
[….] For
years, Maryann White suffered in stoic silence. She prayed that fashions would
change and the legging problem would go away. Alas, athleisure only became more
popular. Eventually White could stand it no longer; distraught and desperate,
she wrote a letter to Notre Dame’s student newspaper imploring female students
to “turn their backs(ides) on leggings”.
“I’m not trying to
insult anyone,” White writes in the letter, published on Monday. “I’m just a
Catholic mother of four sons with a problem that only girls can solve:
leggings.”
White explains that
while her sons “know better than to ogle a woman’s body”, leggings make
not-ogling impossible. She recounts a traumatic episode while attending mass at
the university, when she was confronted by a group of young women wearing tight
clothing. “You couldn’t help but see those blackly naked rear ends. I didn’t
want to see them – but they were unavoidable.” Which honestly sounds like
something she should have saved for the confession booth, rather than the
letters page of her sons’ student newspaper.
“Leggings are so naked
… so exposing,” she concludes. “Could you think of the mothers of sons the next
time you go shopping and consider choosing jeans instead?”[….]
Die klassische Burka-Argumentation: Wenn Frauen sich nicht
komplett verhüllen, nötigen sie die armen Männer dazu sie vergewaltigen zu
müssen.
Das ist also keine ausschließlich islamische Argumentation.
Auch Frauen, die so supersexy wie Annegret Kramp-Karrenbauer
oder Annette Schavan sind, müssen sich im Vatikan züchtig verhüllen, weil sonst
die notgeilen Bischöfe lüsterne Gedanken bekommen.
Christliche Kleidervorschrift.
Die Abrahamiten frönen alle dieser perversen Logik; keine
orthodoxe Jüdin zeigt in der Öffentlichkeit ihr Haar. Im Gegensatz zu vielen
Muslimischen Frauen tarnen sie aber ihre Tarnung, indem sie Perücken tragen, um
den abstrusen Regeln ihrer primitiven Hirtenkultur zu folgen.
Der Geistige Gigant des Konservatismus Nummer 21 ist der
republikanische Politiker David Stringer aus Alaska.
Der Jurist wurde 2016 in das Arizona House of Representatives gewählt; inszeniert sich dort als
typischer konservativer, frommer Geschäftsmann.
[….] David Stringer is a local businessman, and long-time advocate for the
taxpayers and families of the First Legislative District in Arizona. He is
running for re-election to the Arizona Statehouse to continue his work with
State Representative Noel Campbell and provide a strong voice for rural Arizona
and its unique needs. During his first term in the State House, he helped on
cutting taxes, boosting classroom funding and teacher pay, reducing regulation,
and boosting Arizona’s status as a top-job creating state.
David is committed to
working on criminal reform in Arizona and protecting our personal freedoms as
guaranteed by the First, Second, and Fourth Amendments of the Constitution. [….]
Als echter Konservativer halt er nichts von Diversität.
Die USA solle keine schwarzen Immigranten aus Afrika
aufnehmen, die könnten sich nicht einfügen, erklärte der Abgeordnete vor vier
Monaten.
[….] Stringer
recently told Arizona State University students that African-Americans
"don't blend in" and that Somali immigrants don't look like
"every other kid" as previous European immigrants did. In the New Times
story, backed up by audio recordings, students question Stringer about his
views on immigration and race.
He told them
"diversity in our country is relatively new." He then was asked about
immigrants from eastern Europe who assimilated well into the 20th century.
"They were all
European," Stringer said. "So after their second or third generation,
everybody looks the same. Everybody talks the same. That's not the case with
African-American and other racial groups because they don't melt in. They don't
blend in. They always look different." [….]
Seine Politkarriere ist jetzt allerdings erst mal
unterbrochen.
Der homophobe Anwalt hatte in den 1980er Jahren Jungs unter
18 Jahren für Sex bezahlt. Er zog nachts durch die Parks von Baltimore und
poppte sogar geistig behinderte Jungs. Für zehn Dollar.
Das ist für homophobe GOPer nicht sehr ungewöhnlich und muss
nicht unbedingt ihre Karrieren beenden. Man betet und erklärt anschließend wie Ted Haggard Gott habe ihm
verziehen. Schwamm drüber.
Stringer stritt aber alles ab, am 02.04.2019 veröffentlichte
er ein entsprechendes Statement; alles wäre erlogen.
[….] What
I will say is that the charges I faced in 1983 are as false today as they were
35 years ago. I had forgotten exactly how sharp the gut-punch sensation was
when I first heard about them way back then. But seeing them splashed around in
headlines today by people celebrating them takes me back to the same feelings I
had then. That experience gave me an inside view of the dark side of the
criminal justice system. I have been a crusader for fairness and reform ever
since. [….]
Stringer schob 35 Jahre später allerdings eine Pell-artige
Relativierung hinterher, die selbst in Trumpmerica nicht so gut ankam: Diese Kindersexgeschichten mit fünf Jungs und die Kinderpornos,
für die er angeklagt wurde, wären nicht so eine große Sache; man solle das
nicht dämonisieren, schließlich hätten ihnen das auch gefallen. Es gäbe
schließlich 15-Jährige Prostituierte, lachte Stringer in einem Video.
[….] Their
discussion can be overheard in a video, which Hamilton recorded as she live-streamed
the event on Facebook.
In the video, Stringer
and Hamilton discuss what issue he should ask the speaker about, and she
suggests Stringer ask about child trafficking.
He responds by saying
that he doesn't think sex trafficking is a concern and said, "I don't like
to demonize it."
Stringer also said
while he doesn't think there is much child sex trafficking there are "a
lot of 15-year-old prostitutes." He laughed after making that comment. The
1980s charges included accusations that Stringer paid for sex with one child
who was 15 for part of the time. [….]
In der Viktimologie werden unter anderem Opferpersönlichkeitsstrukturen
untersucht.
Welche Charaktereigenschaften prädestinieren dazu für
Verbrecher „attraktiv“ zu sein?
Der Gedanke fasziniert mich; so wie man genetisch
prädisponiert sein kann Suchtkrankheiten zu verfallen oder eine besondere
Affinität zu Sekten/Religionen hat, könnte man auch ein überdurchschnittliches
Risiko in sich tragen ein Opfer krimineller Machenschaften zu werden.
Das trieb mich schon als Teenager um, als die Mutter eines
Bekannten immer mehr zu Scientology driftete. Sie war gänzlich unspektakulär in
der Hamburger Innenstadt von Aktivisten mit einem „Dianetik-Flyer“ in der Hand
angesprochen worden.
Natürlich fiel das Wort „Scientology“ nicht sofort, aber ich
verstand damals nicht wie ein Erwachsener mit so wenig Skepsis auf so eine „Anmache“
auf der Straße reagieren konnte.
Für mich war das ähnlich plump wie diese Hausbesuche der
Zeugen Jehovas, die ich immer außerordentlich amüsant fand.
(Liebe Mormonen; Eure Hamburger Zentrale ist doch ganz in
der Nähe; ich warte schon lange auf einen Besuch!)
Inzwischen vermute ich, daß mir schlicht und ergreifend
diese metaphysische Prädisposition fehlt. Ich bin nicht empfänglich für
derartige Anliegen; an mir beißt sich jeder Missionar die Zähne aus.
Vielleicht hat das gar nichts mit Verstand oder Willen zu
tun, sondern ist eine zufällige Veranlagung, wie blaue Augen?
Sicherlich gibt es keine monokausale genetische Erklärung.
Intelligenz, Bildung und das Umfeld spielen auch eine Rolle bei der Affinität
für Übersinnliches und Irrationales.
Ich halte es für gut vorstellbar, daß ein pädophiler
Verbrecher, der vor einer Grundschule lauert ein Gespür dafür hat, ob er leichter
Kind A oder Kind B missbrauchen kann. Kind A wirkt möglicherweise selbstbewußter
oder aufgeweckter, wird sich mit höherer Wahrscheinlichkeit wehren.
Im Zeitalter vor den Mobiltelefonen traf ich mal ein paar
Straßen weiter eine Nachbarin, die einen kleinen verirrten Jungen aufgelesen
hatte. Der war möglicherweise sechs oder sieben (ich kann Kinder nicht
einschätzen). Der Kleine war ganz tapfer, wußte auch seine Adresse, nur nicht
mehr wie er dahin kommen sollte. Da ich gerade aus meinem Auto stieg, kamen wir
nach kurzer Unterhaltung überein, daß ich den Jungen schnell nach Hause fahre,
weil meine Nachbarin zu Fuß da war und es sehr eilig hatte, nachdem sie schon
lange von dem Verirrten aufgehalten worden war.
Als sie ihm bedeutete in mein Auto zu steigen, änderte sich
seine Haltung total. Er wurde sehr energisch und wirkte irgendwie größer und
aufrechter. Nein, zu mir, dem fremden Mann würde er keinesfalls ins Auto
steigen; selbst als die Nachbarin anbot mitzufahren.
Der Plan war schnell beerdigt und sie musste ihn zu Fuß nach
Hause bringen.
In dem Fall hatte sich der Kleine das Leben durch sein
Misstrauen zwar etwas schwerer als nötig gemacht, aber ich bewunderte ihn auch.
Offensichtlich war das ein viktimologischer Underperformer, der nicht
prädestiniert ist in gefährliche Situationen zu geraten.
Möglicherweise hatten ihm seine Eltern auch eingeschärft
sich so verhalten.
Das kannte ich schon aus meiner frühesten Kindheit: Steige
nicht zu fremden Männern ins Auto, sei auf der Hut vor Mitschnackern, nimm keine Süßigkeiten an. Ich glaube, ich fürchtete
mich damals auch vor so etwas, aber ich geriet glücklicherweise nie in eine
Situation, in der ich mich als kleines schwaches Kind tatsächlich gegen einen
Erwachsenen hätte behaupten müssen. Ich weiß nicht wie ich reagiert hätte. Ob
ich mich laut schreien gewehrt hätte und mit allen Möglichkeiten gekämpft
hätte? Ich bezweifele das.
Allerdings war ich so kontemplativ und aufmerksam veranlagt,
daß ich womöglich auf die „bösen Mitschnacker“ nicht hilfesuchend und
verloren-gegangen gewirkt hätte.
Die Beziehungsstrukturen dürften ebenfalls wesentlich sein. Ich
wuchs nicht mit absoluten Autoritäten auf, denen man untern allen Umständen zu
gehorchen hätte.
Kleine Kinder, die in katholischen Heimen/Internaten/Kitas/Kindergärten
abgeliefert werden und wie beispielsweise mein Vater damit indoktriniert wurden,
daß ein allmächtiger Gott alles sieht, alle straft und zur ewigen Höllenqual
verurteilt, werden sich vermutlich weniger selbstbewußt benehmen.
Diesen Kindern wird durch Riten, Drohungen, durch ein
Weltbild, durch beeindruckende Gebäude eingetrichtert sich unterzuordnen, dem
Mann in der schwarzen Soutane zu gehorchen.
"Sexuelle Probleme treiben Menschen in den Priesterberuf"
Die Kombination aus Eitelkeit, Selbstüberschätzung,
Vorurteilen, Komplexen, Borniertheit und Dummheit, die man bei allen stramm Rechten
findet, bietet eine gute Basis, um sich auch in Rekordzeit mit den
Gesinnungsgenossen in bösartige Fehden zu verwickeln.
Meine Generation war zutiefst verstört, als nach dem
Beitritt der DDR in vielen Bundesländern rechtsradikale Parteien in die
Parlamente gewählt wurden. DVU, NPD. Später auch Schill und schließlich die
AfD.
Wie umgehen mit den Nazis auf den Nachbarbänken, fragten
sich Parlamentarier von Nord bis Süd.
Aber eigentlich musste man nicht viel tun; fast immer
zerlegten sich die rechtsradikalen Fraktionen binnen kürzester Zeit selbst. Sie
stritten, spalteten sich, bekriegten ihre eigene Führung, traten empört aus
oder in andere Fraktionen über. Die Unfähigkeit der Rechten ist generell so
beeindruckend, daß fast nie eine Fraktion das Ende der Legislaturperiode überlebte.
Jedenfalls nicht vollständig. Der klägliche Rest taugte am ehesten als Materiallieferant für Satiriker aller Art.
Auch die AfD reüssiert in dieser Disziplin. Am Tag nach der
Bundestagswahl von 2017 trat die Vorsitzende aus der Bundestagsfraktion aus und
gründete ihren eigenen Verein, die Partei Die
Blauen. Ein gesamter Landesverband und auch die Jugendorganisation „JA“
mussten aus der Partei ausgeschlossen werden und auch in den Bundesländern
bröckelt es. André Poggenburg, der ehemalige Vorsitzende von Partei und
Fraktion in Sachsen-Anhalt, wurde 2018 aus seinen Ämtern entfernt, trat im
Januar 2019 aus der Partei aus und gründete wie Frauke Petry seine Privatpartei
Aufbruch deutscher Patrioten.
Der Hamburger AfD-Vorsitzende
Jörn Kruse war so verhasst, daß er sich nur an der Spitze halten konnte, indem
er einen Job in den USA annahm und dem Parlament fernblieb. Dennoch hagelte es
Parteiaustritte, bis Kruse 2016 rausgeworfen wurde.
Gegenwärtig ist der
alte Ronald-Schill-Intimus Nockemann neuer AfD-Chef in Hamburg.
Die AfD-Fraktion in
Baden Württemberg spaltete sich 2016 gleich komplett in zwei Fraktionen. Die
Bundesvorsitzende Petry schritt ein, geriet dabei so mit dem Führer der einen
Partialpartei Meuthen, der zufällig auch ihr Co-Bundesspracher war, aneinander,
daß sie am Ende auch noch ihren Posten verlor.
[….] AfD in Bayern: Schurken unter sich
Die AfD-Abgeordneten im
bayerischen Landtag verleumden sich gern gegenseitig. Nun wirft das erste
Fraktionsmitglied hin - und könnte die Spaltung befördern. [….]
Selbst der bayerische AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Plenk
hat die Nase voll von dem eigenen Saftladen und will nun der CSU-Fraktion beitreten.
Ähnliche Kabale, die einem nicht gedanklich erinnerlich sein
mögen, findet man für jeden Landesverband einer rechten Fraktion. Da kann man
wahllos ein Bundesland in die Google-Suchmaske tippen. Zum Beispiel Niedersachsen
– dort hassten sich die Spitzenkandidatin Guth und der Landesvorsitzende Hampel
so sehr, daß sie ebenfalls die Partei zerlegten.
[….]2017 – 2018: Eskalation des Machtkampfes und Absetzung des
Landesvorstandes. Bereits am Abend der Landtagswahl kam es zum Bruch des
Landesvorstandes. Sechs Landesvorstandsmitglieder forderten in einem Schreiben
an die Kreisverbände einen personellen Neuanfang auf einem außerordentlichen
Parteitag. Der Landeskonvent beschloss am 26. November einen Antrag beim
Landesvorstand mit der Einrichtung eines Parteitages am 13. und 14. Januar
2018. Jeweils die Hälfte des Vorstandes verschickte dann Einladungen zu
Landesparteitagen an unterschiedlichen Orten mit verschiedenen Tagesordnungen
und bezeichnete die jeweils andere Einladung als ungültig. [….]
Was auf politischer Ebene vorexerziert wird, ahmen die
medialen Rechten nach.
Auch sie hassen sich oft wie die Pest.
Nehmen wir zum Beispiel die konservative Juristin Liane
Bednarz, *74, die in Periodika wie dem European, in Christ & Welt, in der
Jüdischen Allgemeinen und in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
Kolumnen verfasst. Gegenwärtig ist sie die Jan Fleischhauer des Tagesspiegels
und verfasst dort ihre „liberal-konservativen“ Ansichten.
Andere selbsternannte Angehörige der „liberal-konservativen
Elite“ wie Pipi-Blogger Berger kann sie nicht leiden. Dieser überwarf sich
seinerseits inzwischen mit Roland Tichy, den er einst bewunderte und nun hasst,
weil er vermeidlich nicht stramm genug auf der ganz rechten Linieist.
Natürlich kübelt der Phimoseblog auch Hass
über Bednarz, weil sie es wagte Kritik am Chefzu üben. Erst vor wenigen Tagen zog er wieder
höhnisch über sie her.
[…]Liane Bednarz gilt als eine der
ganz großen investigativen Publizistinnen dieser Republik. Was sie zur
Desiderius-Erasmus-Stiftung und zu „Philosophia Perennis“ aufgedeckt hat,
könnte unsere Republik nachhaltig erschüttern.
Liane Bednarz hat es nicht leicht: Auf dem Buch- und Zeitschriftenmarkt,
der von Publikationen, die Verschwörungstheorien zu der rechten Szene
ventilieren, nur so überschwappt, muss man jedem einzelnen Käufer inzwischen
mehr oder weniger nachlaufen. Und das selbst wenn man so Hochqualitatives wie
Bednarz zu bieten hat, die bereits auf einem Blog mit solch durch und durch
sympathischen Geistesriesen wie Alan Posener und Ruprecht Polenz publizierte.
[klar, daß der Urinduscher seine ehemaligen Parteigenossen von der CDU
ebenfalls hasst wie die Pest]
So landet nun die Autorin sogar bei der Aras-Postille HuffPost bzw. dem
was von dem Pleiteblättchen noch übrig ist. Und widmet sich dort der
Deisderius-Erasmus-Stiftung. So recht will es ihr allerdings nicht gelingen,
eine eindeutige Einschätzung zu geben.
[…] Die Argumentationskette für letzteres geht dann so: Die Stiftung sei
zwar für AfD-Verhältnisse gemäßigt, aber sie ist AfD-nah. Die AfD auf der
anderen Seite hat Kontakte zur Identitären Bewegung (was immer das heißen mag).
Also scheint die Stiftung so etwas wie ein Fanclub der IB zu sein:
Dreisatz-Logik vom Feinsten.
[…] Warum ich ein Scharfmacher bin, erklärt mir Frau Bednarz dann auch kurz
und bündig:
„David Berger: Rechtspopulistischer Blogger
[…] Ende Juni 2017 erschien auf “philosophia perennis“ ein Gastbeitrag mit
einem positiven Bericht über eine Demonstration der Identitären Bewegung in
Berlin, in dem auch das Wort “Systempresse“ auftauchte.“
[…] Ich weiß von gar nichts. Und wenn ich etwas wüsste, würde ich es schon
gar nicht dort sagen oder schreiben, wo die Systempresse mithört, sondern es
Martin Sellner heimlich bei der nächsten IB-Demo, bei der ich mit Dirndl und
blonder Langhaarperücke verkleidet als deutsche Maid mitmarschiere, in sein
rechtes Ohr flüstern. [….]
Instinktiv möchte man eine so vom Berliner Hetzblogger Gescholtene unterstützen.
Aber das ist nur ein kurzer schwacher Moment.
Bis einem wieder einfällt wie Bednarz selbst tickt. Wie sie
Steinbach-artig gegen Greta Thunberg giftet.
Der Feind meines Feindes ist eben nicht mein Freund, sondern
beides bleiben Blödmänner. Da sollte man sich entspannt zurücklehnen.
[….]Wie
Greta & Co. den Neuen Rechten nützen
[…] Bekanntlich hat sich die Neue Rechte und ihre Sympathisantenszene in
den vergangenen Jahren verstärkt Aktions- und Protestformen wie Blockaden und
Besetzungen angeeignet. Dazu gehörten vor allem auf dem Höhepunkt der
Flüchtlingskrise Blockaden von Flüchtlingsheimen, Grenzübergängen und Bussen. […]
Was die Legitimität und Rechtskonformität
solcher Verhaltensweisen betrifft, macht sich die Neue Rechte einen schlanken
Fuß. Sie behauptet schlichtweg, man könne oder müsse „die kleine Ordnung
stören, um die große zu erhalten“. Aus dem Mund des Verlegers Götz Kubitschek […]: „Klar ist, dass es durchaus legitim ist,
die kleine Ordnung zu verletzten in so einer Lage, um die große Ordnung zu
retten. Es ist erlaubt, etwas zu blockieren, es ist erlaubt, einen
Grenzübergang zu blockieren, es ist erlaubt, ein Asylheim zu blockieren oder zu
besetzen[…] Verblüffenderweise
empören sich viele der eher links- bzw. linksliberal ausgerichteten
Unterstützer Greta Thunbergsund ihrer
„Fridays for future“-Bewegung, die sonst die rechte Widerstandsrhetorik
ablehnen, sobald man in den Schulstreiks, mithin der Verletzung der
Schulpflicht, ein Problem sieht. […]
Wer in diesem Fall das Schulschwänzen für vollkommen legitim hält oder wie
Bundeskanzlerin Angela Merkel die Proteste lobt, ohne das Schwänzen zu
thematisieren, muss sich darüber im Klaren sein, dass er oder sie auf diese
Weise zumindest mittelbar das neurechte Postulat, man müsse „die kleine Ordnung
stören, um die große Ordnung zu retten“ affirmiert. […] Das Grundgesetz mit seinem in Art 28
verankerten Rechtsstaatsprinzip kennt aus gutem Grund außerhalb des eng
gefassten Widerstandartikels keinen allgemeinen „zivilen Ungehorsam“, mit dem
man sich aus eigenem Gutdünken heraus über das Recht hinwegsetzen kann. Damit
sollte sich namentlich Robert Habeck, der Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die
Grünen, einmal näher befassen. Gerade erst behauptete er in der Talkshow von
Anne Will, dass das Ziel von Schule darin bestehe, „mündige Bürgerinnen und
Bürger zu erziehen“. Dafür dienten ihm ausgerechnet die Schulstreiks als ein
perfekter Beweis. Die Verantwortung für die Streikbeendigung schob er der
Politik in die Schuhe, die einfach nur die Forderungen der Thunberg-Bewegung
erfüllen müsse. Es ist zu hoffen, dass eine solch verquere Argumentation nicht
im wahrsten Sinne des Wortes Schule macht. Denn sonst könnte man vielleicht
irgendwann argumentativ ziemlich hilflos dastehen, wenn rechte Schüler die
Schule schwänzen, um für die Durchsetzung ihrer migrationspolitischen
Forderungen zu demonstrieren.[…..]
Sorry, lieber Bonner Junge, der mir den Artikel schickte –
ich kann inhaltlich nicht detailliert auf eine selbsternannte
Liberal-konservative Elite-Juristin eingehen, die Thunberg und die xenophoben
Menschenhasser, die vor Asylunterkünften randalieren, in einen Topf wirft, eingehen.
Das macht meine Gesundheit nicht mit.
Berger und Bednarz sind beide solche Blitzbirnen, daß ich
kaum Partei ergreifen kann.
Wenn die sich gegenseitig hauen, wenn die AfD-Parlamentarier
sich gegenseitig mobben, trifft es keinen Falschen!