Donnerstag, 17. Juli 2014

Beißreflexe, Beißhemmungen



Das war ja auch wieder eine sinnlose Aktion von mir.
Gestern Nacht schaltete ich um 03.30 Uhr den Fernseher an, als just die „Anne Will“-Wiederholung losging.
Von den vielen, vielen, vielen Talkshowmoderatoren ist mir Will so ziemlich die Unsympathischste, weil sie sich so überhaupt gar nicht auf Gesprächsführung versteht, an ihren Fragenzetteln klebt und sich bemüht immer den dran zu nehmen, der am wenigsten zum Sachverhalt beitragen kann. Zudem ist Frau Will politisch ziemlich ungebildet; es genügt ihr sich selbst für ganz fabelhaft zu halten. Unvergessen ihre Ansprache nach dem Gewinn der Goldenen Kamera, als sie ihren Eltern dafür dankte, daß sie zu so einem wunderbaren Menschen geworden sei.
Gestern ging es um die US-deutschen Verstimmungen mit den Gästen Clemens Binninger, Katrin Göring-Eckardt, Georg Mascolo, Andrew B. Denison und Constanze Kurz.  Da ich mich am Montag gerade ein bißchen mit Binninger beschäftigt hatte, wollte ich mal eben gucken, was der Mensch für einen Eindruck macht.
Unerklärlicherweise guckte ich mir die Show bis zum Ende um kurz vor fünf Uhr an; nur um festzustellen, daß der Erkenntnisgewinn daraus nahe Null war.
Die Amerikaner verstehen gar nicht wieso sich die Deutschen so aufregen und denken natürlich gar nicht daran ihr Verhalten zu ändern. Die Berliner Politiker finden das zwar irgendwie ein bißchen blöd, haben aber auch nicht das Rückgrat sich dagegen ernsthaft aufzulehnen.
What else is new? Das wußte man auch schon vorher. Ebenso zeigte sich Anne Will wieder als Doofnuss. Nachdem Denison schon zu Anfang genau aufgezählt hatte aus welchen Gründen Washington Berlin nicht traut (Russland-Kontakte, Handel mit dem Iran, keinen Bock auf Irak-Krieg und Libyen-Militäreinsatz,..), fiel ihr 45 Minuten später ein, daß sie dazu noch eins dieser extra sinnlosen Einspielfilmchen parat hatte, das natürlich dann gezeigt werden mußte, als das Thema längst gegessen war. So mußte man sich dann sinnloserweise noch einmal genau die Denison-Liste anhören.
Als es um die Kooperation von CIA und BND ging, stolperte Will auch noch über den Fall „Curveball“, von dem sie noch nie etwas gehört hatte.
Macht ja nichts. Hat ja auch nur einen gigantischen Krieg ausgelöst und die peinlichste Stunde Amerikas vor dem UN-Sicherheitsrat bestimmt, als nämlich US-Außenminister Powell gestützt auf diesen BND-Curveball erklärte, daß der Irak voller Massenvernichtungswaffen sei.
Will eben…, weiß von nichts.
Den amerikanischen Politikwissenschaftler und Politikberater Andrew B. Denison muß ich hingegen ausdrücklich loben (und das ist jetzt keine Ironie!); er kennt die Fakten, redet nicht um den heißen Brei herum und erklärte den Deutschen völlig sachlich und unaufgeregt, daß Washington sie für irrelevante kleine Würstchen hält, mit denen man nach Belieben umspringen kann und soll.
Die qua Satzung US-freundliche Springer-Zeitung „Welt“ ist beeindruckt.

Am faszinierendsten war dennoch das Auftreten eines anderen Gastes: das des in Deutschland lebenden amerikanischen Politikberaters Andrew Denison. Er vertrat mit einer so derben Deutlichkeit die realpolitischen Ambitionen eines Hegemons, dass die Anwesenden – offensichtlich gewohnt an die etwas versöhnlicheren Beschwichtigungsgesten der diplomatischen Rhetorik, wie etwa Barack Obama sie pflegt – bisweilen wie schockgefrostet wirkten.
"Ich finde es normal, dass spioniert wird." Bumm. "Für die Amerikaner besteht auch in der Partnerschaft mit Deutschland weiterhin die Notwendigkeit zu spionieren." Zack. "Wir können dankbar sein, dass die Amerikaner besser überwachen als die Russen." Rumms.
Weiterhin gebe es im amerikanischen Kongress bei einer hypothetischen Abstimmung mit Sicherheit eine große Mehrheit für die Fortsetzung der Überwachung und für eine Partnerschaft auf Augenhöhe, mal ehrlich, da sei Deutschland doch zu klein und zu schwach – dieser niedrige Verteidigungshaushalt, zum Beispiel!
(Tim Slagman, DIE WELT, 17.07.14)

Ganz interessant fand ich allerdings wie Klischee-haft Kathrin Göring-Kirchentag ihren antirussischen Beißreflexen freie Bahn ließ.
Da ist die Theologin ganz DDR’lerin, genau wie der Theologe Gauck und die Theologentochter Merkel.
Während eines Gesprächs über die millionenfachen Rechtsverstöße, die Spionage, die Fehlinformationen, die Wirtschaftskriege und die realen von Amerika angezettelten Kriege mit Hunderttausenden unschuldigen Todesopfern, fand sie doch Zeit kräftig auf Putin, der ja Herrn Snowden Asyl gewährt einzuhacken: Moskau könne man nicht trauen, das sei eine Diktatur und schon morgen könne Snowden in Gefahr sein.
Was für eine dramatische Verdrehung der Tatsachen!!
Snowden droht Gefahr aus AMERIKA. Man kann Deutschland nicht trauen, weil es nicht das Rückgrat hat Snowden Asyl anzubieten und Putin ist in dieser Geschichte eindeutig der GUTE, der dem Mann, dem gerade Deutschland so viel verdankt, Schutz bietet.

Und der Vergleich Russland-Amerika, den Journalisten aller Couleur schon wieder zu einem heißen Krieg der Systeme hochjazzen, geht keineswegs so eindeutig aus, wie das heute beispielswiese der Historiker-Papst Heinrich August Winkler im aktuellen SPIEGEL ausbreitet.

Russland war vor zehn Jahren ein äußerst wichtiger Partner Deutschlands, um gemeinsam gegen den Irakkrieg zu arbeiten.

Das muß man Putin schon hoch anrechnen, daß er so klar für den friedlichen Kurs Frankreichs, Belgiens und Deutschlands gegen die USA, Polen, GB, Italien, Spanien, etc Stellung bezogen hat!

Rußland hat 1999 die Todesstrafe abgeschafft, während Merkels Christenfreund George W. Bush in seiner Amtszeit als Gouverneur 152 (sic!) Todesurteile unterschrieben hat. 

Der Staat Texas, dem GWB als Gouverneur diente hat in den letzten 30 Jahren sogar 22 Teenager hinrichten lassen

Auch geistig Behinderte werden in Amerika, dem land oft he free, hingerichtet.

2008 unterschrieb Bush noch als amtierender Präsident das Todesurteil gegen den Gefreiten Ronald Gray, einen US-Soldaten.

Stichwort Amerika.

Nicht auszudenken wie übel Russland im publizistischen Licht dastünde, wenn es auch nur annähernd so abscheuliche Methoden wie die von Merkel und Gauck so heißgeliebte USA anwendete:

USA:
Hinrichtungen. Hinrichtungen von Geisteskranken. Hinrichtungen unter bestialischen Umständen. Hinrichtungen von Minderjährigen. Hinrichtungen von Unschuldigen.
Russland tut das nicht.

USA:
Regelmäßige Drohnenangriffe auf souveräne Staaten bei denen regelmäßig unschuldige Zivilisten getötet werden.
Russland tut das nicht.

USA:
Zwei illegale Angriffskriege während einer Präsidentschaft mit vermutlich über einer Millionen Toten.
Russland tut das nicht.

USA:
Geheime und nicht geheime extraterritoriale Folterlager, in denen Menschenrechte nicht gelten.
Russland tut das nicht.

USA:
Wikileaksskandal – ungeniert schreiben US-Botschaften weltweit auf für was für Idioten sie die Politiker ihres Gastlandes halten.
Russland tut das entweder nicht oder ist wenigstens nicht dumm genug sich dabei erwischen zu lassen.

USA:
NSA-Skandal. Billionenfaches Ausforschen privater Daten im Ausland, Anzapfen des Internets, generalstabsmäßige Wirtschaftsspionage, Verwanzen der EU-Büros, Abhören der Telefone Europäischer Verbündeter. Sich nicht dafür entschuldigen.
Russland tut das entweder nicht oder ist wenigstens nicht dumm genug sich dabei erwischen zu lassen.

USA:
Europa-Abteilungsleiterin im US-Außenministerium, Victoria Nuland: „Fuck the EU.“ Merkel is pissed.
Russland tut das entweder nicht oder ist wenigstens nicht dumm genug sich dabei erwischen zu lassen.

Man stelle sich vor Russland hätte Deutschland auch nur 1/10 so viel gedemütigt, wie es die USA tut!

Die Journaille verschärft aber derzeit noch einmal erheblich den Ton gegen Russland, während die deutsche Regierung die Hosen vor Obama so voll hat, daß sie den aussagewilligen Snowden noch nicht einmal anhören will – aus lauter Angst Washington könnte das nicht gefallen.

Ost-Gewächs Göring-Kirchentag jammerte aber in der gestrigen Will-Sendung doch tatsächlich nicht nur über den bösen Putin, der Snowden zwar jetzt schütze, aber sicher nur aus irgendwelchen gemeinen Absichten und auch vermutlich nicht auf Dauer.
Nein, die kroch auch noch schleimspurziehend in Richtung Denison-Rektum, indem sie versicherte man stünde doch in der Ukrainefrage zu 100% auf der Seite Amerikas und der Faschisten-unterstützten (illegitimen) Ukrainischen Übergangsregierung und sei total gegen Putin.

Schön zu wissen. Nicht nur, daß Spitzengrüne wie Rebecca Harms und Göring-Kirchentag offensiv für Koalitionen mit Faschisten werben, nein, nun werfen sie sich auch noch bellizistischen Oligarchen an den Hals, um den Amis zu gefallen.

Hat die Grüne Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin eigentlich zur Kenntnis genommen, was der von ihr so demonstrativ gelobte Ukrainische Präsident so redet, wenn der Tag lang ist?

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat den prorussischen Separatisten drastische Vergeltung für einen Raketenwerfer-Angriff auf die Regierungstruppen angedroht. Für jeden getöteten ukrainischen Soldaten würden die Rebellen mit Hunderten ihrer Leute zahlen, teilte Poroschenko auf seiner Internetseite mit. Kein einziger "Terrorist" werde seiner Verantwortung entgehen.

Und heute gibt es zum Abschuß des Fluges MH17 (unterwegs von Amsterdam nach Kuala Lumpur, rund 300 Tote) über der Ostukraine sogar Gerüchte, nach denen es sich um einen misslungenen Ukrainischen Mordanschlag auf Präsident Putin handelte.

+++ Ukraine wollte Putin abschießen +++
Flug #MH17 wurde von der Junta abgeschossen.
40 Minuten vor #MH17 flog die russische Präsidentenmaschine mit Putin an Board über derselben Flugstrecke - Vermutung: Ukraine wollte Putin abschießen.
Putin war gerade auf dem Weg aus Lateinamerika, wo sich die BRICS Staaten zusammentrafen.

Poroschenko schiebt aber einfach alles den ominösen „Prorussen“ in die Schuhe.
Simple as that. Der böse Putin ist also Schuld.

Die nützliche Erfindung der "Pro-Russen"
[…] Die Konfliktparteien in der Ukraine als "pro-russisch" und "pro-westlich" zu bezeichnen, hatte sich seit Beginn der Auseinandersetzung medial eingebürgert. Jedoch beschreiben solche Begriffe die beiden Lager mit all ihren Ausprägungen und inneren Widersprüche nur ungenügend und zum Teil auch falsch. […] Statt "pro-russisch" und "pro-westlich" haben sich in der Ukraine denn auch ganz andere Bezeichnungen für die Konfliktparteien etabliert: Euro-Maidan und Anti-Maidan. Diese Begriffe nutzen hiesigen Medien jedoch kaum, hätten sie doch zur Folge, sich genauer mit den Gruppen beschäftigen zu müssen.
[…] Doch die Identität dieser "pro-russischen Kräfte" bleibt auch medial im Ungefähren. Vielleicht sind sie aus dem großen Nachbarland eingesickert, um für ein imperiales Großreich zu kämpfen? Vielleicht sind sie ethnische Russen, die in der Ukraine leben und der russischen TV-Propaganda alles glauben? Nur eins dürfen sie nicht sein: Bewohner der Ukraine mit dem berechtigten Anspruch, Akteure innerukrainischer Debatten zu sein.
[…] Hiesige Medien berichten aber auch über friedliche Regierungsgegner im Osten und Süden der Ukraine so, als wenn diese dort Fremdkörper oder Ausländer wären. Aus zahllosen Berichten trieft es: verblendete Sowjetnostalgiker, leichtgläubige Propaganda-Opfer, Putin hörig, grundlos hysterisch. Die Ängste, Anliegen und politischen Vorstellungen dieser Ukrainer sind damit nicht mehr legitim. "Moskau-nah", "pro-russisch", "kreml-treu" – wer gegen die neue Regierung ist, muss in vielen deutschen Journalistenaugen für Putin und den Zerfall der Ukraine sein. […] Medial kann nun Wladimir Putin für alle Aktionen der Pro-Russen direkt verantwortlich gemacht und alle Widersprüche zwischen beiden als Verlogenheit Putins charakterisiert werden.
[…] Viele hiesige Journalisten meiden innerukrainische Erklärungen für einen innerukrainischen Konflikt so gut es geht. Gleichzeitig präsentieren sie mit Russland/Putin einen Schuldigen, auf den sie alles abwälzen. Positionen und Sprachregelung westlicher Akteure werden vorschnell übernommen und deren Argumente nur selten auf Stimmigkeit geprüft. Kritisches Nachhaken fällt aus. […]

Milliardär Poroschenko hat offenbar auch die denkschwache Grünen-Chefin im Bundestag schon in der Tasche.
Die Anti-Putin-PR-Maschine läuft.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat den Absturz der malaysischen Passagiermaschine als "terroristischen Akt" bezeichnet. Poroschenko halte die Tragödie "weder für einen Zwischenfall, noch für eine Katastrophe", sagt ein Sprecher.
Poroschenko wirft den prorussischen Separatisten vor, die Boeing abgeschossen zu haben - wie zuletzt mehrere ukrainische Militärflugzeuge. Er betont, die ukrainischen Streitkräfte hätten mit dem Zwischenfall nichts zu tun.