Sonntag, 20. August 2023

Woelkis Wichser

Da ich aus einer liberalen und säkularen Familie stamme, war ich schon als Kind über die Funktionsweise der Geschlechtsorgane informiert. Wie so ziemlich jedes andere Kind, das in den 1970er und 1980ern zur Schule ging, hatte ich auch phasenweise Kontakt zur primitiv-Zeitschrift „BRAVO“ und interessierte mich parallel zu meiner eigenen Pubertät für die dort bebilderten Sexgeschichten, ohne jedoch aus allen Wolken zu fallen. Ich behaupte, 99% der Pubertierenden interessieren sich für Sex, weil es ein natürlicher Trieb ist und man die Veränderungen am eigenen Körper nicht übersehen kann.

Das ist auch evolutionär notwendig, denn Menschen und Tiere mussten zu jeder Zeit, egal wie kulturell prüde sie war, sexuell aktiv sein. Das war auch immer so. Vor 1.000 Jahren, vor 100.000 Jahren vor 100 Millionen Jahren. Anderenfalls würden wir heute nicht existieren. Sexuelle Aufklärung spielt offenbar für die Vermehrung und das Überleben einer Art keine Rolle. Wenn eine Tierart aber, anders als Bonobos oder Feldhamster, über Zivilisation und Wertekanon verfügt, will man der Grausamkeit der Natur Einhalt gebieten. Evolutionär sinnvolle Wege, wie Massenvergewaltigungen, große Harems, oder das Töten von Kindern anderer Männer, um seine eigenen Gene zu bevorzugen, kollidieren dann mit der Würde des Einzelnen. Daher wird individuelle sexuelle Aufklärung unumgänglich. Man muss die Vorgänge rund um den Geschlechtsverkehr kennen, um selbstbestimmt mit seinen, und den Trieben anderer, umzugehen.

Allgemein zugängliche Videorekorder gab es zu meiner Zeit noch nicht, kein Privatfernsehen und natürlich kein Internet. Eigene Phantasien spielten eine große Rolle, weil rein technisch nicht die Möglichkeit gab, auf die Phantasien anderer zurückzugreifen.

Das erste mal sah ich andere Menschen beim Geschlechtsakt auf der Hamburger Reeperbahn in einem entsprechenden Etablissement. Das erforderte einen gewissen Aufwand. Man muss zufällig in einer Stadt leben, die so ein Rotlichtviertel aufweist und natürlich alt genug sein, um selbstständig dorthin zu fahren.

Wie viele Angehörige meiner Generation, verfalle ich in regelrechten Kulturpessimismus, wenn ich an die Auswirkungen der für jedes Kind zugänglichen Smartphones denke. Wie wirkt es sich auf die eigene sexuelle Entwicklung aus, wenn man schon lange vor der Pubertät mit drastischen Pornos jeder erdenklichen Spielart überfüttert ist? Welche Bilder die eigene sexuelle Erregung triggern, hängt natürlich von der Verfügbarkeit der Reize ab.

In wilhelminischen Zeiten, die Stefan Zweig so meisterhaft in „Die Welt von gestern“ beschreibt, hatten pubertierende Jungs und unverheiratete Männer, keine Möglichkeit, etwas von der weiblichen Anatomie zu sehen und wurden dementsprechend sofort von Erektionen geplagt, wenn eine Dame beim Aussteigen aus der Kutsche, kurz nicht aufpasste und ein Teil ihres Knöchels unter den langen Röcken zum Vorschein kam.

So geht es den Männern heute noch in den Teilen der Welt, wo die Frauen Burka und Niqab tragen.

Da dort viel mehr Kinder geboren werden und Frauen früher Mütter werden, als in Ländern, in denen man, zumindest im Sommer, überall Damen im Bikini sieht, scheinen Verhüllungs- und Verdrängungsstrategien völlig untauglich zu sein, um Sex zu verhindern. Entsprechende Ergebnisse gibt es aus den prüden Red States der USA, wo Kondomautomaten verbannt werden, Sexualaufklärung verhindert wird und Promise-Keepers ihren Vätern bei einer feierlichen Ringübergabe schwören, mit dem ersten Sex bis zur Ehe zu warten: Je weniger Aufklärung, je weniger sexuelle Offenheit, desto früher der erste Sex, desto mehr ungewollte Schwangerschaften. Die Darstellung weiblicher Nippel (USA) oder gar die Sicht auf jede weibliche Form zu tabuisieren, funktioniert nicht.

In Schweden oder Holland hingegen, wird niemand mehr in sexuelle Raserei verfallen, wenn er ein nackten Damen-Unterschenkel sieht, weil dieser Trigger angesichts der moderneren Mode nun weit unter der Toleranzschwelle liegt.

Aber wo liegt eigentlich die sexuelle Reizschwelle für den GenZ, die schon vor der Pubertät en Detail Oral-, Anal und Vaginalverkehr auf dem Klugtelefon studierte?

Das liegt für mich, als Digital Immigrant, außerhalb der Vorstellungskraft.

Aber erstens nützt es nichts, diese Entwicklung zu beklagen, weil das Internet nicht wieder verschwindet. Zweitens zeigen alle Untersuchungen von Sexualwissenshaftlern, daß „die Jugend“ heute deutlich später als in den 1980ern das erste mal Sex hat und auch später Kinder bekommt.

Das Mindset eines Frühpubertierenden aus den 1980er Jahren, kann man offenbar nicht auf die Altersgenossen von heute übertragen. Bei ihnen führt die ständige Verfügbarkeit von Hardcore-Pornos offenbar gerade eben nicht zu einer Zunahme der Sexualkontakte und Frühsexualisierung.

[…..] Jugendliche immer später sexuell aktiv

Das „erste Mal“ findet später statt, als noch vor 10 oder 15 Jahren. Junge Menschen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren haben heute später erste sexuelle Erfahrungen als noch vor zehn oder 15 Jahren. Mädchen wie Jungen geben überwiegend zwei Gründe für die sexuelle Zurückhaltung an.

Auch wenn es scheint, dass Jugendliche in Deutschland vor allem über das Internet immer früher „sexualisiert“ werden, haben junge Menschen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren heute später erste sexuelle Erfahrungen als noch vor zehn oder 15 Jahren. Das geht aus einer Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Während sexuelle Aktivitäten unter den Vierzehnjährigen mit durchschnittlich vier Prozent (2005: Mädchen zwölf, Jungen zehn Prozent) noch die Ausnahme sind, hat im Alter von 17 Jahren mehr als die Hälfte schon Erfahrung mit Geschlechtsverkehr. Junge Frauen ohne Migrationshintergrund haben im Alter von 17 Jahren demnach zu knapp 70 Prozent (2005: 73 Prozent) schon das „erste Mal“ erlebt, bei den gleichaltrigen Frauen mit ausländischen Wurzeln sind es etwa 37 Prozent (2005: 55 Prozent). Unter den siebzehnjährigen Jungen sind es 64 beziehungsweise 59 Prozent (2005: 66 und 79 Prozent).  [….]

(FAZ, 03.12.2020)

Der Sexualtrieb ist omnipotent und läßt sich nicht unterdrücken. Er lässt sich aber durch individuelle Aufklärung im zivilisatorischen Zusammenhang, so lenken, daß möglichst wenige Menschen gegen ihren Willen zum Sex gezwungen sind.

Die katholische Kirche versteht selbstverständlich, wie stark der Sexualtrieb ist und so ist es einer ihrer genialsten Schachzüge, ausgerechnet so einen elementar notwendigen Trieb als Todsünde zu brandmarken. Da so gut wie jeder gegen das Sexualverbot verstößt, muss jeder Gläubige ein schlechtes Gewissen haben, sich vor der ewigen Hölle fürchten und so auf die Gnade der Geistlichen angewiesen sein.

Es hätte keinen Sinn, etwas zu ächten, das ohnehin niemand gern tut. Dann gäbe es keine Verstöße und keinen Grund sich mit Reliquien oder Ablässen freizukaufen.

Ein Kardinal wie Woelki weiß natürlich auch, das seine zum Zölibat und zur Heterosexualität gezwungenen Geistlichen und Priesteranwärter, von diesen unerfüllbaren Auflagen gequält werden. Daß sie die Enthaltsamkeit nicht aushalten.

Gut so, denn jedes Mal, wenn sie heimlich sündigen oder aber vom Regens dabei beobachtet werden, wie sie sich im Priesterseminar miteinander im Bett vergnügen, werden sie erpressbar und somit zu Gehorsam gezwungen.

Ein reges und erfülltes Sexualleben im Priesterseminar – womöglich sogar für einige Exoten mit so ungewöhnlichen Sexualpartnern wie FRAUEN – wäre also sehr gut für die mentale Verfassung der Geistlichen selbst und eine echte Hilfe für die Messdiener, welche dann entsprechend weniger stark untervögelte und sexuell frustrierte Pfaffen abwehren müssten.

Das Nachsehen hätte aber der konservative Kardinal, der a) mit der Schmach leben müsste, seine bisher als unveränderlich geltende Sexualmoral revidieren zu müssen und b) ein Disziplinierungsmittel verlöre, um junge Priester auf erzkonservativen Kurs zu zwingen.

Um sicher zu gehen, daß keiner seiner Geistlichen nach Dienstschluss eine Mormon-Boys-Pornowebsite aufruft, um sich masturbatorisch zu entspannen, ließ Woelki eine Sex-Kindersicherung in die bischöflichen Server schalten.

[….] Das Erzbistum Köln sieht sich jetzt dem Verdacht ausgesetzt, dass Mitarbeiter zahlreich versucht haben sollen, über Dienstrechner pornografische Internetseiten aufzurufen. Zu klären ist nun, ob das zum Teil auch strafrechtlich relevant ist. [….] Das Erzbistum Köln bestätigte auf Anfrage am Freitag, dass ihm eine Liste mit Zugriffsversuchen von Dienstrechnern auf Internetseiten mit Gewaltdarstellungen, Pornografie oder auch Drogen vorliege. Mitarbeitern des Erzbistums ist es nämlich verboten, solche Seiten aufzurufen. [….] Tatsächlich aufgerufen seien die Porno-Seiten ohnehin nicht, da ein Filter die Seiten automatisch blockiert habe, so das Erzbistum. [….] Nach Angaben von Joachim Frank, Chefkorrespondent des "Kölner Stadt-Anzeigers", stehen auf der Liste "mehr als 1.000 Zugriffsversuche" auf Seiten, die überwiegend unter die "Kategorie Pornografie" fallen. Unter jenen, die die Seiten versucht haben anzusteuern, seien auch "höchstrangige" Kleriker.  [….]

(WDR, 19.08.2023)

Die tauendfache Wichsverhinderung notgeiler Kölner Priester, mag ein Erfolg für die Digitalstrategie des erzkonservativen Kardinals sein.

Je mehr sexueller Frust unter den Soutanen, umso besser für eine strafende Obrigkeit.

Für Kinder, die von diesen Onanie-gebremsten Pfarrern „betreut“ werden, wird es umso gefährlicher.

Zumal die Hochwürden Samenstau offensichtlich nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind, wenn sie nach 999 vergeblichen Aufrufen einer Pornoseite, auch den 1000sten Versuch starten und wieder in der Kindersicherung landen.

Haben des Regens‘ Erregten keine privaten Internetanschlüsse, keine Klugtelefone?

Wieso versuchen sie es immer wieder über das Woelki-Web?

[….]  Woelki teilte dem SPIEGEL mit: »Es hat mich enttäuscht, dass Mitarbeitende versucht haben mithilfe von Geräten, die ihnen unser Erzbistum für ihren Dienst zur Verfügung gestellt hat, auf pornografische Seiten zuzugreifen – auch wenn die Firewalls gegriffen haben.« Als er davon erfahren habe, habe er darum gebeten, die Vorfälle umgehend zu prüfen. Nicht alle Mitarbeitende dürften nun unter Generalverdacht gestellt werden. [….] Der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz sagt: »Dass Kleriker Interesse an pornografischen Inhalten zeigen, überrascht nicht.« Die Geschichte sei auch deshalb skandalträchtig, weil »offenkundig nach wie vor versucht werde, den Schein der sexuellen Reinheit der Priester zu wahren.« Erst durch das Tabu werde Verhalten zum Ärgernis, das in anderen Institutionen keine Wellen schlagen würde. [….]

(SPON, 19.08.2023)

Sich bloß einen runterholen zu wollen, dann in Woelkis Firewall enden und die Staatsanwalt auf dem Buckel haben.

Willkommen in der Priesterwelt des Jahres 2023.

Samstag, 19. August 2023

Menschen verändern sich.

Es ist immer traurig, wenn man einen Freund, Bekannten, Politiker, Star oder Journalisten, den man lange schätzte, oder gar bewunderte, verliert. Nicht weil er gestorben ist, sondern weil er sich das Schwurbel-Virus eingefangen hat, zunehmend in geistig abstruse Sphären abdriftet und damit auch seinen Charakter verändert.

Lange Zeit nahm man an, der Charakter eines Menschen forme sich in seinen Teenager- und frühen Twen-Jahren endgültig aus. Dieser Charakter sei dann gefestigt und präge den Menschen sein Leben lang.

Das stimmt aber nicht; vielmehr können sich Charaktereigenschaften das ganze Leben herausbilden, verstärken, oder verkümmern.

Im besten Fall, wird jemand im Laufe seines Lebens bescheidener, charmanter, ehrlicher, höflicher, kommunikativer, großzügiger, umsichtiger oder respektvoller. Häufiger sind leider charakterliche Veränderungen in die negative Richtung. Menschen werden, arroganter, cholerischer, sturer, gieriger, fauler, eingebildeter, paranoider, rücksichtloser, herablassender, rechthaberischer, unmoralischer, wichtigtuerischer oder gemeiner.

Die Corona-Pandemie war einer dieser Lackmustests, bei denen sich zeigte, wer so denkfaul und rücksichtlos geworden ist, daß man tatsächlich den Kontakt abbrechen musste, wenn man zuvor mit ihm befreundet war. Oder dessen öffentliche Äußerungen man zukünftig ignorieren konnte, wenn es ein zuvor geschätzter Politiker war.

Journalisten, die man mag und respektiert, können selbstverständlich grundsätzlich andere Ansichten, als man selbst vertreten, oder aber bei bestimmten Fragen andere Antworten geben.

Es ist aber ein Unterschied, ob man auf denselben Fakten basierend, verschiedene Schlüsse zieht.
Oder ob jemand beginnt, grundsätzlich Teile der Realität zu negieren, sich auf Gefühle oder Verschwörungstheorien stützt und sachliche Argumente als Aggression umdeutet.

Religiotie ist ein klassisches Beispiel für so ein Verhalten. Weist man einen Gläubigen und Missionierenden auf offensichtliche Paradoxien hin, fühlt er sich angegriffen, beklagt sich, seine Religion werde nicht genügend geschützt.

Willkommen in der Genitalverstümmelungsdebatte. Natürlich lässt es sich nicht mit Kinderschutz und Humanismus vereinbaren, wenn man Säuglinge an Penis oder Schamlippen verstümmelt und dabei auch noch Todesfälle riskiert. Sagt man das aber jemanden, der genau dafür eintritt, sich aber gleichzeitig als Humanist versteht – Volker Beck oder Heribert Prantl zum Beispiel – erntet man Arroganz und Aggressivität.

Mann kann nicht mit „Impfgegnern“, Reichsbürgern, Election-Deniern, Chemtrailern, Flatearthern, Beschneidungsfans, Antisemiten, Religioten, Homöopathen, Trump-Fans, Kreationisten oder Reptiloiden-Gläubigen in Freundschaft koexistieren, weil sie eben nicht nur eine andere Meinung vertreten, sondern aufgrund negativer Charaktereigenschaften, die Welt der Fakten verlassen haben.

Die Sache wird so kompliziert, weil diese Gaga-Ansichten zwar oft geballt auftreten, aber durchaus auch als Inselverarmung existieren können.

Vernünftige normale Menschen, die auf Globuli schwören, Naturwissenschaftler, die an Gott glauben, demokratische Politiker, die dafür eintreten, kleinen Jungs ein Stück vom Penis abzuschneiden.

Heribert Prantl hat sich ganz offensichtlich charakterlich zum Negativen verändert.

[….] Prof. Dr. Heribert Prantl (*1953), Jurist (Promotion Magna Cum Laude), Staatsanwalt, Richter, Autor, Journalist, Publizist war ab 1988 SZ-Redakteur, von 1995 bis 2017 Chef des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, 2018 bis 2019 Leiter des Ressorts Meinung und von 2011 bis 2019 war er Mitglied der Chefredaktion.

Das Abo habe ich nie bereut und schätze inzwischen viele andere SZ-Autoren sehr. Aber da Prantl für mich der erste Anknüpfungspunkt war, achte ich immer noch besonders auf seine Kolumnen am Wochenende und zu den Christlichen Feiertagen.

Umso mehr schmerzt es mich natürlich, bei all der Grundsympathie zu beobachten, daß Heribert Prantl offenbar zunehmend an „Religiotie“ leidet

[….] Der Jurist und Journalist Prantl war aber immer ein liberaler Mann, dessen Ansichten ich stets respektierte.

Umso geschockter war ich, als Prantl 2012 zum inzwischen berüchtigten "Kölner Beschneidungsurteil" den Juristen und Humanisten in sich über Bord warf und sich der Religiot in ihm Bahn brach. Er plädierte deutlich dafür, Kindern und Jugendlichen, medizinisch unsinnige schmerzhafte Genitalverstümmelungen antun zu dürfen.

Zur Ausgießung des Heiligen Geistes, beschäftigt sich Heribert Prantl (es war so sicher wie das Amen in der Kirche) natürlich auch mit Pfingsten und stellt (ebenso sicher vorhersehbar) fest, wie wichtig dieses christliche Fest ist.

Garniert; auch das ist in jedem seiner Texte zu katholischen Riten so; mit einer ordentlich Portion Larmoyanz im Subtext.

„Ach, so ein Jammer, daß der Glaube nachläßt. Wäre es doch bloß wie früher in meiner Kindheit.“

Diese Leier kann ich inzwischen schon singen, lese die Kolumne aber trotzdem, weil ich weiß, wie gebildet Prantl ist und warte gespannt, welche historische Begebenheit oder welche literarische Vorlage er wohl diesmal verwendet, um zu dem erwartbaren Schluß zu kommen, daß es mehr Religion und mehr Rituale brauche. [….]

(Leserbrief an die SZ, 27.05.2023)

Auf diesen Leserbrief bekam ich tatsächlich eine persönliche Antwort von Prof. Prantl, die derartig arrogant und blamabel für ihn war, daß ich sie nicht veröffentlichen kann.

Ich war wirklich traurig und dachte, ihn endgültig als ernstzunehmenden Journalisten verloren zu haben.

Prantl scheint tatsächlich mehrere Inselverarmungen aufzuweisen, aber dennoch in vieler Hinsicht bei scharfen Verstand zu bleiben.

Er schreibt immer wieder Kolumnen, die ich sehr begrüße.

In der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung sogar über ein persönliches Herzensthema, nämlich einem Vorwurf, dem ich mich kontinuierlich ausgesetzt sehe: Der Wählerbeschimpfung.

[….] Es gibt ein Verbot in der Bundesrepublik Deutschland, das nirgendwo niedergeschrieben ist, an das sich aber fast alle halten. Es handelt sich um das Verbot der sogenannten Wählerbeschimpfung. Als Wählerbeschimpfung gilt es dabei schon, wenn man Wähler für ihre Wahlentscheidung kritisiert; das ist, angeblich, die Todsünde der Demokratie. Wähler haben nämlich, das ist der Gehalt des Kritikverbots, immer recht - auch dann, wenn sie rechtsextrem wählen. Wenn sie eine in weiten Teilen neonazistische Partei wie die AfD wählen, wenn sie dieser Partei zu Einfluss und zu Macht verhelfen, wenn sie so dafür sorgen, dass es eine institutionelle Wieder-Gewöhnung an braunes Gedankengut gibt - dann sind daran angeblich alle anderen schuld, nur nicht die Wählerinnen und Wähler. Das aber ist falsch.

Die Schuld an der Wähler-Entscheidung für eine braune Partei wird auf Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck abgeladen, auf die Regierungsampel also und auf ihre andauernden Streitereien; sie wird auch auf Friedrich Merz abgeladen und auf seine täppische Oppositionspolitik. Die Schuld am Aufleben des Neonazismus, der sich in der AfD manifestiert, wird allen anderen und allem anderen zugeschoben - den regierenden Politikern, den Politikern der größten Oppositionspartei, dem Ukraine-Krieg, der Corona-Politik, der Asylpolitik, der Klimapolitik, der Bildungspolitik. Es wird so getan, als gäbe es für das braune Kreuz eine eingebaute Entschuldigung. Es gibt sie nicht. Es gibt genügend Gründe dafür, mit der herrschenden Politik unzufrieden, es gibt auch Gründe, auf sie zornig zu sein. Es gibt aber keinen einzigen Grund dafür, deswegen eine nationalistische und neonazistische Partei zu wählen, eine Partei, die so tut, als wären die Verbrechen der Nazis ein "Vogelschiss". Die rechtsstaatliche Demokratie hat Fehler, und die demokratischen Parteien machen Fehler. Aber: Der rassistische Nationalismus, wie er sich in der AfD ausgebreitet hat, ist ein einziger furchtbarer Fehler. Wer auf den Wahlzettel sein Kreuz bei der AfD malt, der erteilt damit nicht einfach nur den anderen Parteien einen Denkzettel; er ermächtigt eine Partei, die die Menschenwürde verachtet, die giftige und gemeine Reden führt, in der das Nazi-Denken zu Hause ist und in der die NS-Verbrechen verharmlost werden. Das darf man kritisieren, das muss man kritisieren. [….]

(H. Prantl, 19.08.2023)

Recht hat er, der Prantl!

Freitag, 18. August 2023

Noch mehr Ampel-Elend.

Wie ich vorgestern erläuterte, kann die Ampel nicht besser regieren, weil sie vom Wahlvolk, und dabei insbesondere von den Erstwählern, dazu gezwungen wurde, die destruktive, alles sabotierende FDP in ihren Reihen aufzunehmen.

Porscheparteichef Lindner sorgt dafür, daß Steuerzahlergeld nicht etwa bei Bedürftigen, wie armen Kindern ankommt, sondern stets auf den größten Haufen geschissen wird.

[….] Ein aktuelles Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt: Alle zur Diskussion stehenden Modelle für eine Kindergrundsicherung wären besser als keine Kindergrundsicherung. Deshalb besteht die SPD-Bundestagsfraktion auf die Einführung einer wirksamen Kindergrundsicherung im in der Koalition verabredeten Zeitrahmen.

„Eine wirksame Kindergrundsicherung muss jetzt schnellstmöglich kommen. Das unterstreicht auch ein aktuelles Gutachten des DIW. Auch dieses bestätigt die Zusammenhänge zwischen Kinderarmut und deren Auswirkungen auf Gesundheit, Bildung und soziale Teilhabe. Wenn man alle mit Kinderarmut verbundenen gesamtgesellschaftlichen Kosten mit in den Blick nimmt, dann sind die geplanten Investitionen in eine Kindergrundsicherung auch volkswirtschaftlich höchst sinnvoll.

In der SPD-Bundestagsfraktion arbeiten wir schon seit Beginn der Legislaturperiode an allen Detailfragen der Kindergrundsicherung, für beste frühkindliche Bildung und für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Unsere aktuelle Bilanz dazu kann sich sehen lassen: Erhöhungen bei Kindergeld, Kinderzuschlag, Bürgergeld und Wohngeld sowie Entlastungen beispielsweise durch das Deutschlandticket. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Die SPD-Bundestagsfraktion empfindet das Gutachten als große Unterstützung, auch für die politische Debatte und Feinarbeit an der Kindergrundsicherung.“ [….]

(Leni Breymaier, 18.08.2023, PM Nr. 144/2023)

Lindner stellt wieder einmal seine hepatisgelben Milchmädchenrechnungen auf und ignoriert die katastrophalen Folgekosten, wenn in Deutschland Millionen Kinder zu arm, zu bildungsfern, zu ungesund und zu desillusioniert aufwachsen.

[….] Das öffentliche Echo ist verheerend – und trotzdem hat Familienministerin Lisa Paus richtig gehandelt. Ihr Veto gegen die von Finanzminister Christian Lindner geplanten Steuerentlastungen für Unternehmen in Milliardenhöhe dokumentiert eine in der Ampelregierung von Grünen bislang nicht gezeigte Entschlossenheit.

Paus blockiert Lindners Vorhaben, weil der nicht genug Geld für die Kindergrundsicherung bereitstellen will. Dafür bezieht sie viel Prügel in den Kommentarspalten, in der Bundesregierung und hinter noch verschlossenen Türen sicher auch in der eigenen Partei.

Dabei hat die grüne Ministerin völlig recht: Wer sich wie Lindner bei etwas so Wichtigem wie mehr Geld für den Kampf gegen Kinderarmut querstellt, der sollte seine eigenen Projekte nicht reibungslos durchbringen können. Kompromissbereitschaft ist keine Einbahnstraße. Daran zu erinnern, ist mutig – und angemessen.  [….]

(Anja Krüger, 17.08.2023)

In der FDP-Welt muss man sich Reichtum ehrlich ererben, oder man ist eben selbst Schuld, zum elenden Plebs zu gehören. Die großartige Samira El Ouassil offeriert viele praktikable Tipps, was den blöden Blagen bleibt, deren Eltern keine Millionäre sind.

[….] Mein Rat: Schon als Säugling die Ärmel hochkrempeln und endlich auch mal eigenverantwortlich daran arbeiten, nicht mehr arm zu sein.[….]

Ein paar Tipps zusammengeschrieben, wie man es auch als ganz kleiner Bürger in Deutschland aus der Armut schaffen kann:

    Erstens: Mindset! Kennt jeder, aber vor allem arme Kinder und ihre Familien brauchen einfach immer noch zu lange, um sich selbst auf Erfolg zu polen. Manager und Moderatoren wissen längst: Auf politische Unterstützung warten ist die Loser-Mentalität von Hafermilchtrinkern. Fragen Sie nicht »Was kann der Staat für unser Kind tun?«, sondern »Was kann das Kind für sich selbst tun?«. Wenn jedes Baby an sich denkt, ist an alle gedacht! [….]     Viertens: Selbstständigkeit. Wer sagt, dass Kinder bei ihren armen Eltern bleiben müssen? Ein Kind, das wahrhaftig aus der Armut herauswill, kann Eltern einstellen, welche die ökonomische Vision des Kindes teilen. Man muss in sich selbst investieren, damit das schließlich auch andere tun. Eltern, die für eine Unternehmensstrategie nicht infrage kommen, sollten junge Menschen nicht unnötig belasten. Never look back in regret – move on to the next thing! [….]

    Achtens: Glück. Gewinnen Sie oder Ihr Kind im Lotto!

    Neuntens: Kontakte. Lassen Sie sich adoptieren. Am besten von Christian Lindner.  […..]

(Samira El Ouassil, DER SPIEGEL, 18.08.2023)

Aus Sicht der Gichtgelben ist es also völlig sinnlos, sich um verarmte Gören zu kümmern.

Die haben j ohnehin nicht die Mittel, um siebenstellige Parteispenden an die FDP zu entrichten. Also ist jeder Steuer-Euro an sie reine Verschwendung.

Ein ideales Klientel für die Millionärslobbypartei ist hingegen die Finanzindustrie.

Da gibt es immer schöne Parteispenden abzugreifen, also tut der gelbe Finanzminister alles, um alle ihre Wünsche zu erfüllen.

[….] Interne Unterlagen zeigen, wie die deutsche Finanzindustrie ein Provisionsverbot für Anlageberater verhinderte. Hilfe bekam sie von Finanzminister Christian Lindner und einem CSU-Abgeordneten. Die Kampagne ist ein Lehrstück über die Macht der Finanzlobby. [….] Am 4. November geht bei Lindners Parlamentarischen Staatssekretär Florian Toncar ein Hilferuf des Lobbyvereins Deutsche Unternehmensverband Vermögensberatung ein. In Brüssel habe man gehört, dass die EU-Kommission ein Provisionsverbot bei Anlageprodukten “wohl ernsthaft” in Erwägung ziehe, schreibt der Lobbyist. Dann kommt er zur Sache: Sein Verband benötige die “Unterstützung der Bundesregierung”.

Ein halbes Jahr später beerdigt die EU-Kommission ihre Pläne vorerst. Die Finanzlobby hat gesiegt – auch dank ihrer Verbündeten in der deutschen Politik. [….] Durch Recherchen von abgeordnetenwatch.de und dem SPIEGEL lässt sich eine Kampagne nachzeichnen, in der nicht nur Interessenverbände eine zentrale Rolle spielen, sondern auch bekannte Politiker. Neben Bundesfinanzminister Christian Lindner ist dies der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. In einer Nebenrolle kommt CDU-Chef Friedrich Merz vor.

Die Lobby hat über Jahre ein enges Netzwerk in der Politik geknüpft. Sie hat aktive und ehemalige Politiker:innen mit Posten versorgt und schüttet großzügig Spenden an Parteien aus. So verschafft sie sich Zugang zu Entscheidungsträger:innen in Berlin und Brüssel. Und das macht sich jetzt bezahlt. […..]

(Abgeordnetenwatch, 18.08.2023)

Ja, lieber Urnenpöbel. Es hilft nicht, sauer auf „die Ampel“ zu sein. Rote und Grüne finden solche FDP-Machenschaften auch schwer erträglich. Aber die Wähler waren es, die ein Wahlergebnis erzwangen, in dem es keine Konstellation ohne Lindner oder Merz gibt.

Bei den Erstwählern war die FDP stärkste Partei! Danke dafür, GenZ. Ihr löffelt die Suppe auch am längsten aus.

Donnerstag, 17. August 2023

Nur einer kann Trump gefährlich werden.

Bei den allermeisten Republikanern gelten die Anklagen gegen ihren Klan-Boss Trump als schwere Blasphemie.

Daß ihr oranger Messias irgendetwas falsch gemacht haben könnte, existiert noch nicht einmal als theoretische Möglichkeit in ihren Köpfen.

Daher gibt es von der GOP auch keine juristischen oder politischen Antworten auf die Klageflut, sondern konsequenterweise nur Mafiöse.

Die Jack-Smithschen Anklagepunkte werden gar nicht erst gelesen, sondern der Bundesrichterin Tanya Chutkan wird grundsätzlich ihre Qualifikation abgesprochen.

Im QTrumpliKKKan-Universum wird richterliche Qualifikation selbstverständlich nicht durch Studium oder berufliche Leistungen bestimmt, sondern ausschließlich durch Herkunft und Hautfarbe.

Der Nazi und Trump-Verbündete Nick Fuentes stellte es klar; nur weiße Männer dürfen Richter sein; dunkelhäutige Frauen grundsätzlich nicht.

[…..] Last week, U.S. District Judge Tanya Chutkan warned former President Donald Trump about making inflammatory remarks regarding the case stemming from his efforts to overturn his loss in the 2020 election. This warning did not sit well with white nationalist Nick Fuentes, who used his show Friday night to attack Chutkan for being a “Black immigrant” while declaring that she has no authority over Trump because he is “the king of America.”

“You’re a fucking immigrant,” Fuentes fumed. “We have a Black immigrant and she’s appointed by Obama—another non-citizen, another non-naturalized non-citizen from Kenya—presiding over a case of a former president, and a job creator, and a billionaire, and an all-around titan and admired man, and this person is … going to talk to the king of America like this? Like they pulled him over for having tinted windows, ‘You’re a criminal like anybody else.’ No, bitch. He’s the king of America, you stupid bitch. Go back to Jamaica.”

“You’re not even from here, and you’re gonna try the guy that was voted the president by most of the voters?” he continued to rant. “We live here. We were born here. We’re citizens. We have voting rights. We voted Trump in office. You come over here from some island and say, ‘Well, I’m going to treat him like a common criminal’?”  [….]

(RWW, 14.08.2023)

Wie man sich gegen die Bundesanklage zur Wehr setzen werde, gab Trump persönlich mit einer ganzen Kaskade von aufhetzerischen Postings  auf „Truth Social“ vor: Morddrohungen und Gewalt. Also genau dem Muster, das er schon am 06.01.2022 beim Sturm auf das US-Kapitol praktizierte. Einen rasenden rechtsextremen Mordmob los jagen, der fünf Menschen tötete und Mike Pence lynchen sollte. Das ist der Kandidat, hinter den sich die evangelikalen Christen und die katholischen Bischöfe der USA stellen!

[….]  Bundesrichterin Tanya Chutkan ist für das Wahlverschwörungsverfahren gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump zuständig – und sieht sich offenbar Bedrohungen ausgesetzt. Nun ist im Bundesstaat Texas eine Frau festgenommen worden, die die Richterin mit dem Tod bedroht haben soll. Die 43-Jährige soll auf dem Anrufbeantworter von Chutkans Büro in Washington eine Nachricht mit Drohungen und rassistischen Beschimpfungen hinterlassen haben. Das geht aus veröffentlichten Gerichtsdokumenten hervor. Demnach bezeichnete die Frau die aus Jamaika stammende Richterin als »dumme schwarze Sklavin« und fügte hinzu: »Wir haben dich im Blick, wir wollen dich töten.« Die Frau sagte demnach auch: »Wenn Trump 2024 nicht gewählt wird, werden wir dich töten, also pass auf.« 2024 stehen die nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA an.

Die Frau soll auch Chutkans Familie bedroht haben.   [….]

(SPON, 17.08.2023)

Bei dem RICO-Verfahren gegen Trump auf Bundesstaatenebene in Georgia, weicht Trump ebenfalls nicht von seiner rassistisch-mafiösen Strategie ab. Er attackiert die Bezirksstaatsanwältin Fani Willis, indem er seinen mordlüsternen Anhängern einhämmert, daß sie eine schwarze Frau ist. Dazu erfindet er, weil er nun mal Trump ist und nicht anders kann, jede Menge perfide Lügen, um sie auf persönlicher Ebene zu verletzten.

[…..]  Dass Trump das ausgerechnet ihr verdankt, muss ihn besonders treffen. Seine Attacken gegen Willis waren immer schon rassistisch durchwirkt. Unter anderem bezichtigte  er sie, eine Affäre mit einem Gangmitglied gehabt zu haben; eine Lüge, die er in der Nacht zum Dienstag wiederholte. »Ich wurde noch nie in meinem Leben so oft mit dem N-Wort beleidigt«, hat Willis über die Drohungen gesagt, die sie von Trump-Leuten erhalten hat. So auch in der Nacht der Anklageverlesung: Da nannte der rechtsextreme Trump-Anhänger Nick Fuentes die in Kalifornien geborene Willis eine »schwarze Immigrantin« und »dumme Zicke«: »Geh zurück nach Jamaika.«  […..]

(Marc Pitzke, 15.08.2023)

Nicht nur Trump, sondern beinahe alle Top-Republikaner – der House-Speaker Kevin McCarthy, oder die Senatoren Cruz und Graham - lügen ungeniert in jede Kamera, daß Biden und die Demokraten die Anklagen gegen Trump verantworteten.

Das soll der aufgehetzte Trump-Fan-Mob glauben.

In Wahrheit wissen die GOPer, daß eine unabhängige Grand Jury über Anklageerhebungen entscheidet und gehen auch in diesem Fall nach Cosa-Nostra-Methode vor: Die Jury-Mitglieder sollen eingeschüchtert und/oder umgebracht werden, damit spätere Geschworene sich gar nicht erst trauen, Trump schuldig zu sprechen.

Purported names, photos and addresses of Fulton County grand jurors circulate on far-right internet

(CNN, August 17, 2023)

Wie aber kann man einen hochkriminellen Rassisten und seine Verschwörer juristisch zur Verantwortung ziehen, wenn diese mit der Macht von 75 Millionen Anhängern und einem Netz aus ultrarechten staatsverachtenden Hetz-Medien, das Rechtssystem selbst zerstören? Wenn sie Prozesse unmöglich machen, weil Anwälte, Richter und Geschworene alle damit rechnen müssen, gelyncht zu werden, wenn sie ihre Pflicht tun?

Da wird die Juristerei kaum weiterhelfen.

Nur ein Mann kann Trump noch ernsthaft gefährden. Er selbst. Er ist nämlich nicht nur der allmächtige Fix-Punkt im GOP-Universum, sondern zum Glück auch sehr dumm. Die allermeisten Schwierigkeiten brockt er sich unnötigerweise selbst ein, weil er subtil wie ein Presslufthammer vorgeht, über keinerlei Impulskontrolle verfügt und viel zu ungebildet ist, um die Konsequenzen seiner Taten abzuschätzen.

Er ist die Inkarnation des Dunning-Kruger-Effekts und wird in seinem Wahn, auserwählt und übermenschlich mächtig zu sein, durch die ihn kultisch verehrenden Massen bestätigt.

Offenkundig bekommt die Armee der Trump-Anwälte aber zunehmend Schwierigkeiten, den orangen Irren davon abzuhalten, sich ständig selbst in den Fuß zu schießen.

Bei den beiden Impeachments und dem Jan6th-Untersuchungsausschuss des Kongresses, gelang es Trumps Getreuen des engsten Kreises, ihn davon abzuhalten, auszusagen. Sie alle wußten, er würde sich in Teufels Küche bringen und seine juristischen Schwierigkeiten multiplizieren, wenn er redet. Die Kombination aus Selbstverliebtheit, Zimmertemperatur-IQ und Borniertheit, macht Trump zu seiner eigenen Zeitbombe. Er ist ganz offensichtlich nicht in der Lage, seine komplexen juristischen Schwierigkeiten, zu begreifen.

Pathetisch kündigte er an, mit einem großen Paukenschlag am Montag alle Anklagen gegen ihn zu Fall zu bringen.

Blöd nur, daß all seine Ausreden Lügen sind und er sich, nach den jüngsten richterlichen Anordnungen, sich öffentlich zu mäßigen, mit so einem Pomp-Auftritt erneut in die Füße schießen würde.


[….] Former President Donald Trump's promised press conference to refute the allegations in the indictment handed up by the Fulton County District Attorney's Office is now very much in doubt, multiple sources familiar with the matter tell ABC News. Sources tell ABC News that Trump's legal advisers have told him that holding such a press conference with dubious claims of voter fraud will only complicate his legal problems and some of his attorneys have advised him to cancel it.  […..]

(ABC, 17.08.2023)

Ein typischer Trump; mit seiner Großmauligkeit hat er sich in eine NoWin-Situation manövriert: Wenn er seine Ankündigungen wahr macht, schadet es ihm vor Gericht. Aber wenn er nicht liefert und seine PK absagt, steht er blamiert vor seinen Anhängern da.

Man kann nur hoffen, daß die Trump-Anwälte, die im Gegensatz zu Giuliani und Power über Rudimente von Verstand verfügen, die Kontrolle über ihn verlieren und er vor Gericht sein Maul aufreißt, um frei daher zu plappern.

Je offener Trump redet, desto größer die Chance, daß sich auch einige GOP-Größen aus der Deckung wagen, sofern sie das Gefühl haben, Trump sei im Begriff, sich tödlich in den Fuß zu schießen.

[….]   Mit seinen seit jeher unbelegten Behauptungen über Unregelmäßigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen 2020 gerät Trump zunehmend auch innerhalb seiner republikanischen Partei in die Kritik. Auf Trumps Ankündigung zur Pressekonferenz hatte am Mittwoch bereits Georgias Gouverneur Brian Kemp mit eindringlichem Widerspruch reagiert. »Die Wahl 2020 in Georgia wurde nicht gestohlen«, schrieb Kemp auf X, vormals Twitter. Zuspruch erhielt Kemp von Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der mit Trump um die republikanische Präsidentschaftskandidatur konkurriert und sich jüngst offen gegen seinen früheren Unterstützer Trump gestellt hatte. […..]

(SPON, 17.08.2023)

Mittwoch, 16. August 2023

Herkules-Aufgaben und Mimimi-Wähler.

 Wir hatten im Sommer 2022 befürchtet, auf einen „Wutwinter“ zuzusteuern. Deutschland würde auf „Kriegswirtschaft“ umstellen müssen, also Lebensmittel rationieren, womöglich Bezugsscheine für Heizöl und Benzin einführen.

Leere Klopapier- und Nudelregale kannten wir schon aus der Corona-Depression. Nun war das Sonnenblumenöl ausverkauft und wir lernten die Bedeutung der Ukraine als Agrar-Exporteur kennen.

Wie sollte die nach 16 Jahren Merkel-Schlaf, international abgehängte deutsche Wirtschaft, die auf dem Geschäftsprinzip der billigen Energie- und Gas-Versorgung durch Putin basierte, weiterexistieren?

Sie lag doch in Agonie, war bei Kommunikationstechnik, Start-Ups, KI und Software 15 Jahre hinter anderen Nationen hinterher. Die einst so stolze deutsche Autoindustrie, hatte längst den Anschluss verloren, konnte mit den E-Innovationen der koreanischen, chinesischen und US-Autobauern nicht mithalten.

Vor 20 Jahren unter Gerd Schröder und Jürgen Trittin, war Deutschland Weltmarktführer bei erneuerbaren Energien wie Windkraft Photovoltaik. Nach 16 Jahren CDU im Kanzleramt, mit den schwarzgelben Blitzbirnen Rösler, Brüderle, Guttenberg, Glos und Altmaier im Wirtschaftsministerium, war die Energiewende verschlafen und aufgegeben, das Know How nach China verkauft worden. Man ruhte sich bräsig auf dem russischen Erdgas aus und machte sich über Greta Thunberg und die FFF lustig, weil die aus den fossilen Energieträgern austeigen wollten.

 Die deutsche Wirtschaft im CDU-Somnolenzmodus ist ein schlechter Witz, verglichen mit der Innovationskraft Kaliforniens oder Chinas. Dort spielt die Zukunftsmusik.

[…..]  750 Gigawatt Solar- und Windenergiekapazitäten sind jetzt schon in Betrieb, ungefähr fünfmal so viele, wie es in Deutschland gibt. Klar, China ist ja auch fast 30-mal so groß wie Deutschland, hier leben 1,4 Milliarden Menschen. Aber bei den 750 Gigawatt soll es ja nicht bleiben. Weitere 750 Gigawatt sind schon im Bau oder in Planung – knapp dreimal mehr, als in den USA aktuell gebaut wird. Wenn alles so weiterläuft, kommt China schon 2025 auf 1200 Gigawatt Wind- und Sonnenenergie. Fünf Jahre früher als geplant. […..] Zwar wird der Strom der Junma-Anlage laut Betreiber gerade hauptsächlich in einem nah gelegenen Industriegebiet verbraucht. Aber die Regierung plant, künftig auch Hunderttausende Haushalte in Peking und in den umliegenden Provinzen mit der Energie aus der Wüste zu versorgen.

Dafür braucht es Zigtausende Kilometer Hochspannungsleitungen. Die längste ist knapp 3300 Kilometer lang und liegt zwischen der Westprovinz Xinjiang und der Ostprovinz Anhui. Knapp drei Jahre dauerten die Bauarbeiten, seit 2018 ist sie fertig. Davon können deutsche Netzbetreiber nur träumen. Der Bau der 700 Kilometer langen deutschen Stromtrasse Südlink ist seit zehn Jahren geplant, die Arbeiten beginnen gerade erst, und vor 2028 soll sie nicht fertig sein. […..]

(SZ, 13.08.2023)

Angesichts all dieser katastrophalen Voraussetzungen, kann man nur staunen, was die mit Beginn des Ukrainekrieges gerade erst ins Amt gekommene Ampel-Regierung schaffte.

Wirtschaftsminister Habeck leistete Herkulesarbeit, Deutschland glitt nicht nur sanft ohne irgendwelche Ausfälle, Stromrationierungen und Benzinengpässe durch den Winter, sondern stieg trotz der nach 16 Jahren CDUCSU-geführten Bundeswehr, die nur noch Schrott und Mangel verwaltete, zum zweitwichtigsten (nach der USA) militärischen Unterstützer der Ukraine auf.

Der Mimimi-Urnenpöbel schätzt aber generell nur die Regierungen, die den Schaden anrichten – Merkel, Kohl wurde endlos wiedergewählt – wählt aber verschreckt die Sanierer-Regierungen ab, die sich erfolgreich damit abmühen, den Schaden zu beheben. Wähler hassen es, reinen Wein eingeschenkt zu bekommen. Sie hassen sie jetzt Agenda-Mann Schröder und Energie-Tausendsassa Habeck.

Sicher, angesichts der aberwitzigen Krisen-Kulminierung, ist ein vermiedener „Wutwinter“, kein Grund sich entspannt zurück zu legen. Im Gegenteil, alle Bundesminister müssen an allen Fronten enorme Reformanstrengungen unternehmen.

Leider ist das aus mehreren Gründen zum Scheitern verurteilt:

·        Die FDP blockiert aus Lust an der Dekonstruktion beinahe jede sinnvolle Ampelpolitik.

·        Die Kernministerien, die am dringendsten umfangreiche Reformen anschieben müssten – Finanzen, Digitalisierung, Bildung und Verkehr – sind allesamt nicht nur in hepatisgelber Hand, sondern auch noch, von geradezu Scheuer-schlechten Totalversagern geführt.

·        Die Wähler glauben lieber den perfidesten CDUAfDCSU-Lügen, statt die rotgrünen Ampelaner zu unterstützen.


Bundeskanzler Scholz kann nicht das tun, was nötig wäre, weil ihm dazu die Mehrheiten fehlen und sein Kabinett mit vier gelben Saboteuren bestückt ist.


[….] Finanzminister Christian Lindner plant Entlastungspakete, die kaum etwas bringen. An die wichtigen Reformen traut sich die Bundesregierung nicht heran. Christian Lindner hat einen Hang zum Pomp. Die beiden Gesetzesinitiativen, mit denen er Deutschlands ökonomischen Schwächeanfall bekämpfen will, heißen »Wachstumschancengesetz« und »Zukunftsfinanzierungsgesetz«. Doch trotz der hochtrabenden Namen werden beide Vorhaben keinen Beitrag dazu leisten, die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen, weder kurz- noch langfristig. [….] Gegen die aktuelle Wachstumsschwäche helfen beide Gesetze nicht, dazu kommen sie zu spät. [….] Leider tragen beide Gesetze auch nicht dazu bei, die Probleme des Standorts Deutschland langfristig zu lösen. Lindners Vorschläge sind zu zaghaft, sie bekämpfen nur Symptome. [….] Das deutsche Steuersystem müsste grundlegend reformiert werden, um Bürger und Unternehmen nachhaltig zu entlasten. Das betrifft vor allem die Einkommensteuer. [….] Ein historischer Vergleich macht die Schieflage deutlich. Wer Anfang der Sechzigerjahre unter den Spitzensteuersatz fiel, musste das 17-fache des Durchschnittseinkommens verdienen. Heute ist es das anderthalbfache. [….] (Christian Reiermann, 16.08.2023)

Weder Olaf Scholz, noch Annalena Baerbock oder Robert Habeck haben sich ausgesucht, mit den Lindneristen zu regieren. Das haben die Wähler ganz allein entschieden und von der Bundesregierung so verlangt.

Volker Wissing, die Fossilindustrie-Lobbyhure, ist im Amt, weil die schwachsinnigen Wähler, und zwar insbesondere DIE JUNGEN, 2021 die FDP so stark gemacht haben, daß nicht ohne die Hepatitisgelben regiert werden kann. Die FDP war bei den Erstwählern stärkste Partei. Dankt dem Urnenpöbel und lastet das nicht Rot und Grün an!

Dienstag, 15. August 2023

„Endlos viel Scheisse“

Die Phase des gutbürgerlichen Mäntelchens, hat die AfD überwunden.

Sie agiert offen faschistisch und erfährt dafür nicht weniger, sondern mehr Zuspruch.

„Die EU muss sterben, damit Deutschland leben kann“ ließ der Faschist und Parteistar Bernd Höcke seine jubelnden Anhänger auf dem Europaparteitag in Magdeburg wissen.

Bei der letzten Bundestagswahl am 26. September 2021 erhielt die AfD 10,3% der Stimmen. In absoluten Zahlen sind das 4.803.902 Zweitstimmen. Etwas weniger als die 12,6% bei der vorherigen Bundestagswahl am 24. September 2017, als die AfD 5.878.115 Wahlberechtigte dazu brachte, ihr die Zweitstimme zu geben.

Nachdem inzwischen aber die letzten Demokraten aus der Partei gedrängt wurden und genauso offen, wie lautstark Anleihen aus Hitlers „Mein Kampf“ propagiert werden, hat sich die AfD-Wählerschaft mehr als verdoppelt.

Hochgerechnet auf die 20-23%, welche die Faschisten gegenwärtig nach allen Umfragen erhielten, wären also gute zehn Millionen deutsche Wahlberechtigte dazu bereit, ihr Kreuz bei einer offen menschenfeindlichen, faschistischen Partei zu machen. Das ist die Nazi-Größenordnung aus der Weimarer Republik.

Zum Vergleich; bei einer der letzten demokratischen Reichstagswahlen am 06.11.1932, erhielt Hitlers NSdAP insgesamt 11.737.021 Simmen, entsprechend 33,1%. Zwei Monate später war er Reichskanzler, führte Deutschland in den totalen Untergang und hinterließ ein zerstörtes Europa mit 60 Millionen Toten.

Politiker von CDU, CSU, FDP, Grünen, SPD und Linken erkennen zwar die Existenz eines riesigen Problems, verfügen aber offenkundig weder über genügend Netz-Expertise, geschweige denn über eine Strategie, wie man den AfD-Lügen Einhalt gebietet. Der SPIEGEL widmete seine vorletzte Titelgeschichte dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der AfD. Alle anderen Parteien betrübt es sehr, aber das Hamburger Nachrichtenmagazin konnte nicht einen erfolgversprechenden Lösungsansatz ausmachen.

Immer noch plappern sie hilflos von den „Enttäuschten“, die eigentlich gute Menschen wären und nur aus Verärgerung über Wärmepumpen Nazis wählen.

Die Sozialpsychologin Pia Lamberty leitet den Thinktank Center für Monitoring, Analyse und Strategie, kurz CeMAS, und versucht mit einem kleinen Wissenschaftsteam die Verbreitung von Hass, Desinformation und Verschwörungstheorien zu verstehen, zu vermessen und nach Möglichkeit auch zu bekämpfen.

[….] „Eigentlich finde ich es gar nicht das Interessanteste, auf die radikalen Ränder der Gesellschaft zu gucken“, sagt Lamberty. „Wir gucken auf den extremen Raum, weil unserer Erfahrung nach das, was da passiert, oft später, verzögert in der Gesamtgesellschaft ankommt.“ Das Radikale rückt in die Mitte – oder die Mitte wird radikaler, wie man’s nimmt. Deshalb hält Lamberty auch die These, dass die hohen Umfragewerte für die AfD doch sicher nur ein Ausdruck von Protest seien, für groben Unfug. „Die Wahl für solch eine Partei passiert nicht einfach so“, sagt Lamberty. Umfragen und Studien zeigten doch seit Jahren, dass ein großer Teil der Wählerinnen und Wähler der AfD mit deren Inhalten ideologisch übereinstimmt. Mit einer Partei, die sich immer weiter radikalisiert. Auf dem Parteitag konnte man diese Radikalisierung gerade wieder gut beobachten: Ein Bewerber für die EU-Wahl sagte, aus Brüssel komme „Gift“ von „Globalisten“, ein anderer, von Beruf Lokführer, sagte, sein Zug sei mittlerweile ein „rollendes Asylantenheim“, ein dritter sagte: „Deutschland ist ein besetztes Land.“  [….]

(SZ, 09.08.2023)

Die von mir hochgeschätzte und viel zitierte schottische Schriftstellerin A. L. Kennedy befasst sich intensiv mit rechtsextremen Strömungen wie der Trump-Partei und den unsäglichen Brexiteers bei ihr in Großbritannien.

Angesichts der „DEXIT“-Forderung der AfD, die nicht nur einen Austritt Deutschlands, sondern auch ein Ende der EU wünscht und dafür immer mehr Zuspruch einheimst, warnt uns Kennedy vor diesem rechtsextremen Brexit-ähnlichen Populismus. Sie zeigt auf die soziale, ökonomische, ökologische und demokratische Krise im eigenen Land.

[….] Selbst die erpresserischen Verbündeten unserer Regierung in der Presse schaffen es nicht, eine Politik zu feiern, die ungefiltertes Abwasser in unsere Flüsse und an unsere Strände leitet. Man könnte sagen, dass alle derzeitigen politischen Projekte denselben Effekt haben, dass unsere Führer mit ihren kleinen Geistern, ihren kleinen Seelen gerne auf uns scheißen. Wenn man den Populisten nachgibt, wenn man ihnen erlaubt, die Moral zu verzerren, die Realität zu untergraben und zu tun, als gäbe es zu jedem Argument ein ebenso legitimes Gegenargument, dann bekommt man Scheiße. Wenn man einer hypnotisierten Presse erlaubt, Faschisten Sauerstoff zu geben; wenn man diese Faschisten Macht sammeln lässt an schäbigen Orten, wo sich Spionage, Mafiamentalität und Narzissmus treffen, dann bekommt man Scheiße. Endlos viel Scheiße.

Und Sie kriegen Tod. Die Zahl der unnötigen Toten in Großbritannien ist beschämend. Seit mehr als einem Jahrzehnt haben unsere Politiker effektives Regieren durch performative Grausamkeit ersetzt, deshalb sterben Menschen. Menschen ertrinken in kleinen Booten, verhungern zu Hause, bringen sich um, erliegen unbehandelten Krankheiten, sterben in Gefangenenlagern und Polizeizellen. Wer einen Faschisten wählt, der wählt den Tod. Ihre glänzende Gewissheit, ihre Versprechen, sie sind Scheiße und Tod.

Die extreme Rechte gewinnt an Zugkraft, unterstützt durch Online-Kampagnen, die genau Bescheid wissen über Zielgruppen und emotionale Trigger, aber wir können Widerstand leisten. Es ist unbedingt notwendig, die Wähler über die Grundlagen der psychologischen Manipulation und der Fehlinformation im Internet aufzuklären, während wir uns gleichzeitig selbst aufklären.  [….]

(A.L. Kennedy, 02.08.2023)

Montag, 14. August 2023

Der juristische Alptraum

Es ist der juristische Mega-Blob, der über Donald Trump hereinbricht.

Unzählige verschiedene Ankläger und Richter, in Straf- und Zivil-Prozessen, auf Bundes- und Bundesstaats-Ebene.

Ein Unschuldiger würde das Court-Room-Chaos, das ihm schon zig Millionen Dollar Anwaltskosten bescherte, möglichst schnell beenden und nicht so viele Details der peinlichen Anschuldigungen in der Öffentlichkeit diskutiert sehen wollen, während er um ein politisches Amt kandidiert.

Trump macht genau das Gegenteil. Er redet unablässig von den anstehenden Prozessen, bedroht Zeugen, Richter und Staatsanwälte, bricht richterliche Auflagen und versucht die Gerichtstermine möglichst um Jahre aufzuschieben, um das juristischen Kuddelmuddel so lang wie mögliche durch die Medien zu jonglieren.

Schon haben die meisten US-Amerikaner den Überblick verloren.

[…..] Es brauchte keine weitere Anklage des Sonderermittlers Jack Smith, um zu wissen, dass Donald Trump es mit der Wahrheit nicht immer ernst nimmt. Was noch harmlos ausgedrückt ist: Trump lügt notorisch. Seit Jahren sagt und postet er, was ihm gerade nützlich erscheint. Lügen zu verbreiten, ist in den USA keine Straftat. Kaum ein Land legt die Meinungsfreiheit so grosszügig aus. Smith hält denn auch bereits auf Seite 2 seiner Anklageschrift vom vergangenen Dienstag fest, dass der Angeklagte Trump wie jeder Amerikaner das Recht habe, fälschlicherweise zu behaupten, dass es bei den Präsidentschaftswahlen 2020 Betrug gegeben habe. […..] Trotzdem wird es ihm darum gehen, was Trump gesagt hat. Dabei wird weniger der Wortlaut im Zentrum stehen als die Absicht dahinter und die Taten, die darauf folgten. Hat Trump vorsätzlich all diese Lügen verbreitet, um das Resultat der Präsidentschaftswahlen 2020 zu kippen? Sind die Summen dieser Lügen, im Einzelnen nicht strafbar, das Fundament, auf dem die Verschwörungen aufbauen, die mutmasslich strafbar sind? […..]

(NZZ, 06.08.2023)

Durch das unablässige öffentliche Lügen über die angeblichen Hexenjagd des bösen Bidens gegen die verfolgte Unschuld Trump, sickert die verschwörungstheoretische Saat in immer mehr Hirne.

Schon glaubt über die Hälfte der Wähler, die strafrechtliche Verfolgung des orangen 30.000-fachen Lügners, wäre rein politisch motiviert.

Was Trump bezweckt, ist sonnenklar. Er will möglichst viel Verwirrung stiften, bis alle so abgestumpft sind, daß sie den juristischen Fakten nicht mehr folgen.

Die USA mit ihren tendenziösen Medien und der zum großen Teil verblödeten Bevölkerung, sind prädestiniert für das Projekt „Scheiße in die Köpfe“.

Das angelsächsischen Geschworenen-System ist extrem anfällig für Fehlurteile mit prominenten Angeklagten. In dem Land gibt es zig Millionen fanatische Kultanhänger, die vor Glück weinen, wenn sie ein Trump-Symbol, wie sein Flugzeug sehen.

Wer soll da angesichts von bisher sage und schreibe 78 Anklagepunkten gegen den Cult-Leader noch den Überblick behalten?

[….] Und das liegt nicht nur daran, dass er sich mittlerweile in drei Strafverfahren in 78 Anklagepunkten verteidigen muss - bei denen er im Falle einer Verurteilung mit teilweise langjährigen Haftstrafen rechnen muss. Unter Druck gerät er auch mit der Art, wie er sich verteidigt - und mit wem.

Der unabhängige Sonderermittler Jack Smith, der Trump wegen des Versuchs der Wahlfälschung und der in seiner Residenz in Florida gefundenen Geheimpapiere angeklagt hat, wirft ihm vor, Zeugen und Justizvertreter einschüchtern zu wollen. Grund dafür ist ein Post Trumps auf der Onlineplattform Truth Social. Dort hatte er nach der jüngsten Anklageerhebung gegen ihn geschrieben: "Wenn ihr mich verfolgt, dann werde ich euch verfolgen." Smith sieht die Gefahr, dass Trump damit potenzielle Zeugen einschüchtern könnte, und bat das Gericht, Trump in die Schranken zu weisen. Die zuständige Richterin Tanya Chutkan hat bereits diesen Freitag als Termin für die Anhörung in Washington angesetzt, der 77-Jährige muss nicht selbst anwesend sein.  [….]Überhaupt könnte das komplizierte Netz seiner verschiedenen Anwälte und der möglichen Interessenkonflikte, denen sie unterliegen, darauf angelegt sein, die Verfahren gegen ihn zumindest zu verzögern, wenn nicht gar zum Scheitern zu bringen. [….]

(Reymer Klüver, SZ, 08.08.2023)

Trump braucht in jeder 12-Köpfigen Geschworenen-Jury nur einen Spinner, um freigesprochen zu werden. Und selbst wenn das unwahrscheinlicherweise nicht der Fall sein sollte, bleibt ihm Plan B: Erneut Präsident werden. Damit erhält er die Macht, sich selbst freizusprechen und einen Bundestaatsanwalt/Justizminister zu ernennen, der alle Untersuchungen gegen ihn für nichtig erklärt.

Möglicherweise wäre es sogar von Vorteil für IQ45 noch vor der US-Präsidentschaftswahl im November 2024 ins Gefängnis zu kommen.

Denn die Mehrheit der Amerikaner ist dagegen, Ex-Präsidenten einzusperren. Es würde ihm Märtyrerstatus verleihen und damit vermutlich seinen Wahlchancen erhöhen.  

[….] On Sunday, The New York Times published a front-page article titled “How Trump Benefits From an Indictment Effect.” As the Times wrote, “Donors sent checks. Fox News changed its tune. The party apparatus rushed to defend Mr. Trump. And the polls went up — and up.”   […]

(CNN, 14.08.2023)

Im Knast verliert er das Wahlrecht, darf aber gewählt werden, würde im Gefängnis vereidigt werden und sich mit Sicherheit, als erste Amtshandlung selbst begnadigen.

Ausgerechnet der möglicherweise anstehende Prozess auf Bundesstaatsebene im erzkonservativen Georgia bliebe aber ein erhebliches Problem, falls Trump US-Präsident Nr. 47 werden sollte.

Denn auch als US-Präsident darf Trump nicht in Verfahren auf Bundesstaatsebene eingreifen.

Fani Willis, die Bezirksstaatsanwältin von Fulton County, Georgia, setzt gerade eine  grand jury ein, um über die Klageeröffnung zu entscheiden. Ein Verfahren, das auch ein Trump-höriger Justizminister nicht einfach stoppen könnte.

[…..]  In den vergangenen Monaten war bereits in drei anderen Fällen in New York, Miami und Washington Anklage gegen Trump erhoben worden. Der New Yorker Fall steht im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar. Der Fall in Miami dreht sich um die Aufbewahrung streng geheimer Regierungsunterlagen in Trumps Privatanwesen. In Washington muss sich Trump wegen möglichen Wahlbetrugs und seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 verantworten. Keiner dieser Fälle und keine mögliche Verurteilung schließt aus, dass Trump 2024 als Präsidentschaftskandidat antritt oder Präsident wird. Der Fall in Georgia würde aber nicht auf Bundes-, sondern auf Bundesstaatenebene verhandelt, damit könnte er sich im Falle eines Wahlsiegs nicht selbst begnadigen. In den Fällen nach Bundesrecht könnte dies möglich sein. [….]

(dpa, 14.08.2023)

Mutmaßlich ist sich Trump dieser Einschränkung der präsidentiellen Macht bewußt und hetzt deswegen seine militanten Kultanhänger auf. Einschüchterungen und Mord an Richtern, bzw Staatsanwälten, sind eine beliebte Methode im Mafia-Milieu. Nur daß es bei der Mafia noch Rudimente von Regeln und moralischen Skrupeln gibt. In der Trump-Familie existieren keine entsprechenden Einschränkungen.

Bezirksstaatsanwältin Fani Willis, Sonderermittler Jack Smith und Richterin Tanya Chutkan sind im höchsten Maße gefährdet durch den rasenden republikanischen Mob.

[…..] Atlanta-area prosecutor Fani Willis, a Democrat, has called at least two key witnesses to appear before a grand jury on Tuesday in a sign that her probe into the ex-president’s bid to overturn his 2020 election loss in Georgia, a vital swing state, is nearing its end game. Willis is expected to seek charges against more than a dozen people. Trump believes he will be among them and is already fundraising off of the possibility of more criminal charges, casting them as Democratic efforts to interfere in the 2024 election.

If Trump does face any fresh charges, they would follow three previous indictments. […..] But there will be key differences between the potential case in Georgia and Trump’s previous indictments. While Trump’s 2024 campaign has predominantly become an extension of his legal defense, any possible trial and conviction in Georgia would be far harder for him to meddle with if he is elected to a second term since presidential powers that could help him interfere with federal cases do not extend to local matters.

“Not only would he not be able to pardon himself, but the pardon process in Georgia means Gov. (Brian) Kemp would not be able to pardon him either. There’s a pardon board. So it’s a more complicated process,” former federal prosecutor Renato Mariotti said on “CNN Newsroom” on Saturday. “He also would not be able to shut down the investigation in the same way.” […..]

(Stephen Collins, 14.08.2023)