Samstag, 27. Mai 2023

Leserbrief an die SZ

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wie lange ich schon die SZ abonniert habe, weiß ich gar nicht genau. 30 Jahre? Ich war noch Student und es war für meine damaligen finanziellen Verhältnisse eine kostspielige Angelegenheit. Aber letztlich überzeugte mich Heribert Prantl, den ich unter dem Begriff „Edelfeder“ kennengelernt hatte und der so wohltuend auf viel höherem Niveau schrieb, als ich das aus meinem sehr regionalen „Hamburger Abendblatt“ kannte.

Prof. Dr. Heribert Prantl (*1953), Jurist (Promotion Magna Cum Laude), Staatsanwalt, Richter, Autor, Journalist, Publizist war ab 1988 SZ-Redakteur, von 1995 bis 2017 Chef des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, 2018 bis 2019 Leiter des Ressorts Meinung und von 2011 bis 2019 war er Mitglied der Chefredaktion.

Das Abo habe ich nie bereut und schätze inzwischen viele andere SZ-Autoren sehr. Aber da Prantl für mich der erste Anknüpfungspunkt war, achte ich immer noch besonders auf seine Kolumnen am Wochenende und zu den Christlichen Feiertagen.

Umso mehr schmerzt es mich natürlich, bei all der Grundsympathie zu beobachten, daß Heribert Prantl offenbar zunehmend an „Religiotie“ leidet, die im Schmidt-Salomon-Sinn bedeutet:

Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht. Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).

Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.“

(Keine Macht den Doofen, s.42f)  (….)

 (Das ewige Rätsel 23.04.2014)

Sicher, ich habe es leichter, weil ich säkular aufwuchs und nicht wie Prantl wohlige Kindheitserinnerungen mit katholischen Riten konnotiere. Von so etwas muss man sich erst einmal intellektuell befreien.

Aber dennoch sollten doch so umfassend belesene Menschen wie Prantl einsehen, wie absurd und paradox das katholische Grundkonstrukt ist.

Noch einmal MSS dazu:

[…..] Ich glaube nicht, dass die wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, schwerer zu verstehen sind als die seltsamen Geschichten, die uns von religiöser Seite nahegebracht werden. Ich frage Sie: Was ist schwerer zu verstehen? Die wissenschaftliche Erkenntnis, dass wir Teil eines evolutionären Prozesses sind, der aus einfachen einzelligen Lebensformen allmählich komplexere Organismen hervorbrachte? Oder der Glaube an einen Gott mit multipler Persönlichkeitsstörung (Dreifaltigkeit), dessen erster Teil (Gottvater) sich mit seinen Geschöpfen verkrachte, worauf er den zweiten Teil seiner selbst (Heiliger Geist) aussandte, um eine Jungfrau auf nichtsexuelle Weise zu schwängern, wodurch der dritte Teil seiner selbst (Jesus Christus) als aufrechtgehender Trockennasenaffe geboren wurde, um von einer historischen Besatzungsmacht hingerichtet zu werden und – ätsch – am dritten Tag wieder von den Toten aufzuerstehen? Man muss sich doch mal überlegen, welche intellektuellen Verrenkungen solche Glaubensinhalte den Menschen abverlangen. [….]

(Michael Schmidt-Salomon)

Wie kann also ein so heller Kopf wie Prantl an so etwas glauben?

Ein Klick zu Wikipedia hilft weiter.

[…] Heribert Prantl ist der älteste von drei Söhnen seines gleichnamigen Vaters, der Oberamtsrat und Stadtkämmerer sowie ehrenamtlicher Vorsitzender des Kolping-Werks war, und seiner Mutter Julie Prantl, einer Schneidermeisterin. Nach seiner Darstellung war sein Vater ein „gläubiger Mensch“, die Hochzeitsreise hatte die Eltern zum Wallfahrtsort Altötting geführt, den auch die Familie später oft besuchte. Als Jugendlicher engagierte er sich im Bund der Deutschen Katholischen Jugend und schrieb bereits ab dem Alter von 15 Jahren fast täglich Berichte und Reportagen für die Lokalzeitungen seiner Region. Er absolvierte 1973 sein Abitur am Regental-Gymnasium Nittenau. Danach leistete er seinen Wehrdienst (letzter Dienstgrad: Fähnrich der Reserve) in Regensburg und Idar-Oberstein ab.  [….]

(Wikipedia/Prantl)

Der Jurist und Journalist Prantl war aber immer ein liberaler Mann, dessen Ansichten ich stets respektierte.

Umso geschockter war ich, als Prantl 2012 zum inzwischen berüchtigten "Kölner Beschneidungsurteil" den Juristen und Humanisten in sich über Bord warf und sich der Religiot in ihm Bahn brach. Er plädierte deutlich dafür, Kindern und Jugendlichen, medizinisch unsinnige schmerzhafte Genitalverstümmelungen antun zu dürfen.

Zur Ausgießung des Heiligen Geistes, beschäftigt sich Heribert Prantl (es war so sicher wie das Amen in der Kirche) natürlich auch mit Pfingsten und stellt (ebenso sicher vorhersehbar) fest, wie wichtig dieses christliche Fest ist.

Garniert; auch das ist in jedem seiner Texte zu katholischen Riten so; mit einer ordentlich Portion Larmoyanz im Subtext.

„Ach, so ein Jammer, daß der Glaube nachläßt. Wäre es doch bloß wie früher in meiner Kindheit.“

Diese Leier kann ich inzwischen schon singen, lese die Kolumne aber trotzdem, weil ich weiß, wie gebildet Prantl ist und warte gespannt, welche historische Begebenheit oder welche literarische Vorlage er wohl diesmal verwendet, um zu dem erwartbaren Schluß zu kommen, daß es mehr Religion und mehr Rituale brauche.

Heute war es also der historische Händedruck des Juden Jitzchak Rabin und des Sunniten Jassir Arafat, den er in einer hanebüchenen Assoziationskette mit den Pfingstbildern von Tizian oder El Greco in einer metaphysischen Aufwallung verrührt und daraus den Schluß zieht, der Heilige Geist habe den Frieden gestiftet.

[….]  „Zwei Jahre nach Pfingsten erschoss ein religiöser Fanatiker den Ministerpräsidenten Rabin; der Friedensprozess hat diesen Mord nicht überlebt. Rabins Tod war der Anfang vom Ende des Friedensweges.“ (Prantl)

Da hat der Heilige Geist ja super gewirkt. Warum hat der Heilige Geist nach dem Attentat nicht nochmal für Frieden gesorgt?  [….]

(Charlie, via AMB, 27.05.2023)

Damit verläßt Prantl aber nicht nur den Raum des Irdischen, sondern auch den Raum der Realität und Ratio.

[…..] „Zwei Jahre nach Pfingsten erschoss ein religiöser Fanatiker den Ministerpräsidenten Rabin.“ (Prantl)

Zwölf Jahre nach Ostern hatte der verdummbibelte Prantl immer noch nicht begriffen, dass Zeitangaben wie „sechs Monate nach Mitternacht“ oder „17 Wochen nach dienstags“ einfach nur Ausdruck einer religiotisch verstrahlten Denkschwäche sind. [….]

(holey spirit, via AMB, 27.05.2023)

Es kann doch keinerlei Zweifel daran bestehen, daß gerade im „Heiligen Land“ ganz offenbar nicht etwa zu wenig „Heiliger“ Geist, sondern ganz im Gegenteil, viel zu viel Heiligkeit am Werke ist. Drei Weltreligionen konzentriert, ergeben seit Jahrtausenden die tödlichste Gemengelage auf Erden.

Die einzige Chance auf Frieden besteht ganz eindeutig nur in der Überwindung der Religiösen und der Religioten in Israel und Palästina. Wir sehen es gerade in der Netanjahu-Regierung; je stärker der Einfluss der Ultrareligiösen, desto weiter entfernt man sich vom Frieden. Das ist der einenden Faktor der drei Abrahamitischen Religionen: Je stärker sie auf ihre heiligen Überzeugungen und Geister pochen, desto mehr Krieg. Zu allem Übel verquickt Prantl schließlich auch noch den Krieg in der Ukraine mit der Frage des Heiligen Geistes, von dessen Kraft er gar nicht genug haben kann.

[….] Ist der Friede [in Israel] so weit weg wie in der Ukraine? [….] Wichtig ist die Antwort auf die Frage, wie Pfingsten wird: Was muss man dafür tun, welche Hindernisse sind zu überwinden und wie gelingt das? Allein Waffen, Geschütze, Geschosse und Kampflugzeuge überwinden die Hindernisse nicht. Sie führen nicht dazu, dass aus einem zerstörten Land wieder ein Raum wird, in dem sich leben lässt. Man braucht dazu einen Geist, der Kraft und Wille zur Verständigung schafft. Heilig ist jeder Geist, der Frieden stiftet.

Wenn man an die Ukraine, wenn man an den Nahen Osten denkt, dann wird einem bewusst, dass der Satz "Der Friede sei mit euch" sehr viel mehr ist als ein ausgeleiertes frommes Sprüchlein, das zu den religiösen Floskeln gehört. "Der Friede sei mit euch": Es ist dies, so die Bibel, das erste Wort des auferstandenen Jesus an seine Jünger.  [….]

(Heribert Prantl, SZ, Pfingstausgabe 2023)

Dabei ist es doch auch gerade in dem Fall klar, wer der oberste Aggressor und Rechtfertiger jeder tödlichen Gewalt ist: Kyrill I., Patriarch von Moskau und der ganzen Rus und Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche.

[….]  Anfang voriger Woche traf die Russisch-Orthodoxe Kirche (ROK) eine noch nie dagewesene Entscheidung: Sie gab bekannt, dass die Diözese Berdjansk von der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche an die russische Kirche übertragen wird – und zwar unter der Autorität von Patriarch Kirill. Berdjansk ist eine Stadt an der Küste des Asowschen Meeres in der Region Saporischschja, die unter russischer Besatzung steht. In den russisch besetzten Gebieten gibt es noch weitere Diözesen, die alle offiziell der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche angehören, die wiederum lange dem Moskauer Patriarchat unterstellt war.  [….]

(Mikhail Zygar, SPON, 27.05.2023)

Selbstverständlich erwarte ich als Atheist nicht, immer mit religiösen Ansichten überein zu stimmen. Ich will auch keine Zeitung lesen, die immer nur meine Meinung widerspiegelt. Ich möchte mich an den Kommentaren und Kolumnen reiben und dort etwas lesen, das ich vielleicht nicht 100% genauso sehe, aber doch die Argumente für eine andere Perspektive verstehe.

Nun aber ausgerechnet in den Palästina/Israel und Ukraine/Russland-Kriegen mehr Heiliger Geist und weitere Pfingsttage herbei zu schwärmen, ist so offensichtlich absurd, daß ich am Verstand des Autors zweifele.

[….] Es wurde in jüngerer Zeit hierzulande immer wieder überlegt, ob man den zweiten Pfingstfeiertag nicht einfach streichen sollte. Wenn man den Sinn von Pfingsten verstanden hat, wünscht man sich eher noch einen dritten Pfingstfeiertag. Die Kraft des Geistes braucht Präsenz, Platz und Raum. [….]

(Heribert Prantl, SZ, Pfingstausgabe 2023)

Ich mache mir Sorgen.

 Mit freundlichen Grüßen

Freitag, 26. Mai 2023

Menschen; ein Elend.

Klar, natürlich hassen Konservative und Klerikale alles Queere. Dennoch dachte ich, die Gesellschaft insgesamt entwickele sich in den westlichen Industrienationen so kontinuierlich weiter, daß es zu unattraktiv und risikoreich für die Rechten wird, den Kulturkampf gegen Nicht-CisHeteros wieder aufzunehmen.

Unglücklicherweise hatte ich mich bei dieser Annahme auch geirrt und muss nun mitansehen, wie sowohl in Süddeutschland, als auch in den US-Redstates auf breiter Front ein homo- und transphober Kurs gefahren wird.

2018 wurde Ron DeSantis nur äußerst knapp gegen den Demokraten Andrew Gillum zum Gouverneur des Swingstates Florida gewählt. Es mußte nachgezählt werden. Fort Lauderdale, Wilton Manors, West Palm Beach und Miami gelten als queere Hochburgen der USA. Rund eine Millionen Angehörige der LGBTIQ-Community leben dort. Man könnte also annehmen, dort keinen Erfolg mit scharf schwulenfeindlicher Politik zu haben. Aber weit gefehlt. Nach vier Jahren radikal homophober Politik, holte DeSantis bei der Gouverneurswahl 2022 deutliche 59,4 Prozent der Stimmen und landete 20 Prozentpunkte vor seinem demokratischen Herausforderer Charlie Crist (Gouverneur Floridas 2007 bis 2011).

Eben jener radikal antidemokratische, trans- und homophobe Ron DeSantis wird begeistert von der CSU gefeiert.

Und auch in Bayern gibt es keinen Zweifel daran, daß im Jahr 2023 die CSU wieder die Landtagswahl gewinnen und den Ministerpräsidenten stellen wird.

Die CSU ist stärker als Grüne, SPD, FDP und Linke zusammen.

Man muss also nicht nach Afrika (Mauretanien, Nigeria, Uganda, Somalia), oder die streng islamischen Staaten oder die osteuropäischen Autokratien blicken, um Beispiele dafür zu finden, wie extrem menschenfeindliche, nämlich Schwulen-diskriminierende Positionen an der Wahlurne belohnt werden. Das funktioniert auch in den USA und Deutschland.

Ein sehr homophobes Land, das gern in der Aufzählung vergessen wird, ist Japan.

Japan ist eine Demokratie, sehr reich, sehr modern, G7-Nation wie die USA und Deutschland, gilt außerdem als extrem technikaffin und modebewußt.

Die Heirat von zwei Männern bleibt aber auch im Jahr 2023, im Reich des Tennos völlig ausgeschlossen.

Rahm Emanuel, legendärer erster Stabschef Barack Obamas, und ehemaliger Bürgermeister Chicagos residiert nun als US-Botschafter in Tokio. Der heterosexuelle Jude, der mit seiner Frau Amy glücklich verheiratet ist und drei Kinder hat, wagte Ungeheuerliches.

Zusammen mit 14 weiteren Botschaftern in Japan twitterte er ein Video mit folgendem Aufruf:

When my closest friends give me the same advice, I pay attention. Fifteen foreign missions in #Tokyo have each lent their singular voice to a common message: we support universal human rights for all, we support #LGBTQI+ communities, and we oppose discrimination.

(Rahm Emanuel, 12.05.2023)

Auch der deutsche Botschafter Clemens von Goetze beteiligte sich.

[….] A video compilation of the messages, posted by U.S. Ambassador to Japan Rahm Emanuel on his official Twitter account, urges the Japanese government to "not be shaped by the past" when building a future where everybody is seen, heard and counted. "With all the challenges that we all face, from the implications of climate change, wars, civil strife, hunger -- the last thing that should occupy our energy is two people who love each other and want to build a life together," Emanuel said.

In addition to the United States, the video features messages from the European Union, 10 European countries, Canada, Australia and Argentina.

Swedish Ambassador Pereric Hogberg said that everyone has "the right to love who you want to love," while Finnish Ambassador Tanja Jaaskelainen stressed that "the rights of LGBTQI+ people are human rights -- pure and simple."

British Ambassador Julia Longbottom expressed hope that there would be "concrete steps towards equal rights for the LGBT+ community in Japan" under the country's G-7 presidency this year. After his former close aide made discriminatory remarks against sexual minorities earlier this year, Japanese Prime Minister Fumio Kishida has been under mounting pressure to pass a law to protect Japan's LGBT community, with the Asian country lagging behind other G-7 members on the issue.  [….]

(Kyodo News, 12.05.2023)

Die japanische Regierung ist von dem Video not amused.

Gegen Diskriminierung???
Für Menschenrechte??
Sodom und Gomorrha!

[….] Japan ist der einzige G-7-Staat, in dem die Homo-Ehe noch immer nicht erlaubt ist [….] Bald nach dem Microblog des US-Botschafters Rahm Emanuel wurde in Tokio zurückgetwittert. Und zwar von Masamune Wada, einem Oberhaus-Abgeordneten aus Japans Regierungspartei LDP. "Wenn Botschafter Emanuel seine Position als Botschafter in Japan irgendwie dazu nutzen will, Japan zu beeinflussen", schrieb Wada, "werden wir unmittelbare Maßnahmen ergreifen, ihn zurück in sein Land zu bringen." [….] Schon erstaunlich, wie leicht mancher Elitepolitiker in Japan aus der Fassung gerät, wenn es um Standards des gesellschaftlichen Fortschritts geht. Der Inselstaat sitzt dieses Jahr der Gruppe der sieben bedeutendsten Demokratien vor. Vergangenes Wochenende hat er in Hiroshima einen G-7-Gipfel mit Bekenntnissen für geregelten Freihandel und gegen Russlands Angriffskrieg veranstaltet. Da war Japan eins mit dem Westen. Aber oft ist es auch ganz anders. [….] Fachorganisationen benennen Defizite bei Gleichstellung und Pressefreiheit. Japan ist das einzige G-7-Mitglied ohne gemeinsames Sorgerecht von Eltern. [….] Japan ist nicht grundsätzlich intolerant. [….] Aber der rechte Einfluss ist eben groß. [….]

Der Abgeordnete Wada [….] ist nicht allein. Für Wadas Kritik an Emanuels Aufruf für die Rechte sexueller Minderheiten gab es über 27 000 Likes. […..]

(Thomas Hahn, Tokio, SZ, 25.2023)

Menschenrechte, Nein Danke!

Donnerstag, 25. Mai 2023

Union stramm rechtspopulistisc

Wir kennen es seit 2015; CDU und CSU können einfach nicht der Versuchung widerstehen, die zündelnden Thesen der faschistischen AfD nachzuplappern. Sie begründen es damit, die angeblich berechtigten Sorgen der Bürger ernst nehmen zu müssen. Ihre dahinter stehende Theorie besagt: Wenn auch die Union völkische, nationalistische, xenophobe, antiwissenschaftliche Sprüche kloppt, würden bisherige AfD-Wähler animiert werden, C-Parteien zu wählen und damit in den Schoß der demokratischen Parteien zurück kommen.

Die Theorie ist aus Unions-strategischer Sicht durchaus honorig; hat aber den Fehler, daß sie leider völliger Bullshit ist. Das Gegenteil trifft zu: Mit ihren stramm rechten Tönen, machen CDUCSU solche Thesen erst salonfähig, bestätigen den rechtsextremen Mob und senken die Hemmschwelle, gleich das Original zu wählen. Wo immer sich Unionskandidaten besonders stramm rechts geben, wird bei der nächsten Wahl die AfD überdurchschnittlich stark: Sachsen, Bayern, Sachsen-Anhalt und Thüringen beweisen ist.

Die Bundestagswahl von 2017 bewies es.

(….) Von allen ostdeutschen Bundesländern hat Sachsen das höchste AfD-Ergebnis. In Sachsen konnte die AfD auch am stärksten zulegen, nämlich um ungeheuerliche 20,2 Prozentpunkte, von 6,8% auf 27%. Mit 27% ist Gaulands faschistoide Gang sogar stärkste Kraft in Sachsen.

Die CDU verlor sagenhafte 15,7 Prozentpunkte, stürzte von 42,6% auf 26,9%.

[….] Die AfD ist die strahlende Siegerin der Bundestagswahl in Sachsen. Für die seit der Wende dominierende CDU setzte es dagegen eine schallende Ohrfeige der Wähler. Denn sowohl bei den Erststimmen als auch bei den Zweitstimmen feierte die AfD Erfolge. [….] Sowohl im Wahlkreis Sächsischen Schweiz-Osterzgebirge (SSOE), als auch in Görlitz und Bautzen holten sich AfD-Kandidaten Direktmandate.  Am deutlichsten setzte sich AfD-Chefin Frauke Petry durch. Sie erzielte im Wahlkreis (SSOE) 37,4 Prozent der Stimmen und deklassierte damit ihren Konkurrenten, den bisherigen CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus Brähmig. [….] Auch aus den Wahlkreisen Bautzen I und Görlitz schicken die Wähler AfD-Kandidaten direkt in den Bundestag.[….]

(MDR, 25.09.2017)

In Westdeutschland erzielte die AfD ihren größten Zugewinn in Bayern.  Die CSU verlor 10,5 Prozentpunkte, stürzte von 49,3% auf 38,8%.

Die AfD gewann in Bayern seit 2014 ungeheuerliche 632.594 Wählerstimmen hinzu und holte mit 12,4% ihr bestes Ergebnis aller westdeutschen Bundesländer. Den größten Absturz gab es im Wahlkreis Ingolstadt, der Heimat Seehofers, mit Einbußen von 13,9 Prozentpunkten. Wenn das in dem Bundesland passiert, dessen Regierungschef sich so brutal und unversöhnlich wie niemand anders gegen Merkels Flüchtlingspolitik stellte, bestätigt das die simple Regel „man wählt lieber das Original“. Die AfD nachzuäffen hat Tillich und Seehofer die höchsten Verluste an die AfD beschert.

[….] Dann muss sich Joachim Herrmann aber auch die Frage nach seiner eigenen Rolle und der Ausrichtung der CSU in den vergangenen Monaten gefallen lassen. Nur wenige Tage vor der Bundestagswahl hat sich der bayerische Innenminister mit falsch interpretierten Zahlen zu Sexualdelikten und Flüchtlingen heftige Kritik eingehandelt, weil es ein misslungener Annäherungsversuch an AfD-Sympathisanten war. [….]

(Ingrid Fuchs, SZ, 25.09.2017)

Es bleibt das Geheimnis der CSU wieso sie nach diesem wuchtigen Aufprall von Kopf auf Wand diese gescheiterte Strategie weiter ausbauen zu wollen.  (….)

(Dummerhafte Dümmlinge in Süd- und Ostdeutschland, 25.09.2017)

Unglücklicherweise zeigt die Union keinerlei Lernfähigkeit und versuchte es nach 2017 immer wieder mit diesem Ultrarechts-Kurs, obwohl sie damit stets auf die Nase fiel, während das liberale Aushängeschild Daniel Günther in Schleswig-Holstein Rekordergebnisse holt. Dennoch geben sich die meisten CDU-Landesverbände größte Mühe, die AfD zu stärken.

In per se liberaleren Bundesländern wie Hamburg, führt eine besonders Rechtsaußen positionierte Landes-CDU, wie die von Christoph Ploß 2021 zwar nicht zu starken AfD-Ergebnissen, weil hier die Zivilgesellschaft zu stark ist. Dafür rauschte aber auch die CDU auf 15% in den Keller.

Den Rechtsextremen nach dem Mund zu reden, funktioniert nie. Der Urnenpöbel greift ohnehin zum Original.

(…..) AfD, CSU, Gauck, NPD und auch weite Teile der heutigen CDU und FDP erklären in jede Kamera, man müsse die Ängste der Bürger vor der Überfremdung ernst nehmen. Man müsse sich endlich in der Flüchtlingsfrage ehrlich machen. Es dürfe nicht mehr tabuisiert werden den Islam zu kritisieren.

„Aber wir müssen die Ängste und Sorgen der Bürger doch ernstnehmen…..

So ein Blödsinn!

Wir müssen den Bürgern die Ängste nehmen und ihre Sorgen zerstreuen.“

(Wilfried Schmickler 12.11.2015)

Wenig verwunderlich, daß von so einer Performance nur die Originale profitieren: AfD, Pegida und NPD. Thomas Oppermann will nun auch Kontingente. Gabriel ist ein Stimmungs-Politiker, der den Muffigen und Motzenden voller Verständnis entgegen eilt.

Verständnis? Wofür? Verständnis aufbringen für die Ängste und Sorgen der Bürger in Deutschland. Keine Talkshow mehr ohne diesen Satz, keine Diskussion am Stammtisch und keine Debatte im Bundestag. Verständnis VON oder Verständnis FÜR? Es ist der kleine semantische Unterschied, der den Analysten vom Aktivisten unterscheidet. Den, der Stimmungen deutet von dem, der Stimmung macht. Ja, auch ich verstehe, dass es Ängste vor Flüchtlingen gibt und woher diese Ängste kommen. Nur, mit Verlaub, ich habe kein Verständnis dafür.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass Menschen Angst haben vor einer "Islamisierung des Abendlandes", wo der Anteil der Muslime im europäischen „Abendland“ gerade mal 4 % ausmacht, und auch dann nur auf 5 % anwachsen würde, wenn sämtliche syrischen Flüchtlinge auf einmal nach Europa kämen.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass Menschen in diesem Land davor Angst haben, dass 2, 3 oder 5 Millionen Flüchtlinge uns unserer Lebensgrundlage berauben. In einem Land, das gerade Milliarden Überschüsse erwirtschaftet und dabei von der Armut der Länder profitiert, aus denen viele Flüchtlinge zu uns kommen.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass besorgte Bürger Angst davor haben, dass unsere Verfassungswerte in Gefahr geraten, wo doch die Gleichen, die das befürchten, sofort dazu bereit sind, Artikel 1 des Grundgesetzes zu opfern, wenn es um eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen in diesem Land geht.

Nein, ich habe keinerlei Verständnis für diese Ängste – und schon gar nicht dafür, dass Politiker Verständnis für solche Ängste heucheln und dabei nichts anderes tun, als diese Ängste jeden Tag aufs Neue anzufachen.

(Georg Restle, Monitor, 06.10.2015)

(Angst vorm Mob, 24.11.2015)

Nachdem sich Angela Merkel Ende 2021 in die Rente verabschiedete, übernahm Fritze Merz mit seinem strammen Rechts-Kurs. Unablässig poltert er AfDige Sprüche. Wettert gegen Einbürgerung, gegen Flüchtlinge, gegen „kleine Paschas“ und übernimmt auch den Anti-Woke-Kurs des Ron Desaster-Desantis.

So werde er die AfD halbieren, erklärte er ernsthaft, nachdem Jahrelang genau das Gegenteil eingetreten war, wenn die CDU nach rechts rutscht.

Das Ergebnis nach anderthalb Jahren Merz ist eindeutig. Trotzdem katastrophaler Ampel-Werte, liegt die Merzsche Bundes-CDU deutlich hinter allen Merkel-Ergebnissen und deutlich hinter Günthers Werten in Kiel. Dafür trieb Merz die AfD auf Rekordwerte.

AfD im September 2021: 10%

31.01.2022 CDU-Parteivorsitz Merz

15.02.2022 CDUCSU-Bundestagsfraktionsvorsitz Merz

AfD im Mai 2023: 17%

Das Halbieren hat offenbar nicht so recht funktioniert.

Lernt die Union nun endlich, welcher Kurs nicht funktioniert?

Nein, im Gegenteil. Seit 2023 greift sie massiv die queere Gemeinde an.

Sie hetzt gegen die Grünen, stellt den Kampf gegen den Klimawandel in Frage und verschärft weiter ihren nationalistisch-völkischen Kurs, um den Höcke-Flügel groß zu machen.

   [….] Mit mehr Deutschlandflaggen und dem Singen der Nationalhymne will die Union Patriotismus in Deutschland stärken, wie aus einem Antrag hervorgeht. „Wir treten für einen Patriotismus ein, der nicht durch Beiwörter in Watte gepackt werden muss“, sagte CDU-Politiker Philipp Amthor im Gespräch mit der Welt. Amthor soll Medienberichten zufolge Initiator des Antrags sein. Die Bundesregierung soll nach Willen der CDU ein „Bundesprogramm Patriotismus“ entwickeln. [….] Das von der CDU geforderte „Bundesprogramm Patriotismus“ soll unter anderem „die ganzjährige Sichtbarkeit nationaler Symbole – insbesondere der Bundesflagge – im öffentlichen Raum“ erhöhen, heißt es. Zudem will die Union dafür sorgen, „dass die Nationalhymne häufiger bei öffentlichen Anlässen gesungen und weiter als fester Bestandteil des deutschen Liedguts gepflegt wird“. Schwarz, Rot und Gold werden in dem Antrag als „stolze Farben“ und die Nationalhymne als „zum Klang gebrachte Freiheit“ beschrieben. [….]

(FR, 25.05.2023)

Wie schon häufiger, hielt ich diese Amthor-Meldung zunächst für Satire. Da musste doch die Titanic oder der Postillion dahinter stecken.

Aber nein, der Mann existiert wirklich, wird tatsächlich in den Bundestag gewählt und verbreitet in der Tat dieses AfD-Stärkungsprogramm. Make Faschismus great again.

[….] Alarmstufe Schwarzrotgold! Die Union hat wieder mal eine Idee. Keine Sorge, diese betrifft nicht so komplizierte oder langweilige Dinge wie die Klimakrise, die Pflege oder armutsbetroffene Kinder – nein, es geht um ein ganz simples, sanftes Gefühl: den deutschen Patriotismus. [….] Hurra! Nationale Heimatromantik möge nun endlich wieder aufgeschäumt werden, wie ein frisch gezapftes, nasskaltes Bier, um die, wie die Antragsteller schreiben, »zunehmende Polarisierung« im Lande zu überwinden. Insbesondere in Ostdeutschland soll der »zum Teil fehlende Bezug zur eigenen Nation« als eine »Schwachstelle der Wiedervereinigung« aufgearbeitet werden, unter Zuhilfenahme der deutschen Fahne. [….] Wenn das Land jetzt gerade etwas nicht wirklich braucht, dann parlamentarisch verordnete Staatssentimentalität und eine behördlich organisierte Nationalmediation. [….]

(Samira El Ouassil, SPON, 25.05.2023)

Mittwoch, 24. Mai 2023

Deutsche Peinlichkeit.

Eins tut Olaf Scholz sicher nicht; und zwar unbedacht losplappern. Seine viel zitierten Begriffe „Bazooka“, „Wumms“ und „Doppelwumms“ kamen garantiert nicht im Affekt über seine Lippen, sondern sollten genau die Wirkung erzielen, die dann auch eintrat.

So verstehe ich auch seinen unbundeskanzlerischen Satz rund um das Wort „bekloppt“:

[….] Bei einem EU-Projekttag in einer Schule sagte er am Montagnachmittag in Kleinmachnow östlich von Potsdam: "Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Straße." Er habe den Eindruck, dass es auch nicht dazu beitrage, dass irgendjemand seine Meinung ändere, sondern es ärgerten sich vor allem alle. "Das ist eine Aktion, von der ich glaube, dass sie nicht weiterhilft", sagte Scholz.  [….]

(SZ, 22.05.2023)

Scholz weiß natürlich, daß die Anliegen der „Letzten Generation“ gar nicht bekloppt, sondern berechtigt und sehr moderat sind.

Er weiß aber auch, wie extrem unbeliebt sich die naiven Aktivisten im Volk gemacht haben, weil sie der massiven Hetz-Kampagne der BILD, CDU und CSU – „Klima-RAF“, „Klimaterroristen“ – nichts entgegensetzten. 80% der Wähler stimmen dem Bundeskanzler zu.

FFF, die Grünen und die „letzte Generation“ haben alle die Schlacht um die Herzen der Öffentlichkeit verloren. Klimaschutz gilt den meisten als nachgeordnetes Thema.

Nur jeder zehnte Bundesbürger legt Wert auf Ökostrom. 70% interessiert nur, ob der Strom billig ist und nicht, wie klimaschädigend er erzeugt wurde.

Diese Zahlen sind ein absolutes Desaster für die Klimaschützer. Ihre PR-Kampagnen sind nicht etwa bloß wirkungslos, sondern kontraproduktiv. Wenn die Autofahrer sich höhnische „Heul leiser, Greta“-Aufkleber an ihre SUVs kleben und genau diese PS-Monster täglich beliebter werden, können sich Volker Wissing und Ondi Scheuer bei den Klebe-Aktivisten bedanken.

Wie unbedarft die Letzte Generation“ agiert, zeigt sich auch daran, wie naiv sie in die Falle des Bundeskanzler tappten; ihm den Gefallen taten, verbal ebenfalls zu eskalieren und noch mehr Aufmerksamkeit für die populären Scholz-Machtworte erzeugten.

[….] Die Klimaschutzaktivisten der "Letzten Generation" sind nach eigener Aussage "fassungslos" über die Kritik von Bundeskanzler Olaf Scholz. [….] "Herr Scholz, wie können Sie es wagen, sich vor die Kinder zu stellen, deren Zukunft Sie gerade vernichten, und davon zu sprechen, dass Sie Protest gegen Ihre zerstörerische Politik 'völlig bekloppt' finden?", fragten die Umweltschützer.

Es sei schließlich die Schuld des Kanzlers, dass Menschen auf Deutschlands Straßen versuchen müssten, friedlich ihre Grundrechte zu erstreiten. "Die Ursache unseres Protests liegt in der verantwortungslosen Befeuerung des gesellschaftlichen Zusammenbruchs durch die Regierung Scholz." Außerdem sprühten Aktivisten am Dienstagnachmittag orange Warnfarbe an die Fassade des Willy-Brandt-Hauses, wie es von der Polizei hieß.  [….]

(SZ, 23.05.2023)

Und nun werden sich noch mehr Menschen auf die Seite des Kanzlers schlagen.

Die Causa ist ein Paradebeispiel dafür, weswegen Demokratie und plebiszitäre Elemente nicht funktionieren.

Die öffentliche Meinung ist eindeutig. 80% gegen die Klimakleber. Eine riesige Mehrheit urteilt also nach Gefühlslage und von Springer-Presse aufgestachelt.

Inhaltlich sieht es allerdings genau umgekehrt aus: Die Forderungen der Letzten Generation sind wissenschaftlich eindeutig gerechtfertigt und faktisch richtig.

Vom Hass auf die „Klimakleber“ will selbstverständlich auch der wahlkämpfende Rechtspopulist Söder profitieren.

Nach GOP-Vorbild schwingt er die ganz große Keule gegen die jungen Menschen, die sich erdreisten, das Überleben der Menschheit zu befürworten.

[….] Womit man bei Alexander Dobrindt wäre. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag ist einer der ganz wenigen Menschen, die beim Anblick eines Unfalls finden: Will ich auch. Bestimmt hätte sich für die Heizpläne der Ampel am Dienstag auch ein anderes Wort als "bekloppt" finden lassen; womöglich hätte ihn das nicht derart in Fahrt gebracht, dass er sogleich von "Hinweisen auf zivilen Ungehorsam" bei Hauseigentümern schwärmte. Dobrindt? Der Mann, der neulich erst die "Klima-RAF" erfand? Findet auf einmal zivilen Ungehorsam gut? Immerhin, es wäre eine Attraktion, ihn demnächst an einer Ölheizung kleben zu sehen.  [….]

(Detlef Esslinger, 24.05.2023)

Heute setzte es also Razzien gegen die Letzte Generation; ihre Websites wurden vom Netz genommen.

[….] Die Art, wie der Staat, der Justiz- und Exekutivapparat, Teile der Presse und auch der Bevölkerung mit den Protestierenden der »Letzten Generation« umgehen, ist nichts weniger als katastrophal. Und zwar insbesondere in demokratischer, aber auch gesellschaftlicher Hinsicht.

Eine bundesweite Razzia hat stattgefunden mit der Begründung, es liege ein Anfangsverdacht für eine kriminelle Vereinigung vor. [….] Der Begriff einer kriminellen Vereinigung ist viel, viel größer und gewichtiger, weil dazu noch eine »Erheblichkeitsschwelle« überschritten sein muss, wie der ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich erklärt . Das entsprechende Gesetz dient eigentlich zur Einordnung von mafiösen oder terroristischen Strukturen. [….]

(Sascha Lobo, 24.05.2023)

Die bayerische Polizei und bayerische Staatsanwaltschaft griffen zu drastischen Methoden.

[….]   Dann aber ist anlässlich der aktuellen Razzia etwas staatsübergriffig Grenzüberschreitendes geschehen: Die Website der »Letzten Generation« wurde abgeschaltet . Das liest sich für manche vielleicht auf den ersten Blick harmlos. Faktisch aber ist es ein absichtsvoller Stich ins Herz der Demokratie, nämlich der offenen Debatte. Es kommt sehr, sehr selten vor, dass bei solcher Art Ermittlungen eine Website abgeschaltet wird. Bisher wird diese Maßnahme eigentlich nur angewendet, wenn die Website das Herzstück der Illegalität bildet, etwa bei illegalen Tauschbörsen oder Online-Drogenhandel. Die falsche Radikalität dieser Maßnahme gegen die »Letzte Generation« wird besonders im Kontrast deutlich: Bei Razzien gegen Islamisten dagegen findet eine Website-Abschaltung nicht regelmäßig statt. Ebenso wenig bei »Reichsbürgern« oder QAnon-Anhängern. Obwohl diese Gruppierungen inzwischen mehrere Ermordete verantworten, sind sogar noch Seiten online, auf denen man seine »Reichsdokumente« beantragen kann. [….]

(Sascha Lobo, 24.05.2023)

Möglicherweise hilft aber diese extrem radikale und übertriebene Maßnahme den Aktivisten.

Sympathisch macht sich der CSU-Staat so nicht.

[….] Beim Wort "kriminelle Vereinigung" denkt man an organisiertes Verbrechen. An Mafia, Menschenhändler-Ringe. [….]  Das ist ein Netzwerk der russischen Organisierten Kriminalität, es sind Schutzgelderpresser und Mörder. Die Neonazi-Kameradschaft "Sturm 34" ist ein weiteres solches Beispiel, das sind Schläger, die in den 2000er-Jahren mit Sturmhauben und quarzsandgefüllten Handschuhen in Sachsen auf Jagd nach - vermeintlichen - Ausländern gingen. [….] Am Mittwoch hat die Generalstaatsanwaltschaft München überraschend einige Wohnungen und Büros der "Letzten Generation" durchsuchen lassen, gestützt auf den Vorwurf der "kriminellen Vereinigung". Möglich war das, weil diese Strafvorschrift, Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs, aus der Nähe betrachtet, bemerkenswert vage formuliert ist. [….]  Soll man wirklich unterstellen, das Begehen von Straftaten sei der eigentliche "Zweck" der "Letzten Generation" - wie bei den Menschenjägern des sächsischen "Sturm 34"? In München hat man daran gezweifelt, in Stuttgart hat der Generalstaatsanwalt sogar ganz offen kein Geheimnis daraus gemacht, dass er das Vorpreschen der Neuruppiner Juristenkollegen für abenteuerlich halte. Für überzogen. Jetzt aber haben sich in München die Strafverfolger aus der Deckung bewegt und sich erstmals der Position der bislang allein auf weiter Flur stehenden Brandenburger angeschlossen. "Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß Paragraf 129 StGB dar!", stand am Mittwoch als Statement der Generalstaatsanwaltschaft auf der beschlagnahmten Webseite der "Letzten Generation". Das ist eine Vorverurteilung, denn noch hat, wohlgemerkt, kein Gericht entschieden, ob dies auch stimmt.   [….]

(Ronen Steinke, SZ, 24.05.2023)

Dienstag, 23. Mai 2023

„Wer redet, schießt nicht.“


»Putin ist kriminell sozialisiert und kennt keine

anderen Mittel als zu lügen, zu fälschen, zu erpressen«

Herta Müller, drei Wochen vor dem russischen Angriff auf die Ukraine.


Wie andere Leute es hinbekommen, all das zu lesen, was sie lesen wollen, ist mir ein Rätsel.

Ich bin ständig in Verzug und scheitere an den immer höher werdenden Stapeln.

Heute konnte ich ein wenig abarbeiten und drang in eine Zeitungssphäre aus dem Januar 2022 vor. Einige Themen haben sich wenig geändert in den anderthalb Jahren. Missbrauchs-Skandale in der katholischen Kirche, freidrehende Querdenker, Immobiliendämmung, Heizungen, Radikalisierung von AfD und Maaßen, Umgang mit China und Totalversagen Stark-Watzingers.

Andere Themen sind hoffnungslos überholt. Die ewige Regentschaft Queen Elisabeth II., das abschätzige Lachen über Prince Charles, der wohl nie König werde und dann natürlich die Ukraine-Russland-Krise.

Damals war es surreal zu beobachten, daß Putin offensichtlich Truppen an der russischen Westgrenze zur Ukraine zusammen zog. Die Krim hatte er bereits acht Jahr zuvor geschluckt und im Donbass sprachen ebenfalls schon die Waffen.

Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj war noch ein jugendlich wirkender, gut rasierter Mann im Anzug, der sich demonstrativ nicht nervös machen ließ. Er blicke voller Gelassenheit auf Russland, ließ er wissen.

Westeuropäische Spitzenpolitiker gaben sich in Moskau die Klinke in die Hand; schließlich könne man doch alles besser auf dem Verhandlungsweg regeln. Anders ginge es ohnehin nicht, da insbesondere die deutsche Wirtschaft seit 20 Jahren am billig und zuverlässig durch russische Pipelines anströmenden Erdgas hing.

 

Annalena Baerbock, frisch gekürte Außenministerin, war wirklich nicht zu beneiden. Nach diversen kleinen Schwindeleien und reichlich Pannen als Kanzlerkandidatin im Wahlkampf, war ihre Autorität schwer angeschlagen. Nun sollte sie den mächtigen und gerissenen Wladimir Putin zur Raison bringen.

Am 27.01.2022, sieben Wochen nach ihrer Ernennung, veröffentlichte das Auswärtige Amt ein FUNKE-Interview auf seiner offiziellen Website, welches mit dem Baerbock-Motto „Wer redet, schießt nicht“ überschrieben wurde.

Es schien ein kluger Schachzug zu sein. Die Außenministerin schlug hier mehrere Fliegen mit einer Klappe. Einerseits entsprach die damit dem tiefsitzenden Widerwillen der Deutschen gegen Waffenlieferungen oder gar Kampfeinsätze. Anderseits knüpfte sie an den immer noch populären, ewigen Außenminister Hans-Dietrich Genscher an. So demonstrierte sie Kontinuität und versuchte von der Autorität und Kompetenz des Mannes im gelben Pullunder zu profitieren. Schließlich war es auch ein freundliches Signal an den Koalitionspartner FDP, die langjährige Zeit der FDP-Außenminister zu würdigen.

[….] "Solange man miteinander redet, schießt man nicht aufeinander" – das Bonmot Hans-Dietrich Genschers ließe sich der europäischen Entspannungspolitik seit den späten 1960er Jahren als Motto voranstellen. Tatsächlich war Kommunikation über die Blockgrenzen hinweg der Schlüssel zu einer Sicherheitsordnung in Europa, deren Bestand auch dann nicht in Frage gestellt wurde, als sich die Beziehungen zwischen den beiden Supermächten ab Ende der 1970er Jahre wieder verschlechterten.   [….]

(Berlin Center for cold war studies, 2017)

Ein beliebtes Motto, auf dem basierend die erste Frau an der Spitze des Berliner Außenamtes, ihre Russland-Politik erklärte.

[….] Funke: Für wie gefährlich halten Sie den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, in dem ja auch die Nato eine Rolle spielt?

BAERBOCK: [….] Und genau deshalb habe ich mich von der ersten Minute meiner Amtszeit dafür eingesetzt, dass wir einen Kurs von Dialog, aber auch Härte mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch fahren.

Funke: Droht im gegenwärtigen Konflikt ein Krieg, der über die Ukraine und Russland hinausgehen könnte?

BAERBOCK: Wenn man das Schlimmste verhindern will, sollte man nicht das Schlimmste herbeireden. Daher ist es mir wichtig, alle Kanäle für Dialog zu nutzen. Jahrelang gab es keinerlei Austausch zwischen Russland und der Nato darüber, wie man gemeinsam für mehr Sicherheit sorgen kann. Nun haben wir als Bündnis gegenüber der russischen Regierung signalisiert: keinen Schritt weiter. Und es öffnet sich gerade ein kleines Fenster für Gespräche. Genau dieses müssen wir nutzen. [….] Wir haben in den letzten Jahren von der russischen Regierung gemischte Signale erhalten: auf der einen Seite Bestrebungen, zu einer alten geostrategischen Rolle zurückzukehren - auch mit Androhung von Gewalt wie zu Zeiten des Kalten Kriegs. Auf der anderen Seite gibt es aber auch ein großes Interesse an verstärkter Zusammenarbeit in der russischen Wirtschaft. Beides geht aber nicht zusammen. Grundlage jeder Zusammenarbeit sind für mich das internationale Recht, insbesondere die gemeinsamen Vereinbarungen über Sicherheit. Das habe ich bei meinem Besuch in Moskau mehr als deutlich gemacht. [….] [….]  Mit Frankreich leisten wir als Vermittler im Rahmen des Normandie-Formats – dem einzigen Ort, wo Ukraine und Russland zurzeit an einem Tisch sitzen - einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit der Ukraine. In der Nato arbeiten wir daran, dass im Nato-Russland-Rat endlich wieder gesprochen wird, auch um wieder Schritte zur Abrüstung zu vereinbaren. [….][….] Das Normandie-Format ist einer der Gesprächskanäle, um die es jetzt geht, weil es Schritt für Schritt mehr Sicherheit brächte. Russland hatte sich lange geweigert, überhaupt in den Dialog zu treten. Ja, deswegen ist es ein gutes Signal, dass man sich nun wieder an einen Tisch setzt. Durchbrüche innerhalb weniger Tage sollten wir nicht erwarten. Aber wer redet, schießt nicht. Daher ist es fatal, die Wiederaufnahme von Dialog abzutun. [….]

(AA, 27.01.2022)

16 Monate später klingen Baerbocks Sätze völlig aus der Zeit gefallen.
es wäre billig, ihr diese Irrtümer vorzuwerfen. So viele Europäische Politiker hatten sich in ihrer Russland-Politik fundamental geirrt. Auch ich befinde mich mit meinen Irrtümern in bester Gesellschaft echter Militärexperten. A posteriori ist man immer schlauer.

Man musste sich allerdings nicht irren. Im Nachhinein sehen wir nämlich auch, wie unser Wunschdenken die Sicht auf Russland prägte. Putin hingegen machte erstaunlich klare Ansagen. Man hätte wirklich ahnen können, was sich zusammenbraut. Man staunt hinterher, wie leicht es Putin gelang nach der Krim-Annexion Merkel in Minsk auszumanövrieren. Sie erkaufte sich Zeit und Ruhe, dafür konnte Russland gründlich aufrüsten und sich auf die Invasion vorbereiten.

Anders als vor dem US-Angriff auf den Irak 2003, als man jeden Tag in der Zeitung lesen und in den Nachrichten hören konnte, wie Experten und Politiker der meisten Parteien (außer der CDUCSU) genau das Desaster prognostizierten, das später auch eintrat, waren die Stimmen der Weisen vor Beginn des Ukraine-Krieges weniger zu hören und deutlich unpopulärer.

Aber es gab sie. Die von mir hoch- und höchstgeschätzte Hertha Müller sprach es am 05.02.2022 im Nobelpreisträgerinnen-Doppelinterview mit Swetlana Alexijewitsch aus.

[….]  Müller: Glaubst du wirklich, Swetlana, dass er all die Truppen aufmarschieren lässt, nur um so etwas zu erreichen? Was sollte ihn denn hindern einzumarschieren? Er hat es ja auch 2014 schon auf der Krim probiert, und es hat geklappt. Er hat die Krim völkerrechtswidrig annektiert. Er hat einen Teil des Donbass faktisch besetzt, ohne Putin gäbe es die Separatisten doch gar nicht. Er hat die Ukraine zerstückelt. Alle reden jetzt immer von der »Krise«. Was für eine Krise? Wir haben doch längst Krieg in der Ukraine. Seit acht Jahren!

[….]  SPIEGEL: Ist es angemessen, Putin einen Diktator zu nennen?

Müller: Was soll er denn sonst sein? Er schickt Oppositionelle ins Gefängnis oder ins Lager. Stalins Lagersystem wirkt in Russland bis heute. [….]

SPIEGEL: Nazideutschland hat fürchterliches Leid über die Länder des Ostens gebracht. Können Sie verstehen, warum die deutsche Regierung auf Diplomatie setzt und keine Waffen in die Ukraine schicken möchte?

Müller: Das ist doch eine Ausrede, mit der man jetzt nicht kommen sollte. Was haben wir denn in den Neunzigerjahren in Ex-Jugoslawien gemacht, aus guten Gründen? Wir haben militärisch ausgeholfen. Gerade die Deutschen mit ihrer Geschichte müssen der Ukraine helfen. Was wollen die deutschen Politiker jetzt der Ukraine schicken? Helme? Das ist doch eine Blamage vor der ganzen Welt! Wollen sie vielleicht als Nächstes Fencheltee schicken? (Müller zeigt auf die Packung auf dem Tisch). Oder Särge für die gefallenen ukrainischen Soldaten?

SPIEGEL: Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagt: »Wer redet, schießt nicht.« So begründet sie die Entscheidung der Regierung, auf Diplomatie zu setzen.

Müller: Was für ein dummer, abgenutzter Satz. Geredet wird immer, auch wenn geschossen wird. Es ist schrecklich, wie sich unsere Politiker jetzt äußern. [….]

(DER SPIEGEL, 05.02.2023)

Heute bin ich selbst darüber erschrocken, nicht viel früher über die offensichtliche Dummerhaftigkleit des Baerbock-Satzes Wer redet, schießt nicht gestolpert zu sein.

Montag, 22. Mai 2023

Rechtspopulistisch in den Ruin.

Die FDP verabschiedete sich schon bei den Ampel-Koalitionsverhandlungen endgültig von der seriösen Politik. Ein halbes Dutzend Wahlpleiten später, negieren die Hepatitisgelben jede Form der Realität. Sie suggerieren dem trägen Wahlvolk, es müsse sich gar nicht ändern, den Klimawandel könne man ignorieren. Also weiterhin Raserei auf der Autobahn (kein Tempolimit), weiterhin PS-Monster mit Verbrennerantrieb (EFuels) und nun verkündet FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai auch noch maximalpopulistisch, man könne weiterhin Häuser fossil heizen wie immer.

[….] Im koalitionsinternen Streit um das geplante Heizungsgesetz hat sich die FDP weiter von SPD und Grünen entfernt. Es gebe im Entwurf "unfassbar viele Fehler", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nach den Sitzungen der Parteigremien in Berlin und verlangte: "Hier brauchen wir ein neues Gesetz im Prinzip."   [….]

(Tagesschau, 22.05.2023)

Ein Volk, das sich solche Politiker in die Regierung wählt, hat es verdient, international abgehängt und ausgelacht zu werden.

[….] Jetzt haben wir eine Automobilindustrie, die sich in einem akuten Abstiegskampf befindet. In den nächsten Jahren werden ihr rapide Absatzmärkte wegbrechen, weil sie sich vor dem Umbau hin zum Elektroauto zu lange gedrückt hat. Wir haben praktisch keine heimische Solar- und Windenergiebranche mehr. Wir haben zu wenig Fachleute für den Einbau und die Wartung von Fotovoltaikanlagen, Stromspeichern, Wärmepumpen. Wir haben ein überaltertes, schlecht ausgebautes und nach wie vor nicht smartes Stromnetz. Und wir haben eine Bevölkerung, der zwar die Dringlichkeit der Klimakrise längst mehrheitlich bewusst ist, die aber zu einem guten Teil weiterhin in dem Irrglauben lebt, eigentlich müsste sich gar nicht allzu viel ändern. Das liegt nicht zuletzt darin, dass sie viele Jahre lang falsch informiert wurde. Realitätsverweigerung führt aber nicht dazu, dass die Klimakrise oder die unabdingbare Transformation unserer Industrie und Wirtschaft mal eine Pause macht. Entweder, wir passen uns an, sehr viel schneller als bisher, oder wir steigen ab. Das ist längst keine rein ökologische Frage mehr, sondern eine ökonomische. Wir haben es wirklich sehr eilig.  [….]

(Prof. Christian Stöcker, 21.05.2023)

Ein neuer Ansatz der Klimaforschung stellt die Erderhitzung nicht mehr in finanziellen Dimensionen dar, sondern die Folgen des Klimawandels mittels der Klimanische des Menschen. Wie klein wird die bewohnbare Landmasse des Planeten werden, wenn die Hitze menschliches Leben unmöglich macht?

Ein internationales Forscherteam um den Klimaforscher Timothy Lenton von der Universität Exeter im Fachjournal Nature Sustainability berechnete die Folgen der Erderwärmung für unseren Lebensraum. Bisher leben etwa 60 Millionen Menschen in so heißen Gebieten, wie zum Beispiel der Sahara, daß sie sich dort nicht mehr ernähren können und zur Flucht gezwungen sind. Weniger als ein Prozent der Menschheit. Die Klimanische wird sich aber dank der Nichtstun-Politik von CDU, CSU, AFDP und ähnlichen Parteien in aller Welt dramatisch verkleinern.

Südeuropa wird mutmaßlich noch zu meiner Lebenszeit so extremen Wetterbedingungen ausgesetzt sein, daß die Menschen wegziehen müssen. Enorme Dürren in Spanien und Portugal, Sommertemperaturen um 50°C und katastrophale Überschwemmungen wie derzeit in Italien, weil die ausgedörrten Böden kein Wasser mehr aufnehmen können, erleben wir jetzt schon. Zum Ende dieses Jahrhunderts werden aber zwei bis drei Milliarden Menschen in den kühleren Norden umgesiedelt, oder tot sein.

Grenzschließungen, die Söder/Merz/Spahn/Trump als probates Mittel gegen die klimabedingten Migrationsbewegungen ansehen, werden zukünftige Generationen herzlich auslachen. Solche Maßnahmen erinnern an Wächters Sternengucker, der mit seinem Feldstecher auf einen Schemel steigt, um den fremden Planeten näher zu sein.

[….] Zum Ende des Jahrhunderts könnte ein Drittel der Weltbevölkerung außerhalb der Klimanische des Menschen leben und damit in Gebieten, in denen Landwirtschaft und Viehzucht erschwert und die Sterberate höher ist. Besonders gefährlich wird das Leben in Regionen, wo Temperaturen von 29 Grad Celsius oder mehr herrschen. [….] Am meisten Menschen müssten dann in Indien und Nigeria unter diesen Bedingungen leben. Auch Indonesien, Pakistan und Thailand seien besonders betroffen. Darunter besonders Länder mit hoher Luftfeuchtigkeit. Gepaart mit dieser genügen bereits geringere Temperaturanstiege als in trockenen Regionen, um den menschlichen Körper an seine Belastungsgrenze zu bringen. [….] "Eine zukunftsweisende Politik würde jetzt schon damit anfangen, legale Migrationswege zu schaffen und sich auf eine anwachsende Migration zum Beispiel nach Europa und Deutschland vorzubereiten", sagt der Klimaforscher Christian Franzke von der Nationaluniversität Pusan in Südkorea. [….]

(Benjamin von Brackel, 22.05.2023)

Selbst der erzkonservative und Grünen-hassende BILD-Mann Blome wundert sich in seiner SPIEGEL-Kolumne über die Doofheit seiner schwarzgelben Freunde. Mit dem Graichen-Rücktritt das Aus der Klimapolitik zu begründen, ist in der Tat selbst für deutsche Konservative tolldreist.

[….] Den Rücktritt des Staatssekretärs atemlos zu betreiben, wird in der eigentlichen Sache nicht viel bewirken, doch es vergiftet den Brunnen, aus dem die CDU bald trinken will. Schön blöd ist das.

Oder glaubt irgendjemand, mit dem Staatssekretär verschwände nun wahlweise der Klimaschutz an sich, die grüne Haltung dazu oder auch nur das umstrittene Heizungsgesetz ? Die FDP mag »hundert Fragen« haben, doch am Ende wird sie selbst eine beantworten müssen: Lässt sie die Regierung deswegen platzen? Dass ich nicht lache. [….] Für meinen Geschmack tut die Opposition darum ein bisschen zu sehr überrascht, dass sich auch Grüne ihre Vertrauten an die Spitze der Ministerien holen, die sie führen. Ich kenne keine Partei, die das anders macht. Dafür sind politische Beamte ja da. Folglich sollte eine kluge konservative Kraft in dieser an und für sich komfortablen Lage der Versuchung widerstehen, immer noch einen darauf zu setzen und auf Kulturkampf im Heizungskeller zu machen. Denn wie das mit Kulturkämpfen so ist: Ohne Selbstverstümmelung geht es selten ab.

Bei der CDU-Unterschriftenkampagne  gegen das Heizungsgesetz beginnt die Selbstgefährdung mit der Sprache: Den »Heizungs-Hammer« hätte ich bei »Bild« als Zeile auf der Seite eins auch gemacht, nicht aber über dem Papier einer Partei, die den Bundeskanzler stellen möchte. [….]

(N. Blome, 22.05.2023)

Wenn man selbst Blome verliert, gäbe es für die Konservativen eigentlich Grund genug, sich Sorgen zu machen.

Aber offenbar haben sie inzwischen vollständig verlernt an das Allgemeinwohl und die Zukunft zu denken. Sie handeln ausschließlich für ihren kleinen aktuellen parteipolitischen Vorteil.


 

Sonntag, 21. Mai 2023

Kriegsplanung im Sandkasten.

Als militärischer Laie betrachtet man die Stärke von Armeen wie beim Quartett-Spiel auf dem Grundschulhof. Man vergleicht die Zahlen. 100.000 Soldaten sind schwächer als 300.000 Soldaten. 500 Panzer sind 90 Panzern überlegen und mit 70 Schiffen gewinnt man eine Seeschlacht gegen 17 Schiffe.

Diese Simpel-Sichtweise; sich an der Größe der eigenen Armee zu erfreuen, ist gut geeignet für jemanden wie Friedrich-Wilhelm I., (* 14. August 1688 in Cölln; † 31. Mai 1740 in Potsdam), den preußischen „Soldatenkönig“. Der Vater von Friedrich dem Großen wurde 1713 König in Preußen und Kurfürst von Brandenburg. Er krempelte sein bisher wenig bedeutendes Land vollständig um, militarisierte die Gesellschaft, verdoppelte das stehende Heer von 40.000 auf 80.000 Mann, um im Konzert der Großmächte mitzuspielen. Legendär wurde seine Leidenschaft für das Eliteregiment der „Langen Kerls“. Seine Vorliebe für alles Soldatische war insofern vorbildlich, daß er seine schöne Armee auf keinen Fall zerschießen lassen wollte. Kriege mied er; bis auf den kurzen Feldzug im Jahr 1715 an der Seite der Sachsen und Dänen gegen die Schweden, völlig.

Diese Art der Vorliebe für das Militär ist leider unüblich. Mächtige Herrscher mit mächtigen Armeen neigen dazu, diese auch einzusetzen, wenn es gegen einen offenkundig unterlegenen Gegner geht.

Nach SIPRI-Zahlen von 2021 zeigt sich beim Vergleich von Russland und der Ukraine eine in jeder Hinsicht klare Überlegenheit Putins.


Ich gebe zu; in der letzten Februar-Woche des Jahres 2022 gehörte ich auch zu denjenigen, die einen schnellen Durchmarsch der Russen bis nach Kiew erwarteten.

Was hatte die Ukraine schon dem offenkundig gut vorbereiteten Putin, der die Mobilität seiner Armee in Syrien und bei den Unruhen in Kasachstan (Januar 2022) demonstriert und alle Waffengattungen modernisiert hatte, schon entgegen zu setzen? Wäre es nicht aus humanistischer Sicht auch wünschenswert, wenn die Ukrainer ihre relative Schwäche einsehen, sich besser gleich ergeben, ihr Land vor der Zerstörung bewahren und damit viele Leben retten?

Armeen und Krieg kenne ich nur aus Büchern und Filmen. Von Uniformen und Waffen halte ich mich fern und würde daher nie behaupten über militärische Expertise zu verfügen. Meine offenkundigen Fehleinschätzungen aus den ersten Tagen des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24.02.2022 sind daher wenig verwunderlich. Ich muss auch keine militärischen Entscheidungen treffen. Ein Regierungschef schon. Daher werden sie in solchen Fällen beraten. Angela Merkel holte dafür richtigerweise einen Fachmann ins Haus. Brigadegeneral a. D. Erich Emmerich Hugo Vad (*1957) war von 2006 bis 2013 Gruppenleiter im Bundeskanzleramt, Sekretär des Bundessicherheitsrates und militärpolitischer Berater der Bundeskanzlerin Merkel. Vad, der 2023 zusammen mit den beiden militärischen Genies Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht auftritt, verfügt über die mir fehlende Expertise und war seit Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine Dauergast in TV-Formaten zum Krieg.

Das Bemerkenswerte and dem Kanzler-Fachmann für den Krieg ist seine Fähigkeit, sich immer nur zu irren und bei jeder militärischen Prognose Unrecht zu haben.

[….] Während andere, die später General wurden, ein Bataillon oder eine Brigade führten, wurde Vad Referent in der Arbeitsgruppe Verteidigung und Sicherheit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Statt seine Truppen durch Nato-Übungen oder im Afghanistan-Einsatz zu führen, beugte er sich über Konzeptionen und Einschätzungen für Christian Schmidt, den damaligen christlichsozialen Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Verteidigung in der Union. Das war zu Beginn der nuller Jahre. Vad war damals Mitglied der CDU.

«Herr Oberstleutnant Dr. Vad leistete in den Jahren in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine nicht zu beanstandende Arbeit, die in konstruktiver Zuarbeit bestand», schrieb Christian Schmidt der NZZ vor einigen Tagen aus Sarajevo. Schmidt arbeitet dort seit einem Jahr als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina. Nach ihrem Wahlsieg 2005 suchte Angela Merkel jemanden, der sich mit Militärpolitik auskannte. Sie holte Vad ins Kanzleramt. [….] In der Sendung von Maybrit Illner sass Vad mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem ehemaligen Aussenminister Sigmar Gabriel in einer Runde. Illner befragte ihn, als sei Vad Deutschlands fähigster General. [….] Vad sagte: «Ich denke, Putin wird diesen Krieg gewinnen, weil die russischen Streitkräfte modern sind, gut ausgestattet sind. Militärhilfe jetzt noch zu leisten, bringt nichts mehr. Militärisch gesehen, ist die Sache gelaufen. Meine Bewertung ist, dass es nur um ein paar Tage gehen wird und um nicht mehr.»  Mit dieser Einschätzung war er in Deutschland nicht allein. Sie war der Auftakt zu einer Tour durch die Talkshows und Nachrichtensendungen. Schon bei Illner sprach Vad von Dingen, die er als jemand, der neun Jahre ausser Diensten und über die Lage in der Ukraine kaum im Bilde war, nicht profund einschätzen konnte. Die ukrainischen Streitkräfte hätten veraltetes Gerät, sagte er zum Beispiel. Dabei verfügten sie etwa über moderne amerikanische Panzerabwehrraketen.  [….]

(NZZ, 19.03.2023)

Statt mich daran zu erfreuen, daß Militärexperten genauso verblödete Prognosen stellen, wie ich als Laie, frage ich mich allerdings inzwischen, wie irgendjemand im 21. Jahrhundert immer noch denken kann, Invasoren mit enorm überlegenen Armeen könnten „nach Papierform“ Kriege gegen schwächere Länder gewinnen.

Schließlich ist auch die mit Abstand größte und stärkste Militärmacht der Erde seit einem Dreiviertel-Jahrhundert immer nur gescheitert. Wo auch immer die USA angriffen, stets verloren sie auf lange Sicht.

1950-1953 Korea

1961 Schweinebucht-Desaster in Kuba

1964-1970 Laos

1964-1975 Vietnam

1992/3 Irak

2001 Afghanistan

2003 Irak

2017 Syrien

Die Sowjetunion, bzw Russland setzte bei „Stellvertreterkriegen“ im Gegensatz zur USA immerhin gelegentlich auf die Gewinnerseite.

1950–1953 Militärberatung Koreakrieg

1953 Aufstand in der DDR

1956 Ungarischer Volksaufstands

1965–1975 militärische Hilfe für Nordvietnam

1968 Prager Frühlings

Aber die großen Kriege, 1979–1989 Afghanistan und nun Ukraine entwickelten sich zu katastrophalen Fehlkalkulationen.

Durch die erbitterte Gegenwehr der Ukrainer, zahlte das Land nicht nur einen enormen Blutzoll und musste mitansehen, wie die Nation in Schutt Asche gelegt wird. Offenbar sind die Verluste auf russischer Seite noch erheblich größer.

Wir kennen nur die Schätzungen der Gegenseite, die mit größter Vorsicht zu bewerten sind. Die Ukraine spricht von bisher 200.000 getöteten russischen Soldaten.

[….] Weiterhin gedeihen Spekulationen über die Lage im umkämpften Bachmut – US-Präsident Joe Biden hat unterdessen den Blick auf Russlands Verluste in der Schlacht um die ostukrainische Stadt gelenkt. „Die Wahrheit ist, dass Russland mehr als 100.000 Verluste in Bachmut erlitten hat“, sagte Biden bei einer Pressekonferenz beim G7-Gipfel in Hiroshima. „Das ist schwer zu kompensieren“, betonte er. Das Weiße Haus hatte diese Zahl laut einem Bericht der Deutschen Welle bereits zuvor genannt.  [….]

(MM, 21.05.2023)

Als Hoffnung bleibt mir nur noch Chinas Präsident Xi. Möge er sich an Vietnam, Korea, zweimal Afghanistan, zweimal Irak und die Ukraine erinnern, wenn er auf simplen Graphiken ansieht wie enorm überlegen China dem Erzkonkurrenten Taiwan ist.

Prognosen sind immer schwierig; insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen.

Aber ob es Peking handstreichartig gelingen würde, die in seinen Augen abtrünnige Insel zu überrennen? Das wird nicht klappen.

Aber andererseits sind schließlich auch echte Militärexperten wie General Vad oder das Pentagon total verblödet. Wieso sollte Herr Xi also weitsichtiger bei seinen Eroberungsplänen sein?

Samstag, 20. Mai 2023

Irrsinn im Konrad-Adenauer-Haus

Deutschland steckt in der Scheiße, weil die CDU 16 Jahre im Kanzleramt saß und die zuvor, 1998-2005, von Gerhard Schröder völlig richtige und zukunftsweisende Energiepolitik wieder abgeschafft wurde. Deutsche Weltmarktführerschaft bei Photovoltaik und Windkraft war für die CDU ein Grauen. Als 2009 die SPD endgültig  in die Opposition geschickt wurde, schafften Schwarz und Gelb die Förderung alternativer Energieformen ab, ließen das Knowhow nach China abwandern und setzten vollständig auf russisches Erdgas. Das war strategisch und ökologisch verheerend, aber beliebt beim trägen Urnenpöbel, der alle Änderungen ablehnt.

Deutschland wurde in den 16 Jahren CDU-Herrschaft in nahezu jeder Hinsicht technologisch abgehängt. Niemand kann hierzulande ein Mobiltelefon oder einen Computer bauen; die Digitalisierung hängt allen anderen europäischen Nationen weit hinterher und bei den wirklichen Zukunftstrends, wie der künstlichen Intelligenz, sind wir derartig abgeschlagen, daß wir es noch nicht mal bemerken, wohin die Reise geht.

Selbstverständlich gilt das alles auch für die von CDU und CSU verschlafene Energiewende, die unbemerkt von den schlummernden Teutonen in den anderen Staaten Europas längst eingeleitet wurde.

[….] Wird Deutschland bei der Wärmewende abgehängt?

Drei Millionen Wärmepumpen haben Europäer vergangenes Jahr gekauft, einige Länder haben schon länger ein Öl- und Gasheizungsverbot. [….]  In den vergangenen zwei Jahren verkauften die Hersteller so viele Wärmepumpen wie nie zuvor: allein 2022 gab es mit drei Millionen Geräten einen Zuwachs von fast 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nirgendwo auf der Welt wächst der Markt so stark wie in der Europäischen Union. In Europa gab es bereits im vergangenen Jahr rund 20 Millionen Geräte – in China sind es rund 60 Millionen. Wärmepumpen sind ein Verkaufsschlager. Und während sich manche Menschen in Deutschland noch über den vermeintlichen »Heizungshammer« empören, setzen andere Länder längst auf die Technik. […]

(Susanne Götze, Spiegel, 20.05.2023)

Nur das Johnson-Truss-Sunak-GB ist noch etwas schlechter als Deutschland.

 Um von ihrem Jahrhundertversagen abzulenken, gießt die Union reichlich Erdöl ins Feuer, übernimmt die rechtspopulistische BILD-Hetze („Heizungshammer“) und verbreitet Falschinformationen, um die Unsicherheit der Wutbürger gegen die Ampel zu schüren.

[….] Seit Ende Februar ein erster Entwurf des neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) publik wurde, ist es mit Ruhe und Geduld bei manchen vorbei. Seither geht es in Politik und Medien hoch emotional zu, man könnte von einer hitzigen Debatte sprechen. Begriffe wie "Heizungsverbotsgesetz", "Habecks Heiz-Hammer" oder "Klimapolitik mit der Brechstange" schallen durch die Republik; Menschen haben Angst, dass sie vom 1. Januar 2024 an ihre Häuser nicht mehr beheizen dürfen. [….] Doch nun müssen die Beraterinnen und Berater erst einmal mit den gängigsten Mythen aufräumen. Oder wie der Moderator vergangene Woche bei einer Veranstaltung zur Zukunft der Wärmeversorgung im fast voll besetzten Stadthaus Ulm sagt: "Viele Halbwahrheiten, Falschaussagen, Ängste werden geschürt - wir wollen etwas Licht ins Dunkel bringen." Zum Beispiel: Niemand muss am 1. Januar eine funktionierende Heizung ausbauen oder darf sie nicht mehr betreiben. Die allermeisten Menschen sind vom neuen Gesetz erst einmal gar nicht betroffen. Und falls doch: Eine Wärmepumpe funktioniert auch im Altbau und ohne Fußbodenheizung, dabei kommt es zum Beispiel auch auf die Dämmung des Hauses und auf die Größe der Heizkörper an. […]

(Thomas Hummel, 12.05.2023)

Den Gipfel der Verantwortungslosigkeit leistete sich CDU-Wunderwuzzi Linnemann, der dem Urnenpöbel suggerierte, nun solle man den gesamten Heizungsumbauplan aufgeben.

[….] Unionspolitiker haben nach der Entlassung des Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen, den Stopp der umstrittenen Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gefordert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) "sollte jetzt das Gesetz komplett stoppen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Es gehe "völlig an der Realität vorbei".  [….]

(Tagesschau, 18.05.2023)

Wie schamlos kann man sein? Völlig an der Realität aus Klimakollaps und Erdgasabhängigkeit von Putin vorbei, gehen Herr Linnemann und seine CDU. Nein, wir haben eben Dank seiner destruktiven Partei keinerlei zeitlichen Spielraum mehr beim energetischen Umbau Deutschlands, weil wir schon weit abgeschlagen sind.

Unfassbar; was längst in allen anderen Industrienationen umgesetzt wird und von der CDU 16 Jahre verschlafen wurde, taugt immer noch, um dem Urnenpöbel so einen Schreck einzujagen, daß er nur zu bereitwillig auf CDU, CSU und AfD setzt, die ihm suggerieren, er könne weiter schlummern, ohne irgendetwas zu ändern.

[….] Schrödingers Klimapolitik:

Wir wenden einerseits ein, dass wir die Welt nicht alleine retten können und:

- fordern gleichzeitig Schutz der deutschen Autohersteller vor billigen E-Autos aus China

- beschweren uns bei den USA, dass auch europäische Unternehmen da drüben demnächst steile Klimavorgaben einhalten müssen

- denunzieren die energetisch bei weitem effektivste Form des Heizens (Wärmepumpen) als kommunistischen Ökowunschtraum, obwohl sie in jedem anderen entwickelten Land dieses Planeten wunderbar funktioniert ...

- ... und wir technisch mit führend bei der Entwicklung dieser Technologie sind

- verhindern die Installation extrem billiger, flexibel abrufbarer und jetzt schon reichlich verfügbarer Windenergie, für die Deutschland geographisch geradezu prädestiniert ist

- vernichten (ohne großes Mediengetöse) 80.000 einheimische Arbeitsplätze in der gerade entstehenden und schnell wieder totgetretenen Photovoltaikindustrie - und schaffen so mittlerweile Millionen von Arbeitsplätzen im Ausland

- erhalten aber zu irrsinnigen Kosten (und mit viel Mediengetöse) die 20.000 Arbeitsplätze im Braunkohletagebau

- und träumen uns Energieformen herbei, die entweder in frühestens 40 Jahren marktreif sein werden (wenn sie es je werden) oder einen hanebüchen schlechten Effizienzgrad haben

Und am Ende werden wir uns, weil wir nun mal Deutsche sind, zutiefst ungerecht behandelt fühlen, weil die Katze tot ist, die wir selbst erwürgt haben. Und Schuld an allem sind die Grünen, weil sie genau davor immer gewarnt haben. Und das Lustige ist: diese nur scheinbar völlig widersinnige Politik ist ganz einfach zu erklären und nur der endgültige Beleg für die Korrumpierung weiter Teile der politischen und journalistischen Klasse durch global operierende Mineralöl- und Energiekonzerne.

Oder die eigene Dummheit.   [….]

(Wolfgang Walk, 17.05.2023)