Donnerstag, 20. Februar 2025

Von der Autokratie in die Religion.

Schon in seiner ersten Amtszeit, Januar 2017 – Januar 2021, begann die Metamorphose des politischen Trumpismus zu einem messianischen Kult, welcher der Realität immer mehr entrückte. Je mehr man sich den Absurditäten des Mar A Lago-Palastes unterwarf, je mehr man bereit war, seine Ratio zu opfern, desto angesehener wurde man in den Augen des golfenden orangen Abgottes. Seine Jünger lassen es sich durch ihr Opfer (Aufgabe ihrer Aufrichtigkeit) etwas kosten, ihm zu gefallen.

(…..) Ich war noch nie Pfau oder unechte Korallenschlange, aber das Prinzip der „kostspieligen Signale“ ist mir aus der jahrzehntelangen Betrachtung von Religionen und Kulten wohl bekannt.

Man unterstreicht seine Zugehörigkeit zu einer Sekte, indem man etwas sehr „kostspieliges“ opfert. Das kann mit großem Aufwand, Schmerzen, Enthaltsamkeit oder aber auch ganz profan finanziellen Opfern verbunden sein.

Ein Guru/Priester/Cult-Leader wäre für seine Jünger weniger überzeugend, wenn er seine Lehre anstrengungslos verträte.

Es wäre schließlich nichts Besonderes Katholik zu sein, wenn man masturbieren, verhüten und sonntags ausschlafen könnte wie alle anderen auch.
Man muss dem Kult diese Anstrengung opfern, um die anderen Gläubigen zu signalisieren dazu zu gehören. Nur so stellt sich das Gefühl der Exklusivität ein.

Und das ist schließlich der Kern eines jeden religiösen Kultes: Wir sind besser als die.

Daraus speist sich das wohlige Gefühl mehr als die anderen zu dürfen, mehr wert zu sein, im Recht zu sein, nicht zweifeln zu müssen.

Die religiösen Führer müssen noch mehr als gewöhnliche Mitglieder opfern, um glaubhaft zu sein.  Daher gibt es den katholischen Zölibat, daher sitzen Gurus auf Nadelbrettern, fasten Imame  - ganz zu schweigen von den 613 Mizwot-Regeln der Juden.

[…..] Heute  gibt  es  keine  Menschenpopulation,  in  deren  Mitte  nicht  kostspieliges, religiöses Verhalten auftritt. Neuere interdisziplinäre   Forschungen, beispielsweise im Rahmen des Netzwerks der Evolutionary Religious Studies, haben in den letzten Jahren ein völlig neues Bild der   konvergenten und „biologischen“ Emergenz  von  Religiosität  entstehen  lassen. Der gemeinsame Glaube an übernatürliche  Akteure, die soziales  und insbesondere sexuelles Verhalten beobachtend, belohnend und bestrafend geglaubt werden, stiftet unter den Glaubenden Vertrauen und  damit  Kooperationschancen. Die Einforderung kostspieliger Signale (wie  Rituale, Ge- und Verbote) wehrt  Trittbrettfahrer ab. […..] Im Zentrum der  religiösen Vergemeinschaftung steht dabei neben dem Überleben  insbesondere die Reproduktion. […..]

(Michael Blume 2008)

Es ging ursprünglich um biologische Grundtriebe wie Fortpflanzung und Fressen, bei denen die Zugehörig zu einem Kult helfen kann.

Heutige Gläubige wählen gern für Außenstehende besonders absurd und anstrengende, jedenfalls aber sinnlose Beweise für ihre Treue zum Kult. Pilgerfahrten, die Hadsch, Geißelungen, Bußgürtel und Fasten sind Beispiele für kostspielige Signale.

Schon seit Beginn seiner Amtszeit sehe ich Trump-Anhänger weniger als politische Gruppe, denn als Kult an. (….)

(Kostspielige Signale, 23.07.2020)

Die Republikaner waren unter GWB eine ideologische, interventionistische Neocon-Partei, die neben ihren absurden steuerpolitischen Trickle-Down-Prinzipien, durchaus auch außenpolitischen Wertvorstellungen frönte. Wertvorstellungen, die ich rundherum ablehnte und für gefährlich hielt. Wertvorstellungen, die im Nahen Osten und am Hindukusch massiven Schaden anrichteten; die das Ansehen der USA international schwer beschädigten. Wertvorstellungen, die aber berechenbar waren. Wäre GWB im Januar 2002 wirklich an seiner „deadly pretzel“ erstickt, hätte es unter seinem Nachfolger Dick Cheney keine außenpolitischen Veränderungen gegeben. Die Top-Republikaner von damals (Cheney, Rumsfeld, Gates, Rice, Powell, Hastert, Frist) hätten den Irak oder die EU genauso behandelt, wie GWB, weil sie von der (falschen) Politik überzeugt waren. Mehr noch; hätte GWB über Nacht seine Meinung geändert und Saddam Hussein plötzlich als engsten Freund begrüßt oder wäre nach Nordkorea geflogen, um vor Kim Jong Il zu salutieren, hätten die anderen Republikaner laut aufgejault, ihren Chef heftig kritisiert, womöglich zu stürzen versucht.

20 Jahre später sieht das ganz anders aus. Für die GOP gibt es weder fiskalische, noch ökonomische, oder gar außenpolitische Überzeugungen. Das gesamte politische Grundgerüst wurde von der orangen Qualle und seiner 77 Millionen Airbrain-Fußtruppe weggeätzt. Nun warten Trumpanzees lediglich auf den neuesten irren Hirnfurz ihres golfenden Messias, um ihn Papagei-artig nachzuplappern. Je absurder, desto besser. Denn indem man bereit ist, sich für den orangen Cult-leader lächerlich zu machen, zeigt man seine Opferbereitschaft.

Der Trumpismus ist keine politische, sondern eine religiöse Ideologie. Das war schon 2017-2021 mehr als offensichtlich:

[…..] Es macht keinen Sinn sich wie die Anhänger des Opus Dei selbst zu geißeln, sich die Neunschwänzige zum Gefallen Gottes auf den Rücken zu knallen, einen Bußgürtel mit nach innen gerichteten rostigen Stacheln zu tragen, auf Knien tagelang zur Fatima in Portugal zu rutschen, oder auf Knien die unzähligen Stufen zur Schwarzen Madonna von Częstochowa (Tschenstochau) hochzukraxeln. Vier Millionen Katholiken tun es aber dennoch jedes Jahr, weil sie damit in ihrer Gemeinschaft beweisen welche Strapazen sie für den Glauben auf sich nehmen.

In Manila lassen sich Katholiken sogar mit echten Nägeln zu Ostern an ein Kreuz nageln, um Jesus zu ehren.

Derlei Leidensbeweise gibt es in allen Religionen.

Schiiten fügen sich blutige Verletzungen durch Peitschen und Säbel zu, um ihre Zugehörigkeit zum Kult zu demonstrieren. Erst wenn alle blutig sind hören sie auf.

Trumps aberwitzige Lügen zu glauben, ihn kollektiv anzufeuern, auf seinen Rallys in einen Massenwahn zu geraten folgt dem gleichen psychologischen Prinzip.

[…..] Das Si­gnal der kost­spie­li­gen Hin­ga­be schafft ei­nen star­ken Zu­sam­men­halt. Es er­mög­licht Frem­den der glei­chen Fik­ti­ons­ge­mein­schaft, ein­an­der mit Ver­trau­en zu be­geg­nen; und es hält Tritt­brett­fah­rer fern, die nichts bei­tra­gen und im Zwei­fels­fall schnell wie­der weg sind. Un­ter güns­ti­gen Um­stän­den kön­nen auf die­se Wei­se gro­ße ver­schwo­re­ne Grup­pen her­an­wach­sen – und die ge­teil­te Fik­ti­on wird zur his­to­ri­schen Macht.
Da­von pro­fi­tie­ren nicht nur Re­li­gio­nen, son­dern in glei­chem Maß po­li­ti­sche Sek­ten. Denn auch die Be­reit­schaft, ge­gen jede Evi­denz zu lü­gen, ist ein fäl­schungs­si­che­res Si­gnal der Hin­ga­be – je kras­ser, des­to bes­ser.
Ab­sur­de Ge­schich­ten sind in der An­hän­ger­schaft im­mer ge­fragt, und sie ver­brei­ten sich auch noch be­son­ders gut. Das ist kein Zu­fall. Das Un­glaub­li­che er­staunt, es bleibt leicht hän­gen – bes­ter Er­zähl­stoff, so­lan­ge es noch ir­gend­wie stim­mig scheint.
[…..]

(SPIEGEL Nr. 50, 08.12.2018, s.108 ff)

So wenig man einen überzeugten Christen/Juden/Muslimen mit wissenschaftlichen Fakten und klaren Beweisen dazu bringen kann sich aus seiner andere extrem exkludierenden Fiktionsgemeinschaft zu lösen, so sehr ist es auch zum Scheitern verurteilt Impfgegner, Homöopathie-Anhänger, Aldebaraner-Jünger, Soros-Verteuflern, Gauland-Fans oder Trump-Wählern von ihrem offensichtlichen Irrsinn abzubringen. Wer sich die „Beweise“ für eine gefakte Mondlandung oder eine Unterwanderung durch extra-terrestrische Reptilien einmal als Beitrittsgeschenk zu einer Hassgruppe verinnerlicht hat, bleibt auch dabei, weil er die Sphäre des Realen für seinen Glauben verlassen hat. [….]

(Die Trump-Sekte, 26.12.2018)

Im Jahr 2025 wurde Trumps kontrafaktischer Irrsinn zu dem Herrschaftsinstrument schlechthin.

[….] Die Lüge im Autoritarismus hingegen folgt einem anderen, ungleich schädlicheren Muster. Sie zielt einerseits auf die Erschaffung einer Fakerealität ab, die jedes eigene Vorgehen zu rechtfertigen scheint. Gleichzeitig aber ist die Lüge eines der wirkmächtigsten Loyalitätsinstrumente. Und Loyalität ist aus Sicht der Führung im Autoritarismus wichtiger als buchstäblich alles andere.

In dieser Hinsicht ergibt sich besonders aus Donald Trumps offensichtlichen Lügen eine interessante Erkenntnis. Je offensichtlicher die Lüge ist, desto besser eignet sie sich zur Loyalitätsbestimmung. Bei ihm war es in Vorwahlkampfzeiten perfekt nachvollziehbar anhand der großen Lüge der gestohlenen Wahl 2020. Wer bei Trump irgendetwas werden wollte, wer nicht in seinen destruktiven Bannstrahl geraten wollte, musste sich diese Lüge zu eigen machen. Wenn das Publikum sieht, dass jemand eine offenkundige Lüge stützt, ist die implizite Botschaft: Auch ich stelle die Loyalität über die Realität, auch für mich ist die Wahrheit Macht- und Verhandlungssache. »Der Himmel ist grün«, sagt Trump, »der Himmel ist grün«, beten seine Untergebenen (und solche, die es werden wollen) nach. Eine offene, gut erkennbare Lüge in der Öffentlichkeit zu wiederholen, ist die maximale Unterwerfung. Für Außenstehende, Unbedarfte und Radikalisierte ist es zugleich ein weiterer Baustein einer Fakerealität.  [….]

(Sascha Lobo, 19.02.2025)

Wir Linksgrünversifften hängen der politischen Realität weit hinterher, wenn wir immer noch glauben, mit dem Entlarven der Merz-, Söder-, Lindner-, Weidel-, Spahn-Lügen automatisch zu punkten.

Durch den Trumpismus wurde die Lüge an sich, sowohl zu einem Herrschaftsinstrument, als auch Wahlwerbung. Ratio und Faktentreue haben dagegen keine Chance.

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