Montag, 9. Juli 2018

Versagen des Anstands


Mal ganz abgesehen vom moralisch-zivilisatorischen Niedergang der westlichen Demokratien, stehen wir unversehens auch vor einer erstaunlichen politischen Instabilität unseres ach so vorbildlichen Westens.

Der Führer der mächtigsten und reichsten Demokratie, der sich mit dem Agnomen „leader of the free world“ schmücken lässt, scheint seine Hauptaufgabe in der Zerstörung demokratischer Prinzipien zu sehen.
Er schleift die Rechtsstaatlichkeit, wähnt sich selbst als absolutistischen Herrscher, regiert in völliger Unkenntnis der eigenen Verfassung, verachtet legislative Prozesse, untergräbt die Gewaltenteilung und attackiert die Pressefreiheit.

Von den vier europäischen Mitgliedern der zehn größten Volkswirtschaften ……

1        Vereinigte Staaten
2        Volksrepublik China
3        Japan
4        Deutschland
5        Vereinigtes Königreich
6        Indien
7        Frankreich
8        Brasilien
9        Italien
10      Kanada

…… erleben drei gegenwärtig veritable Regierungskrisen und erweisen sich als partiell handlungsunfähig, Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 9: Deutschland, England und Italien.
Nr. 1 hat einen unzurechnungsfähigen Präsidenten, Nr. 2 ist eine kommunistische Diktatur. Nr. 6 ist Chaos und der Ex-Regierungschef von Nr. 8 sitzt im Knast.

Es bleiben also nur Nr.7 und Nr.10.

Wir haben jeden Grund uns Sorgen zu machen.

Tatsächlich interessiert uns aber offenbar nur Fußball.
Fußball und Fußball.

Erstens im Sinne des primitiv-nationalistischen Ballspiels, das in Russland stattfindet.

Zweitens im Sinne der weltweiten Fixierung auf 12 fußballspielende Kinder, die 600 m tief der thailändischen Höhle Tham Luang-Khun Nam Nang Non feststecken.

Seit Tagen scheint es weder in den sozialen Netzwerken noch auf der Straße irgendein anderes Thema zu geben.
Ich habe mir nun schon mehrfach bösartige Blicke und wüste Schimpftiraden eingehandelt, als ich auf die Cave-boys angesprochen bekundete mich möglichst nicht emotional an Einzelschicksalen festzukrallen und daher gleich weiterscrole/umschalte wenn der 27.000 Bericht dazu kommt.

Ich verstehe den Grund der weltweiten Anteilnahme. Die Opfer haben Gesichter, es handelt sich um Kinder, es ist ein perfekter Hollywood-Plot, der mit Sicherheit als Blockbuster verfilmt wird und zudem geht es auch noch um eine menschliche Urangst. In der Tiefe feststecken.
Seit Jahrtausenden ist das ein literarisches Thema: Lebendig begraben sein.

Es zeigt aber auch wie extrem sich die Weltemotionen medial manipulieren lassen.
Es passt so schön alles zusammen. Fußball versteht jeder und zudem sind die Jungs schön weit weg. Es besteht keine Gefahr, daß die nach Europa einwandern und uns etwas von unserem Reichtum wegnehmen wollen.
Zudem triggern adoleszente Thailänder offenbar einen ganzen Satz westeuropäischer Emotionen. Bumsbomber nach Phuket und Bangkok sind immer noch der Traum für Päderasten aller westlichen Länder.
Bei richtig schwarzen Kindern sieht es schon ganz anders aus.


Etwa 15.000 von ihnen krepieren laut Unicef jeden Tag unter noch elenderen Bedingungen, indem sie ihr Leben lang hungern und dann mit schwerem Marasmus ihren letzten Atemzug tun.


Eine Millionen davon durchleben eine der größten zivilisatorischen Katastrophen als Opfer Saudischer Bombenangriffe mit deutschen Waffen im Jemen.


Neben den täglich an Hunger verreckenden Kindern sterben weitere 15.000 an zu behandelnden Krankheiten

[….] Täglich sterben 30.000 Kinder! Über 50% der Todesfälle sind durch vermeidbare oder behandelbare Krankheiten wie Masern, Durchfall, Malaria, Lungenentzündungen und AIDS verursacht. Zusätzlich sind allein Mangelernährung und Hunger für den Tod von über 3,5 Millionen Kindern jährlich verantwortlich.
Die erschreckende Zahl von 8,8 Millionen sterbenden Kindern pro Jahr war Anlass für die Vereinten Nationen, die Senkung der Kindersterblichkeit in ihre Millenniumserklärung aufzunehmen. So wird bei Ziel 4 der Millennium Development Goals (MDGs) „Senkung der Kindersterblichkeit“ festgehalten, dass die Sterblichkeitsrate der Kinder unter fünf Jahren zwischen  1990 und 2015 um zwei Drittel gesenkt werden soll, was eine Rate von höchstens 59 Todesfällen pro 1.000 Geburten bedeutet. Gemessen werden die Fortschritte an dem Anteil der Kinder, die vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Bisher hinkt man diesem Ziel jedoch deutlich hinterher. […]


Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Armut und Hunger.

Allein im Juni 2018 sind zudem über 600 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, weil wir Deutschen mehrheitlich von unseren Parteien verlangen radikal die Grenzen zu schließen.


[….] Während in Deutschland und Europa über die Flüchtlingspolitik gestritten wird, eskaliert die Situation auf dem Mittelmeer. Allein im Juni sind dort 629 Flüchtlinge ertrunken – während Rettungsschiffe von privaten Hilfsorganisationen beschlagnahmt oder festgesetzt wurden. Zum ersten Mal seit Beginn der Rettungsmaßnahmen ist diese Woche keines dieser Schiffe mehr im zentralen Mittelmeer unterwegs. Die EU plant derweil die Aufrüstung libyscher Küstenwachen-Milizen und sog. „Ausschiffungsplattformen“, um Flüchtlinge von Europa fernzuhalten. Menschenrechtsorganisationen sprechen vom Ende der Humanität. [….]


Die Kinder sollen bitte woanders elend verrecken, wo wir nicht zusehen müssen, damit wir in Ruhe unsere ganze Empathie für mittlerweile noch vier thailändische Jungs in einer Höhle richten können.
Angeschwemmte Kinderleichen an den EU-Küsten waren mal ein Thema, aber nun sind wir abgestumpft und wählen lieber CSU und AfD.


[….] Es fällt uns leicht, mit den in der Höhle eingeschlossenen thailändischen Jungen mitzuleiden. Für Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer steht die Empathie dagegen infrage. Das ist ein gefährlicher Zivilisationsverlust.
[….] Die äußeren Gründe, warum die Eingeschlossenen in der Höhle Menschen in aller Welt berühren, sind schnell gefunden. [….] Doch warum fällt es so leicht, Mitleid mit den thailändischen Jungs zu haben und sich über jeden Geretteten zu freuen - und warum gibt es gerade diesen Verlust an Empathie mit den Flüchtlingen im Mittelmeer? Manche von ihnen sind im Alter der in der Höhle gefangenen Jungs, auch sie haben Angst vorm Ertrinken, auch hier gibt es selbstlose Helfer.
[….]  Jetzt hat sich die Skala des Diskutierbaren verschoben, jetzt steht das Mitleid infrage. Es wird als naiv und gefährlich selbstzerstörerisch diffamiert, das Mitleidlose dagegen als das wahrhaft Menschliche hingestellt: Lasst doch mal ein paar ertrinken, dann wissen alle anderen, was Sache ist. [….] Warum das Mitleid mit den Flüchtlingen verdampft, ist so schnell erklärt wie die Empathie für die thailändischen Fußball-Jungs. Die Flüchtlinge sind den Europäern nahegerückt mit ihrem Elend und ihrer Not; die thailändischen Jungs sind ihnen unschuldig fern geblieben. Und aus der Nähe betrachtet, verlieren Elend und Not schnell ihre Unschuld. [….]



Sonntag, 8. Juli 2018

Persönliche Dimension


Es gibt es unterschiedliche, teilweise auch diametral entgegen gesetzte Interessen zwischen Deutschland und den USA.
Die Amerikaner geben traditionell extrem viel Geld für ihre Armee aus, in Deutschland sieht man (auch aus historischen Gründen) militärische Außenpolitik skeptischer.
Die USA haben einen legendär stabilen Binnenmarkt voller konsumlustiger Bürger, der die ganze Welt dazu bewegt dort Geld zu investieren; Deutschland ist eher eine Exportnation mit sparsamen Bürgern.
Staaten haben Interessen; das ist ganz natürlich.
Man könnte diese verschiedenen Perspektiven sachlich darstellen und sich an einen Tisch setzen.
Das scheitert an der Persönlichkeit Trump. Er soll zwar die Interessen von 330 Millionen Menschen wahren, aber in vielerlei Hinsicht zählt nur ein einziges Individuum. Trump.


Die Kabale in NATO, WTO und UN kann man erst auflösen, wenn die Person Trump aus dem Oval Office verschwunden ist.

Bibi Netanjahu ist eine ähnlich problematische Persönlichkeit.
So lange er an der Spitze der Israelischen Regierung steht, kann es keine Fortschritte im Friedensprozess mit den Palästinensern geben.

Ich wünsche mir auch eine EU-Mitgliedschaft einer säkularen, rechtsstaatlichen Türkei, aber selbstverständlich ist das mit der Person Recep Tayyip Erdoğan unmöglich.

Ein konstruktives Bündnisverhältnis zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel ist ebenfalls unmöglich, obwohl ihre beiden Parteien nur marginale programmatische Unterschiede aufweisen.
Aber Horst Seehofer hasst Frau Merkel seit zwei Dekaden wie die Pest.
Sein ganzes Trachten ist an dieser Person ausgerichtet.
Schon deswegen konnte er nicht „um der Sache Willen“ als Bundesinnenminister zurücktreten, weil damit seine übelste Nemesis gewonnen hätte. Merkel immer noch an der Macht und Klein Horst kapituliert und aus dem Spiel genommen? Die Vorstellung ist für ihn absolut unerträglich.
Mit ihrem radikalen wechselseitigen Hass schaffen es Kanzlerin und Heimat-Horst, die Reihen hinter ihnen zu schließen. Man muss gegen den äußeren Feind zusammenhalten. Dabei gibt es in der CDU durchaus Personen, die eher Seehofer nahestehen und Politiker in der CSU, die eher Merkel mögen.
Das Wohl und Wehe der Regierung hängt in diesem Fall nicht an unterschiedlichen Konzepten oder unüberbrückbaren Differenzen, sondern an den Persönlichkeiten der Altvorderen, die sich an die Macht klammern.

Das können die eher Linken selbstverständlich genauso gut.
Rot-Rot-Grün hat seine rechnerische Mehrheit kontinuierlich auf addiert deutlich unter 40% geschrumpft, weil die handelnden Personen sich seit 20 Jahren spinnefeind sind.


Natürlich gäbe es beispielsweise mit Kevin Kühnert, Stegner, Stefan Liebig, Kipping, Baerbock und Hofreiter Führungsfiguren, die sich recht schnell auf eine R2G-Koalition einigen könnten. Es gibt in Berlin, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern Beispiele für gut funktionierende konstruktive rot-rote Zusammenarbeit.
Auf Bundesebene kann das aber nicht funktionieren, weil insbesondere die Linke lange Jahre leidenschaftlich die SPD mit Wagenknecht und Lafontaine plagte.
Lafontaine, der Abtrünnige, der die SPD im Stich ließ und sich anschließend für viel Geld von der xenophoben ultrarechten BILD-Zeitung kaufen ließ, um in seinen Kolumnen seinem Hass auf die Sozis so lange freien Lauf zu geben bis er seinen Willen hatte: Eine CDU-Kanzlerin und eine gedemütigte SPD.
Ich habe volles Verständnis dafür, daß die erfahrenen seriösen SPD-Abgeordneten darüber tief verletzt sind und daraus die Konsequenz ziehen den Linken nicht trauen zu können.
Das querfrontlerische ausländerfeindliche Ehepaar Lafontaine/Wagenknecht ist fast täglich damit beschäftigt die Linke (im Sinne von alle Parteien links der Mitte) weiter zu spalten und eine Zusammenarbeit unmöglich zu machen.
Sie gehen sogar offensiv gegen ihre eigene Parteiführung vor, indem sie kontinuierlich mit der Gründung einer „linken Sammlungsbewegung“ drohen, die natürlich nichts anderes bedeuten würde als ein Schisma der Linken. Dann gäbe es eine humanistisch orientierte Kipping-Riexinger-Fraktion und einen linksnationalistischen populistischen Flügel.
Sozis, die seit 1999 im Bundestag erleben, wie Lafontaine ausschließlich seinem persönlichen Hass auf sie frönte, dafür sogar lieber eine CDU-FDP-Regierung herbei schrieb, ja sogar lieber Donald Trump als US-Präsident wollte, als die von ihm immer wieder als „Killary“ geschmähte Clinton, können sich natürlich nicht enthusiastisch für R2G engagieren, solange Wagenknecht der Fraktion vorsitzt.

Die politische Option links der Mitte besteht erst wieder, wenn die derzeit an der Spitze stehende Politikergeneration von SPD, Linken und Grünen in Rente geht.
An ihren Personen hapert es. Nicht an unüberbrückbaren inhaltlichen Differenzen.

In der Katholischen Kirche verhält es sich genauso.
Aus der Bibel kann man alles und auch das Gegenteil dessen ableiten.
1000 Jahre gab es keinen Zölibat, 1000 Jahre gab es ihn.
Die RKK bekämpfte 1500 Jahre Zinsen und Geldverleih, besitzt heute aber viele Banken und verdient prächtig mit Zinsen.
Sie ließ 200 Jahre Wissenschaftler verbrennen, die sich für ein heliozentrisches Weltbild aussprachen, betreibt heute im Vatikan ein eigenes Observatorium und lacht über geozentrischen Unsinn.
Natürlich könnte ein neuer Papst Schwule akzeptieren und Priestern die Ehe erlauben.
Aber das noch unmöglich, weil der immerhin unfehlbare Ratzi im Vatikan hockt, der es sich in neun Lebensdekaden zur Hauptaufgabe gemacht hat, Schwule und Liberale zu diskriminieren.
Ratzinger und Bergoglio (auch er über 80!)  müssen erst tot sein und einem sehr viel Jüngeren Platz gemacht haben, bis es Änderungen gibt.

Scheinbar völlig verfahrene staatliche Konfrontationen, eigentlich unlösbare Konflikte können sich entspannen mit einer neuen Führungsperson, die in der Lage ist outside the box zu denken.
Nelson Mandela, Zoran Đinđić, Albino Luciani, Michael Gorbatschow, Anwar as-Sadat, Jitzchak Rabin, Egon Bahr und Willy Brandt waren solche Leute.

Samstag, 7. Juli 2018

Migrationen


Immerhin einen Konsens gibt es wohl bei dem leidigen Thema Einwanderung.
So wie es Ende der 1950er, in den 1960ern und Anfang der 1970er gehandhabt wurde, also möglichst viele billige Arbeitskräfte für miese Jobs in der deutschen Industrie anzuheuern und zu glauben man müsse sich um gar nichts weiter kümmern, funktioniert es nicht.

Wer hätte das auch ahnen können? Da kam doch tatsächlich auch echte Menschen aus Italien und der Türkei. Das waren gar keine primitiven Roboter, die man nach Belieben ein- und absetzen konnte.
In den Jahrzehnten, die sie an deutschen Werkbänken, in deutschen Kohlegruben oder in deutschen Großküchen „schafften“, hatten sie neben ihrer Nettoarbeitszeit auch noch private Leben. Donnerschlach!
Offenbar hatten Politiker aller Parteien, Kirchen und Firmenbosse angenommen, so ein Anatolier verfalle nach neun Stunden am Fließband in Starre, könnte bedürfnislos in einem Schrank abgestellt werden bis zum nächsten Morgen.
Wer hätte gedacht, daß diese Typen auch Frauen haben, Kinder bekommen, irgendwas essen, irgendwo wohnen wollen und womöglich sogar mal krank oder gar alt werden? Da ist so ein ungelernter Arbeiter gerade mal 40 Jahre in Deutschland und dann stellt man erstaunt fest, daß der schon Wurzeln geschlagen hat und möglicherweise gar nicht mehr in die Osttürkei zurück will, nur weil der Rest seiner Familie auch in Deutschland lebt. Also sowas!

In den 1990er Jahren, als der endlose Kohl, von 1990 bis 1998 mit einer Bundesministerin namens Angela Merkel zusammen regierte, wurde mit anderen Augen auf Migranten geblickt.
Sie waren nun endlich keine bloßen billigen Arbeitskräfte ohne Rechte und Bedürfnisse mehr, sondern etwas viel besseres: CDU-Stimmvieh.
Kohl, Merkel und die CSU schickten Staatssekretär Waffenschmidt in die ehemaligen Sowjetrepubliken, um im großen Stil Einwanderer anzuwerben.
Integrationsprobleme gab es nicht, da sie am ersten Tag in Deutschland einfach den deutschen Pass erhielten und damit das Thema erledigt war. (Ich habe nach einem halben Jahrhundert immer noch keinen deutschen Pass!)

[…..] Zwischen 1950 und 2016 wanderten mehr als viereinhalb Millionen Menschen im Rahmen des (Spät-)Aussiedlerzuzugs nach Deutschland ein (4.529.758) – davon zweieinhalb Millionen seit 1990. Im Mikrozensus 2016 gaben 3,2 Millionen zugewanderte Deutsche (einschließlich zeitgleich eingereister Ehegatten und Kinder) an, mit dem Aussiedler- bzw. Spätaussiedlerstatus nach Deutschland eingereist zu sein. Die meisten (Spät-)Aussiedler kommen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (2016: 1,5 Mio.) – darunter vor allem aus Kasachstan (582.000) und aus Russland (580.000). Daneben sind Polen (642.000) und Rumänien (223.000) wichtige Herkunftsländer. [….]

Allein im Jahr 1990 holte Kohl 400.000 sogenannte „Spätaussiedler“ nach Deutschland und machte sie sofort zu Deutschen.
Insbesondere vor den Bundestagswahlen 1994 und 1998 ließen Kohl, Merkel und Weigel die Werbetrommeln schlagen.

[….] Im Vorfeld der Bundestagswahl 1994 wurden die Russlanddeutschen vom damaligen Aussiedlerbeauftragten Horst Waffenschmidt (CDU) gezielt angeworben, in die Bundesrepublik zu ziehen; eine parteipolitisch und wahlkampfstrategisch motivierte Maßnahme, die selbst von der Schwesterpartei CSU intern kritisiert wurde, laborierte man doch paradoxerweise gleichzeitig an einer Einschränkung des Asylrechts. [….]

[….] Mit einer gezielten Werbekampagne unter Hunderttausenden Aussiedlern, vor allem unter Rußland-Deutschen, will die CDU zusätzliche Stimmen gewinnen. Der CDU/CSU-Bundestagsfraktion präsentierte der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Horst Waffenschmidt, am vergangenen Dienstag eine Hochglanz-Broschüre mit "Informationen für Aussiedler" auf deutsch und russisch ("Wir sind an Ihrer Seite"). Darin verspricht die CDU den "lieben Landsleuten", sie werde dafür sorgen, "daß auch weiter Aussiedler zu uns kommen dürfen" und daß das "Tor nach Deutschland offen bleibt". [….]

Daß diese Millionen Menschen zum großen Teil kaum deutsch konnten, daß sie auch irgendwo wohnen und arbeiten mussten, interessierte keinen in der CDU/CSU/FDP-Bundesregierung bis 1998.

Gerd Schröder, der Vielgescholtene, begann die rotgrüne Bundesregierung mit einer Vielzahl richtiger und notwendiger Vorhaben.
Dazu gehörte von Anfang an die Entrümpelung des anachronistischen deutschen Blutrechts, das durch ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht ersetzt werden sollte. Außerdem setzte der Bundeskanzler die CDU-Politikerin Süßmuth ein, um mit vielen Experten ein sinnvolles Einwanderungsgesetz zu konstruieren.
Es entstand eine Vorlage, die von nahezu allen Seiten Lob erhielt. Arbeitgeber, Kirchen, Gewerkschaften, Juristen, Migrationsexperten, SPD, Grüne und Journalisten unterstützten den Plan.
Das Ergebnis ist bekannt. Die neue CDU-Generalsekretärin Angela Merkel trat gemeinsam mit Roland Koch im Januar 1999 die „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben“-Unterschriftenkampagne los und machte so massiv xenophobe Stimmung, daß das rotgrüne Hessen an die CDU fiel.
Das Zeitfenster war zu. Seitdem hatten rot und grün nie wieder eine Mehrheit im Bundesrat und Bundestag gleichzeitig. Seit nun fast 20 Jahren blockieren CDU und CSU ein modernes Staatsbürgerschafts- und Einwanderungsrecht.
Aber dafür engagieren sich die C-Parteien intensiv dafür möglichst viele Menschen in Not im Mittelmeer zu töten. Allein im Juni 2017 krepierten 629 auf See, während Deutsche alles dafür tun, Seenotrettungshelfer zu kriminalisieren.

Groteskerweise wird aber der Arbeitskräftemangel in Deutschland gerade jetzt, während alle Parteien massiv daran arbeiten jede Grenze zu schließen so gravierend, daß ausgerechnet der fremdenfeindliche Hardcore-Minister Spahn einen Weg finden muss viele neue Arbeiter (in der Altenpflege) nach Deutschland zu holen.


@BMG_Bund pic.twitter.com/wHlUooVF0g
— Jens Spahn (@jensspahn) 7. Juli 2018

Nach Jahrzehnten ist der Erkenntnisgewinn beim ultrakonservativen Spahn immer noch nicht messbar.

Altenpfleger und Krankenschwestern aus Osteuropa sind für ihn immer noch keine menschlichen Wesen mit Rechten, sondern reine Manövriermasse, die man als Billigarbeiter für die Scheiße einsetzen kann, die kein Deutscher machen will.

Deutschland scheint sich darauf geeinigt zu haben, nur noch den reinzulassen „der uns nützt!“.
Also flexible, bedürfnislos, gut ausgebildete Arbeitsmigranten ohne Familie, die man auch jederzeit mit einem Arschtritt zurück schicken kann, wenn man sie nicht mehr braucht.

Dabei ist der „Braindrain“ für südeuropäische Länder auch eine ökonomische Katastrophe. Wenn spanische Ingenieure und griechische Ärzte in Deutschland arbeiten, ersparen sich die Chefs im Norden deren Ausbildungskosten.
Die armen Länder des Südens müssen also die teure universitäre Ausbildung bezahlen und werden dann doppelt gestraft und ausgenutzt, weil ihnen anschließend die qualifizierten Kräfte fehlen.

Was es für ein menschliches und soziales Leid bedeutet nach Spahns Gutdünken Osteuropäerinnen zur Versorgung deutscher Geronten einzusetzen, spielt erst Recht keine Rolle.
Sie werden schlecht bezahlt, bekommen keine Sicherheiten und werden von der CHRISTENPARTEI CDU auch noch genötigt ihre Familien auseinanderzureißen.

[…..]  Deutschland will noch mehr Pflegekräfte aus Südosteuropa holen. Meist Frauen. Was macht das mit den Männern?
[…..] Mit seiner Familie lebt Tomšić in Štitar, einem 2000-Seelen-Dorf in Kroatien. Er ist Vater von drei Kindern. Es gibt kaum Arbeit in dieser ländlichen Region. Mit dem Holz, das er im Wald fällt, verdient der 50-Jährige nichts, es sind Gefälligkeiten unter Dorfbewohnern. Hauptverdiener der Familie ist seine Frau Maria. Im 800 Kilometer entfernten Innsbruck arbeitet sie als Pflegekraft. Für vier Wochen lebt sie bei einer alten Dame, die sie pflegt, dann steigt sie wieder in den Zug nach Hause. Drei Wochen ist sie dort, dann muss sie wieder los. So geht es seit vier Jahren. Der kroatische EU-Beitritt hat es möglich gemacht.
Die Europäische Union ist für die Menschen hier im Landesinneren abstrakt, was sie von ihr mitkriegen, sind nur die Folgen. Das alte Problem Arbeitslosigkeit vermischt sich mit dem neuen Problem Abwanderung. Die Jugend verlässt die Heimat ganz, die Älteren werden zu Pendlern. Meistens sind es die Frauen, die gehen, um in Österreich oder Deutschland alte Menschen zu pflegen. So wie Maria.
Geht es nach den Plänen von Jens Spahn, sollen in Zukunft noch mehr Pflegekräfte aus Südosteuropa nach Deutschland kommen, und zwar nicht nur aus der EU, sondern auch aus Kosovo und Albanien. Dort gebe es, so der Bundesgesundheitsminister, ein hohes Potenzial an jungen Fachkräften.
Zurück bleiben die älteren Männer. So wie Zdravko. Und jede Menge leere Häuser. Seine Schwägerin arbeitet bei der Kommune. Sie sagt: Jedes zweite Haus im Dorf steht mittlerweile leer. Läuft sie durch das Dorf, zeigt sie mit dem Finger auf die Häuser, bei denen der Rollladen für immer unten bleibt. "Österreich. Deutschland. Deutschland. Schweiz." Ihr Zeigefinger wippt in der Luft, während sie auf die Fassaden deutet. "Eigentümer verstorben. Deutschland. Deutschland." Štitar ist ein Geisterdorf. […..] Während Maria weg ist, muss Tomšić den Haushalt übernehmen. Er hat gelernt zu kochen, zu waschen, zu bügeln - nur an das Einkaufen kann er sich nicht gewöhnen. […..][…..]