Donnerstag, 10. Juli 2014

Running out of options



Irgendwie blöd gelaufen für die beliebteste Bundeskanzlerin aller Zeiten.
Merkels Strategie des servilen Epigonentums gegenüber Amerika ist an ihre Grenzen gestoßen.
Niemand in Washington tut ihr den Gefallen auf Deutschland Rücksicht zu nehmen. Das Weiße Haus läßt sie am ausgestreckten Arm verhungern, gibt ihre Unterwürfigkeit der Lächerlichkeit preis.
Nun wurde der innerdeutsche Druck zu groß. Bis weit in die Koalitionsreihen hinein platzten die Hemdkragen. Nach dem zweiten Spionagefall meldeten sich zwar CIA-Chef John Brennan und der US-Botschafter John Emerson bei der Bundesregierung, aber in geradezu sagenhafter Frechheit boten sie nicht nur keine Hilfe bei der Aufklärung an, sondern dachten auch gar nicht daran sich zu entschuldigen.
Die drei zuständigen Minister, de Maizière, Steinmeiner und Altmaier, telefonierten die Drähte zwischen ihnen heiß und kamen offenbar zu dem Schluß unter  extremen Zugzwang zu stehen.
Und, oh Wunder, nach nur einem Jahr Verzögerung gibt es eine Reaktion aus Berlin zum ungebührlichen US-Verhalten.


Niemand, noch nicht einmal die stramm konservativen SPRINGER-Transatlantiker beurteilt die Aktion als zu harsch. Es sei ein überfälliger Warnschuss.
Sie ist für Merkels Verhältnisse extrem, aber angesichts der Situation eher ein hilfloser Platzpatronenschuss. Denn was bedeutet so eine Ausweisung schon, außer daß Washington postwendend jemand anderen für diese Aufgabe nach Berlin schicken wird?

"Die Bundesregierung hat das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium zwar in groben Zügen über die beiden aktuellen Spionagefälle unterrichtet, zum wichtigsten Punkt aber hat sie nichts gesagt. Nämlich was sie nun endlich zu tun gedenkt, um die millionenfache Überwachung von Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die Ausspähung von Behörden- und Wirtschaftsdaten sowie die Anwerbung von Spionen durch amerikanische Geheimdienste endlich zu beenden", erklärt André Hahn, für die Fraktion DIE LINKE Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, zu aktuellen Entwicklungen in der Spionage- und Überwachungsaffäre. Hahn weiter:
"Die Ausweisung des für die Geheimdienste zuständigen Residenten der US-Botschaft kann nur ein erster Schritt gewesen sein. Die Bundeskanzlerin muss den US-Präsidenten unmissverständlich auffordern, die Spionage gegen Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger umgehend zu beenden. Das Drohen mit dem Zeigefinger oder gar eine Verharmlosung der Geheimdienstaktivitäten, wie sie von Finanzminister Schäuble zu hören war, der darin nur eine 'Dummheit'‘ sieht, werden nichts bewirken. Im Gegenteil.
Spätestens nach der parlamentarischen Sommerpause muss die Kanzlerin in einer Regierungserklärung darstellen, wie die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger vor der Überwachung durch aus- und inländische Geheimdienste zu schützen gedenkt. Aus Sicht der LINKEN sind folgende drei Punkte unabdingbar:
Erstens müssen die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen ausgesetzt werden, denn bei erschüttertem Vertrauen sind weitere Gespräche derzeit unmöglich. […]
Völlig absurd ist die Forderung einiger CDU-Politiker, zur Gegenspionage auch in den USA überzugehen. Was wir hier zu Recht kritisieren, dürfen wir selber nicht anderswo tun. Das Ganze ist letztlich eher Ausdruck von Hilflosigkeit und wohl auch ein Versuch, den eigenen Geheimdiensten wegen angeblich neuer Aufgaben noch zusätzliche Mittel zuzuschanzen. Wer so agiert, hat weder aus den Snowden-Enthüllungen noch aus der aktuellen Spionage-Affäre irgendetwas gelernt."

André Hahn spricht hier etwas Richtiges an.
Die Ausweisung eines US-Mitarbeiters ist zwar für deutsche Verhältnisse ein diplomatisch deutliches Mittel……

Die Bundesregierung reagiert auf die neuen Spionagefälle und die Vorwürfe gegen die USA mit einem diplomatischen Affront. Als Reaktion auf die Enthüllungen forderte Berlin den Repräsentanten der amerikanischen Geheimdienste in Berlin auf, das Land zu verlassen. Umgehend wurde die Botschaft unterrichtet, der Geheimdienstmann musste sich die unfreundliche Bitte im Innenministerium von Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen anhören.
Ein paar Stunden später dann war in Berlin von einer formellen Ausweisung des CIA-Vertreters die Rede, der als "station chief" die Aktivitäten des US-Geheimdienstes in Deutschland leitet. Wenig später korrigierte die Regierung, man habe nur die Ausreise empfohlen. Das ist zwar nicht gleichzusetzen mit einer Ausweisung, faktisch aber bleibt es ein Rausschmiss erster Klasse.
Die öffentliche Geste der indirekten Ausweisung ist diplomatisch gesehen ein Erdbeben. Eine solche Maßnahme war bisher höchstens gegen Paria-Staaten wie Nordkorea oder Iran denkbar gewesen. Zwar bat Deutschland in den 90er Jahren schon einmal einen US-Agenten um seine Ausreise, er hatte versucht, eine Quelle im Wirtschaftsministerium anzuwerben. Damals aber geschah der Rausschmiss eher diskret.  [….]

…..es wird aber die Amerikaner nicht nur nicht beeindrucken; nein, sie werden es kaum bemerken, noch nicht mal zur Kenntnis nehmen.
Dieser beispiellose Akt des Protests wird in Amerika noch nicht einmal gehört.
Während inzwischen fast jeder Deutsche durch das Buchstabenkürzel „NSA“ antiamerikanisch getriggert wird, ist es dem durchschnittlichen US-Bürger gar nicht bekannt welchen Affront Washington Berlin angetan hat.
Immerhin; es ist jetzt soweit, daß einige der großen US-Medien zur Kenntnis nehmen wie missgelaunt die Krauts sind.

Germany Demands Top U.S. Intelligence Officer Be Expelled.
Germany’s relations with the United States plunged to a low point Thursday, with the government demanding the expulsion of the chief American intelligence official stationed here because, it said, Washington has refused to cooperate with German inquiries into United States intelligence activities.
“The representative of the U.S. intelligence services at the United States Embassy has been asked to leave Germany,” a government spokesman, Steffen Seibert, said in a statement.



Natürlich ohne das geringste Schuldbewußtsein. Daß es falsch sein könnte Deutschland auszuspionieren und daß Bürger zurecht nicht von der NSA abgehört werden wollen, kommt keinem US-Journalisten über die Lippen.
 Deutsche sind beleidigt?
So what?


Das wird Amerika aber nicht zum Umdenken bringen. Dazu müßte erst TTIP auf Eis gelegt werden und dann Edward Snowden Asyl in Deutschland erhalten.
Deutschland, das ihm so viel zu verdanken hat, behandelt ihn ohnehin unerhört geringschätzig, indem es ihn in Moskau verrotten läßt, keinen Schutz gewährt und dann auch noch dreist weitere Forderungen stellt. Er soll sich per Videoleitung in Moskau vom Bundestag befragen lassen, weil die gesamte Bundesregierung die Hosen zu voll hat ihn nach Deutschland zu holen.
Erbärmlich hoch drei! Gut, daß Snowden das ablehnt.

Es fragt sich, ob der Deutsche Dackel irgendwann seinen Stolz entdeckt, wie Jakob Augstein es formulierte.

Die USA demütigen Deutschland. Aber wir lieben die Unterwerfung. Jetzt wird sich zeigen, ob wir mehr vom Leben wollen.
[…] Der Dackel hat jetzt zwei Möglichkeiten: er akzeptiert seine Existenz als Hund. Immerhin ist da - nachrichtendienstlich gesehen - immer der Napf voll. Oder wir nehmen unser Glück - und unsere Sicherheit - selbst in die Hand. Frei nach den Gebrüdern Grimm: Etwas Besseres als die CIA finden wir überall. Harte Entscheidungen stehen an. Aber wir müssen befürchten, dass unsere Kanzlerin ihnen ausweichen wird.
[….] Die Drohnen-Morde, die CIA-Foltergefängnisse, das Lager in Guantanamo, die Bespitzelung von Parlamenten, Politikern und Bürgern belegen seit Langem, dass die USA den weltweiten, andauernden Ausnahmezustand ausgerufen haben. [….]   Da haben die deutschen politischen Eliten noch einen weiten Weg vor sich: So viele Cocktails auf den Empfängen des American Council on Germany oder der Atlantik-Brücke - und doch haben sie sich in den USA getäuscht.
Auch ein Dackel entdeckt irgendwann seinen Stolz.

Mittwoch, 9. Juli 2014

Nachtlektüre

Da es in Hamburg nicht abkühlt und es die ganze Nacht warm und extrem schwül war, konnte ich natürlich kein Auge zukriegen und hockte die ganze Zeit vorm Ventilator.
Nicht schlafen zu können ist an sich schon Folter, aber wenn man todmüde ist und sogar Zeit zum Schlafen hätte, aber durch äußere Umstände (Hitze, Lärm, etc) gehindert wird, ist das absolut unkomisch.
Da bleibt nur aus der Not eine Tugend zu machen. Also einen Kaffee kochen und die Zeit nutzen.
Ich habe mir den Spaß gemacht mal ausführlich Artikel aus Zeitungen von links bis rechts zum Thema „deutsche Amerikapolitik“ zu lesen.
Das Verhältnis zu Amerika ist eins der Themen, bei denen bisher die öffentliche Meinung recht stark von der VERöffentlichten Meinung abwich.
Unter den Verlegern gibt es eine enorme Transatlantiker-Übermacht, die schon seit den Studentenunruhen während des Vietnamkriegs hart gegen antiamerikanische Töne aus dem Volk anschreibt.

Nun scheint aber so eine Art turning point erreicht sein, wie ihn auch die fast durchweg neoliberalen Wirtschaftsjournalisten um 2009 erlebten: Ihre bisherige Weltsicht war nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Dabei mußte die Bundeskanzlerin zu nichts gedrängt werden; im Gegenteil, kaum ein deutscher Politiker ist so extrem proamerikanisch wie Angela Merkel. Zu Zeiten des Irakkrieges wandte sie sich entgegen aller Usancen, daß die Opposition die Bundesregierung nicht im Ausland kritisiert, scharf gegen Schröders Anti-Irakkriegskurs und versicherte ihrem geliebten George W. Bush an seiner Seite zu stehen.
Offensichtlich stimmt Merkels persönliches Verhältnis zu Obama keineswegs so gut, wie das zu seinem Vorgänger, aber ihre bedingungslose US-Treue stellte das nie in Abrede. Die dreistesten US-Beleidigungen erträgt sie lächelnd und signalisiert immer wieder gen Washington: „Ich dürft mit mir tun was ihr wollt, ich bin eure treue Dienerin!“
Weniger Rückgrat war nie. Undenkbar, daß ein Helmut Schmidt, der einst US-Botschafter einbestellte und US-Präsident Carter ungeniert seine Meinung aufzwang, so devot vor Washington gebuckelt hätte. Dabei war auch Schmidt ein klarer Transatlantiker, der geschliffenes englisch spricht und nie einen Zweifel an seiner Dankbarkeit aufkommen ließ.

Grundsätzlich kann man die Frage stellen, ob man gegenüber einer sehr viel mächtigeren Nation, die einen demütigt mehr mit beleidigtem Fußaufstampfen oder serviler Arschkriecherei erreicht.
Theoretisch hätte es sein können, daß Obama die Kanzlerin für ihre Duldsamkeit und Unterwürfigkeit belohnt, indem er Deutschland beispielsweise zur fünften Nation (nach Australien, Neuseeland, Canada und Israel) macht, die nicht als feindlich angesehen wird.

Nun erweist aber die Praxis das Gegenteil. Washington ist nicht nur nicht dankbar für die Berliner Untertänigkeit, sondern sieht darin offenbar einen Ansporn weiter gegen Deutschland zu spionieren.

Merkel allein zu Haus, melden nun auch die rechten US-Freunde aus den Springer-Redaktionen.
Obwohl SPRINGER-Journalisten sogar per Satzung dazu gezwungen sind proamerikanisch zu wirken, klingt der heutige Abendblatt-Leitartikel wie aus der taz:

Gebt Snowden jetzt Asyl!
Ja, die USA sind unser Partner. Aber der Spionagefall zeigt: Wir müssen ein Signal setzen
[…] Nach dem völkerrechtlich illegalen Irak-Krieg der Bush-Regierung, den Folterskandalen von Abu Ghraib und Guantánamo haben die NSA-Spionageaffäre und jüngst die Anwerbung eines BND-Mitarbeiters durch die CIA das Ansehen Amerikas auf einen historischen Tiefpunkt sinken lassen.
Die Onlineausgaben großer amerikanischer Medien wie "New York Times", CNN oder ABC News hatten am Dienstag jedoch auf den vorderen Rängen keine Zeile dazu. Das liegt daran, dass die USA unser Gemurre nicht recht ernst nehmen. Der traditionell aufgeblähte Patriotismus in den USA sorgt zudem für eine selektive Wahrnehmung: Dient etwas amerikanischen Interessen, so ist es nicht zu tadeln, auch wenn es moralisch verwerflich sein mag. Es gilt in Washington als selbstverständlich, dass man einen ökonomisch und politisch bedeutenden Staat wie Deutschland – der im Übrigen auch ein wirtschaftlicher Rivale ist – bis ins Detail ausspionieren muss. […] Deutschland muss ganz einfach erwachsen werden, eine pragmatische Partnerschaft ohne Zuckerguss zu den USA entwickeln und ebenfalls eigene Interessen verfolgen. Da nun klar ist, dass die USA nicht bereit sind, Rücksicht auf das Verhältnis zu Deutschland zu nehmen, könnte man durchaus überlegen, ein klares Signal zu setzen, indem man dem NSA-Enthüller Snowden, der ganz erhebliche Verdienste um unser Land erworben hat, Asyl gewährt.

Dabei war während dieser Artikel geschrieben wurde der neuerliche US-Spionagefall in von der Leyens Ministerium noch gar nicht bekannt!

Zum zweiten Mal innerhalb von nur wenigen Tagen durchsuchten Polizisten die Amtsstuben von deutschen Behördenmitarbeitern, die für die US-Geheimdienste spioniert haben sollen.
Auch wenn die Bundesregierung offiziell noch warten will, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, ist ihr mittlerweile klar, dass die US-Dienste in Deutschland weiter im großen Stil Informationen abgreifen - trotz der NSA-Affäre und der Turbulenzen um das abgehörte Kanzlerinnen-Handy.
Der Fall des mutmaßlichen Spions im Wehrressort ist mindestens genau so heikel wie der beim BND. […] Das Ministerium verweigerte am Mittwoch jegliche Stellungnahme. In der Bundespressekonferenz gab ein Sprecher lediglich zu Protokoll, dass man den Fall "sehr ernst" nehme, alles andere müsse nun die Bundesanwaltschaft klären. Im Haus von Ministerin von der Leyen, die regelmäßig über den Fall unterrichtet worden war, gilt allein der Verdacht gegen den Mann als politischer Sprengsatz. […]

Die Amis sind aber nicht nur dreist und verhalten sich illegal; nein sie sind auch noch unprofessionell und erfolglos bei ihren Bemühungen.

Der größte Einzelerfolg der Central Intelligence Agency ist es, dass die Welt sie immer überschätzt hat. Freunde und Feinde Amerikas denken, die CIA wisse alles und könne alles, verkennen aber ihre notorische Inkompetenz. Wenn die Agency Putschisten, Rebellen oder Despoten päppelte, endete es meist in endlosem Chaos. Vor allem aber scheitert die CIA oft an ihrer Kernaufgabe: dem US-Präsidenten die Welt so zu erklären, wie sie wirklich ist. Kein Großereignis der jüngeren Zeit hat sie kommen sehen, weder den Fall der Mauer, noch die Invasion Kuwaits durch Saddam Hussein, noch die Terrorpläne al-Qaidas.
Der jüngste Betriebsunfall ist da eher harmlos: Ein Schreibtischagent beim Bundesnachrichtendienst hat – mutmaßlich – der CIA Unterlagen verkauft und ist aufgeflogen, weil er auch die Russen bedienen wollte. Die CIA ist sich hier doppelt treu geblieben: Erstens waren ihre westdeutschen Büros schon im Kalten Krieg stets von untreuen – sprich: sowjetischen – Agenten unterwandert. Zweitens dürften Aufwand und Ertrag wie immer in keinem Verhältnis stehen: Da die Substanz von BND-Papieren meist mager ist, haben den größten Verlust in diesem Fall vermutlich Amerikas Steuerzahler erlitten.
[….] Immerhin war [Obama] ehrlich: Er hat Angela Merkels Telefon für unberührbar erklärt, mehr aber nicht. Er hat gesagt, er werde sich nicht dafür entschuldigen, dass die USA besser spionierten als andere. In Berlin muss jeder Minister, Fraktionschef oder General davon ausgehen, dass die Amerikaner im Bilde sind. [….] Der einstige US-Geheimdienstchef Richard Helms hat einmal gesagt, die USA seien unfähig, einen Spionagedienst zu organisieren, weil sie sich zu wenig für das interessierten, was auf der Welt passiere. Das Desinteresse der USA an den Deutschen ist viel schlimmer als die Gier der CIA nach wertlosem Papier.

Es ist an der Zeit, daß Angela mit den vollen Hosen endlich die Amerikanische Fehlbarkeit anerkennt und den Unmut aufgreift, der  bis weit hinein in ihre Partei neuerdings klar artikuliert wird.

In Washington hört das allerdings noch niemand.
Welcher Amerikaner kennt überhaupt solch irrelevante Ameisen wie Röttgen, Beck oder Mißfelder, die sich gerade in Washington rumtreiben und unter größtem Desinteresse der US-Medien über CIA-Spione klagen?

Röttgen sagt: er-heb-licher Schaden. Das erzeuge eine "negative Wahrnehmung amerikanischer Politik" in Deutschland. […] "Wir stellen fest, dass bei unseren Gesprächspartnern sehr wenig Problembewusstsein vorhanden ist." Und: "Wir haben keine Informationen und Hinweise darauf erhalten, dass sich die Politik ändert, dass sich die Kommunikation ändert, so dass noch ein weiter Weg zu gehen ist, um den Schaden zu begrenzen." Erneut haben die Deutschen in dieser Woche erfahren müssen, was Dialog für die Amerikaner bedeutet: Ihr dürft reden, wir hören Euch zu, mehr aber auch nicht. Natürlich haben die Abgeordneten aus dem Bundestag nicht erfahren, wer eigentlich die Aufträge zur Anwerbung solcher Spitzel gibt, wer sie steuert, wer am Ende entscheidet.
[…] Marieluise Beck, Obfrau der Grünen im Auswärtigen Ausschuss, meint: Es gebe da eine "Schwingung" in der deutschen Bevölkerung, nach der man den USA nicht zu nah sein sollte. Das nehme zu. Europas Rechtspopulisten würden das auszunutzen suchen und Brücken zu nationalistischen Kreisen im Kreml aufbauen: "Vor diesem Hintergrund ist das, was wir in den letzten Tagen erleben, verheerend." Beck sagt: ver-hee-rend.
Was tun also? US-Agenten ausweisen? Edward Snowden doch einreisen lassen? Das geplante transatlantische Freihandelsabkommen stoppen? Stefan Liebich, Delegationsmitglied der Linken, möchte etwa die Zusammenarbeit der deutschen Geheimdienste mit den US-Partnern einstellen, solange letztere sich nicht an deutsches Recht halten. Nichts von alledem, sagt hingegen Röttgen: "Vergeltung von Dummheit mit Dummheit" sei ein "irrsinniges Vorgehen". […] Und wenn sich - was recht wahrscheinlich ist - trotz all des Redens und Appellierens nichts ändert an Amerikas Spionagepraxis? "Dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es so ist", sagt Röttgen. […]

Es ist offensichtlich, daß Washington Merkels Epigonenverhalten nicht würdigt, sondern sie nun erst recht nicht ernst nimmt. Es ist Zeit auf den Bush zu klopfen.
Die Kanzlerin wird das aus eigenem Antrieb kaum tun, aber es könnte sein, daß sich jetzt in ihrer eigenen Koalition ein so starker Wunsch Obama ernsthaft zu piesacken manifestiert, daß sie sich dem nicht entziehen kann.

Obama bereitet sich unterdessen doch schon mal auf den Fall vor, daß ein kleines Shit-Windchen aus Berlin rüber fliegt.
Er weiß von nichts.

Am Donnerstag vergangener Woche hat Barack Obama mit Angela Merkel telefoniert, wie so oft unterhielten sich US-Präsident und Kanzlerin über die Ukraine.  […] Die Kanzlerin erwähnte die Spionageaffäre am Telefon offenbar nicht, obwohl sie von den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gewusst haben dürfte; festgenommen hatte man den Verdächtigen schon einen Tag vorher. Der Präsident soll sogar völlig ahnungslos gewesen sein.
Im Gespräch mit der New York Times erklären anonyme Mitarbeiter aus dem Weißen Haus, sie seien verärgert, weil die CIA sie nicht ins Bild gesetzt habe. […] Die Amerikaner sind im Allgemeinen famose Experten für den politischen Brandschutz, und im Weißen Haus sind sie es besonders. Wenn der Präsident in seinem Oval Office sitzt, schirmen ihn unzählige Brandmauern ab vor Funkenschlag und Schwelbränden des Regierungsalltags. Seine Mitarbeiter entscheiden, wann ihn welche Informationen erreichen, und manchmal kann es sinnvoll sein, dass er von schlechteren Nachrichten so spät erfährt wie möglich.
[…] Mittlerweile sind die höchsten Verantwortlichen freilich damit beschäftigt, den neuesten Brandherd im deutsch-amerikanischen Verhältnis zu löschen. CIA-Direktor John Brennan hat bereits mit dem Kanzleramt telefoniert. Brennan ist so etwas wie ein Experte für Brandvorbeugung. […] Dass Nato-Staaten sich gegenseitig ausspionieren, ist ein schlechter Witz. Ein Militärbündnis kann ohne gegenseitiges Vertrauen nicht richtig funktionieren. Zeit für ein Commitment der Geheimdienstchefs. […]

Welch groteske Vorstellung. Wenn der Chef der Weltmacht Nr. 1 mit der Chefin der Weltmacht Nr. 4 spricht, weiß der eine nicht worum es geht und die zweite traut sich nicht etwas zu sagen!
Stattdessen verkalkulierte sich Merkel durch miserables Timing und Hinauszögern so sehr, daß sie ausgerechnet in China die USA kritisieren mußte und sofort von der Chinesischen Regierung ins Opfer-Boot gezerrt wurde. Gemeinsam leide man unter NSA und CIA, sagte der chinesische Regierungschef neben einer gequält guckenden Merkel.

Kein Wunder, daß Obama und die NATO in Libyen, Syrien, der Ukraine und Pakistan so sagenhaft erfolglos sind wie im Palästina-Konflikt.

Kein Wunder, daß eine diplomatisch und geheimdienstlich professionell arbeitende Politikerklasse in Moskau nur noch abfällig über uns lacht.

Dienstag, 8. Juli 2014

255 + 192 Teil II


Es gibt Dinge auf der Welt, die niemand braucht.
Dazu gehört in unserem politischen System die CSU.
Die Bayerische CDU-Schwester ist sowas wie ein zur Monstrosität aufgeblasener Appendix. Die CSU neigt zur Selbstentzündung (Appendizitis) und verbreitet dann höllenmäßig heiße Luft (Dobrindtizitis). Die einzige Therapie dagegen ist die Ektomie, die Appendektomie, also die bundespolitische Seehofektomie.
Wie der Name Blinddarm schon sagt, handelt es sich um eine Abzweigung des Dickdarms, die als Sackgasse endet.
Also einen Sack voll Scheiße. Wenn man ihn nicht rechtzeitig rausschneidet, kann es übel enden; nämlich mit einem Blinddarmdurchbruch (Morbus Seehoferus), der sich in grotesken Verbaleruptionen zeigt.
Das entspannt zwar SCHEINBAR zunächst die Lage, wird dann aber ganz ekelig.

Ein Blinddarmdurchbruch ist eine der schwersten Komplikationen, die bei einer Blinddarmentzündung auftreten kann. Paradoxerweise kommt es bei einem Aufplatzen des massiv entzündeten Wurmfortsatzes (Blinddarmdurchbruch) zunächst aber zu einem plötzlichen Nachlassen der Schmerzen im rechten Unterbauch. Der Grund: Der geschwollene und schmerzende Darmabschnitt wird durch den Abfluss des angestauten Eiters in die Bauchhöhle entlastet.
Nach einer Weile der Entlastung steigt dann der Schmerz aber wieder an und wird schlimmer als zuvor. Denn bei einem Blinddarmdurchbruch treten auch Stuhl und Bakterien aus dem Darminneren in die Bauchhöhle aus und verursachen dort eine schwere Entzündung des Bauchfells (Peritonitis). Das ist ein lebensgefährlicher Zustand.

Das Gute ist, daß man die CSU in einer GroKo noch nicht mal rechnerisch braucht.

Was diese Koalition insbesondere überhaupt nicht benötigt, ist die CSU. 56 Sitze bringen Crazy Horsts Epigonen auf die ohnehin schon zu schwere Waagschale.
Mit 255 CDU-Sitzen und 193 SPD-Sitzen hätte eine Bayern-befreite Regierungskoalition immer noch satte 448 Stimmen, also sagenhafte 132 Stimmen mehr als die Kanzlermehrheit. 132 Sitze sind sogar mehr als die gesamte jetzige Opposition aus Linken (64) und Grünen (63).

Und keine Angst, liebe Bayern – ihr wäret dennoch in der Bundesregierung vertreten, da die SPD-Fraktion 22 Abgeordnete aus Bayern stellt.

Es gibt keinen einzigen sachlichen Grund dafür, daß Deutschland einen Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich, einen Entwicklungshilfeminister Gerd Müller oder gar einen Alexander Doofbrindt als Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur benötigt.
Diese drei CSU’ler sind unqualifiziert und überflüssig. Man sollte sie durch SPD- und CDU-Personal auswechseln. Schlimmer kann es jedenfalls nicht werden.

Die CSU schadet der deutschen Regierung in vielfacher Hinsicht.
Da ist zunächst einmal die psychotische Persönlichkeit des Parteichefs; Horst Seehofer ist ein echter Soziopath, der aus purer Bosheit über Kollegen herfällt.
Außerdem sind die von der CSU erzwungenen politischen Pläne  - Maut für Ausländer, Herdprämie und Hotelsteuermäßigung – allesamt destruktiver Schwachsinn.
Schließlich trägt die CSU erheblich dazu bei Deutschlands Bild in der Welt zu ruinieren.
Die FJS-Nachkommen lassen das Gespenst vom häßlichen Deutschen wieder auferstehen.

Na schön, Hobbyjurist Friedrich ist inzwischen ausgemustert worden, aber was Hobbykrieger Christian Schmidt im Landwirtschaftsministerium verloren hat, ist fast so rätselhaft wie die Besetzung des Verkehrsministeriums mit Dobrindt.

Die CSU bringt nur Unheil in die Politik. Weil sie keine ernsthaften Konzeptionen hat, zwingt sie Deutschland ihre beiden Gaga-Projekte auf. Herdprämie und Ausländer-Raus-Maut.
Ersteres haben wir schon und es ist genauso verheerend gekommen, wie man sich das vorher ausmalen konnte. Die Regierung Merkel-II hat eine Bildungsfernhalteprämie geschaffen, mit der der Nachwuchs systematisch verdummt wird.

Kritiker bezeichnen den Obulus als "Herdprämie" und betonen, durch das Betreuungsgeld würden vor allem Migrantenfamilien oder Kinder aus bildungsfernen Milieus von der Kita-Betreuung fernhalten. Die Bildungsungleichheit würde sich verschärfen.
Genau das besagt nun eine Untersuchung der Technischen Universität Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Gefördert wurde die umfangreiche Studie ausgerechnet durch das Bundesfamilienministerium.
Demnach erweist sich das Betreuungsgeld als besonders attraktiv für Familien, "die eine geringe Erwerbsbeteiligung aufweisen, durch eine gewisse Bildungsferne gekennzeichnet sind und einen Migrationshintergrund haben". Die Prämie sei ein "besonderer Anreiz für sozial eher benachteiligte Familien, kein Angebot frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung zu nutzen", wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.
 [….] Je höher das Bildungsniveau in der Familie ist, desto geringer erscheint der finanzielle Anreiz des Betreuungsgeldes. Von den Familien, in denen kein Elternteil einen Bildungsabschluss besitzt oder die als höchsten Bildungsabschluss einen Hauptschulabschluss nennen, sagen 54 Prozent, das Betreuungsgeld sei Grund für die Entscheidung gewesen.
    Bei den Familien mit einer mittleren Reife als höchsten Bildungsabschluss liegt dieser Anteil bei 14 Prozent und bei den Familien mit Hochschulabschluss reduziert sich dieser Anteil weiter auf acht Prozent.
    Während nur 16 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund eine außerhäusliche Betreuung in Anspruch nehmen, haben 51 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund den Wunsch danach. [….]

Während mit dem CSU-Projekt I aber „nur“ Deutschland massiv geschadet wird, ist das gestern von Dobrindt vorgestellte CSU-Projekt-II sogar eine Gefährdung für Europa und an Dummheit nicht mehr zu überbieten.

Die sogenannte Ausländermaut wird zu Recht auch von Links-Partei bis CDU, von Arbeitgebern bis Gewerkschaften, von EU bis Wissenschaft in Bausch und Bogen abgelehnt.

Was für ein Treppenwitz, daß eine Große Koalition, die auf die CSU-Stimmen gar nicht angewiesen ist, diesen Schildbürgerstreich mitmacht!

Dobrindt allein zu Haus
„Nach seiner lieblosen Show am Montag bekommt Verkehrsminister Alexander Dobrindt jetzt Gegenwind von allen Seiten. Und das völlig zu Recht. Eine Maut, mit der keine Einnahmen erzielt werden können und die ein bürokratisches Monstrum zu werden droht, braucht nun wirklich kein Mensch“, so Herbert Behrens, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Verkehrsausschuss, anlässlich der breiten Kritik an Dobrindts Maut-Konzept. Der Verkehrsexperte weiter:
„Zuerst wird Dobrindt von der Kanzlerin zu einem Bittgang nach Brüssel verdonnert. Dann wird vom Finanzminister verlautbart, dass noch keine Mautpläne bei ihm eingegangen sind. Und jetzt wird ihm von seinen Parteifreunden auch noch das uneingeschränkte Vertrauen ausgesprochen. Schlimmer kann es kaum kommen. Jeder weiß, wohin Treueschwüre führen. Dobrindt steht inzwischen völlig alleine da.
Die Entscheidung liegt jetzt bei Finanzminister Schäuble. So wie er einst die Abschaffung der Luftverkehrssteuer verhindert hat, sollte er jetzt die Geisterfahrt Dohbrindts bei der PKW-Maut stoppen.
Dobrindt hatte erklärt, dass zwei Dinge sicher sind: die Finalteilnahme der Fußballnationalmannschaft und die PKW-Maut. Ersteres ist durchaus möglich, für letzteres sehe ich schwarz.“

Dieser CSU-Plan ist aber schlimmer als ein Streich, denn er ist kontraproduktiv und (wieder einmal) Europa-feindlich.

Fast alle Pressekommentare klingen vernichtend. Harald Stutte von der Mopo, um nur irgendein Beispiel zu nehmen, nennt die PKW-Maut „überflüssig wie ein Loch im Kopf“.
Diese „Wegelagerei für Ausländer“ bringe eine „Mini-Einnahme von 600 Mio Euro“ und dafür erkaufe sich Deutschland „ein Maximum an Unfrieden: Die Nachbarn sinnen auf Revanche.“ Die CSU-Prämie sei der „brutalst mögliche Angriff auf den europäischen Gedanken.“ Der Weg müsse genau umgekehrt gehen, nämlich Maut-Systeme EU-weit zu harmonisieren.

Im CSU-Angriff auf Europa liegt nun bizarrer weise auch unsere Hoffnung. Die EU muß Deutschland vor sich selbst retten und Merkels Gaga-Gesetze stoppen.

[…]  Wie kann ich eine Maut verlangen, die Ausländer zahlen, Inländer aber nicht, und die trotzdem nicht gegen EU-Recht verstößt? EU-Recht erlaubt es nämlich nicht, innerhalb der Europäischen Union zwischen Inländern und Ausländern zu unterscheiden. […]
Das deutsche Pkw-Maut-Problem ist grundsätzlich nicht lösbar. Wer dennoch glaubt, eine Lösung gefunden zu haben, hat irgendwie zu kurz gedacht oder setzt auf irgendwelche Tricks - so wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
[…] Vielleicht kann man die Europäische Kommission unter Androhung politischer Gewalt dazu bekommen, ein Auge zuzudrücken. Am Ende wird es trotzdem jemanden geben, der vor dem Europäischen Gerichtshof gegen diese verkappte Diskriminierung von Ausländern klagen wird - mit recht guten Aussichten auf Erfolg. […]

Neben dem Taschenspielertrick (alle zahlen für die Vignette, aber Deutsche bekommen das Geld von der KFZ-Steuer zurück), den man nur dann nicht durchschauen kann, wenn man so doof wie CSU-Minister ist, besteht das größte Problem des Plans darin, daß er kaum Geld einbringt. Vermutlich kostet sogar die monströse Bürokratie mehr als die Einnahmen.
Laut Doofbrindt bekomme bei seinem Mautsystem jeder deutsche KFZ-Halter kostenlos eine Vignette zugeschickt und müsse sie nur noch ans Auto kleben.
Lustig: Als Reporter bei der Dobrindt-PK fragten, wozu es dann überhaupt den Aufkleber gebe, wenn ohnehin jeder einen bekomme (dann reicht nämlich auch das deutsche Nummernschild als Maut-Ausweis), wurde Zimmertemperatur-Alexander auf dem kalten Fuß erwischt. Die Frage hatte er sich noch gar nicht gestellt.
Als echter CSU-Mann hatte er nur danach getrachtet wie bei der Herdprämie eine politische Sinnlosigkeit möglichst kompliziert zu gestalten.

Eine Maut für Ausländer in Deutschland. Das war das große und - neben der Mütterrente - einzig vernehmbare Wahlversprechen der CSU im Bundestagswahlkampf 2013.
[…] Es sei Konsens in Deutschland, dass mehr Geld in die Verkehrsinfrastruktur gesteckt werden müsse, beginnt [Dobrindt]. Fünf Milliarden Euro extra habe die große Koalition bis 2017 schon bewilligt. Die Nutzerfinanzierung oder auch Maut bringe in vier Jahren nochmal 2,5 Milliarden.
Schon da hakt seine Argumentation. Etwas mehr als 600 Millionen Euro soll die Maut bringen, die Dobrindt penibel "Infrastrukturabgabe" nennt. Geht es nach Dobrindt, soll die Maut am 1. Januar 2016 "scharfgestellt" werden, wie er das nennt. Bis 2017 kommen also höchstens 1,2 Milliarden Euro zusammen. Und nicht 2,5 Milliarden. [….]
Auch die Bedingung, dass Deutsche nicht mehr zahlen sollen, stimmt wohl nur für den Moment der Maut-Einführung. Das ist die nächste Radarfalle. Wenn es nämlich keine automatische Verrechnung zwischen beiden Systemen gibt, dann kann auch niemand garantieren, dass deutsche Autofahrer künftig nicht doch mehr zahlen müssen, wenn die Maut irgendwann angehoben werden sollte.
Dobrindt bestätigt das indirekt: Es gebe "keine Verlinkung" zwischen seiner Abgabe und der KfZ-Steuer. Heißt: Wenn gewünscht, kann die Maut jederzeit angehoben werden, ohne die KfZ-Steuer zu senken. Die Erfahrung lehrt, dass es dazu kommen wird. Und schon rast Dobrindt auf die nächste Radarfalle zu: Er will die Maut für das "gesamte deutsche Straßennetz". Also auch für Land-, Kreis- und Ortsstraßen. Deren Kontrolle und Unterhaltung obliegt aber den Ländern. Dobrindts Maut-Gesetz wird also sehr wahrscheinlich im Bundesrat zustimmungspflichtig sein. Damit wäre Dobrindt plötzlich abhängig von den Grünen. Die lehnen eine Maut bisher rundweg ab.  […]

Ich frage mich auch wieso Menschen, die extrem wenig Autofahren mit der Dobrindt-Maut Landstraßen und Autobahnen mitfinanzieren sollen. Es gibt genügend Städter, die ein Auto nur als Reserve zum Einkaufen benutzen und nie ihre Umgebung per KFZ verlassen – mich zum Beispiel.
Man bräuchte also, WENN man schon so ein Konstrukt einführen will, eine streckenabhängige Gebühr, die aber technisch nicht machbar ist.
Der volle Schwachsinn der CSU-Maut ergibt sich aber erst bei einem Blick auf die Zahlen. Der CSU-Plan ist schlicht und ergreifend überflüssig. Und es gibt eine extrem simple Alternative.

[…]  Nur hat Dobrindts Maut einen großen Haken: Sie taugt nicht zur Sanierung der maroden Straßen in Deutschland. Denn sie wird nur einen Bruchteil der benötigten Summe einbringen, weil der Gerechtigkeitsminister das, was er von den deutschen Autofahrern einnimmt, denen sofort über einen Freibetrag bei der Kfz-Steuer wieder zurückgibt.  […]  Nach Abzug aller Mautkosten sollen jährlich rund 625 Millionen Euro übrig bleiben. Dagegen fehlen für das Straßennetz in Deutschland jedes Jahr 4,7 Milliarden Euro. So hat es die von Bund und Ländern eingesetzte Daehre-Kommission zur Finanzierung der Verkehrswege bereits 2012 errechnet. Dobrindts Maut bringt also noch nicht einmal das, was in der Daehre-Zahl hinterm Komma steht. Den bayerischen Stammtischbrüdern widerfährt Gerechtigkeit – und sie hoppeln doch weiter über löchrige Straßen vom Stammtisch nach Hause.
Dabei verfügt der Bund durchaus über die fehlenden Milliarden. Allein im vergangenen Jahr nahm der Staat 33 Milliarden Euro aus der Mineralölsteuer ein – mehr als sechs Mal so viel, wie er für den Straßenbau ausgegeben hat. Die Einnahmen aus der Steuer zu nutzen, um damit Investitionen in die Infrastruktur zu finanzieren, wäre die beste aller Varianten. Wer viel fährt, also die Straßen stark nutzt, tankt auch häufig – egal ob Ausländer oder Deutscher. Eine gesonderte Maut bräuchte es dafür nicht.

Bei so einem unfassbaren Schwachsinn, wie der CSU-Antiausländer-Vignette, regt sich sogar in der Phlegma-Koalition echter Widerstand.

Dem Verkehrsminister schlägt heftige Kritik für sein Maut-Konzept entgegen - zu teuer, zu ungerecht, zu kompliziert. Die europäischen Nachbarn sind entrüstet. Und selbst Union und SPD halten sich nicht zurück.
Die Polizeigewerkschaft droht, sie werde keine Beamten als Maut-Kontrolleure auf Streife schicken. Die Niederlande wollen klagen. Österreich erwägt, das eigene Mautsystem auszuweiten, quasi als Retourkutsche für deutsche Vignetten. Und die EU-Kommission warnt: Wenn Deutschland ausländische Autofahrer benachteilige, werde man das "nie akzeptieren". […]  Dobrindts Konzept werde "sicherlich nicht das letzte Wort gewesen sein", sagte [Generalsekretär der CDU Rheinland-Pfalz] Schnieder SPIEGEL ONLINE.
"Über Jahrzehnte haben wir dafür gekämpft, den Austausch mit unseren europäischen Nachbarn zu verbessern. Der Tourismus in den Grenzregionen ist zu einem der bedeutendsten Wirtschaftszweige geworden. Das dürfen wir nicht gefährden", so Schmieder. Es könne nicht sein, dass eine Familie aus Luxemburg, Ostbelgien oder Frankreich für den Wocheneinkauf oder den Restaurantbesuch im direkt benachbarten Rheinland-Pfalz bis zu 100 Euro Eintritt in Form der Maut zahlen müsse.
[….] So richtig begeistert zeigt sich nach Dobrindts Aufschlag niemand. Und dass die Sorge vor der Gier der Länder berechtigt sein könnte, beweist der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Michael Groschek (SPD). Er fordert für die Bundesländer bereits die Hälfte der Einnahmen. Dobrindt kalkuliert mit rund 800 Millionen Euro im Jahr.  An Dobrindts Konzept lässt der SPD-Mann - wie andere Landesverkehrsminister auch - kein gutes Wort. Groschek warnt vor Nachahmern im Ausland, einer "europaweiten Maut für alle überall". Dann hätten auch deutsche Autofahrer das Nachsehen. "Als nächstes werden die Niederlande und Belgien Pläne für ihre Maut schmieden." [….]

Nur:
Mosern hilft bei der CSU nicht. Sie ist ein pathologischer Fall.
Es muß amputiert werden.



Nachtrag:

Noch eine kleine Anmerkung aus der SZ, die ich zunächst übersehen hatte.

Hier wird behauptet, es sei technisch durchaus möglich eine streckenabhängige Maut einzuführen. Das steht meinen vorherigen Informationen entgegen, die anhand des Toll-Collect-Desasters so eine Lösung ausschlossen.

Denn aus der mehrspurig ausgebauten Sackgasse deutscher Verkehrspolitik führt auch dieser Vorschlag nicht heraus, im Gegenteil. Dobrindt agiert wie ein Dorfschulze, der seinen Anger dadurch retten will, dass er den Bauern aus dem Nachbarort einen Obulus abknöpft. Ein Irrsinn, und das in vielerlei Hinsicht.
Zum einen, weil der Vorschlag auf eine lupenreine Diskriminierung ausländischer Autofahrer hinausläuft. Sie dürfen zwar das Gemeingut Straße hierzulande weiter benutzen, das aber nur gegen ein Entgelt. Die Inländer dagegen düsen unter dem Strich weiter kostenfrei durchs Land. Das unterscheidet Dobrindts Maut von der in Nachbarländern, die dort auch die Inländer zu zahlen haben; das erklärt, weshalb einige Nachbarländer gegen das deutsche Modell rebellieren werden. Mit dem europäischen Gedanken hat das nicht mehr viel zu tun, die EU-Kommission kann den Vorstoß mit guten Argumenten zerschießen. Und das wäre noch nicht einmal das schlimmste Ende für Dobrindts zentrales Projekt. Schlimmer noch wäre, wenn es so durchkäme.
Denn verkehrspolitisch bleibt diese Maut völlig wirkungslos; sie zielt auf Einnahmen, jedenfalls von den Ausländern, verzichtet aber auf jegliche Lenkung. Technisch wäre solch eine Steuerung problemlos möglich. Mit einer elektronischen Vignette etwa ließe sich eine Maut kilometergenau erheben, die Maut für Lastwagen zeigt es. […]