Montag, 23. Oktober 2023

CDU-Populismus pur

Es ist so ungeniert, es ist so eine peinliche Anbiederung an Rechtsaußen, es ist so destruktiv. Und es ist bedauerlicherweise erfolgreich beim Urnenpöbel.

Nun also auch die vermeidlich liberale Bundes-Vizin Karin Prien, die auf der Titelseite des Abendblattes von heute in großen Lettern erklärt:

[….] WER GEGEN ISRAEL HASS VERBREITET; VERWIRKT SEIN GASTRECHT!

 CDU-Vizechefin Karin Prien fordert ein „klareres Auftreten“ gegen Antisemitismus. Warum sie mehr Vorfälle an Schulen befürchtet.  [….]

(HHAbla, 23.10.2023)

Vermutlich stimmen ihr sogar die meisten Leser zu; anderenfalls würde sie solche Sätze nicht hinausposaunen. Einem Realitätscheck halten solche steilen Sprüche aber nicht stand.

1.   Es gibt gar kein „Gastrecht“, das man verwirken könnte

2.   Die weitüberwiegende Zahl der antisemitischen Übergriffe gehen auf das Konto rechtsradikaler „Biodeutscher“.

3.   Frieden für Palästina zu wünschen, ist nicht antisemitisch.

4.   Israelfeindliche Migranten aus Syrien, dem Irak, Afghanistan oder Palästina, kann man gar nicht abschieben, selbst, wenn es ein Gastrecht gäbe.

5.   Es ist neben der AfD insbesondere die CDU, die Antisemitismus duldet und demonstrativ Israel-feindliche Äußerungen ihrer Parteimitglieder akzeptiert.

Schämen Sie sich, Prien!

(….) Laschet bedient auch die braune völkische Klaviatur, indem er diese Woche beispielsweise behauptete, kriminelle Afghanen hätten „ihr Gastrecht verwirkt“ und könnten abgeschoben werden.

[…..] Die Linie der CDU bleibe allerdings klar, so Laschet: „Wer in Deutschland straffällig wird, hat sein Gastrecht verwirkt.“ Der Grundsatz „Null Toleranz gegenüber Kriminellen“ erlaube keine Ausnahmen. „Straftäter müssen weiter konsequent abgeschoben werden, auch nach Afghanistan“, sagte er. [….] Kritik an den Aussagen von Seehofer äußerte der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans. „Diese Überlegung ist voll auf der menschenfeindlichen Linie von Populisten. Auch ausländische Straftäter sind Menschen. Sie verdienen ihre Strafe, aber niemand hat das Recht, sie in den Tod zu schicken. Sollte das drohen, müssen Abschiebungen gestoppt werden“, sagte er der „Rheinischen Post“. (dpa)  [….]

(Tagesspiegel, 02.08.2021)

Das ist doppelt perfide.

Erstens: Kein deutscher Gesetzesverstoß (die meisten sind ohnehin nur Verstöße gegen das Ausländerrecht, die aus Unkenntnis entstehen) rechtfertigt es, einen Menschen dorthin zu schicken, wo er womöglich umgebracht wird. Insbesondere, wenn der Abzug der deutschen Bundeswehr aus Afghanistan einer der Gründe für die Todesgefahr vor Ort ist.

Zweitens: Es gibt kein Gastrecht. Das ist nur ein rechtspopulistischer Code, den Laschet wohlweislich in der BILD einsetzt.

(…..) Unsympathische Typen von irgendwo her, die jetzt in Deutschland leben, haben kein Gastrecht, weil es so etwas wie „Gastrecht“ juristisch gar nicht gibt.  Deutschland gehört auch keiner Person, die dieses ominöse Gastrecht gewähren oder entziehen könnte.  Menschen leben hier, weil sie hier geboren sind, legal eingereist sind, einen Anspruch auf Asyl oder zumindest einen Anspruch auf ein faires Verfahren haben.  Wer im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Asylanten vom „Gastrecht“ fabuliert, ist entweder total verblödet, oder er triggert sich bewußt an die Sprache der Rechtsradikalen heran. (….)

(Das unheimliche Ehepaar, 20.10.2017)

Bis hierher ist noch kein wahltaktischer Schaden für Laschet entstanden, weil die Mehrheit ihm aus Unwissenheit zustimmt.

Unglücklich für den CDU-Kanzlerkandidaten ist allerdings, daß der Antisemitismus des Thüringer CDU-Bundestagskandidaten Maaßen, inzwischen nicht nur von politisch irrelevanten Schreiberlingen wie mir, erkannt wird.

[…..] Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, wirft dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen vor, antisemitische Stereotype zu verbreiten.  "Das sind für mich klassische antisemitische Stereotype, die benutzt werden bei Herrn Maaßen, wenn man die Summe aller Dinge zusammennimmt, auch auf den unterschiedlichen sozialen Plattformen, aber auch in eigenen Reden. Da gibt's eigentlich nichts Entlastendes mehr zu bemerken. Er nutzt antisemitische Stereotype, um auf Stimmenfang zu gehen. Und ich glaube, als solches muss man es auch einfach bezeichnen", so Kramer im Interview mit dem ARD-Politikmagazin Kontraste. [….]

(Tagesschau, 03.06.2021)

[….] Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer wirft dem CDU-Bundestagskandidaten und früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen vor, antisemitische Inhalte zu verbreiten. Stimmt das?

„Ja, wir vom Zentrum für Antisemitismusforschung sehen das so. Antisemitismus äußert sich ja heute selten noch direkt. Selbst überzeugte Antisemiten benutzen heute regelmäßig Codewörter wie Neue Weltordnung, Globalisten, Great Reset und ähnliches. Dahinter stecken komplizierte Vorstellungen. Mit dieser codierten Sprache des Antisemitismus beschäftigen wir uns in einem großen Projekt Coding Antisemitism. Wir können nachweisen, dass solche Texte gerade in den sozialen Medien, obwohl sie ohne direkten Bezug auf Juden auskommen, durchaus antisemitisch verstanden werden. Da sagt niemand direkt was gegen Juden, sondern es wird angedeutet. Und Herr Maaßen spielt eben auch dieses Spiel.“ […..]

(Jan Sternberg, RND, 13.05.2021)

Noch unglücklicher für Armin Laschet ist aber, daß nach der massiven Kritik an Maaßen auch aus der eigenen CDU, nun ausgerechnet ein CDU-Urgestein aus Laschets NRW-Landesverband demonstrativ Maaßen zu Hilfe eilt, um den völkischen Antisemiten zu unterstützen.   (….)

(Miese Optik, 03.08.2021)

Wenn Frau Prien jemanden abschieben möchte, sollte sie beim aktuellen und vorherigen CDU-Parteichef anfangen und auch die JU ausweisen.

[….] Moralisch und menschlich verkommen, charakterlos und geschichtsvergessen kann Merz, jeden Tag wieder und jeden Tag schlimmer...

Er ist in meinen Augen ein schambefreiter, charakterloser, allgemeinbildungsferner, bis in jede Faser seines erbärmlichen Seins unsauberer Mann und gibt ein widerwärtiges Bild ab und zwar nicht nur in Deutschland.

Er ist ein faschistischer und rassistischer Populist und für Jeden MIT Empathie und Menschlichkeit, also für jeden MENSCHEN eine Schande.

Der Mann ist eine dermaßen Schande für die Politik und unser Land.... Seine Aussagen und sein Auftreten sind ist nur noch widerlich!

Sein Mitgefühl heuchelnder Auftritt in der Jüdischen Schule in Berlin Ende letzter Woche dient ihm jetzt als Vorwand, um am nächsten Arbeitstag dann gegen Muslime zu hetzen.

Ich für meinen Teil denke, DAS war auch der ganze Grund, diese Schule zu besuchen, damit er diese Hetze, die er von sich gibt, noch leichter verbreiten kann. Ein paar Stimmen vom rechten Rand mehr einfahren?

Von wegen Partei der Mitte... Stramm rechts und allerunterste Schublade.... Meiner Meinung nach motiviert von den niedrigsten Instinkten, nämlich Geld- und Machtge*lheit.  [….]

(Die bunte Seite, 23.10.2023)

Stattdessen setzt auch Prien alles daran, die Faschisten von der AfD zu stärken.

[…..] Die CDU unter Merz versuchte zuletzt öfter, mit ähnlicher Desinformation und rechtspopulistischer Stimmungsmache wie die AfD ihr Stimmen abzufangen. Ein riskantes Vorgehen, das die Demokratie aufs Spiel setzt! Eine neue Studie eines Politikwissenschaftlers deckt nun auf: Die Annäherung der Unionsparteien an die AfD hat nicht etwa die gewünschte Verdrängungswirkung, sondern sorgt im Gegenteil für den Aufstieg der rechtsextremen Partei.

In den letzten Jahren hat sich die politische Landschaft in Deutschland spürbar verändert. Insbesondere die Annäherung der Unionsparteien an die rechtsextreme AfD hat zu hitzigen Debatten geführt. Friedrich Merz’ Idee einer „Halbierung der AfD“ durch einen Rechtsruck der CDU war eine der kontroversesten politischen Strategien der letzten Zeit – und mündete eher in einer Verdopplung. Die wachsende Stärke der AfD in Umfragen auf Landes- und Bundesebene hat die Debatte über eine mögliche Zusammenarbeit mit der CDU mit den Rechtsextremen ins Zentrum gerückt. Es stellt sich die Frage, ob die inhaltliche Annäherung der CDU an die Positionen der AfD Letztere schwächt. Umfragedaten legen nahe, dass diese Strategie nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt.

Normalisierung des Rechtsextremismus? Die CDU und ihre Beziehung zur AfD

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz steht schon lange in der Kritik, auch innerhalb seiner eigenen Partei. Während viele eine wissenschaftlich fundierte und an der Kooperation mit anderen demokratischen Parteien orientierte Haltung seitens der Union befürworten, setzt sich der Merz-Flügel für einen deutlich rechts-konservativeren Kurs ein. Dies beinhaltet Angriffe auf die Grünen als „Hauptgegner“, Diffamierung von Geflüchteten mit NPD-Slogans und Fake News, die Verbreitung von Desinformation inhaltsgleich wie die AfD und die Verwendung rechten Vokabulars, beispielsweise im Zusammenhang mit den Rechten von trans Personen.   [….]

(Clara Hoheisel, Okt 19, 2023)

Noch schlimmer sind nur die rechtsextremen stetig wiederkehrenden Ausfälle des Friedrich Merz. Sie kommen inzwischen im 12-Stunden-Takt. Gestern die Hetze gegen Muslime.


Merz unterstellt also 2 Millionen Menschen aus Gaza, die aktuell in größter Not sein, per se, sie seien antisemitisch. Damit ist die Union an vorderster Front der widerlichen Hetze gegen Araber:innen angelangt, die in den letzten Wochen immer stärker geworden ist.         

(MdB Nicole Gohlke, 23.10.2023)

Kurz danach folgen Merz-Lobpreisungen für den Antisemiten Thilo Sarrazin.

[….] Friedrich Merz kann es nicht lassen. Der CDU-Chef sorgt im Zuge der Migrationsdebatte erneut mit einer kontroversen Aussage für Aufsehen. Im Interview mit dem ZDF-Politformat „Berlin direkt“ am Sonntagabend beklagte Merz, dass die SPD seinerzeit nicht auf Thilo Sarrazin gehört hätte [….] [….] Der CDU-Chef [….] fuhr dann fort: „Ich gebe ihnen mal ein Beispiel. Der viel zitierte Thilo Sarrazin, der auf dieses Problem sehr deutlich hingewiesen hat – man muss nicht alles teilen, was er schreibt – aber auf das Problem hat er hingewiesen. Doch statt sich mit der Frage zu beschäftigen, hat die SPD ihn aus der Partei ausgeschlossen. [….] Es wäre hilfreich gewesen, auf ihn und andere zu hören und sich mit diesem Problem mehr auseinanderzusetzen“, so Merz. [….] Sarrazin hatte vor knapp 14 Jahren erstmals mit rassistischen Aussagen für Empörung in der breiten Öffentlichkeit gesorgt. [….] Was Merz im ZDF-Interview nicht erwähnt: Sarrazin wurde in der Vergangenheit nicht nur Rassismus gegenüber Muslimen, sondern auch Antisemitismus vorgeworfen. So hatte er in einem Interview gesagt: „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen[….] Wegen Sarrazins Aussagen über Ausländer im Allgemeinen hielt der damalige Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, bereits 2009 fest: „Ich habe den Eindruck, dass Sarrazin mit seinem Gedankengut Göring, Goebbels und Hitler große Ehre erweist.“ [….]

(Berliner Morgenpost, 23.10.2023)

Es stellt sich wieder einmal die Frage, ob Merz einfach zu dumm ist und nicht weiß, worüber er spricht, oder ob er tatsächlich selbst so rechtsextrem tickt. Er transportiert reinen Rassismus.

Sarrazin wurde nicht als Rassist identifiziert, weil er auf Probleme mit Migration hingewiesen hat, sondern weil er "Rasse" als Ursache dieser Probleme ausmachte. Wenn Merz sich dies zu eigen macht, muss er sich auch den Vorwurf gefallen lassen, auch einer zu sein.

(Juergen Zimmerer @JuergenZimmerer, 22.10.2023)

Vermutlich bricht dieser Unsinn aber einfach aus ihm raus, weil er sich wie sein geistiger Zwilling Trump einfach nicht kontrollieren kann.

Die beiden konservativen Chefredakteure vom Cicero und dem Hamburger Abendblatt staunen.

[….] Schwennicke: Ich staune jedes Mal. Er hat sich nicht im Griff. [….] Es wird nichts besser. Er ist lernresistent.

Haider: Man glaubt immer, dass es nicht schlimmer kommen kann. Was bezweckt er mit Äußerungen wie der, dass Asylbewerber Deutschen die Arzttermine wegnehmen?

Schwennicke: Ich fürchte, er denkt sich gar nichts dabei. Bezweckt nichts. Es bricht einfach so aus ihm raus.

Haider: Was ihn, das muss man dann so klar sagen, ungeeignet macht, um ins Kanzleramt zu kommen. Denn dort sollte besser nicht jemand sitzen, aus dem es so rausbricht. Ich kann nicht glauben, dass dahinter nicht irgendeine Art von Strategie steckt. So etwas wie mit den Arztterminen sagt man doch nicht einfach so, wenn man ein Politprofi ist.

Schwennicke: Ich fürchte, er ist keiner. Er war zu lange raus. Und hat jenseits des kurzen Fraktionsvorsitzes nie eine herausgehobene politische Position gehabt, kein Ministerium, keine Staatskanzlei von innen als Chef gesehen. […]

(Abendblatt.de, 30.09.2023)

Merz und die CDU sind eine Schade für Deutschland und die Rekordzahlen für Union und AfD sind eine Schande für den deutschen Urnenpöbel.

Nachdem man bereits die 1990er Jahre, samt den brennenden Wohnhäusern ausländischer Familien, als großes Vorbild für eine Asyldebatte herangezogen hat, verweist Friedrich Merz auf Thilo Sarrazin und seine offen rassistischen und antisemitischen Ausführungen. Es ist alles kaputt.

(Stephan Anpalagan @stephanpalagan, 23. Okt. 2023)

Habt Ihr auch schon all die empörten Stimmen von CDU-Granden gehört, dass #Merz sich ohne Abgrenzung von biologistisch-eugenischen Thesen, zur TV-Primetime auf Sarrazin, als vorausschauenden Analytiker berief? Läuft wie in den USA: Freie Bahn für rechte Scharfmacher dank Korpsgeist.

(Andreas Püttmann @puettmann_bonn 23.10.2023)

"#Merz verteidigte zudem den aus der SPD ausgeschlossenen umstrittenen Politiker Thilo Sarrazin, der vor der Einwanderung von zu vielen Muslimen gewarnt hatte." Das ist Politik von rechtsaußen getarnt als Anti-Antisemitismus. Falls noch wer fragt, woher der Wind gerade weht.

(Max Czollek @rubenmcloop, 23.10.2023)

Sonntag, 22. Oktober 2023

Deutschland versus Realität

Die Vorabend-Serien Getrud Stranitzki (1966-1968) und die Schwester-Serie Ida Rogalski (1969-1970) sind gerade mein ganzes Vergnügen, weil ich Inge Meysel nach wie vor als Schauspielerin liebe.

Beide von Curth Flatow geschrieben und von Tom Toelle inszeniert, trugen neben dem Meisterwerk „Die Unverbesserlichen“ (1965-1971) zu Meysels Ruf als „Mutter der Nation“ bei.

Die Darsteller waren alle erfahrene ausgebildete Theaterleute, für die Dreharbeiten nahm man sich Monate Zeit. Das qualitative Niveau ist dadurch um Lichtjahre besser, als der täglich am Fließband produzierte GZSZ-Dreck, bei dem hurtig gecastete Laiendarsteller alles in einem Take vom Teleprompter ablesen.

Der enorme Erfolg dieser Serien beruhte damals nicht nur auf Meysels sensationeller schauspielerischen Leistung, sondern auf den durchdachten Drehbüchern, die unaufdringlich zeigen, wie sich eine starke, leistungsfähige Frau in einer noch fast ausschließlich patriarchalischen Welt durchsetzt, ohne dabei wie Feministinnen der folgenden Jahre, die männliche Dominanz insgesamt in Frage zu stellen.

Im Gegenteil, Käthe Scholz, sowie die Schwestern Ida und Trutchen, sind stets darauf bedacht, ihre Söhne und Ehemänner vor allzu modernen Frauen zu beschützen. Sie lieben die Männer in ihren Familien und sorgen dafür, daß diese sich stets als Macher und Entscheider fühlen, auch wenn es - das ist der Witz der Drehbücher – in Wahrheit eins der Inge-Meysel-Alteregos ist, welches sie auf den rechten Weg schubst.

Die Kriegsgeneration Meysel (*1910; †2004) ist mit dem Dilemma vertraut, durch den Ausfall von Soldaten und Gefallener, erfolgreich zu Hause Verantwortung zu übernehmen und brav zurück in Glied zu treten, sobald derGöttergatte wieder da ist.

Diese Rapid-Emanzipation und Re-Patriarchatisierung funktionierte im Krieg wegen der außerordentlich drastischen Umstände und nach dem Krieg durch das enorme Glück des 30-Jährigen Daueraufschwunges.

Es wurde immer besser, „Leistung lohnte sich“. Dies zeigen die erfolgreichen Flatow-Serienfiguren auch mit Stolz. Ihnen wurde nichts in die Wiege gelegt.

Idas Mann führte in den 1930er Jahren ein kleines Lederwarengeschäft in Berlin-Neukölln, reparierte Portemonnaies und Handtaschen.

In den Jahren als Soldat und Kriegsgefangener baute Ida den Laden wieder auf, vergrößerte ihn, stellte sich geschickt an und schaffte es so, nicht nur fünf Söhne großzuziehen, von denen die meisten studierten und „etwas besseres“ wurden, sondern sie brachte es durchaus zu bescheidenem Wohlstand. Als Rentnerin besitzt sie eine riesige Wohnung in Berlin und so viele Aktien, daß sie sich Kultur, Reisen, Theater und andere bürgerliche Vergnügungen leisten kann, während sie immer mal wieder den verschiedenen Söhnen, Schwiegertöchtern und Enkeln etwas zuschießt.

Ihre Schwester Gertrud fängt im Krieg, als sie allein in der zerbombten Wohnung hockt, an zu schneidern, wird Schneider-Meisterin, näht Auftragskleider für das Modehaus nebenan. Mitte der 1960er Jahre besitzt auch sie eine große Wohnung in Berlin, kann sich teuren Schmuck leisten und empfängt jeden Morgen ein halbes Dutzend Näherinnen in ihrer Wohnung, die auch als Schneider-Atelier dient.

Fleiß und Selbstständigkeit haben sich ausgezahlt.

Das waren Frauen, die so viel Schlimmes erlebt hatten und sich so fleißig daraus empor arbeiteten.

[…..] Die Deutschen damals empfanden ihr Land und sich selbst nicht unbedingt als moralisch zerrüttet. Das Deutschland der Nachkriegszeit ist zwar ein Land von Mördern, aber die Deutschen sehen sich eher als Volk von Opfern. Auch der Holocaust spielt zunächst eine sehr geringe Rolle. Die großen moralischen Konflikte gab es zwischen Deutschen, die sich selbst leid taten und um Anerkennung kämpften: die Ausgebombten, die Kriegsversehrten, die vielen Millionen Vertriebenen.  […..]

(Historiker Frank Trentmann, 22.10.2023)

Deutschland liebt bis heute seine Trümmerfrauen-Generation und niemand würde dazu assoziieren, daß es genau diese Wiederaufbau-Generation war, die auch alles zerstört hatte und Hitler wählte.

 

Die in schwarzweiß gedrehten Rogalski- und Stranitzki-Geschichten faszinieren heute auch deswegen noch so sehr, weil sie das Bundesrepublikanische Versprechen, vom Aufstieg aus eigener Kraft wiederspiegeln. Sie sind in gewisser Weise das schwarzgelbe Mantra von niedrigen Sozialleistungen und deutschen Tugenden. Nicht in „anstrengungslosem Wohlstand ausruhen“, sondern anpacken. So ungefähr tönt es auch 2023 in den Werbebotschaften der CDUCSUAFDP.

Die Flatow-Serien sind ein wichtiges Zeitdokument, das mich fasziniert. In den „Mindset“ wurde ich hineingeboren. So wurde meine Mutter erzogen.

Es verblüfft mich aber, wie tumb die Konservativen, auch über ein halbes Jahrhundert später, an diese Idealen festhalten, denn diese Realität existiert nicht mehr.

Man kann nicht mehr durch fleißiges Nähen von Abendkleidern in der eigenen Wohnung zu Wohlstand und Ansehen kommen. Handarbeit wird nicht wertgeschätzt und wurde wegrationalisiert. Genäht wird in ostasiatischen Billigfabriken, Kleider sind billige Wegwerfprodukte geworden.

Das gilt genauso für den fleißigen Einzelhändler, der in einem Arbeiterviertel Brieftaschen oder Gürtel sattlert. So ein Laden trägt sich nicht nur nicht, weil alle Anwohner die Waren billig und unkompliziert Made in China bei Amazon bestellen, er wirft auch garantiert nicht so viel ab, um größere Familien davon zu ernähren und ihnen bürgerliche Existenzen aufzubauen.

Damit bin ich bwi den riesigen Berliner Altbauwohnungen, die in diesen Serien gezeigt werden. Sie sind das Pendant zum schwäbischen „Häusle baue“, also dem ultimativ-teutonischen Traum von den eigenen Vier Wänden, die man sich durch ehrliche Arbeit anschafft.

Auch das ist aus, finito, vorbei.

Es gibt heute nur eine Möglichkeit, sich solche riesigen Eigentumswohnungen oder Häuser anzuschaffen: Indem man zufällig ein großes Vermögen geerbt hat. Selbst gut verdienenden Akademiker, die als Krankenhausarzt oder Anwalt zur oberen Mittelschicht gerechnet werden und vielleicht zwei Kinder haben, werden nur mit ihrem Einkommen keinesfalls so große Immobilien in einer deutschen Millionenstadt bezahlen können.

Diese Zeiten sind nicht nur vorbei; es kommen sogar noch Schwierigere, weil Kriege, Pandemien, politische Instabilität und Energiewende gewaltige Kosten verursachen.

Es wäre wünschenswert, von den zur Wahl stehenden Parteien reinen Wein eingeschenkt zu bekommen. Es müsste endlich tabula rasa gemacht werden, um die antiquierten Wohlstandsvorstellungen des Otto-Normalbürgers abzuräumen.

Wir sollten uns dringend auf Altersarmut einstellen, weniger reisen, kein Fleisch mehr essen, viel weniger Kinder bekommen, länger arbeiten, uns räumlich drastisch verkleinern und den Konsum einschränken.  Die fetten Jahre sind nicht nur vorbei, sondern sie kommen auch nicht wieder.

Natürlich kann keine Partei das so ehrlich sagen, weil die dann vom verblendeten Urnenpöbel keine einzige Stimme mehr bekommt.

Das deutsche Trägheitsmoment ist so enorm, daß Klartextpolitiker einfach davon absorbiert werden.

[…..] Moralvorstellungen sind selten unschuldig. Allein schon deshalb, weil nicht alle dieselben Möglichkeiten haben, den Moralvorstellungen in der Realität auch zu genügen. Das deutsche Leistungsethos, die Spartugend: Es gibt Leute, die können so viel rackern und so viel knausern wie sie wollen, die werden nicht vermögend. Die Moralisierung vertuscht solche Ungleichheiten, im schlimmsten Fall verstärkt sie sie sogar. Auch die Moral ist ungleich verteilt. […..] Viele Deutsche leben in einem Fantasieland, sie verstehen kaum oder gar nicht, wie internationale Beziehungen funktionieren. Als müsste nur jemand anrufen in Moskau und Kiew und mit einem guten Argument für den Frieden sprechen, schon gäbe es Einsicht und Waffenstillstand. Das ist ein Resultat der bewussten Zurückhaltungspolitik, die Deutschland jahrzehntelang gepflegt hat. [….]

(Historiker Frank Trentmann, 22.10.2023)

Die Deutschen drücken sich aber nicht nur davor, die Realität von heute anzuerkennen und damit unter anderem zu akzeptieren, daß wir dringend viel mehr Zuwanderung brauchen. Nein, sie verklären auch die 1950er und 1960 als die „gute alte Zeit“ ohne Migranten, Schwule, Grüne, Emanzen. Dabei waren damals schon die vielen Migranten der Schlüssel zum Erfolg.

[…..]  SPIEGEL: Die aktuelle Debatte ums Asyl ist hitzig. Die große Frage: Wie bleibt man als Gesellschaft human und trotzdem stabil?

Trentmann: Migration ist eine Frage, die alle europäischen Gesellschaften stark und immer stärker beschäftigen wird. Aber wir sollten nicht vergessen: Gesellschaften sind in der Vergangenheit mit viel größeren Zahlen klargekommen. Auch die deutsche.

SPIEGEL: Sie spielen auf die zwölf Millionen Vertriebenen an.

Trentmann: Verglichen mit der Flut der Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Zahl der Geflüchteten, die gegenwärtig Europa erreichen, ein Rinnsal. Im Jahr 1949 war jeder sechste Einwohner in der Bundesrepublik ein Vertriebener, in Schleswig-Holstein sogar jeder dritte.

SPIEGEL: Das hat für riesige Spannungen gesorgt.

Trentmann: Über eine lange Zeit, ja. In Schleswig-Holstein gab es sogar Pastoren, die im Gottesdienst gegen die Vertriebenen wetterten und die Idee vertraten, dass dahinter eine Verschwörung der Alliierten steckte, um das Deutschtum zu verdünnen. Letztlich aber wäre das sogenannte Wirtschaftswunder ohne die Vertriebenen undenkbar gewesen. [….]

(Historiker Frank Trentmann, 22.10.2023)

Es ist natürlich nicht verboten, auf diese Zusammenhänge hinzuweisen. Politiker dürfen moralisch und ökonomisch pro Migration nach Deutschland argumentieren.

Nur Stimmen bekommen sie dann nicht mehr, weil das BILD-lesende Volk lieber an nationalistischen Irrglauben festhält.

Samstag, 21. Oktober 2023

Religion goes GOP

Die meisten religiösen Gewissheiten wackelten schon so lange, daß sie längst entweder krachend umgefallen, oder aber, wie der Geozentrismus und das Zinsverbot, zu Staub pulverisiert sind.

Der Begriff „christliche Moral“ wirkt nur noch wie ein Schock-Oxymoron. Nicht nur haben katholische Geistliche weltweit Hunderttausende Kinder vergewaltigt, gequält, misshandelt, zu Tode gefoltert und anschließend die Leichen beispielsweise in Kanada tausendfach in anonymen Massengräbern heimlich entsorgt, sondern sie behindert bis heute die Aufklärung und beharren auf genau den Strukturen, die pädosexuelle Sadisten in ihre Priesterseminare ziehen.

Und dann ist da das Heilige Land, Jerusalem als Apotheose der Abrahamiten, das zu einem Symbol der Schande verkommen ist. Drei Weltreligionen mit demselben Gott, aber unterschiedlichen Schriften, die auch im Jahr 2023 damit beschäftigt sind, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Ihre jeweilige „Wir sind besser als ihr“-Überzeugung und die Unfehlbarkeit ihres Gottes, schließt Kompromiss und Frieden aus. Indem man die anderen tötet, erweist man sich als guter Gläubiger. Das betrifft sogar die christlichen Sekten, die sich auf die gleichen Schriften berufen. Rechthaberei und das Verächtlichmachen aller anderen, sind die Kernwesensarten des Christentums, so daß Christen beim Ermorden anderer Christen im 16. und 17. Jahrhundert halb Europa entvölkerten.

Ob die Tat, große Teile des heutigen Deutschlands und Frankreichs christianisiert zu haben, so vorbildlich war, darf angesichts der grausamen Religionskriege, die folgten, darf angesichts des düsteren aufklärungsfeindlichen von Christlichen Autoritäten regierten Mittelalters bezweifelt werden. Ohne den Heiligen Bonifatius auch kein Dreißigjähriger Krieg (von 1618 bis 1648), der als vermutlich verheerendster Religionskrieg Mitteleuropa entvölkerte.

 

"Hans Philipp Goßmann von Spachbrücken zu Tod geschlagen. Hans Gerhards schwangeren Frauen die Rippen entzweigeschlagen, dass sie bald gestorben. Jakob Hans Frau zu Tod geschändet. Hans Simon mit dem Gemächt ufgehängt und vollends erschlagen ... Summa: 18 Personen", endet die "Schadensliste", die man nach einem Überfall der kaiserlichen Soldaten auf das hessische Reinheim im Mai 1635 bei der zuständigen Obrigkeit einreichte.

Der Dreißigjährige Krieg zeigt sich in solchen Beispielen als Krieg schlechthin: erschlagene, gefolterte, vergewaltigte Unbeteiligte. Ausgebrannte Städte, verwüstete Dörfer, kahlgefegte Äcker. Hungersnöte, Seuchenzüge. Wer da noch lebte, lebte nicht mehr lange: "Wir Leut leben wie die Tier, essen Rinden und Gras", heißt es in einem Bibeleintrag aus den zerstörten Dörfern der Schwäbischen Alb gegen Ende des Krieges. Man ernährte sich von Eicheln und Kleie, briet Ratten, Katzen, Hunde und krepierte Pferde. [….]

(Cora Stephan 09.02.2013)

 

In den letzten Tagen habe ich mich mal wieder etwas genauer in den 30-Jährigen Krieg (1618 bis 1648) hineingelesen.
Es war bekanntlich der schwerste Religionskrieg, der jemals in Europa tobte.
Protestanten und Katholiken haben so lange aufeinander eingedroschen, bis das „heilige römische Reich deutscher Nationen“ entvölkert und verwüstet war.
Die Hälfte der Deutschen Gesamtbevölkerung wurde massakriert oder fiel Seuchen zum Opfer, die Zivilisation wurde um 100 Jahre zurück geworfen.
Die Bauernhöfe waren verwaist, der Viehbestand nahezu komplett ausgerottet.
Der Mega-Religionskrieg bescherte uns Begriffe wie „magdeburgisieren“.
Magdeburg war damals eine von den Bischöfen unabhängige Stadt mit 30.000 - 40.000 Einwohnern, die versuchte neutral und friedlich zu bleiben.
Das gefiel den Katholiken natürlich überhaupt nicht und so schickt im April 1631 die katholische Majestät Kaiser Ferdinand II den kaiserlichen Befehlshaber Tilly, der die Stadt bis auf die Grundmauern zerstört und seine Truppen anschließend so lange plündern, morden und vergewaltigen läßt, daß nach einer Zählung aus dem Jahr gerade noch 468 Magdeburger leben.
Es war aber auch nicht alles schlecht am 30-Jährigen Krieg.
Da es weit über 200 Jahre brauchte, bis die Bevölkerungszahl wieder auf den Stand vom Beginn des 17. Jahrhunderts angestiegen war, kam es zu einer großartigen Verwaldung der ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Die menschengemachte Monokultur verschwand zugunsten eines intakten Ökosystems aus Urwäldern. Und wer hat Schuld am 30-Jährigen Krieg?  Dazu gibt es selbstverständlich ein ganzes Bündel Ursachen aus unterschiedlichen Machtinteressen.
Zwei Hauptschuldige will ich aber hervorheben.

Erstens der tiefsitzende Menschenhass der Horrorreligion des Katholizismus.
Es war die katholische Kirche, die das Rad der Zeit zurückdrehen wollte und mit ihrer Marionette Ferdinand II ganz Europa rekatholisieren wollte.


Das Restitutionsedikt war eine von Kaiser Ferdinand II. am 6. März 1629 erlassene Verordnung, mit der ohne Einverständnis der evangelischen Reichsstände der Status quo des geistlichen Besitzstands im Reich wieder auf den Stand des Jahres 1552 gebracht werden sollte. Es setzte damit die katholische Interpretation des Augsburger Religionsfriedens (1555) durch.
(Wikipedia)


Die RKK war dermaßen blutrünstig, daß sie selbst nachdem schon der halbe Kontinent verwüstet war erbittert Propaganda gegen diejenigen betrieb, welche auch nur an einen Frieden dachten.
Insbesondere die Jesuiten und der Pater am Kaiserlichen Hof, Johannes Weingarten empörten sich ab dem Jahr 1633 über den katholischen Heerführer Wallenstein, der "den Krieg vernachlässige“ und nicht mehr die rechte Lust verspürte Protestanten zu massakrieren. Als auch noch Gerüchte auftauchten Wallenstein wolle Friedensverhandlungen beginnen, hetzten die katholischen Geistlichen so gegen den Kriegsmüden, daß sie seine Ermordung durchsetzen konnten.


Die zurückhaltende Art seiner Kriegführung während des zweiten Generalates [Wallensteins], seine Friedenspolitik und die dadurch hervorgerufene Sorge um den Triumph der katholischen Idee ließen am Hofe bald eine starke Partei gegen ihn erstehen, an der Spitze der Sohn des Kaisers, der spätere Ferdinand III. Sie gewann im Laufe der Zeit einen entscheidenden Einfluß auf den schwachen und schwankenden Kaiser, zumal in ihr Männer wie der bayerische Kurfürst, der böhmische Oberste Kanzler Slawata, die Jesuitenpatres Lamormaini, der Beichtvater, und Weingartner, der Hofprediger, mit Leidenschaft gegen Wallenstein wirkten.
(Uni Giessen.de)


Die zweite Hauptschuld liegt in den Charakteren der handelnden Personen, die einfach keine netten Menschen waren. Das betrifft die katholischen Heerführer und Kriegsverbrecher Johann t’Serclaes Graf von Tilly (1559-1632) und Albrecht Wenzel Herzog von Wallenstein, sowie auch den legendären Schwedischen König Gustav II. Adolf, (1594-1632).

(Historische Parallelen 31.21.2011)

Sehr viel weiter entwickelt haben sich die Religiösen nicht. Auch im 21. Jahrhundert nach Christus, sind es die christlichen Anführer wie Patriarch Kyrill I., die besonders rabiat dazu aufrufen, andere Christen zu ermorden. Auch die Friede in Nordirland wird bis heute davon bedroht, daß Protestanten katholische Kinder und Katholiken protestantische Kinder mit Steinen bewerfen.

Diese christlichen Verhaltensmuster zeigen sich selbstverständlich auch in Jerusalem. Am heiligsten Ort überhaupt, der Grabeskirche Jesu Christu, lassen Priester und Mönche regelmäßig untereinander die Fäuste sprechen.

[….] Streit um Grabeskirche: Priester prügeln sich am Heiligen Grab

Am heiligsten Ort der Christenheit, der Grabeskirche in Jerusalem, haben sich am Sonntag Priester der griechisch-orthodoxen und der armenischen Kirche eine Prügelei geliefert. Wie Augenzeugen berichteten, wurde ein griechischer Priester zu Boden gestoßen und getreten. Zwei armenische Pilger wurden vorübergehend von der israelischen Polizei in Gewahrsam genommen.  […..]

(SPIEGEL, 20.04.2008)

Die drei abrahamitischen Weltreligionen sind nach Jahrhunderten der Religionskriege und Genozide ganz offensichtlich ebenso antagonistisch zum Frieden ausgerichtet, wie sie auch gegen jegliche Moral agieren.

Die Parallelen zu den amerikanischen Republikanern drängen sich förmlich auf. Auch sie sind Christen, verehren kultisch Waffengewalt und scharen sich begeistert hinter die Anführer, die als Pädosextäter und Vergewaltiger Aufmerksamkeit erregten.

Es gibt eine dritte wichtige Übereinstimmung.
Genau wie es die GOPer gerade an der unendlichen Peinlichkeit der kontinuierlich scheiternden Speaker-Wahl zeigen, lieben es Christenanführer, sich coram publico mit ihren Hasstiraden zu blamieren. Das zeigte gerade sehr schön ein katholischer Priester im tschechischen Dorf Kurdejov.

[….] Kindergruppen hatten Anfang der Woche für ein geplantes »Lichtfest« mit spätabendlichem Laternenumzug liebevoll Halloween-Kürbisse gestaltet, die als Laternen den Wegrand in einem Park säumen sollten. Doch zwei Nächte in Folge zerstörte ein zunächst Unbekannter die Dekoration. Einige der Kinder, die erstmals am Morgen des 16. Oktober ihre Kürbisse zu Matsch zertreten vorfanden, brachen spontan in Tränen aus, berichten Mitglieder einer örtlichen Facebook-Gruppe . Über die drang dann auch der Rest der Nachricht in die Welt, denn schon am 17. Oktober wurde klar, wer der Täter war: der örtliche katholische Pfarrer Jaromir Smejkal. [….] »Als ich am Sonntagabend das Pfarrhaus verließ, sah ich zahlreiche Symbole des satanischen Festes ›Halloween‹, das in unserer heutigen, heidnischer werdenden Welt als Gegengewicht zu den bevorstehenden Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen entstanden ist, vor unserem heiligen Gelände aufgestellt. Ich handelte gemäß meinem Glauben und meiner Pflicht, ein Vater und Beschützer der mir anvertrauten Kinder zu sein, und entfernte diese Symbole.« […]

(SPON, 21.10.2023)

Freitag, 20. Oktober 2023

Völlig verfahren

Es macht keinen Spaß mehr, sich durch die zunehmend unlösbaren, apokalyptischen und zutiefst deprimierenden globalen Megaprobleme zu lesen.

Vielfach sind die Situationen derartig verfahren (Ukraine, Nahost, Iran, Klima), daß es noch nicht einmal theoretische Vorstellungen einer glimpflichen Lösung gibt.

In anderen Bereichen, welche nicht ganz so global angelegt sind, wird eine einigermaßen handhabbare Lösung auch unendlich schwer, ist aber nicht völlig ausgeschlossen. Altersarmut, Mietmarkt, Personal in Pflegeheimen sind solche  Beispiele. Aber auch hier werden wir einfach nur sehenden Auges ins Chaos schlittern, weil eine Lösung, rational, intelligent und seriös handelnden Personen voraussetzt und die haben wir nun einmal fast nie.

Man sieht das sehr schön an der hepatitisgelben Pest, mit der Olaf Scholz geschlagen ist. Solche rechtspopulistischen Quertreiber ruinieren jeden Lösungsansatz.

[….]  Ein Facebook-Post des früheren FDP-Entwicklungsministers Dirk Niebel zum Krieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas sorgt in der FDP und darüber hinaus für Irritationen. »Ich finde ja, der Gaza-Streifen gäbe einen suuuper Parkplatz am Mittelmeer«, schrieb Niebel am 9. Oktober auf seiner Facebook-Seite . Garniert ist der Post mit einem Smiley-Emoticon. [….] Niebel teilte mit, er habe nicht vor, seinen Post zu löschen. Er habe auch nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass die Palästinenser das Gebiet verlassen sollen. Als Grund für seinen Post gab er an: »Ich habe einen 40 Jahre alten ›Overlander‹, mit dem ich immer gerne an landschaftlich reizvollen Plätzen stehe. Der Gaza-Streifen hatte beim bedingungslosen Abzug Israels 2005 alle Voraussetzungen, ein solcher privilegierter Stellplatz (Parkplatz) zu werden.«  […..]

(SPON, 20.10.2023)

[…..] Wieder gibt es deutliche Kritik an fehlendem Klimaschutz im Verkehr, diesmal durch den Bundesrechnungshof. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) steht regelmäßig in der Kritik, da er keine Maßnahmen vorlegt, die die Emissionen im Verkehrssektor ausreichend senken.

👉 In einem Gutachten fordert die Behörde, das Ministerium von Volker Wissing solle "unverzüglich die Klimaschutzmaßnahmen im Sektor Verkehr aktiv steuern" und verweist auf dabei auf die Lebensgrundlagen kommender Generationen.

👉 Kritik gibt es auch aus der Opposition von der Linken-Abgeordneten Gesine Lötzsch: "Bundesverkehrsminister Wissing verfehlt alle Ziele, wenn es um den Klimaschutz geht. Er schafft es aber immer wieder, Förderprogramme genau auf das FDP-Klientel zuzuschneiden. Ich denke da an die kostspielige Förderung von Wasserstoffautos. Mit einem Tempolimit von 120km/h auf Autobahnen könnte er einen großen Teil seiner Einsparungsvorgaben für Treibhausgase erfüllen."

👉 Die Novellierung des Bundes-Klimaschutz­gesetzes wird aktuell noch im Bundestag beraten. Sie sieht vor, dass in Zukunft nicht mehr die einzelnen Sektoren ihre Klimaziele erreichen müssen, sondern nur noch die gesamten Emissionen maßgeblich sind. Davon würde der Verkehrssektor besonders profitieren. [….]

(Monitor, 17.10.2023)

[…..] FDP droht Grünen mit Ende der Ökostromförderung

[….] Grünenminister Robert Habeck schien stolz auf die Einigung, die am Dienstagabend beim Treffen der 27 EU-Energieminister gelungen war: »Europa hat heute Handlungsfähigkeit bewiesen«, ließ der Vizekanzler wissen. Und im Ministerium lobt man sich für die eigene Rolle dabei: Die Einigung sei aufgrund eines Lösungsvorschlags des deutschen Ministers zustande gekommen. [….] Doch jetzt gibt es in der Ampelkoalition Streit um den Beschluss, der in Luxemburg gefasst worden ist. Der FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler droht Habeck sogar damit, die staatliche Hilfe für den Bau neuer Wind- und Solaranlagen zu beenden. Der liberale Klimaexperte reagiert damit auf die Einigung auf dem Energieministerrat. Demnach sollen künftig sogenannte Differenzverträge für die staatliche Unterstützung der Erneuerbaren-Anlagen verpflichtend werden und das alte Fördersystem über die Erneuerbare-Energie-Umlage (EEG) ablösen. [….] »Wir haben in der Koalition mehrfach beschlossen, dass es in Deutschland keine Förderung über Differenzverträge geben wird«, sagte der FDP-Mann Köhler dem SPIEGEL. [….]

(Gerald Traufetter, 20.10.2023)

Vor ein paar Tagen hörte ich die lakonische Bemerkung, den de facto absoluten Herrscher Saudi Arabiens beeindrucke die Biden-Reise nach Israel wenig. Mohammed bin Salman Al Saud (MBS), geboren 1985, denke in ganz anderen Zeiträumen. Er werde in seiner Zeit als Alleinherrscher über das superreiche Saudi Arabien noch acht oder neun weitere US-Präsidenten nach Biden erleben.

Kein Grund also, sich von den flatterhaften, kurzlebigen Regierungsvertretern westlicher Demokratien beeindrucken zu lassen.

Das ist in der Tat auf geopolitischer Ebene ein Nachteil, der Europäer und Amerikaner sehr schwächt. Sie müssen sich dauernd Wahlen stellen, haben verglichen zu den ganz starken Männern in Peking, Moskau, Teheran, Pjöngjang oder Riad nur kurze Amtszeiten.

Zu allem Übel sind auch noch die Zeiten vorbei, in denen wir Westler international überzeugende, konstruktiv agierende Staatsmenschen wie Jimmy Carter, Susanna Agnelli, Helmut Schmidt, Willy Brandt, Bruno Kreisky, Anna Lindh, Olof Palme, Bill Clinton, François Mitterrand, Felipe Gonzales, Martti Ahtisaari oder Jacinda Ardern wählen.

Heute holt sich der internationale demokratische Urnenpöbel freiwillig Leute wie Boris Johnson, Silvio Berlusconi, Liz Truss, Donald Trump, Victor Orbán, Recep Tayyip Erdoğan, Andi Scheuer, Jens Spahn, Horst Seehofer, Julia Klöckner, Christian Lindner, Marco Buschmann, Volker Wissing oder demnächst gar Fritze Merz in die Regierungspaläste.

Dann muss man sich natürlich nicht wundern, wenn wir sogar an lösbaren nationalen Problemen auf ganzer Linie scheitern.