Montag, 23. Mai 2022

Nachtrag zu Massenvergewaltigungen.

In Kriegen kommt es oft zu Vergewaltigungen.

Im Mittelalter (und in einigen Kulturen bis heute) nannte man es „Schänden“, weil aufgrund der religiösen Amoral das Vergewaltigungsopfer anschließend die Schande zu ertragen hat und nicht etwa der Täter.

Die Opfer wurden nicht nur durch Sex und Gewalt gedemütigt, sondern wurden noch zusätzlich durch die soziale Ächtung in ihrer eigenen Familie/Gesellschaft psychisch schwer verletzt.

Es ist eigentlich kaum zu fassen, daß Vergewaltigung als Kriegswaffe erst in den 1990er Jahren auf dem Balkan das erste mal systematisch erfasst wurde und tatsächlich erst im 21. Jahrhundert als „Kriegswaffe“ betrachtet wird.  Auf dem Balkan gab es neben dem gewalttätigen Effekt, also der möglichst umfassenden Zerstörung und Demütigung des unterlegenen Volkes, zusätzlich noch um den „ethnischen Effekt“. Die muslimischen Bosniaken sollten durch christliche Serben geschwängert werden, um so „die Gene Serbiens“ zu verbreiten und die muslimischen Kinder zu verdrängen.

[….]  In einer Diktatur werden Personen, die politisch anderer Meinung als die Herrschenden sind, oft verfolgt. Der Staat will von diesen Menschen keine Kritik hören, will sich von ihnen nicht stören lassen. Deswegen heißt es in Diktaturen immer wieder, dass der Staat von diesen Kritikern "gesäubert" wird. Dieser Begriff der „Säuberung“ ist besonders niederträchtig. Denn damit soll der Eindruck erweckt werden, dass diese Menschen einen Staat beschmutzen oder dass sie selbst Schmutz wären. Solche politischen "Säuberungen" fanden im 20. Jahrhundert in großem Ausmaß statt. [….]  dieser menschenverachtenden Politik ist auch die sogenannte "ethnische Säuberung". "Ethnie" ist ein griechisches Wort und bezeichnet eine Gruppe von Menschen, die die gleiche Kultur oder Abstammung verbindet. Wenn eine solche Gruppe verfolgt und vertrieben wird, spricht man von „ethnischer Säuberung“. In den 1990er Jahren gab es brutale Verfolgungen in Bosnien-Herzegowina oder auch im afrikanischen Staat Ruanda, wo bis zu einer Million Menschen starben. [….]  Dieses hässliche, menschenverachtende Wort wurde in die Liste der hundert „Unwörter“ des 20. Jahrhunderts aufgenommen. […]

(Gerd Schneider / Christiane Toyka-Seid, bpb 2022)

Ob es sich bei der Vergewaltigung als Kriegswaffe überhaupt um Sexualität, oder nicht weitgehend um Gewalt handelt, ist eine weitere Frage, die ich in letztem Sinne beantworten würde.

(…) Aber eine Vergewaltigung als Machtdemonstration verwundert schon, wenn man die biologischen Voraussetzungen bedenkt. Das Opfer will offenbar nicht, es gibt kein Gleitgel von Beate Uhse und der eigentlich heterosexuelle Vergewaltiger muss offensichtlich blitzartig eine sehr stabile Erektion generieren.  Für die meisten Menschen sollte aber doch eine derart gewalttätige Situation, voller Angst und Schmerzen, gerade eben nicht sexuell erregend sein. Also, wie klappte das, über 2.000 Jahre vor der Erfindung des Viagras?

Tatsächlich beruht diese Frage aber auf einem Denkfehler, der Erektion und Analverkehr automatisch mit Sex assoziiert.  Darum geht es in diesem Fall aber gar nicht, sondern um Gewalt.  (…)

(Menschen sind widerlich, 07.05.2022)

Joshua Beer und Christoph Koopmann, die beiden Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung in Kiew, berichten ausführlich über die Massenvergewaltigungen durch russische Soldaten in der Ukraine. Opfer sind neben Frauen und Mädchen, auch Jungs und Männer.

Offenkundig gibt es hier weniger einen ethnischen oder religiösen Hintergrund – schließlich sind Täter, wie Opfer slawische orthodoxe Christen.  Die SZ-Autoren beleuchten aber den sexuellen Aspekt.

[…] "Die Vergewaltigung ist häufig - für Täter wie auch Opfer - die erste sexuelle Erfahrung", so Skjelsbæk. Mit furchtbaren Folgen, die vorrangig die Vergewaltigten tragen.  Viele Fälle werden gar nicht erst gemeldet, aus Angst vor dem sozialen Stigma, das einer solchen Tat anhaftet. In manchen tief religiösen Kreisen etwa - und nicht nur dort - gelten Vergewaltigte heute noch als mit einem Makel behaftet, als gebrandmarkt. Es liegt an der Gesellschaft, ein solches Stigma nicht zuzulassen. […]

(SZ, 20.05.2022)

Aus den schon genannten Gründen, halte ich die Darstellung von Inger Skjelsbæk, Professorin am Friedensforschungsinstitut Oslo (Prio), für fragwürdig. Oder zumindest für erklärungsbedürftig. Die geschilderten Kriegsverbrechen sind nicht in erster Linie eine „sexuelle Erfahrung“, sondern eine Erfahrung brutaler Gewalt.

Aber Joshua Beer und Christoph Koopmann weisen auf einen anderen Aspekt der „Kriegswaffe Vergewaltigung“ hin, den ich bisher nicht so klar beschrieben hatte.

Es geht nicht nur darum, den Feind zu strafen, zu quälen, zu „schänden“ und damit zu schwächen oder zu vernichten, sondern es macht auch etwas mit den Angreifern, das für die Kriegsherren wünschenswert ist.

[…] Dass Soldaten im Krieg vergewaltigen, hat vielfältige Gründe. Der wohl offenkundigste ist die Auswirkung der Gewalt, mit der sie im Kampf immer wieder zu tun haben. Je mehr sie diese erleben, erfahren und selbst verüben, desto stärker sinkt in dieser "Gewaltspirale" die Hemmschwelle zur Grausamkeit - so beschreiben es Forschende. Damit fällt auch das Tabu von Folter und Vergewaltigung. Hinzu kommt die praktische Straffreiheit, die die Täter bislang häufig genossen. "Vergewaltigung wirkte legal, weil sie keine Konsequenzen nach sich zog", sagt Inger Skjelsbæk. […] Vergewaltigung erfüllt im Krieg aber noch einen viel pragmatischeren Zweck als das Herabsetzen des Gegners. Auf der Täterseite, sagt Friedensforscherin Skjelsbæk, "schafft sexuelle Gewalt sozialen Zusammenhalt", das Tabuverbrechen schweiße die Soldaten zusammen. Ein Effekt, den die russische Armee in der Ukraine besonders nötig hätte. Vieles deutet auf eine niedrige Kampfmoral hin, bekanntlich kämpfen vor allem junge, womöglich verunsicherte Männer. [….]

(SZ, 20.05.2022)

So abartig es klingt, so einleuchtend erscheint es mir: Die jungen russischen Soldaten, tausende Kilometer fern der Heimat, die gar keinen Drang verspüren Ukrainer zu töten und dementsprechend demotiviert Krieg führen, werden als Massenvergewaltigungstäter enthusiastischer für das Morden und Krieg führen im Allgemeinen.

Homo Homini Lupus.

Sonntag, 22. Mai 2022

Staatliche Fehlanreize.

Wenn man den Kapitalismus frei agieren lässt, konzentriert sich das Vermögen immer mehr bei den Superreichen.  Was Karl Marx schon wußte, bestätigt sich weltweit jeden Tag.

Der SPIEGEL titelte gestern: „Die feudalistische Welt der Superreichen.“ Weltweit sind in den letzten 20 Jahren die Spitzensteuersätze drastisch gesunken.  Nominale Steuersätze sind aber eine theoretische Größe. Durch intensiven Lobbyismus und gezielte Parteispenden, wurden die Steuersysteme so perfekt auf Milliardäre zugeschnitten, daß keiner von ihnen auch nur annähernd so einen hohen Steuersatz wie ein Durchschnittsverdiener befürchten muss.

Warren Buffett besitzt 109,8 Milliarden Dollar, also rund 110.000 Millionen Dollar. Sein Steuersatz, die »true tax rate«: 0,01%.

Davon können die sprichwörtliche Krankenschwester oder der Malermeister nur träumen.

[…] Während US-Normalverdiener 2021 zwischen 22 und 37 Prozent Einkommensteuer zahlten, kamen die 25 reichsten Amerikaner, unter Berücksichtigung ihrer aufgeblasenen Verlustrechnungen, mit im Schnitt nur 3,4 Prozent davon – obwohl sie laut »Forbes« von 2014 bis 2018 insgesamt 401 Milliarden Dollar dazuverdient hatten. Erst so können sie sich auch ihren luxuriösen Lifestyle finanzieren, mit Anwesen, Jachten und Privatjets auf Pump. Was die Reichen an den Fiskus abführten, entsprach bei Weitem nicht ihrer wirtschaftlichen Potenz.

Setzt man die ProPublica-Berechnung an, betrug Elon Musks errechneter Einkommensteuersatz von 2014 bis 2018 lediglich 3,3 Prozent. Michael Bloomberg führte 1,3 Prozent ans Finanzamt ab und Jeff Bezos ein Prozent. 2011 schaffte er es als einer der reichsten Männer der Welt sogar, eine Sozialleistung zu ergattern: 4000 Dollar Kinderbonus.

Als am trickreichsten entpuppte sich aus­gerechnet jener Multimilliardär, der sich oft als »guter« Reicher verklären lässt: Warren Buffett vermehrte sein Vermögen von 2014 bis 2018 um 24,3 Milliarden Dollar. Und zahlte nur 23,7 Millionen Dollar Steuern – umgerechnet 0,1 Prozent. […]

(DER SPIEGEL Nr.21, 21.05.2022, s.11)

Da Multimilliardäre automatisch Globalisten sind, können sie nationale Regierungen gegeneinander ausspielen. Bezos, Musk und Co werden erst dann eine Mindeststeuer bezahlen, wenn sich die Staaten international einigen und dazu muss es in den einzelnen Parlamenten Mehrheiten für globale Mindeststeuern geben.

Die bekommt man aber fast nie, weil die Deutschen mehrheitlich CDU/CSU/FDP wählen, die Briten Johnsons Konservativen eine absolute Mehrheit gaben und die US-Amerikaner den Kongress mit Republikanern fluten.  So kann Joe Bidens im März vorgestellte “Billionaire Minimum Income Tax (BMIT) that would require the wealthiest Americans to pay at least 20% on all income” mit heftiger Gegenwehr im Kongress rechnen.  Amazon-Chef Bezos, 133 Milliarden Dollar schwer und mit einer Mini-»true tax rate« von 0,9% gesegnet, ist empört.

[….] Das hält Bezos nicht davon ab, weiter gegen jede Art von Umverteilung zu schießen. Diese Woche attackierte er öffentlich die bereits gescheiterten Pläne von US-Präsident Joe Biden, die Steuern für multi­nationale Konzerne und Reiche zu erhöhen, um damit neue Programme für Schulbildung und gegen den Klimawandel zu finanzieren. Mehr staatliche Ausgaben würden lediglich die Inflation treiben, tönte Bezos. Deswegen sei es gut, wenn die Pläne des Präsidenten scheiterten. [….]

(DER SPIEGEL Nr.21, 21.05.2022, s.11)

0,9% Steuern für ihn, 30% für den Durchschnittsamerikaner, der bei ihm einkauft. So gefällt das Space-Jeff.

Die Wähler sind es also selbst, die es ermöglichen, von Bezos und Co ausgelacht zu werden. Auch weil sie tumb aus Bequemlichkeit alle bei Amazon bestellen, statt auf steuerlich in Deutschland beheimatete Firmen zu setzen.

[….] Wer im modernen Kapitalismus mit seinen riesigen Finanzmärkten und globalen Investmentmöglichkeiten erst einmal richtig reich ist, wird fast zwangsweise immer reicher, »mit extremen Zuwachsraten«.  [….]

(DER SPIEGEL Nr.21, 21.05.2022, s.11)

Den nationalen Regierungen fehlt die Kraft sich gegen die immer gefräßigeren Multimilliardäre zur Wehr zu setzen. Sie unterhalten dafür keine Unterstützung vom Volk. Gerade die Jugendlichen, die „Gen Z“, verehren ihre sie auspressenden Milliardäre Kylie, Jenner, Musk, Buffett und Zuckerberg. Sie kaufen bei ihnen, folgen ihnen in den sozialen Medien, liken ihre Prass-Orgien und sie wählten bei der Bundestagswahl 2021 lieber Lindners Millionärs-affine FDP, als Olaf Scholz, der für die SPD etwas erreicht hatte, das Lindner gar nicht leiden kann: Globale Mindeststeuern.

[…]  Jahrzehntelang haben Politiker*innen darüber debattiert, Olaf Scholz schafft jetzt endlich Tatsachen: Er sorgt für weltweite Steuergerechtigkeit. Die globale Mindeststeuer in Höhe von 15 Prozent und eine neue Verteilung der Besteuerungsrechte unter den Staaten soll 2023 in Kraft treten. Bis Oktober dieses Jahres sollen die letzten Fragen geklärt werden, anschließend sollen die Staatsoberhäupter der G20-Staaten zustimmen.  Die Steuerrevolution ist ein Jahrhundertprojekt, das Olaf Scholz dank seiner exzellenten internationalen Vernetzung und großen Regierungserfahrung verwirklicht. In Venedig sprach er von einem „großen geschichtlichen Moment“. „Die G20-Staaten haben sich jetzt hier darauf verständigt, dass sie eine neue Ordnung der internationalen Besteuerung miteinander vereinbaren wollen“, sagte er. Am Ende der Minister-Debatte sei Szenenapplaus ausgebrochen. [….]

(SPD, 10.07.2021)

Die Wähler hätten es in der Hand gehabt, Deutschlands Superreichen einen höheren Steuersatz aufzuzwingen – Grüne, Linke und SPD hatten das im Programm. Aber der Urnenpöbel verhinderte es, sorgte dafür, daß es keine Regierung ohne FDP geben kann.

Die Fehlanreize setzte die Ampel-Regierung auf Druck des FDP-Finanzministers Lindner und des FDP-Verkehrsministers Wissing weiter:
Keine Steuererhöhungen für Milliardäre, keine Vermögenssteuer, keine höhere Erbschaftssteuer, kein Tempolimit.

Im aktuellen Entlastungspaket der Bundesregierung, bekommt der Porschefahrer beim Tanken ordentlich was dazu – das hilft den Superreichen und schadet der Umwelt. Ein Rentner mit Grundsicherung, der sich ohnehin kein Autos leisten kann und somit klimaverträglicher lebt, geht leer aus.

Lindner geht gießkannig-kontraproduktiv vor, wie wir es beispielsweise vom Kindergeld kennen, das auch Milliardäre als Beihilfe erhalten, statt bei denen zu laden, die es brauchen. Die FDP-Handschrift sorgt aber zusätzlich dafür, daß die Bedürftigsten, gar nicht entlastet werden.

[…] Die Energiepauschale sei "extrem unausgewogen und ungerecht", kritisiert Verena Bentele, die Präsidentin den größten Sozialverbands VDK, der mehr als 2,1 Millionen Mitglieder berät. Zwei Bevölkerungsgruppen gehen nämlich leer aus: Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner. "Ich gebe Ihnen ein Beispiel", sagt Bentele, "Herr Lindner als Finanzminister kriegt die 300 Euro, nach Abzug von Steuern bleiben ihm 180 übrig. Eine Rentnerin oder Rentner mit geringer Rente kriegt nichts und muss halt schauen, wie er oder sie die Nebenkosten-Nachzahlung bewältigt. Und da beschweren sich unsere Mitglieder zurecht bei uns, dass das extrem unfair ist."  Geht es nach dem Sozialverband, dann wäre es fair, wenn ausnahmslos alle Menschen die Energiepauschale bekämen. Auch jene, die Grundsicherung beziehen oder Hartz IV. Je nach Steuerklasse würde der Nettoertrag dann schrumpfen - so wie im Beispiel mit Finanzminister Lindner. "Auch eine Einkommensdeckelung wäre denkbar", sagt Bentele, "damit nicht Leute, die in gut isolierten Wohnungen wohnen oder in Ballungsräumen, dann am Ende auch noch am meisten profitieren."  [….]

(SWR, 12.05.2022)

Man könnte meinen, die Ukraine-Katastrophe, die enorme Verteuerung der Energieträger, könnte für mehr Regierungsmut sorgen, um unabhängiger von Erdgas und Erdöl zu werden.  Wir brauchen kleinere, umweltfreundlichere Autos, die weniger Benzin schlucken. Es passiert das Gegenteil.

[….] Immer mehr SUVs auf den Straßen.   Die veränderten Vorlieben der Deutschen beim Autokauf machen sich immer stärker im Fahrzeugbestand bemerkbar. Inzwischen ist fast jeder zehnte zugelassene Pkw ein SUV, wie aus Daten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) hervorgeht. Viele klassische Segmente schrumpfen dagegen.

Stand 1.Januar waren laut KBA 4,82 Mio. SUVs zugelassen. Das waren 9,9 % des Gesamtbestands und 12,2 % mehr als 2020. Noch stärker gewachsen ist der Bestand an Wohnmobilen (+ 13,7 %). Der Bestand an Geländewagen wuchs um 5 %; der der Kompaktklasse sank um 1,5 %  (Kleinwagen -0,7/Mittelklasse -2,4). [….]

(ARD, 22.05.2022)

Es wäre schön, in so einer Lage, den jubilierenden Multimilliardären, die steuerfrei immer schneller immer reicher werden, wenigstens eine Links-Partei entgegen zu setzen, die im Bundestag entsprechend Druck macht und eine so seriöse Opposition abgibt, daß sie als Regierungspartei in Frage kommt.

Leider haben wir an dieser Stelle nur eine auf Schwurbel-Abwege geratene 1%-Partei, die sich noch nicht mal von ihrem Putin-affinen Covidioten-Covergirl Sahra Sarrazin lösen kann.

Samstag, 21. Mai 2022

Flexible Hetzer

Es ist beeindruckend, wie geräuschlos die AfD ihre Kernthemen komplett austauschen konnte.

Man hat es schon fast vergessen; Gender-screaming Brülläffin von Storch war einst als Retterin der D-Mark angetreten.

(….) Natürlich erfordert es auch eine gewisse Flexibilität, um immer wieder neue vulnerable Minderheiten zu finden, gegen die man hetzt. (….) Aber auch die AfD zeigte bisher echtes Geschick darin Hass erst ordentlich anzufachen, dann auf der Welle zu reiten und schließlich das Pferd zu wechseln, wenn die Wählerschaft nicht mehr genügend Missfallen und Sadismus wider des zu demütigenden Subjekts empfindet.

Zunächst wetterten die AfD-Größen Lucke, Henkel und Co gegen den Euro, die EU-Mitgliedschaft, die angeblich arbeitsscheuen Südeuropäer.

Als aber irgendwann selbst den blödesten Nationalisten dämmerte, daß eine Rückkehr zur D-Mark zu viele Nachteile hätte und Deutschland ohne seine EU-Mitgliedschaft auch seinen dominierenden Einfluss auf Europa verlöre, sattelten die AfD-Führer geschwind um.

Alle ökonomischen Ansätze wurden flugs unter den Teppich gekehrt und stattdessen zog nationalistisches Gedankengut ein.

Völkisch statt Volkswirtschaft.  Es ging nun gegen Flüchtlinge, gegen den Islam und schließlich immer deutlicher um puren Rassismus.

Jede News-Meldung, in der auch nur im entferntesten Sinne Dunkelhäutige vorkamen – und wenn auch nur als mögliche Involvierte – wurde begeistert hochgepuscht. (….) Völkische Sprachbilder, arische Ideologie ließen sich vortrefflich insbesondere in Ostdeutschland inszenieren. AfDler griffen immer ungenierter zu Hitler-Symbolik mit Fackelzügen und Brandanschlägen.

Aber auch die schönste Themenzeit der politisch Braunen ging langsam zu Ende, als einerseits immer weniger Flüchtlinge kamen und andererseits all die düsteren Prognosen nicht nur nicht eingetroffen waren, sondern Deutschland gerade weil es so viele Flüchtlinge aufgenommen hatte, ökonomisch besser dastand als die Nachbarn. Die Integrationsmaßnahmen waren echte Konjunkturpakete und die Wirtschaftsunternehmen lechzen geradezu nach Nachwuchs.

Ganze Branchen – Handwerksbetriebe, Serviceberufe, der medizinische Bereich – wären ohne Migranten sofort pleite.  Das Thema ebbte ab, die AfD sank in den Umfragen.

Aber da kam Corona und wieder einmal sprang die Alternative für Doofe in alter Skrupellosigkeit auf das neue Thema.

Zu Beginn der Pandemie malten die AfD-Parlamentarier das Thema dunkelschwarz, hielten der Regierung empört Untätigkeit vor, forderten drastische Maßnahmen gegen die Seuche aus Asien. Es passte auch zu schön in die vorherigen Forderungskataloge der Kalbitz-Weidel-Bande: Ausländer raus, Grenzschließungen, Abschottung Deutschlands.

Der Lockdown kam, Corona dominierte die Politik der Welt, fast jeder musste sein Alltagsleben ändern.  Amoralisch hochflexibel focht die AfD nun für das diametrale Gegenteil ihrer ersten Forderungen. Nun bestritt sie die Gefährlichkeit des Sars-CoV2, lehnte social distancing, Maskenpflicht und Ladenschließungen ab.

Es entwickelte sich die nun so bekannte Covidioten-Szene, die sofort heftig von der AfD umgarnt wurde.  Nun stehen die Rechtsaußen für den Alu-Hut. Ihnen ist keine noch so abstruse Verschwörungstheorie zu dämlich. Querdenker, Impfgegner, Anti-Maskers, Attila Hildmann, AfD, Xavier Naidoo sind zu einem einzigen hirnfreien Alu-Amalgam geworden. (….)

(Thematischer Aufbruch in der AfD, 13.02.2021)

Die Corona-Pandemie ist nicht vorbei, aber da nun der Ukraine-Krieg die öffentliche Diskussion bestimmt, schwangen sich die AfD-Brüllaffen flugs auf den nächsten Baum und geben nun die Putin-Trolle.

[….] Steffen Kotré [….] Abgeordneter der AfD, [….]  Kotré lässt sich es sich nicht nehmen, grundsätzlicher zu werden. Man müsse, wenn man über das Leid rede, das durch den russischen Angriffskrieg entstanden sei, immer auch die Mitschuld des Westens betrachten, sagt er.  Die Ukraine bezeichnet Kotré als Aufmarschgebiet der USA, um Russland zu destabilisieren, und er fügt hinzu: "Und wenn wir darüber reden, dann müssen wir auch über die Biowaffen-Labore reden, die gegen Russland gerichtet sind." Er spricht damit einen Dauerbrenner aus dem Reich der russischen Desinformation im Bundestag aus, eine der Lügen Putins, um seinen Angriff zu rechtfertigen. Verbindungen nach Moskau. Überraschend kommen die Aussagen Kotrés nicht. Schon länger pflegt er enge Verbindungen nach Moskau und tritt auch regelmäßig in russischen Staatsmedien auf.   [….]

(Martin Schmidt, ARD-Hauptstadtstudio, 01.04.2022)

[….]  Chrupalla steht emblematisch für die Nähe der AfD zu Putins Russland. Wie wohl kaum ein anderer AfD-Politiker pflegte er noch in jüngerer Vergangenheit demonstrativ Kontakte zum Kreml. Im Dezember 2020 weilte der Parteichef mit einer kleinen AfD-Delegation rund drei Stunden zu einem Arbeitsessen beim russischen Außenminister Sergej Lawrow, im Juni 2021 war Chrupalla erneut in Moskau, diesmal im russischen Verteidigungsministerium. Dazwischen besuchte auch seine Fraktionskollegin Alice Weidel Moskau – im März 2021 führte sie Gespräche im Außenministerium und mit der russischen Zentralbank.

In den vergangenen Jahren waren AfD-Politiker, ob aus Ost oder West, immer wieder gern gesehene Interviewpartner beim Propaganda-Staatskanal »Russia Today«. Oder sie weilten wie der damalige sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme sogar auf Kosten des Auswärtigen Ausschusses der Duma im März 2018 auf der von Russland annektierten Krim.

Oehmes Besuch war kein Einzelfall, zuvor hielten sich auch acht AfD-Landtagsabgeordnete auf der Halbinsel auf, »privat«, wie sie indes betonten. Auch sorgten Besuche des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier auf der Krim und in den von russischen Separatisten besetzten Gebieten im Osten der Ukraine in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen.  [….]

(SPIEGEL, 01.05.2022)

Wenig überraschend; auch Deutschlands vielleicht perfidester Hetzer David Berger; pöbelt gegen die Ukraine, macht sich die Kreml-Propaganda zu Eigen.

Für den Fall, daß die Sympathien für Putin weiter schwinden, bereiten die rechten Hetzer schon mal eine neue Sau, die sie durchs Dorf treiben wollen.

Die Affenpest-Panik!

Ein Thema, wie gemacht für Verschwörungstheoretische Nazis. Darin gibt es dubiose Ängste, für Laien schwer verständliche medizinische Zusammenhänge, dreckige zoophile sexuelle Andeutungen, man kann mit Affenvergleichen nach Herzenslust gegen Migranten hetzen und es bietet sich mustergültig an, um an die schwachsinnigen Corona-Verschwörungen anzuknüpfen.

Berger hat schon den Urheber und Profiteur der neuen Pest ausgemacht: Karl Lauterbach.

[….] Lauterbach hoffnungsvoll: Das neue Corona könnte Leoparden- oder Affenpocken heißen. [….]   Lauterbach hat offensichtlich inzwischen als einer der Letzten bemerkt, dass sich mit Corona kein Blumentopf mehr gewinnen lässt. Deshalb bereitet er jetzt mit seinen Kollegen eine neue Epidemie vor. Jetzt ist nur noch die Frage offen: werden es die Affen- oder Leopardenpocken? [….] Dabei soll es diesmal gar nicht erst mit Kleinklein anfangen, sondern das soll das ganz große Ding für alle Biohazard-Fetischisten werden:

[….] Was die Leopardenpocken mit den Affenpocken, vor deren rascher Ausbreitung in Europa heute morgen der WHO-Chef gewarnt und zu neuen Lockdwonmaßnahmen geraten hat, zu tun haben, scheint noch nicht so ganz klar. Auch ob die Leopardenpocken sich ein – wie vermutlich die Affenpocken – v.a. unter Männern verbreiten, die mit Männern Sex haben, ist noch nicht klar.

Ob die nun von Lauterbach für 830 Millionen Euro bestellten zusätzlichen Impfdosen genauso zuverlässig und wirkungsfrei wie sie gegen eine Covid-Infektion wirken auch gegen die Leopardenbisspocken eingesetzt werden können, wurde noch nicht bekannt gegeben. Auch ob es sich bei diesem Erreger um den von Bill Gates bereits im Februar für den kommenden Herbst hoffnungsvoll angekündigten neuen Pandemieauslöser handeln wird, ist ebenfalls in Fachkreisen noch umstritten.  [….]

(Die braune Pest Berger, 21.05.2022)

Eigentlich erstaunlich, woran wir zukünftig noch leiden werden, wenn man bedenkt, daß laut Berger und AfD bereits die Euro-Einführung 2020 und die Migrantenkrise 2015 Deutschlands Untergang besiegelten.

Freitag, 20. Mai 2022

Kein Geld für die Kirche!

Die Deutschen spenden gegenwärtig mehr als üblich.

[…] Die Deutschen haben Im Kalenderjahr [2021] rund 5,8 Milliarden Euro gespendet. Das ist das beste Ergebnis seit Beginn der Erhebung im Jahr 2005. Im Vergleich zum bereits sehr guten Vorjahr stieg das Spendenniveau erneut um deutliche 7%. Damit wurde die realistisch optimis-tische Prognose für das Gesamtjahr 2021 (+8%) fast erreicht. Das sind Ergebnisse der GfK-Studie „Bilanz des Helfens“, die jährlich im Auftrag des Deutschen Spendenrats durchgeführt wird. […] Rund 20 Millionen Menschen haben im Kalenderjahr 2021 Geld an gemeinnützige Organisationen oder Kirchen gespendet, was 30,1% der Bevölkerung entspricht. [….]

(Spendenrat, 02.03.2022)

Ob nun 5,8 Milliarden viel oder wenig sind, ist relativ, wenn man bedenkt, daß wir neben dem normalen Verteidigungsetat von 50 Milliarden Euro noch mal 100 Milliarden Bundeswehr-Sondervermögen drauflegen können.

5,8 Milliarden Euro sind mehr als sonst, aber eben auch weniger als die Hälfte dessen, was sich die deutschen Kirchenmitglieder klaglos jedes Jahr an Mitgliedsbeiträgen abzwacken lassen.

[…] Im Jahr 2020 nahm die Katholische Kirche rund 6,45 Milliarden Euro und die Evangelische Kirche etwa 5,63 Milliarden Euro durch die Kirchensteuer ein.  [….]

(J. Rudnicka, 24.01.2022)

Einen noch mal deutlich höheren Betrag schenkt der Staat der globalen Kidnerfi**erorganisation dazu, indem er sie als gemeinnützig anerkennt und damit von allen Steuern befreit.   Weitere 602 Millionen Euro überweisen die Bundesländer im Jahr 2022 im Zuge der dubiosen anachronistischen Staatsleistungen. Die inzwischen mehrheitlich konfessionsfreien Bundesbürger zahlen aber auch Bischofsgehälter oder Priesterausbildungen. Und selbstredend bezahlt der Staat auch den Unterhalt der kirchlichen Schulen, Kitas, Altenheime und Krankenhäuser. Die Kirche klebt sich nur das Image des sozialen Wohltäters auf, lässt aber Atheisten für ihre guten Werke zahlen, während sie sich auf dem gewaltigen eigenen Vermögen ausruht.

Aber zurück zu den Spenden. Wenn Katastrophen oder Kriege zu Medienereignissen werden, spenden die Deutschen noch mehr.

Ahrtal-Flut und Ukraine-Krieg öffneten nochmal das Portemonnaie.

[…] Im Kriegsmonat März 2022 steigt das private Gesamtspendenvolumen gegenüber dem Vorjahresmonat um enorme 163% (565 Millionen Euro). Dies ist ein Teilergebnis der von GfK im Auftrag des Deutschen Spendenrates durchgeführten Erhebung zur „Bilanz des Helfens“.  Insgesamt wurden allein im ersten vollständigen Kriegsmonat März 912 Millionen Euro von 8,75 Millionen Spenderinnen und Spendern aufgebracht. Gegenüber dem durch die Coronapandemie hinsichtlich der Spendenentwicklung stark positiv geprägten Vorjahresmonaten war dies eine deutliche Steigerung. So wurden im März 2020 352 Millionen Euro und im März 2021 347 Millionen Euro gespendet. Die 912 Millionen Euro aus dem März 2022 entsprechen einer Steigerung um ganze 163% gegenüber der Summe aus dem März 2021. Das durchschnittliche Volumen eines Spendenaktes betrug 61 Euro (Vorjahresmonat 36 Euro) und das durchschnittliche Spendenvolumen pro Spenderinnen und Spender 104 Euro (Vorjahresmonat 65 Euro).  Besonders beachtenswert ist auch, dass die im März 2022 gespendete Summe durch 8,75 Millionen Spenderinnen und Spender aufgebracht wurden. [….]

(Spendenrat, 03.05.2022)

Mal abgesehen von wirklich armen Leuten, die gar kein Geld übrig haben, sollte jeder spenden. Es geht uns in Deutschland unvergleichlich gut und insbesondere in der Frage des Hungers fehlt es den Hilfsorganisationen immer noch an Mitteln.

Kaum zu glauben, aber wahr: Viele der Flüchtlinge aus Nahost und Afrika fliehen aus Flüchtlingslagern, weil dort die elementare Versorgung so prekär ist, daß man dort nicht bleiben kann, wenn man überleben will. Das gilt beschämenderweise auch für Lager auf europäischen Boden – Lesbos, Moria, Lampedusa.

Wer überhaupt spendet, wird schnell von Spendeneintreibern bemerkt und sieht sich einer Flut von Spendengesuchen ausgesetzt. Das ist keineswegs verwerflich, denn es gibt tatsächlich eine Flut von Opfern, die dringend finanzielle Hilfe benötigen. Hilfsorganisationen sollen andererseits nicht unnötig viel Geld für die Selbstverwaltung und Spendenakquise ausgeben, also schreiben sie nicht wahllos jeden an, sondern konzentrieren sich richtigerweise auf die Menschen, die schon als bereitwillige Spender bekannt sind.

Ich spende an Vereine, in denen ich Fördermitglied bin, die ich daher gut kenne. Ich spende an konkrete Projekte und ich spende im Zweifelsfall an professionelle Organisationen wie das 1951 entstandene UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR (Friedensnobelpreis 1981) oder die 1971 in Frankreich geründeten Médecins Sans Frontières (MSF), Ärzte ohne Grenzen. Die weltweit größte private medizinische Hilfsorganisation erhielt 1999 den Friedensnobelpreis.

Bei den beiden Adressen ist man im Zweifelsfall richtig.

Natürlich gibt es unter den Spendensammlern auch viele schwarze Schafe, globale Enkeltrickbetrüger gewissermaßen.

Bevor man also eine Überweisung tätigt, immer erst mal beim Spenden-TÜV prüfen, wer wirklich hinter einem Spendengesuch steht.

Aber wenn man sich die Recherche sparen will, reichen zwei einfache Grundregeln:

1.    Eine Organisation, die schon mal einen Nobelpreis bekam, ist gut.

2.   Spende nie an christliche Organisationen.

Christliche Kirchen sind notorische Geld-an-sich-Raffer, behalten die Spenden lieber selbst.

Das sieht man schon von außen, Stichwort Tebartz-van-Elst-Residenz oder das Kardinal Marx Palazzo Prozzo in Rom.

Luxusresidenzen für zweistellige Millionenbeträge kann man sich nicht anschaffen, wenn man bescheiden und altruistisch die Spendeneinnahmen tatsächlich an die Bedürftigen weiterreicht.

[…]  Schummelverdacht beim katholischen Hilfswerk Missio - was geschieht mit den Spenden? […] 51,2 Millionen Euro hat das päpstliche Missionswerk 2020 eingenommen, und wer vorn im Bericht an den großen Bildern kleben bleibt, der muss glauben: Das Allermeiste davon landet in armen Ländern. Bei Pfarrern und Nonnen, die Gutes tun, bei der kirchlichen Nothilfe in den Jammertälern der Erde.  

Schön wär’s.

Tatsächlich bleibt ein großer Batzen dort hängen, wo die Not am kleinsten ist: in Deutschland und in der tipptopp renovierten Missio-Zentrale.  Jenseits der schönen Fotos kann man weiter hinten im Jahresbericht sogar die Zahlen finden, die in dieses Bild zu passen scheinen. Sortiert nach Weltgegenden, steht dort, wie viel Geld Missio für Projekte im Ausland bewilligt hat – 28,7 Millionen Euro. Bleiben demnach 22,5 Millionen übrig, die offenbar in Deutschland geblieben sind. Mehr als 40 Prozent.  Noch trüber sieht die Sache aus, wenn man sich die Einnahmen genauer anschaut. Knapp 14 Millionen Euro bekommt Missio aus der Kirchensteuer. Die sind strikt zweckgebunden, landen fast komplett auf der Südhalbkugel. Was aber umgekehrt bedeuten würde: Von den restlichen 37 Millionen Euro, darunter all die Spenden barmherziger Christen, sollte anscheinend nicht mal jeder zweite ins Ausland gehen. […]

(SPON; 20.05.2022)

Donnerstag, 19. Mai 2022

Üble Aussichten im Kreml.



[Die Lektion des kalten Krieges] ist die Lektion des Wahnsinns, die damals treffend mit den drei Buchstaben MAD zusammengefasst wurde: »mutual assured destruction« – gegenseitig zugesicherte Zerstörung. Oder, wie ein grotesker Vergleich lautete, der leider nicht so grotesk war wie die Wirklichkeit: Wir sind wie siamesische Zwillinge, von denen keiner den anderen erwürgen kann, ohne Selbstmord zu begehen.

Prof. Allison

Der MoPo-Kolumnist Christian Burmeister ist einer jener glücklichen Menschen, die vor dem 24.02.2022 nicht ein einziges mal erwähnten, daß die Bundeswehr drastisch aufrüsten müsste, daß das 2%-Ziel der Nato eingehalten werden sollte, daß Russland die Ukraine angreifen werde, daß Gespräche mit Putin keinen Sinn hätten.

Aber nach dem 24.02.2022 wußte er all das schon immer, beschimpft die handelnden Politiker, die es nicht so klar sahen und vor allem kennt er Putin ganz genau kann daher sicher beurteilen, unter welchem Umständen der Kreml-Herrscher, wie reagieren wird. Glückliche Mopo-Autoren, die wissen das, was kein Geheimdienst und kein Fachpolitiker vorher erkannte.

Ach ja, Geostratege und Militärexperte ist Herr Burmeister ebenfalls über Nacht geworden und erklärt:

[…] Durch die westliche Waffenhilfe ist die ukrainische Armee in der Lage, der russischen Armee im offenen Feld entgegenzutreten. Ohne schwere Waffen würden sich die Kämpfe noch stärker in die Städte verlagern- Der Blutzoll unter Zivilisten wäre noch höher. Denn die Ukrainer werden sicher nicht einfach aufhören zu kämpfen. So besteht die Hoffnung, dass Putin die Aussichtslosigkeit seines Krieges irgendwann begreift und verhandeln will. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem der Westen sein politisches Gewicht in Moskau und Kiew in die Waagschale werfen muss. [….]

(Christian Burmeister, Mopo, 13.05.2022)

Wenn doch nur NATO-Generalsekretär Stoltenberg auch nur annähernd so gesicherte Informationen über die russischen Reserven und die strategische Planung Wladimir Putins hätte.

Und was für ein Glück für die Menschen in Butscha, in Borodjanka, in Tschupachiwka, in Mariupol und dem Asow-Stahlwerk, daß der Blutzoll nicht so hoch ist.

Danke auch für die geniale Erkenntnis, daß die Ukrainer „nicht einfach aufhören zu kämpfen“. Normalerweise ist es ja so, daß die Angreifer in einem Krieg Blumen und Pralinen überreichen, weil die Verteidiger einfach so aufhören.

Wichtig auch, der Burmeisterische Blick in die Kreml-Kristallkugel, so daß wir nun wissen, wie Putin eines Tages nüchtern seine Lage analysiert, erkennt „huch, das ist ja aussichtslos“ und daraufhin zum Hörer greift, Uschi von der Leyen anruft und ihr sagt, „jetzt bin ich wieder lieb, lass‘ mal was aushandeln“.

Die offene Feldschlacht, bei der keine Zivilisten umkommen, ist in Wahrheit wohl eher ein Hirngespinst Burmeisters.

Zu Anfang des Krieges stellte sich die Frage, ob es auch dann Myriaden zivile Opfer gegeben hätte, wenn die Ukrainer sich nicht so verzweifelt gewehrt hätten, wenn sie eben nicht so viele Waffen aus dem Westen bekommen hätten.

Ich vermute, dann würden heute noch sehr viel mehr Menschen leben und es wäre viel Leid erspart geblieben. Sicher kann ich das aber selbstverständlich nicht wissen, weil ich anders als Burmeister keine Kristallkugel habe. Andere mutmaßen, Putin könnte noch mehr Menschen umgebracht haben, wenn er schnell die volle Kontrolle über das Ukrainische Gebiet bekommen hätte.

Hinzu kommt, daß es sich verbietet von außen Ratschläge zur Kapitulation zu geben; das kann nur die ukrainische Regierung entscheiden.

Drittens sind solche Diskussionen inzwischen müßig, weil nun beide Seiten derartige Verluste erlitten haben, daß sie freiwillig natürlich nicht aufgeben können, ohne total ihr Gesicht zu verlieren.

Aufgabe und Kapitulation wird es für Russen oder Ukrainer erst geben, wenn sie mit militärischer Gewalt dazu gezwungen werden, oder wenn alle tot sind.

Prognosen sind immer schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.

Die Kreml-Astrologen haben in den letzten Jahren besonders eklatant versagt, konnten nie die Handlungen Putins vorher sagen. Die Militärexperten sagten die Kriegsverläufe und die Truppenstärke Putins nie korrekt voraus.

(….) Ist Putin so hitzköpfig, daß er militärisch in die Enge getrieben und von einem entschlossenen Westen aufgehalten, neroesk mit seinem Untergang alles mitreißt und Atombomben abschießen lässt?

Ist Putin so eiskalt, daß er kleine Atombomben oder andere Massenvernichtungsmittel gegen die Ukraine/Moldau einsetzt, wenn er eben nicht von einem entschlossenen Westen militärisch aufgehalten wird?

Die Argumentationslinien sind kompliziert in so einer Gemengelage. Es ist einfacher, die Ungereimtheiten in den Argumenten der Gegner herauszustellen, als stringent die eigenen Argumente vorzulegen.

Müssen wir jetzt dringend, ganz schnell, viele Deutsche Panzer in die Ostukraine schicken, weil nur so Putins gewaltige Militärmaschine daran gehindert werden kann auch in Polen einzumarschieren?

Oder handelt es sich bei Putins Wunderwaffen eher um Potemkinsche Truppen, die von ukrainischen Zivilisten mit Traktoren vernichtet werden können?

Kommt die russische Armee eher nach Berlin, wenn sie sich gerade im Zuge der Feierlichkeiten des Sieges über Hitlerdeutschland über westliche Demütigungen und Nato-Engagement ärgert?

Oder hatte die russische Armee das nie vor, macht es aber, weil die NATO so viel Rücksicht nimmt, sich in der Ukraine zurückhält und das in Moskau als Schwäche gedeutet wird? (…)

(Maximal-Whataboutism, 07.05.2022)

Ich kann nur staunen, daß Burmeister und Co immer noch so selbstbewußt Prognosen anstellen.

Anders als Burmeister, ist Harvard-Politologe Graham Allison immerhin vom Fach und stellt seine Szenarien mit deutlich mehr Expertise auf. Er sagt etwas ganz anderes:

[…] Putin ist rational im Sinne einer Person, die zweckbestimmt ist und davon ausgeht, dass sie ein erreichbares Ziel anstrebt. Er hat sich grob verrechnet […] Dass Putin einen fatalen Fehler beging, halte ich nicht für den Beweis eines Mangels an Rationalität – auch George W. Bushs Angriff auf den Irak war nicht irrational. Er war dumm. Es war ein großer strategischer Fehler. Aber das ist etwas anderes. […] Das russische Verteidigungsministerium mag sich die Invasion der Ukraine […] wie ein Kinderspiel vorgestellt haben, ähnlich wie manche in der Bush-Regierung den Feldzug im Irak. Auch die russischen Nachrichtendienste scheinen sich sehr getäuscht zu haben. […]  Die führenden Leute im Pentagon und im Weißen Haus denken vor allem über eine Frage nach: Kann Putin diesen Krieg verlieren, und wenn die Niederlage unzweideutig ist: Kann er das überleben? Ich weiß nicht, was deren Antwort ist. Meine lautet: nein. Ich glaube, er geht zu Recht davon aus, dass er im Fall einer eindeutigen Niederlage die Macht und wahrscheinlich auch sein Leben verlieren wird – ähnlich wie Zar Nikolaus II. im Jahr 1918. Putin würde als der Mann in die russische Geschichte eingehen, der die Ukraine verloren und womöglich sogar den Westen wiederbelebt hat. Das ist keine gute Perspektive für ihn – und zugleich der analytische Kernpunkt dieser Frage: Wenn er gezwungen ist, zwischen dieser Niederlage und einer Eskalation der Gewalt und Zerstörung zu wählen, dann wird er sich, meiner Einschätzung nach, als rationaler Akteur für Letzteres entscheiden. […]

(Graham Allison, 19.05.2022)

Was stimmt denn nun? Burmeisters oder Allisons Szenario?

Wenn Putin tatsächlich eher stirbt, als den Krieg zu verlieren, ist das unter dem Gesichtspunkt der russischen Atomwaffen außerordentlich suboptimal für das Überleben der Menschheit. Dann wäre es sehr kontraproduktiv, die Ukraine weiter zu bewaffnen und auf eine totale russische Niederlage zu setzen.

Mittwoch, 18. Mai 2022

Der Großstadt-Mensch als soziales Wesen.

Es ist abscheulich Vergewaltigungen, antisemitische Vorfälle oder homophobe Attacken zu erfinden, weil das all die wahren Opfer mit-diskreditiert, Herr Smollett und Herr Ofarim!

Für meinen Geschmack, sind diejenigen, die sich in den sozialen Medien als Opfer psychischer Krankheiten beweinen lassen, oft genauso verwerflich.

In Psycho-, Depressionen- oder Angst-Gruppen auf Facebook und Twitter blasen sie Miniprobleme zu unlösbaren tragischen Geschehen auf, so daß man sie kaum erst nehmen kann. Dabei geraten die tatsächlich zunehmenden psychischen Erkrankungen in Misskredit.

Um das noch mal klar festzuhalten: Depressionen sind eine sehr ernste Erkrankung mit einer höheren Mortalität als manche Krebsart.

[….] Laut dem Statistischen Bundesamt starben im Jahr 2019 deutschlandweit 699 Menschen infolge einer depressiven Episode (ICD-10: F32). Insgesamt starben in diesem Jahr bundesweit 57.839 Personen infolge von psychischen und Verhaltensstörungen. [….]

(Rainer Radtke, 24.01.2022)

Die Dunkelziffer ist natürlich enorm; bei vielen Suiziden wird die medizinische Ursache gar nicht erkannt.

Insbesondere bei sehr alten Menschen werden solche Krankheiten kaum diagnostiziert, weil die Symptome vielen anderen Alterserscheinungen ähneln.  Bei professioneller Behandlung könnte man viel Leid ersparen.

In den Facebook-Jammergruppen heulen sich aber zu viele sozial inkompetente Spinner aus, die sich als Opfer betrachten, weil ihr Freund den Jahrestag vergessen hat oder die Mutter nicht zum Geburtstag angerufen hat. Wer das beobachtet, neigt umso eher dazu, bei nächster Gelegenheit einem Menschen, der wirklich an Depressionen, schweren Phobien oder Burnout leidet, zuzurufen, er solle sich einfach mal zusammenreißen. Damit verschärft sich der Leidensdruck für die wahrhaft Betroffenen und es wird noch schwerer für sie, sich Hilfe zu suchen.

Viele angebliche psychische Erkrankungen im Internet stellen sich als reine Beziehungsprobleme heraus, die aber nicht auf erwachsene Weise gelöst werden können, weil durch die elenden sozialen Medien jede kleine Verstimmung im Bett oder am Frühstückstisch, sofort online breitgetreten wird und mit Wein-Emojis bedacht wird.

Instagram, TikTok, Twitter und Co sorgen immer mehr für eine idealisierte Scheinwelt, in der alle Menschen (durch Filter) perfekt gestylt sind, makellose Haut haben und romantische Ideal-Beziehungen führen, in denen der Partner wie in einer Heile-Welt-Vorabendserie Valentinstags-Überraschungen zelebriert, nie mit seinen Kumpels saufen geht und überhaupt immer gute Laune hat.

Die virtuell vorgegaukelte Beziehungswelt bei Tinder, Grindr, Parship, Badoo, Elitepartner oder Lovescout24, bedingt den gewaltigen Nebeneffekt, daß jeder, der sich nicht in einer Bilderbuchbeziehung befindet, glaubt mit einem Makel zu leben. Denn der Freund, die Freundin, der Ehemann, die Ehefrau ist längst nicht mehr die/derjenige, den/die man liebt, sondern auch ein social-media-Statussymbol.

Der Beziehungsstatus wird jedem mitgeteilt. Kopulationen und sinnlose Vermehrungen werden öffentlich gefeiert, Trennungen bedauert und als Scheitern betrachtet. Mit Beziehungen und Kindern prahlt man auf Klassentreffen, 20, 30 oder 40 Jahre nach dem Abitur.

Wer dann „immer noch Single“ ist, muss eine Menge Getuschel über sich ergehen lassen.

Ich behaupte, daß eine geschiedene Ehe, eine getrennte Beziehung keineswegs ein Ausweis des Scheiterns ist.

Eine glückliche, erfüllende Beziehung wird nicht dadurch entwertet, daß sich die Partner nach 5, 10 oder 20 Jahren umorientieren.

Und eine nie geschiedene Ehe kann gewaltig scheitern, wenn sie aus Routine besteht, äußeren Zwängen gehorcht oder die Partner an der Entwicklung hindert.

Tatsächlich sind Beziehungen oft eine Frage der finanziellen Möglichkeiten.

Es ist billiger, sich zu zweit, zu dritt, zu viert eine Wohnung zu teilen. Geschlechtsverkehr ist bequemer zu bekommen, wenn man sich „Paar“ nennt und an so etwas wie Hauskauf oder Fortpflanzung kann man nur in Ausnahmefällen ganz allein denken. Dazu gehört viel Selbstbewußtsein und auch Geld.

 

Je elender die Zeiten, je niedriger das Einkommen, desto stärker der Zwang zur Beziehung. Zudem sind feste Partnerschaften und eigene Ableger nach wie vor eine (trügerische) Absicherung für das eigene Alter.

Wir fallen in der Regel nicht mehr zeitgleich mit der Verrentung tot um, sondern haben ob der enormen medizinischen Fortschritte noch weitere 30 Jahre vor uns, in denen wir zunehmend unselbstständig werden, versorgt werden müssen, ein Hilfsnetz zu etablieren haben.

Nimmt man aber die Zwänge zur Beziehung weg, weil die Menschen in einer reichen Stadt wie Hamburg genug verdienen, um sich allein eine Wohnung leisten zu können oder als Single ein funktionierenden Freundeskreis zu schaffen, der oft verlässlicher als Familienbande sind (Verwandte kann man sich nämlich nicht aussuchen!), passiert etwas Erstaunliches:
Der kultivierte Homo Sapiens strebt nach Autarkie, möchte gar nicht Bett und Tisch mit festen Regeln teilen, sondern seinen eigenen Haushalt haben, in dem er/sie/es frei den Alltag gestaltet.

[…] Single-Haushalte machen in Hamburg mehr als 50 Prozent aus […] Rund 1,04 Millionen Haushalte gab es im vergangenen Jahr in der Hansestadt. Davon waren knapp 570.000 Haushalte - also 54,4 Prozent - Einpersonenhaushalte. […] Guckt man in die Stadtteile, fällt auf, dass der Anteil der Single-Haushalte in den zentral gelegenen und dicht besiedelten Gebieten besonders hoch ist. Unter anderem in Dulsberg, Barmbek-Nord und -Süd, St. Pauli, Billbrook und Neustadt traf dies 2021 auf mehr als zwei Drittel aller Haushalte zu. Prozentual am wenigsten Single-Haushalte gibt es unter anderem in Lemsahl-Mellingstedt, Wohldorf-Ohlstedt und Duvenstedt. […] In fast jedem fünften Hamburger Haushalt - bei 18,1 Prozent liegt der Anteil - leben Kinder. […]  In Borgfelde, St. Georg, Dulsberg, Barmbek-Nord und -Süd und in Neustadt lag der Anteil bei jeweils unter zwölf Prozent. […]

(NDR, 17.05.2022)

Klar, wer es sich partout nicht anders leisten kann, muss in einer wie auch immer gearteten Wohngemeinschaft leben.

Sobald es finanziell aber möglich ist, überwiegen die Vorteile allein zu leben.

Gerade weil man in den eigenen vier Wänden nicht dauernd gezwungen ist Kompromisse zu machen, sich nicht über offene Zahnpasta-Tuben im Bad, Haare im Ausguss oder angeschnittene Fingernägel im Bett ärgern muss; weil man keine ekeligen Dinge im Kühlschrank haben muss, die der andere aber so gern isst, weil man nie gräßliche Musik oder uninteressante Sportsendungen gucken muss, bleibt einem viel mehr Energie und Zeit, die man in Freundschaften investieren kann.

Ich behaupte, Singles sind sozialer und hilfsbereiter, spendabler und kommunikativer als in Beziehungen verhaftete Menschen.


 

Dienstag, 17. Mai 2022

Lindners Déjà-vu

Das war was, als Spaßparteichef Guido Westerwelle im Jahr 2009 den erst 30-Jährigen Christian Lindner zum Bundesgeneralsekretär machte. Immerhin hatte die FDP gerade erst fast 15% bei der Bundestagswahl geholt, stellte fünf Minister in der schwarzgelben Koalition und war nun Regierungspartei der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Welt. Klein Lindi schien zwar eben erst dem geliehenen Mercedes und der Kuh-Krawatte entwachsen, war aber schon als 16-Jähriger der Partei der Besserverdienenden beigetreten, von 1996 bis 1998 Landesvorsitzender der Liberalen Schüler NRW, ab 2001 Landtagsabgeordneter in NRW, sowie ab 2004, 25-Jährig, FDP-Landesgeneralsekretär.

Mit 18 Jahren arbeitete der Schrecken der Schwiegermütter als selbsternannter „Unternehmensberater“, kaufte mit 19 Jahren seinen ersten Porsche, stieg in den privaten Stromhandel ein und gründete die Internetfirma Moomax GmbH.

Unternehmerisch gab er den Trump ohne reichen Papi. Alles was er anfasste, ging Pleite, es fehlte nur der Milliardär-Papi, der ihn raushaute.

Im Jahr 2000 setzte er Millionen mit seiner Totgeburt-Firma MOOMAX in den Sand und brummte die Schulden einfach der KfW-Bank auf.

Daher das zweite Standbein Politik, in der er das Großsprechertum der Guidomobil-Ikone Westerwelle schon als Teenager perfekt adaptiert hatte: „Probleme sind nur dornige Chancen“ und er wolle im Gespräch überzeugen „durch Kompetenz, die nicht akademisch domestiziert ist“. Welcher gestandene Unternehmer würde nicht liebend gerne seine Firma in die Hände eines Schülers in Leih-Limousine mit solchen Sprüchen legen? Absolut eigenartig, daß Lindi nicht zum zweiten Roland Berger aufstieg.

Solche Typen kommen natürlich an, in der Partei der hepatitisgelben Besserverdiener. Akademische Bildung ist dort ohnehin nicht notwendig, da es nur um Populismus und Rudimente von Wirtschaftspolitik geht.

Der Markt regelt alles, Steuern senken, Transferleistungen abschaffen, freies Unternehmertum, Trickle Down und das tun, was die 100 reichsten Männer der Republik von einem wünschen. Sozial- oder Klimapolitik ist nur was für Memmen.

Lindner musste sich nie ändern. Als Teenager mit Kuhkrawatte, als Generalsekretär-Twen und als über 40-Jähriger Bundesparteichef setzte er konstant auf die Westwellesche Voodoo-economics: Steuern senken, Verschuldung senken und gleichzeitig den Etat sanieren.

Der kleine Schönheitsfehler ist nur: In der echten Realität funktioniert es nicht, mehr wegzugeben und gleichzeitig mehr übrig zu behalten.

Die oppositionelle Politik der Forderungen und Versprechen, ohne zu erklären, wo das Geld herkommen soll, funktioniert in der Regierungsverantwortung natürlich nicht.  Da gibt es immer brutale Kollisionen mit der Wirklichkeit.

Aber für den Fall entwickelte Lindner die Strategie des Schnell-Wegrennens. So wie er sich aus dem Staub machte, als seine Firmen pleitegingen, macht er sich auch stets aus dem Staub, wenn die FDP regierte oder kurz vorm Regieren stand. Offenbar ist er klug genug, um zu verstehen, daß die FDP-Voodoonomics für den Wahlkampf taugen, aber in der praktischen Politik nutzlos und kontraproduktiv sind.

(….) Lindner wollte die Sondierungen [2017 zu Jamaika] von vorn herein gegen die Wand fahren lassen; suchte nur nach einem Vorwand.

[….] So wirkte es in der Tat. Christian Lindner hatte ein vorgeschriebenes Statement parat, es gab Sharetags im Internet, die quasi zeitgleich mit dem Abbruch der Gespräche verbreitet wurden. Aber es ist jetzt auch egal, ob die FDP am Sonntagabend oder schon vor drei Wochen entschieden hat, Jamaika scheitern zu lassen. [….]

(Robert Habeck in der FAZ, 20.11.17)

32% der Bundesbürger geben laut ARD-Umfrage Christian Lindner die Schuld. Noch mehr sind es laut SPON-Umfrage. Mehrheit sieht FDP-Entscheidung kritisch. Eine eigentümliche Koalition aus CSU, Grünen und CDU, die mit wütend bebenden Fingern auf die FDP zeigt. Das sei eine gut vorbereitete Spontanität, mit der die FDP sich vom Acker gemacht habe, merkte CDU-Vizin Klöckner an. Linders Flucht vor der Verantwortung wächst sich zu seinem Hauptcharaktermerkmal aus. Schon im Jahr 2000 nach seiner Moomax-Pleite lief Lindner weg und stand nicht für sein finanzielles Desaster gerade.

 [….] Unter dem Motto „Leistung muss sich wieder lohnen“ hatte der blutjunge Lindner nach seinem Landtagseinzug 2000 mit seinem Bekannten Hartmut Knüppel am 29.Mai 2000 die Internet-Firma „Moomax“ gegründet.   Das Internet boomte und der schlaue Lindner wollte ein großes Stück vom Kuchen.  Er brachte 30.000 Euro Eigenkapital auf  und holte sich weitere 1,2 Millionen Euro von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Der Erfolg war rekordverdächtig.  In nur 18 Monaten hatte Lindi das gesamte Kapital verbrannt.

[….] Das ganz dolle Team "von Informatikern, Drehbuchautoren, Psychologen, Linguisten, Journalisten und Betriebswirten" wird sich jetzt wohl was anderes suchen müssen, weil der Markt für Avatare, offen gesagt, ziemlich tot ist. [….]

(boocompany.com14.12.2001)

Knüppel und Lindner wurden gefeuert. Der Staat blieb auf den 1,2 Millionen Linder-Miesen sitzen, für seine Eselei blecht nun der Steuerzahler und Lindner machte Karriere in der Marktwirtschaftspartei FDP.  [….] Lindner gründete noch die zunächst als knüppel lindner communications gmbh firmierende Unternehmensberatung Königsmacher GmbH, die er auch sofort in den Sand setzte.

[….] Was Parteichef Andreas Pinkwart als "Achterbahnfahrt der New Economy" beschrieb, ist für Lindner peinlich. Seine Internet-Firma Moomax GmbH ging nach 17 Monaten mit dem Neuen Markt unter. Dabei verflüchtigten sich weit über eine Million Euro öffentlicher Fördergelder. Andere Lindner-Firmen, wie die Unternehmensberatung "die Königsmacher GmbH", kamen erst gar nicht gut genug in Gang, um so viel Geld verbrennen zu können.

(SPIEGEL13.12.2004)

Immerhin brachte es der Porsche-fahrende Zivildienstleistende durch seine politischen Verbindungen bis zum Luftwaffen-Hauptmann der Reserve! 

[….] Die Beförderung zum Hauptmann erfolgte im September 2011 durch den Verteidigungsminister de Maiziere persönlich.  Freunde muß man haben. Politisch war Lindner bekanntlich ähnlich erfolgreich! Unter seiner inhaltlichen Führung als FDP-Generalsekretär surrte die FDP von 15% auf 4% zurück. [….]

(Des Wahnsinns fette Beute, 08.04.2012)

2011, als die schwarzgelbe Bundesregierung strauchelte, die er 2009 mitorganisiert hatte, lief er weg, warf sein Generalsekretäramt hin.

Als die FDP bei der Nordrheinwestfälischen Landtagswahl am 14.05.2017 in Lindners Heimatbundesland sagenhafte 12,6% errang und sich zur allgemeinen Überraschung eine komplette Ablösung von RotGrün ergab, lief Lindner wieder weg, wollte als Landtagsfraktionsvorsitzender keinesfalls ein Ministeramt übernehmen oder der Regierung angehören.

Landtagswahl in Niedersachsen am 15.10.17, die SPD schneidet überraschend gut ab, aber ganz knapp reicht es nicht für Rotgrün. Um die verhasste Groko zu vermeiden, möchte die amtierende rotgrüne Minderheitsregierung eine Ampel mit der FDP bilden. Lindners Jungs laufen wieder weg, entziehen sich der Verantwortung, wollen um keinen Preis in eine Regierung eintreten.

Und nun, am 19.11.17 kurz vor Mitternacht, man hatte sich fast mit Union und Grünen geeignet, steht Lindner wortlos auf und läuft weg. Der Hepatitisgelben mutieren von der Partei der Besserverdienenden über den Status der Null-Themenpartei zur Eskapismuspartei.

 Lindner geht es um - Lindner

FDP-Chef Christian Lindner hat sich aus der Verantwortung gestohlen und leichtfertig mit Grundsätzen deutscher Politik gebrochen. […..]

 (Antje Sirleschtov, Tagesspiegel, 20.11.17)

(FDP, die Eskapisten, 20.11.2017)

Weglaufen macht Sinn, wenn man nicht regieren kann. Es ist wenig überraschend, daß einer konzeptlosen Altherren-Klientelpartei, deren Beitrag zu den Koalitionsverhandlungen eine einzige Njet-Orgie war (kein Tempolimit, kein Bürgergeld, keine Maskenpflicht, keine Impfpflicht, kein Ende der Privatversicherungsprivilegien, keine Vermögenssteuer, keine höhere Erbschaftssteuer, kein höherer Spitzensteuersatz), das Regieren nicht bekommt.

Saarland 2009: FDP gewinnt 9,2%, geht ein Jamaika-Bündnis ein, scheitert in der Regierungsarbeit so katastrophal, daß CDU-MP Kramp-Karrenbauer, die Koalition vor dem nächsten Wahltermin aufkündigt. Bei den Neuwahlen 2012 pulverisiert sich die FDP auf 1,2%.

Bund 2009: FDP gewinnt 14,6%, geht ein schwarzgelbes Bündnis ein, scheitert in der Regierungsarbeit so katastrophal, daß Chef Westerwelle abtritt, General Linder hinwirft. Bei den nächsten Wahlen 2013 pulverisiert sich die FDP auf 4,8%.

Schleswig-Holstein 2017: FDP gewinnt starke 11,5%, geht ein Jamaika-Bündnis ein, scheitert in der Regierungsarbeit so katastrophal, daß sie bei den nächsten Landtagswahlen 2022 pulverisiert bei nur noch 6,4% aufschlägt und nicht mehr gebraucht wird.

NRW 2017: FDP gewinnt starke 12,6%, geht ein schwarzgelbes Bündnis ein, scheitert in der Regierungsarbeit so katastrophal, daß sie bei den nächsten Landtagswahlen 2022 pulverisiert bei nur noch 5,9% aufschlägt und die alte Koalition Geschichte ist.

Es ist deutlich ein Muster: Die FDP hat außer lauten Sprüchen nichts zu bieten. Für die Opposition und Wahlsiege reicht das. Wenn sie sich aber in praktischer Politik als Regierungspartei beweisen soll, geht es ganz schnell drastisch hinab, weil der Urnenpöbel nun doch bemerkt, was für windige Hallodris die Hepatitisgelben sind. Christian Lindner war daher auch kein Fand der Ampel. Er ahnte; wenn erst einmal der Focus der Öffentlichkeit auf dem Handeln ihrer Minister liegt, geht es bei den nächsten Wahlen wieder drastisch bergab. Regieren bekommt der FDP ganz und gar nicht.

[…] Am Montagmittag, nach der Wahl, meldet sich Johannes Vogel. Auf die Frage, wie es so geht, sagt der FDP-Parteivize am Telefon: "Politisch gab's geilere Tage." Dass seine Partei 100 000 Wähler an die Grünen verloren hat, beschäftigt ihn, genau wie die Frage, warum die FDP zuletzt so schlecht abschnitt, egal in welcher Regierungskonstellation.  […]

(Constanze von Bullion und Henrike Roßbach, 17.05.2022)

Viele Beobachter, auch ich, wunderten sich, als die FDP 2021 bei der Bundestagswahl zweitstärkste Kraft bei den Erstwählern wurde. Was finden 18-Jährige an Lindner und seinen Seifenblasensprüchen, die so offensichtlich substanzlos sind?

Die Antwort ist, daß die ganz Jungen mangels Erfahrung alle Parteien für gleich glaubwürdig halten. Sie wissen noch nicht, daß Lindner nur ein politisches Soufflee ist, welches sich in der Hitze des Wahlkampfs fürchterlich aufbläst, dem aber sofort alle Luft einweicht, wenn man einmal anpikst.

Lindner kennt das Drama  schon aus der Bundesregierungszeit von 2009 bis 2013. Mal sehen, wann er wieder die Beine in die Hand nimmt und sich aus dem Staub macht.

[….] Die Beteiligung an der Bundesregierung, so argumentierten Parteistrategen, werde den Liberalen genug öffentliche Aufmerksamkeit bescheren. Und Wählerinnen wie Wähler würden solide Regierungsarbeit honorieren - in der Finanzpolitik, vor allem aber bei der gesellschaftspolitischen Modernisierung des Landes.  So lautete der Plan, von dem sich Parteichef Christian Lindner auch bei der Wahl der Ressorts in Berlin leiten ließ. Drei Landtagswahlen später aber ist die FDP krachend in einer Realität aufgeschlagen, in der sie wieder gefährlich nahe an der Fünf-Prozent-Hürde liegt (Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) oder nicht mal ins Parlament einzieht (Saarland).  [….]

(Paul-Anton Krüger, 16.05.2022)