Samstag, 3. September 2022

Wir sind unmoralisch und unverantwortlich.

Es ist sehr billig, Grüne und SPD daran zu messen, was sie einst in ihre Wahlprogramme schrieben. Selbstverständlich hätten Habeck, Scholz, Baerbock und Klingbeil vor einem Jahr gleichermaßen empört die Lieferung schwerer Waffen in Kriegsgebiete und die Laufzeitverlängerungen für AKWs abgelehnt.

Es gibt nichts Dümmeres, als bei völlig veränderten Bedingungen stupide weiterhin auf alten Positionen zu beharren. Es ist gut und richtig, mit anderen Antworten, auf andere Fragen zu antworten.

Das bedeutet freilich nicht, plötzlich alles zu verdammen, nur weil man es einst befürwortete. Man kann es als Friedensbewegter auch übertreiben, wenn man nun geradezu erotisch enthusiasmiert, von Panzerhaubitzen und Flak-Geschützen schwärmt, Herr Hofreiter.

Aus der Kernenergiegewinnung auszusteigen, war keine Mode aus dem letzten Jahrtausend, sondern beruht auf absolut unumstößlichen Erkenntnissen.

Schwarzen und Gelben bereitet es eine diebische Freude, Grüne und Rote damit zu piesacken, sie müssten sich nun von ihrem Anti-AKW- und Anti-Kohle-Kurs verabschieden. Die Konservativen wollten diesen ökologischen Wandel nie und fühlen sich nun a posteriori im Recht. Damit belügen sie sich aber selbst. Ja, es gibt kurzfristig sehr starke Argumente – nämlich Putins Angriff auf die Ukraine – den Klimaschutz hintan zu stellen. Der Betrieb von Panzerhaubitzen ist ein klimapolitischer Alptraum. Aber auch wenn das ökologische Argument, die Menschen in der Ukraine verständlicherweise im Moment überhaupt nicht interessiert, bleibt doch der Klimawandel langfristig das sehr viel wichtigere Thema.

Die Ausnahmesituation Ukraine darf nicht dazu führen, in einem allgemeinen „Anything Goes“-Modus alle klimapolitischen Regeln zu ignorieren.

Im Gegenteil. Jetzt ist es wichtig zu demonstrieren, daß ökologischer Wandel und Energiewende keine Schönwetterthemen für die angeökten wohlhabenden Waldorf-Mütter in Vorstadt-Walmdachvillen ist, sondern von uns allen eine massive Verhaltensänderung erfordert.

In Hamburg zur Energiegewinnung im großen Maßstab Holz zu verfeuern, ist und bleibt Irrsinn, lieber grüner Umweltsenator.

[….] Verheizt unsere Wälder nicht!

Spektakulärer Protest am Heizkraftwerk in Hamburg

Mit einer großflächigen Bewegtbild-Projektion am Heizkraftwerk Tiefstack in Hamburg hat der NABU gemeinsam mit ROBIN WOOD und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Verfeuern von Holz in Kraftwerken protestiert.

Gemeinsam mit einer internationalen NGO-Koalition appellieren die Umweltorganisationen NABU, ROBIN WOOD und Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit der Aktion an die Abgeordneten des EU-Parlaments, bei der Abstimmung zur Erneuerbaren-Energien-Richtlinie am 13. September gegen das industrielle Verheizen von Holz zu votieren. Zudem fordern sie die Betreiber von Kraftwerken auf, die klimafreundliche Energiewende voranzutreiben und alle Pläne für eine Umrüstung auf Holzverbrennung zu stoppen.

Die EU-Gesetzgebung unterstützt bislang, dass Mitgliedstaaten Holz für die Energieproduktion nutzen. Nach der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage ist die Einstufung von Holzverbrennung als erneuerbar – und damit emissionsfrei – jedoch überholt. Denn die Verbrennung von Holz setzt mindestens ebenso viele Treibhausgase frei wie die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Der Ausgleich dieser Belastung durch das Aufwachsen neuer Bäume dauert Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Auch die Stadt Hamburg setzt darauf, mit Holzverbrennung die eigene Klimabilanz zu schönen. Zur Umsetzung des notwendigen Kohleausstiegs plant die Umweltbehörde, das stadteigene Kohlekraftwerk Tiefstack auf das Verfeuern von Holz und Gas umzustellen – zusätzlich zur Nutzung industrieller Abwärme und dem Bau von zwei neuen Flusswärmepumpen.

„Wälder im großen Maßstab in umgerüsteten Kohlekraftwerken zu verfeuern, ist keine innovative Energie- und Wärmewende, sondern eine sehr schlechte Idee. Intakte Wälder sind elementar für den Klima- und Artenschutz. Wir brauchen Investitionen in echte emissionsfreie erneuerbare Energien sowie Energieeinsparung anstatt kontraproduktiver Scheinlösungen. Die EU darf Energie aus Waldholz nicht länger als erneuerbare Energie fördern – staatliche Unterstützung darf es nur für wirklich klimafreundliche Technologien geben.“   Leif Miller, NABU-Bundesgeschäftsführer  [….]

(Nabu, 02.09.2022)

Massentierhaltung ist und bleibt ebenfalls eine klimapolitische Katastrophe. In Zeiten der Ukrainekriegs-bedingten Weizenverknappung mit verheerenden Hunger-Krisen, weiterhin so viel Getreide als Viehfutter zu verschwenden, ist genauso amoralisch wie Lindners Begeisterung dafür, „Biosprit“ mit seinem Porsche zu CO2 zu verbrennen.


[….] Kein Essen in Trog und Tank

Globale Hunger- und Klimakrise bekämpfen!

Wertvolle Lebensmittelpflanzen wie Getreide und Ölsaaten werden in Deutschland in großen Mengen zu Biokraftstoff verarbeitet und an Schweine, Rinder und Geflügel verfüttert. Das macht unser Essen teurer und trägt dazu bei, dass in vielen Ländern immer mehr Menschen hungern. Angesichts von Kriegen und der zunehmenden Klimakrise können wir das nicht zulassen.   Die Bundesregierung muss jetzt dafür sorgen, dass Essen nicht länger in Tank oder Trog landet, um verheizt zu werden oder um Fleisch, Milch und Eier aus Intensivhaltung zu erzeugen. Lebensmittel werden dringend gebraucht, damit die Nahrungsversorgung für Millionen Menschen sicher und bezahlbar ist.

Darum fordert Greenpeace gemeinsam mit Misereor von der Bundesregierung:

    Die Bekämpfung der globalen Hungerkrise durch die Koordination des internationalen Handels mit Getreide im Welternährungsrat.

    Die Beimischung von Biokraftstoffen zu Benzin und Diesel muss umgehend beendet werden.

    Abbau der Tierzahlen in der deutschen Landwirtschaft, um den Bedarf an Futtergetreide zu senken.

Greenpeace setzt sich zusammen mit Misereor dafür ein, dass eine Verschärfung der Hungerkrise abgewandt wird. Bitte helfen Sie mit und unterzeichnen Sie jetzt!  [….]

(Kein Essen in Trog und Tank)

Freitag, 2. September 2022

Kein Fortschritt. Nirgends.

Der frisch eingeschulte Sechsjährige, Konrad, kam mit einer endlosen Liste nach Hause. Unterrichtsmaterialien, die sofort besorgt werden müssten. Ich erinnere mich dunkel zurück, wie ich damals mit Muttern in die schönen Schreibwarengeschäfte ging, um Schulhafte, Federtasche, Zirkel und Füller zu kaufen. 2008 kamen dann die viel größeren, billigeren und bei Weitem nicht so schönen Staples-Filialen aus den USA nach Deutschland. Die kleinen inhabergeführten Geschäfte mit den wunderbaren TeBe-Kalendern und Montblanc-Meisterstücken gingen alle pleite. Gegen Staples, Konzernumsatz 18 Milliarden US-Dollar, war kein Kraut gewachsen mit der Deutschen „Geiz ist geil“-Mentalität.

Staples Deutschland schloss im Mai 2022 alle seine Filialen. Corona und Management-Doofheit gaben den Rest.

Konrads Vater, genauso alt wie ich, wollte aber nicht das ganze Zeug bei Amazon ordern, sondern seinem Sohn ein haptisches Erlebnis bieten, suchte eins der wenigen verbliebenen Geschäfte auf und wurde vor der Tür von einer Reporterin des Frühstücksfernsehens aufgehalten. „Jetzt wo alles so teuer ist, wo sparen Sie noch?“

Er ließ sie ohne zu antworten, stehen. Was für eine blöde Frage, wo soll man da sparen? Das Kind braucht eine Federtasche, Bastelutensilien, Hefte, etc. Außer, wenn man es sich absolut nicht leisten kann, muss man diese Dinge kaufen. Der eigenen Leibesfrucht gleich den Schulstart zu versauen, sollte tunlichst vermieden werden.

Als Antinatalist habe ich selbstverständlich sowieso keine Kinder. Ich möchte auch keine Kinder. Wenn ich mir aber Kinder wünschen würde, hätte ich vermutlich dennoch keine, weil ich meine imaginären Kinder nur unter optimalen Bedingungen ins Leben starten lassen wollte. Das hieße, stabiles Umfeld, mehrere Menschen, die sich kümmern, viel Platz, Garten, bildungsbürgerlicher Hintergrund, so daß Kind X von verschiedenen Seiten inspiriert wird, lernen kann und ja, auch finanzielle Sorglosigkeit gehört dazu. Dieses Paket kann ich nicht bieten. Schon deswegen habe ich kein Kind. Natürlich verallgemeinere ich diese Maßstäbe nicht. Auch eine alleinerziehende HartzIV-Mutter soll ein Kind haben können.

Aber ICH hätte viel zu viel Angst vor der Verantwortung, um in Krisenzeiten, ohne Geld, ohne Ausbildung, ohne Job, ohne Partner einfach mal so schwanger zu werden, das Blag auszubrüten und nach dem alten sorglos-Spruch „Gibt Gott ein Häschen, gibt er auch ein Gräschen“ alles auf mich zukommen zu lassen.

Konrads Vater sieht das etwas ähnlich, wurde deswegen erst spät Vater, hat eine wunderbare Frau und sogar ein Häuschen im Grünen, mit seiner Mutter als Nachbarin. So eine eingebaute Kinderbetreuung, wurde pünktlich zum 80. Geburtstag der Oma auch bitter nötig. Eltern berufstätig, Corona, Kitas zu, Distanzunterricht. Konrads Mutter kenne ich auch schon ewig, ab und zu telefonieren wir. Nun geht es nur noch bis 19.00 Uhr. Anschließend fällt sie vollkommen erledigt ins Bett. „Ja, natürlich liebe ich meine Enkel und freue mich, die beiden jeden Tag bei mir zu haben, aber ich habe nicht mehr die Kraft dazu. Wenn die hier zehn Stunden rumgetobt sind, bin ich fix und fertig.“

Alle sind froh, daß nun die Schule – ohne Masken! – auch für den Jüngsten (wieder) begonnen hat. Die Schülerzahl wurde von 25 auf 29 pro Klasse aufgestockt. Long Covid, geburtenstarke Jahrgänge gehen in Rente, Lehrermangel eben.

29 gelten heute als sehr viel. Ich war nie mit weniger als 36 anderen Kindern in einer Klasse, aber das war auch vor den Social-Media-Zeiten; als die Mütter noch nicht 24/7 am Klugtelefon klebten und unsere Aufmerksamkeitsspanne länger als drei Minuten währte. Wir blieben sogar ohne Ritalin auf unseren Plätzen sitzen.

Aber Konrads Erzeuger ist fertig mit den Nerven beim gegenwärtigen Schulchaos. Sein Ältester ist nun in der sechsten Klasse und scheitert, wie so viele an der Rechtschreibung. Auf dem Gymnasium gibt es nämlich „kleine Buchstaben“. Die sind ihm ganz neu. In seiner Grundschule war zuvor nämlich die Schreibschrift abgeschafft worden. Das verwirrte die Klugtelefonkinder zu sehr. Die Übungshefte mit den hübschen Schreibschrift-Hilfslinien gibt es nicht mehr. Nur noch kariertes Papier und die Kinder lernten große Druckbuchstaben. „Du kannst echt froh sein, Dich um sowas nicht sorgen zu müssen“ sagt Konrads Vater zu mir. Vor zwei Wochen habe ich ihm ein Exemplar von Philipp Möllers „Isch geh Schulhof“ mitgebracht, das noch in Reserve bei mir rumstand. Doch, doch, ich kann mir lebhaft vorstellen, was für ein komplettes Chaos an Grundschulen herrscht. „Hier, das Buch habe ich vor zwei, drei Jahren gelesen und war so geschockt, daß ich bestimmt zehn Exemplare davon verschenkt habe. Dabei war das noch vor Corona“

Zu Hause fummelte ich mein Exemplar aus dem Regal, weil ich mir bei der Zeitangabe unsicher war. Vermutlich ist die Lektüre schon länger her. Glücklicherweise schreibe ich immer in meine Bücher, wann ich sie gelesen habe.  2012 also. Na gut, in meinem Alter fühlen sich drei Jahre und zehn Jahre Abstand gleich an.

(….) Meine rudimentären Erkenntnisse von all dem, was schief geht an deutschen Schulen, fand ich in Philipp Möllers „Isch geh Schulhof“ bestätigt.

Die Lehrerausbildung verläuft katastrophal falsch und das Schulsystem krankt an der Unstetigkeit. Die allermeisten Änderungen der 16 einzelnen Kultusminister sind durchaus sinnvoll, oder zumindest gut gemeint, aber sie kommen so häufig, daß die Lehrer keinerlei Elan mehr aufbringen alles umzusetzen.

(….) Es dürfte sogar noch viel schlimmer werden, wenn die asozialen und desintegrierten gegenwärtigen Klein-Bälger erwachsen werden.

Lehrer berichten von unfassbaren Zuständen an den Schulen.

 

„Pinsel und Malutensilien werden verteilt – und die Klopperei beginnt! Es wird laut, Kinder müssen ihrem Nachbarn ins Gesicht schreien, dass sein Bild doof (das Wort war ein anderes) ist.“

„Einige werden maulig, geben unpassende Kommentare ab und antworten auf Fragen von Frau G. mit Fäkalsprache.“

„Wir malen noch einmal auf dem Fußboden der Sammlung – eigentlich eine tolle Erfahrung für Kinder. Freud- und anstrengungslose Versuche vieler Kinder, Striche aufs Papier zu bringen.“   „Endlich stehen alle, da trampeln Kinder mit dreckigen Schuhen über die Bilder! Absichtlich! Am nächsten Tag wird mir ein Kind erklären, dass ihm langweilig war – und dass es dann ja wohl klar ist, dass es das tun kann.“  „Ältere Herrschaften steigen über Butterbrotpapiere, Rucksäcke und Kinder. Den Kindern kommt das nicht einmal komisch vor. Als ich sie auffordere, Platz zu machen, schauen sie mich verständnislos an – und essen in Ruhe weiter!“

„Die Mitschüler werden angeschrien, geboxt, getreten und Rucksäcke umhergeschleudert. Ein älterer Herr bekommt auch einen ab. Eine Entschuldigung ist nicht zu erwarten.“ „Kinder lassen die Hälfte ihrer Sachen liegen in der Erwartung, dass es ihnen schon jemand hinterhertragen wird.“

„Es ist für die Kinder nicht einsehbar, dass wir in dem wuseligen Hauptbahnhof dicht zusammenbleiben müssen. Ich komme mir vor wie ein Schweinetreiber.“   „In der Bahn plötzlich vertraute Geräusche. Rülpsen! Kein Versehen, sondern volle Absicht. Wer kann es am lautesten? Sie denken: Die redet sicher von meinem Nachbarn? Falsch: Gehen Sie davon aus, dass ich auch von Ihrem Kind spreche – es gibt nur sehr wenige Ausnahmen!“

[…]   „Kinder kommen bereits um 8 Uhr früh gut gefüllt mit einer Stunde Super RTL, gewalttätigen und blutrünstigen Gameboy-Spielen und einem beachtlichen Blutzuckerspiegel in die Schule.“

„Sie springen mit erhobenen Fäusten wie Ninjakämpfer in die Klasse, semmeln erstmal drei Mitschüler über den Haufen und merken es nicht einmal.“

 (Lehrerin Dagmar Biesterfeld, Grundschule Neuland)

 

Und wenn man Philipp Möllers brillantes und lehrreiches Buch „Isch geh Schulhof“ gelesen hat, möchte man sich bei dem Gedanken an die Zukunft gleich erschießen.

Dabei ist das Unfassbare, daß wir sehenden Auges in die Katastrohe schlittern. Wir wissen wie man es besser machen kann; Möller hat das in seinem Buch alles dargelegt. Wir wissen auch aus den PISA-Spitzenländern, warum ihre Schulen so viel besser als die Deutschen sind. Aber Kleinstaaterei, Phlegma und Ideologie verhindert, daß Deutschland endlich was ändert. (…)

(Wenn Schule Politik wird, 19.01.19)

Da Konrads Vater versprach, mir zu berichten, wenn er es durchgelesen hat, nahm ich es auch noch mal kurz zur Hand. Noch mal kurz reinsehen klappt natürlich nie, also habe ich nun, zehn Jahre später, noch mal das ganze Buch durchgelesen.

(…) Nachdem ich Philipp Möllers „Isch geh Schulhof“ begeistert und aufmerksam gelesen habe, sollte ich mich über gar keine Berichte aus Berliner Schulen wundern.

In der deutschen Hauptstadt gibt es Schwimmunterricht schon ab der dritten Klasse. Das ist schon mal erfreulich.

Da Kinder, die im 21. Jahrhundert in Deutschland aufwachsen aber tumb und ungelenk sind, bereits daran scheitern auf einem Bein zu stehen oder sich die Schuhe zuzubinden, reicht heute aber ein ganzen Jahr Schwimmunterricht nicht mehr aus, um zu lernen nicht abzusaufen.

Wir haben anhand der Versagerquote beim Eingangstest für das Sportstudium in Köln schon gesehen, wie unkoordiniert und ungeschickt sich selbst muskelbepackte Typen sich im Becken anstellen.

Also wen wundert es, daß Berliner Kinder auch nicht mehr in Lage sind schwimmen zu erlernen?

 

Nichtschwimmer in Berlin Grundschüler: Es reicht kaum für das Seepferdchen

[….] Viele Grundschüler können nicht schwimmen. In Neukölln sind es rund vierzig Prozent der Schüler am Ende der dritten Klasse - und das, obwohl sie das ganze Jahr über eigentlich Schwimmunterricht hatten.

[….] Es sind alarmierende Zahlen: Fast neunzehn Prozent der Berliner Grundschüler können nach der dritten Klasse nicht schwimmen, obwohl in dieser Jahrgangsstufe das ganze Schuljahr über Schwimmunterricht stattfindet. Besonders viele Nichtschwimmer gibt es in Bezirken mit sozial schwierigen Bedingungen. So können in Neukölln 40 Prozent der Kinder am Ende der dritten Klasse nicht schwimmen, in Mitte sind es knapp 30 Prozent, danach folgen Spandau (26 Prozent) und Reinickendorf (24,2 Prozent).

[….] Schulleiterin Sabine Weber von der Neuköllner Elbe-Grundschule bestätigt den Befund. „Bei uns kann zu Beginn der dritten Klasse meistens kein Kind schwimmen, und dieses Jahr schaffen gerade mal die Hälfte am Ende das Seepferdchen.“ Für das Schwimmabzeichen muss ein Kind 25 Meter schwimmen und aus schultertiefem Wasser einen Ring vom Boden holen können. „Wir bräuchten mindestens zwei Jahre lang Schwimmunterricht.“

Die Bildungsverwaltung verweist darauf, dass sich das motorische Können der Schulanfänger in den letzten Jahren insgesamt verschlechtert habe. Zudem gebe es bei der Wertschätzung der Schwimmfähigkeit kulturelle Unterschiede. [….]

(Sylvia Vogt, Tagesspiegel, 19.06.14)

 

Die Kunde hör‘ ich wohl –

Allein mir fehlt der Glaube.   Ein ganzes Jahr Schwimmunterricht mit Kindern und anschließend können trotzdem 20 – 40 % nicht schwimmen?  (…)

(Ich bin alt und konservativ – Teil IV, 19.06.2014)

Die absurden Fakten kenne ich nun schon, also achtete ich beim zweiten Lesen mehr auf stilistische Details. Vielleicht liegt es auch nur daran, daß ich nun Anfang 50 und nicht mehr Anfang 40 bin: Möllers Plauderton geht mir auf die Nerven. Über seinen Lieblingskollegen „Geicherchen“ heißt es „der Typ ist so geil!“

Auf jeder zweiten Seite findet man den Ausdruck „krass“ und die Schüler sind für ihn nur „Kids“. Das klingt in meinen Ohren wie eine despektierliche Amerikanisierung und ich mag nicht auf einer Seite neunmal „die Kids…“ lesen.

That said, ist eine Sache an Möllers Buch wirklich schlimm: Die Aktualität. Da beschreibt er 2012 in einem Bestseller in aller Ausführlichkeit, was an deutschen Schulen, insbesondere Grundschulen alles schiefgeht. Die Crux ist, daß er 2009, mit 29 Jahren von eben auf jetzt, ganz ohne Ausbildung, Lehrer an einer Berliner Schule wird. Mathelehrer in fünf Minuten. Als er Englisch und Musik in einer fünften Klasse, Sport in einer sechsten Klasse unterrichten soll, erfährt er dies erst unmittelbar vorm Klingeln. Schon damals sind die Berliner Schulen so katastrophal unterbesetzt, daß sie sich auf unausgebildete Hilfslehrer verlassen, die immer nur für ein paar Monate angestellt werden und mit dem Beginn der Schulferien in HartzIV fallen, weil das für den Senat billiger ist. Erst kurz vor Ferienende kommt die Anfrage der Schulbehörde, ob man weiter unterrichten will.

Qualifikation egal, Motivation egal, Bezahlung mau.  Bei Klasse 1-6 ist es ja egal, wer da als Lehrer steht. Gymnasiallehrer werden besser bezahlt, Oberstufenlehrer noch besser und Uni-Dozenten viel besser.

Der pure Irrsinn. Es müsste genau umgekehrt sein. Die ersten Schuljahre sind wichtig. Wenn man mit 16 oder 18 mal eine schlechten Lehrer bekommt, ist das viel besser zu kompensieren. Ausführlich beschreibt Möller die katastrophalen Räumlichkeiten, unfassbar stinkende Klos, zugige Fenster, löcherige Decken, Unterrichtsmaterialien, die schon vor 40 Jahren veraltet waren.

Selbst die engagiertesten Grundschullehrer sind aber schnell ausgerannt, weil sie die meiste Zeit für Sozialarbeit benötigen. Kinder kommen hungrig, unausgeschlafen oder gar nicht in die Schule, werden nicht medizinisch und pädagogisch betreut.

Lehrer müssen das auffangen, was zu Hause nicht funktioniert.

In diesem Umfeld werden die guten Schüler mit intaktem Elternhaus hoffnungslos unterfordert, bleiben auf der Strecke, was zur Folge hat, daß selbst die linkesten und liberalsten Eltern alles daran setzen, vor der Schulpflicht ihrer Kinder, in teure Stadtteile umzuziehen, so daß sie in einem besseren Umfeld lernen. Im Umkehrschluss bedeutet das eine Konzentration der „Problemschüler“ in anderen Stadteilen. Die katastrophale Segregation der Schülerschaft nimmt immer mehr zu. Bildung hängt ausschließlich vom Portemonnaie der Eltern ab, weil in den „schlechten Gegenden“ die Schulen so verwahrlost sind, daß selbst die schlauesten Schüler unter die Räder geraten.

Als Philipp Möller das alles 2009 erlebt, ist er unendlich frustriert, weil zu dem Zeitpunkt bereits  unzählige Pisa-Studien und Analysen alle Mängel aufgedeckt hatten.  Allein, die föderale Struktur Deutschlands und das völlige Desinteresse Merkels und ihrer CDU-Bundesbildungsministerinnen, ließ alles nur schlimmer werden.

2020 bricht die Pandemie über uns hinein. Urplötzlich wird festgestellt, daß Hygienemaßnahmen in Schulen nicht durchführbar sind, weil die sanitären Bereiche so vergammelt sind, daß man sich gar nicht die Hände waschen kann. Luftfilter gibt es nicht. Die Minister Ramsauer, Dobrindt, Oettinger, Bär und Scheuer haben außerdem 20 Jahre lang die Digitalisierung verschlafen. W-Lan ist Fremdwort an deutschen Schulen und Laptops haben nur die Schüler, deren Eltern wohlhabend genug sind. Distanzunterricht funktioniert an top-finanzierten Privatschulen in Hamburg-Blankenese hervorragend.

In zerrockerten Stadtteilschulen in Hamburg-Neuwiedenthal hingegen findet mehr als zwei Jahre de facto gar kein Unterricht statt.

Im Winter 2022/23 gibt es immer noh keine Luftfilter in deutschen Schul-Räumen und man wird on einer weiteren Corona-Welle völlig überrascht sein. Wer hätte das ahnen können?

2012 war ich entsetzt, ob der von Möller beschriebenen Verhältnisse.

2022 sehe ich, daß es nicht nur keine Fortschritte gab, sondern daß Bildungspolitik weiterhin so ein Stiefkind der Politik ist, daß sich die Verhältnisse deutlich verschlechterten. Zehn Jahre absolutes Nichtstun im Kanzleramt.

[…. ] Zum Schuljahresbeginn fehlen an den Schulen in Deutschland nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbands bis zu 40.000 Lehrerinnen und Lehrer. Die Unterrichtsversorgung habe sich in allen Bundesländern verschlechtert, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der Deutschen Presse-Agentur. "Bundesweit gehen wir von einer echten Lücke von mindestens 30.000, vielleicht sogar bis zu 40.000 unbesetzten Stellen aus."  Die Situation, Stellen mit voll ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen, habe sich "im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich verschärft", sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern. "Unterrichtsausfall gleich zu Beginn des Schuljahres ist bereits Tatsache, größere Lerngruppen, Zusammenstreichen von Förderangeboten, Kürzung der Stundentafel usw. sind an der Tagesordnung", sagte Udo Beckmann, der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). […. ] Aus einzelnen Ländern kamen bereits die ersten Alarmmeldungen: In Bayern hieß es schon kurz vor den Sommerferien, dass im neuen Schuljahr Unterrichtsangebote gestrichen werden müssten, um genug Pädagogen als Klassenleiter zu haben. In der Bundeshauptstadt Berlin begann das Schuljahr mit so vielen Schülern wie nie, bei gleichzeitig 875 fehlenden Lehrkräften [….]

(SZ, 30.08.2022)

Was für ein Glück es doch ist, Antinatalist zu sein.

Wer Kinder hat, muss verzweifeln. Und wer an Deutschlands Zukunft denkt, auch.

So wird das natürlich nichts mit der Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Donnerstag, 1. September 2022

Impudenz des Monats August 2022

Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Als Trump gleich am Anfang seiner 2016ner Wahlkampagne im November 2015 die Behinderung des New York Times-Reporters Serge Kovaleski nachäffte, um ihn lächerlich zu machen, dachten viele, damit wären seine Wahlchancen erledigt.

Als im August 2016 Donald Trump auf videotape prahlte, Frauen sexuell zu belästigen – „grab’ em by the pussy“ – dachten viele, damit wären seine Wahlchancen erledigt.

Gewählt wurde er trotzdem, weil nicht nur Trump, sondern auch die Hälfte der US-Bürger moralisch völlig verkommen ist.

Als Präsident wurde er immer schlimmer, Comey!, im Laufe des Jahres 2017, hielt ich es immer noch für möglich, daß seine Republikaner die Reißleine ziehen könnten. So einer konnte doch nicht volle vier Jahre Präsident bleiben. 30.000 Lügen im Amt, 500.000 Corona-Tote und der Präsident empfiehlt Chlorbleiche zu trinken. Aber offensichtlich gibt es bei Trump keinen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. 75 Millionen völlig fanatisierte QTRumpliKKKans im Lande stellen ein viel zu großes Fass dar. Er überstand gleich zwei Impeachment-Verfahren. Selbst die Insurrection, bei der ein Trump-Mob im Herzen der US-Demokratie ein Blutbad anrichtete und Beamte der Capitol Police starben, nehmen die Republikaner hin.

Es ist vielleicht die einzig wahre Aussage, die Trump je machte.

“I could stand in the middle of 5th Avenue and shoot somebody and I wouldn’t lose voters”

(DJT, Januar 2016)

Wer im Jahr 2022 bei einer neuen Trump-Ungeheuerlichkeit immer noch die Prognose wagt, diesmal habe er den Bogen aber wirklich überspannt, ist sehr mutig. Mir fehlt die Phantasie dazu, mir einen Skandal auszudenken, der Trumps Anhänger von ihm abbringen könnte.

Dennoch ernenne ich Donald Trump zur Impudenz des Monats August 2022, weil er selbst für seine Verhältnisse radikal verblödet agiert und es sogar fertig bringt, FOX bei seiner Verteidigung Schwierigkeiten zu bereiten.

Die schiere Masse der Top-Secret-Akten, die Trump aus dem Weißen Haus stahl, ist zu gewaltig. Zu offenkundig, wie er das FBI belog.

Zu offensichtlich hat Trump längst jegliche Selbstkontrolle verloren, feuert bis zu 60 vollständig irre Lügen-Postings nach einander auf seiner „Truth Social“-Plattform ab.

[…] Ist das noch Taktik oder schon Wahnsinn? Fast zwei Jahre nach seiner Abwahl als US-Präsident hat Donald Trump sein Amt zurückgefordert. […] Seit Donald Trump aus dem Weißen Haus geworfen wurde, verbreitet er die Lüge vom Wahlbetrug. Jetzt hat der 76-Jährige auf seine übliche Propaganda noch einen draufgesetzt und seine Wiedereinsetzung als Präsident verlangt — 22 Monate nach seiner deutlichen Niederlage gegen Joe Biden. "Verkündet den rechtmäßigen Sieger", schrieb Trump auf der von ihm mitgegründeten Online-Plattform Truth Social, ohne Zweifel daran zu lassen, dass er damit sich selbst meint, "oder — und das wäre die Minimallösung — erklärt die Wahl 2020 für irreparabel beeinträchtigt und veranstaltet eine neue Wahl, sofort!" […]

[…] (STERN, 30.08.2022)

Trumps Irrsinn ist das eine, die enormen juristischen Schwierigkeiten sind das andere.

[….] Vertrauliche Dokumente aus Mar-a-Lago: Wird es diesmal wirklich eng für Trump? […] Donald Trump und die Skandale. In dem Gewusel aus Ermittlungen, das den ehemaligen US-Präsidenten umgibt, lässt sich schnell der Überblick verlieren. Aktuell geht es um vertrauliche Dokumente, Trump soll sie aus dem Weißen Haus mitgehen lassen haben. […]  Am vergangenen Freitag gab das US-Justizministerium bekannt, es ermittele gegen den ehemaligen Präsidenten Donald Trump wegen der Entfernung von Unterlagen aus dem Weißen Haus. […] Im Durchsuchungsbeschluss wurden drei Straftatbestände genannt, unter anderem steht Trump im Verdacht, gegen ein Spionagegesetz verstoßen zu haben. Es enthält strikte Vorgaben für die Aufbewahrung von Dokumenten zur nationalen Sicherheit. US-Präsidenten sind dazu verpflichtet, bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt sämtliche offiziellen Dokumente, auch E-Mails und Briefe, an das Nationalarchiv zu übergeben.  Trump soll Dokumente mit nach Mar-a-Lago genommen haben, die etwa Informationen über streng geheime menschliche Quellen der US-Dienste im Ausland beinhalteten . […] Zudem geht es um Justizbehinderung. Darauf sehen Ermittler zumindest Hinweise, Trump könnte Regierungsunterlagen versteckt und aus dem Lagerraum in seiner Villa entfernt haben. Zudem könnte Trump weitere Anstrengungen unternommen haben, um die Ermittlungen zu behindern, hieß es in einem Gerichtsdokument des Justizministeriums, das Dienstag (Ortszeit) veröffentlicht wurde. […]

(SPON, 01.09.2022)

Der Wahnsinn in der Hirnen der 75 Millionen Trump-Wähler mag groß genug sein, um ihrem pumpkin-tit-Guru ins Abseits zu folgen, aber man gewinnt damit nicht mehr sicher Wahlen.

Sahra Palin, eine Kreuzung aus Boebert, einem Eimer Brunnenkresse und MTG, verlor gestern als ehemalige Gouverneurin eine Nachwahl zum US-Kongress, in einem Alaskanischen Wahlbezirk, der seit einem halben Jahrhundert fest in republikanischer Hand war.

Trumps Allmächtigkeit scheint nur noch intra-GOP zu wirken. Ja, er kann problemlos renitente Personen wie Cheney und Kinzinger absägen, aber da die Politik seines SCOTUS so unpopulär ist (Abtreibungsverbote!), gewinnen die irren Trumpisten nicht unbedingt general elections, auch wenn sie durch das Wahlrecht viele Vorteile haben. Zu viele Amerikaner sehen aber offensichtlich doch, in welche Schwierigkeiten sich Donald Utan manövriert.

[…] Die Rufe sind noch gut in Erinnerung. »Lock her up!« – »Sperrt sie ein!«, grölten die Fans von Donald Trump im Wahlkampf 2016. Gemeint war Hillary Clinton, die es gewagt hatte, auf einem privaten Server in ihrem Haus regierungsamtliche E-Mails zu speichern, darunter auch Verschlusssachen. Trump schlachtete das Thema aus, um gegen Clinton die Wahl zu gewinnen. Sie wurde als Landesverräterin dargestellt. Würde Trump heute in der Aktenaffäre an seinen eigenen Maßstäben von damals gemessen, müsste er bald im tiefsten Kerker des Landes sitzen. Hillary Clintons mutmaßliche Vergehen wirken im Vergleich zu seiner Aktenaffäre wie Kleinkram. […] […] Trump hat in der Affäre alles falsch gemacht, was er hätte falsch machen können. Erst nahm er nach seiner Amtszeit geheime Staatspapiere mit nach Hause, obwohl er das laut Gesetz so wohl nicht durfte. Dann versteckte er offenbar weiterhin Papiere, nachdem seine Anwälte den Behörden bereits mitgeteilt hatten, dass angeblich alle Dokumente an das Nationalarchiv übergeben worden seien. Und schließlich provozierte er mit seiner Weigerung, alle übrigen Papiere herauszugeben, selbst die Razzia des FBI. Nun droht ihm deshalb womöglich sogar ein Strafverfahren. […] Die größte Gefahr wäre Trump für die Demokraten, wenn er sich plötzlich seriös gäbe und verspräche, Demokratie und Recht zu achten. Wenn er aufhörte, das Ergebnis der letzten Wahl anzuzweifeln und so die wichtigen Wechselwähler anspräche. Aber die Aktenaffäre und Trumps Umgang mit ihr zeigen: Das wird Trump niemals tun. Er ist getrieben von Wut und Rachsucht. Für Konzilianz ist in seinem politischen Leben kein Raum. […]

(Roland Nelles, 01.09.2022)

Mittwoch, 31. August 2022

Immer mehr CDU-AfD-Schnittmenge

In der härter werdenden politischen Situation zwischen Ampel einerseits und der Merz-Opposition andererseits, die von der Gas-Wut der Hufeisen-Proteste profitieren will, wäre es wichtig, sich auf den politisch-moralischen Kompass der C-Parteien verlassen zu können.

[….] 10% Inflation und dann auch noch frieren, wird sie aber wohl doch auf die Straße treiben. Schon jetzt ist die Ampel historisch unbeliebt. Sören Pellmann, in Leipzig direkt gewählter Bundestagsabgeordnete der LINKEN, gibt bereits die Sahra Sarrazin und ruft zur Querfront-Demo auf:  Montags gemeinsam mit AfD und Pegida und AfD gegen die etablierten Parteien.

Das Hufeisen des Grauens könnte die Bundesrepublik im Winter ordentlich durchschütteln, da es keine seriöse Opposition im Bundestag gibt, sondern de facto nur noch Populisten. Schlimmer noch; mit der Lindner-Liste sitzen sogar Populisten im Kabinett.

Da wird sich ordentlich Wut entladen, wenn in Prekariatistan die Raumtemperatur bei 10°C liegt und der Strom abgeschaltet wird.

Das werden glückliche Zeiten für Putin, wenn im Westen das Volk gegen die eigene Regierungen marschiert.  [….]

(Willkommen in der Realität – Teil II, 30.08.2022)

Leider steht mit dem homophoben Leitkultur-Populisten Merz genauso wenig ein seriöser Mann an der Spitze der CDU, wie mit Markus Söder mit seiner vielfach xenophoben Historie an der Spitze der CSU.

Rechtspopulisten und auch Antisemiten wie Hans-Georg Maaßen werden in der Merz-CDU nicht nur geduldet, sondern als Bundestagskandidaten aufgestellt.

Besonders weit am rechten Rand steht der Hamburger CDU-Landesverband, der ungeniert rechtspopulistisch agiert.

(….) Auch der am äußersten rechten Rand der CDU stehende Hamburger CDU-Vorsitzende Ploß, der seinen Aufstieg dem völkischen Burschenschaftsklüngel in Hamburg verdankt, zeigt heute, auf welcher Seite er steht.

Manuela Schwesig, die sich erneut einer Krebsoperation unterzieht und daher ihre Amtsgeschäfte vorübergehend der stellvertretenden Ministerpräsidentin übergeben musste, wurde von Ploß so perfide angegriffen, daß sie eine Unterlassungsklage einreichte. Aber der braunschwarze Jung-Vorsitzende, der seine CDU landesweit auf 15% herabkrachen ließ, denkt gar nicht dran, der Frau, die derzeit im Krankenhaus liegt, mit Anstand zu begegnen.

[….] Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß hat die Frist für die von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) geforderte Unterlassungserklärung verstreichen lassen. Ploß' Anwältin wies den Vorwurf zurück, ihr Mandant verbreite eine »unwahre« Behauptung über Schwesig, und betonte, die SPD-Politikerin müsse Kritik »auch in zugespitzter Form« hinnehmen.  In dem Streit geht es um Aussagen des CDU-Bundestagsabgeordneten in der ZDF-Talkshow »Markus Lanz« zur Haltung der SPD gegenüber Russland. [….][….] Schwesig ging gegen die Verbal-Attacke juristisch vor. »Ihre Behauptung über Manuela Schwesig ist unwahr; sie hat nichts Derartiges gesagt«, stellte Schwesigs Anwalt Michael Nesselhauf in einem Schreiben an Ploß fest und forderte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung[….] Statt die Unterlassungserklärung zu unterschreiben, hat Ploß nun seine Anwältin Patricia Cronemeyer antworten lassen. [….] Ob Schwesig nach der nicht abgegeben Erklärung nun vor Gericht ziehen wird, ist unklar. Schwesigs Regierungssprecher sagte auf Nachfrage nur, man wolle sich derzeit nicht zu dem Fall äußern. Ploß gibt sich derweil zuversichtlich, die Angelegenheit notfalls vor Gericht auszutragen. »Es geht mittlerweile auch ums Prinzip, denn die Entscheidung würde über den Einzelfall hinaus wirken«, sagte der CDU-Landeschef. [….]

(SPON, 17.02.2022)

Willkommen im braunen Merz-CDU-Zeitalter.

(Quo vadis, CDU?, 17.02.2022)

Mit so einer CDU gibt es keine „Brandmauer gegen Rechts“.

(….) Christoph Ploß, 36 Jahre, Partei-Rechtsaußen mit Gender-Phobie und Vorliebe für schwülstige Gelage in den völkischen Verbindungshäusern in der Umgebung des pikfeinen CDU-Hauses am superteuren Leinpfad, mit Außenalster-Blick. Ploß, Chef einer reinen Männerpartei, dem es gar nicht völkisch-braun genug sein kann.

Der Bundestagsabgeordnete Ploß ist umtriebig. Nach nur drei Tagen im Amt gelang ihm ein Coup, auf den er sichtlich stolz ist.
Er holte die ehemalige Schleswig-Holsteinische AfD-Chefin Ulrike Trebesius in die CDU.  Nun wächst zusammen was (zum Beispiel auch in Thüringen) zusammengehört.  Deutlicher kann man wohl nicht sagen wo es hingehen soll, als wenn man als erste Amtshandlung ehemalige AfD-Größen heim ins Reich holt.

[…..] Die frühere schleswig-holsteinische AfD-Landesvorsitzende Ulrike Trebesius ist der Hamburger CDU beigetreten. Das bestätigte ein Parteisprecher am Mittwochabend. Zuvor hatte das „Abendblatt” darüber berichtet. Trebesius war 2014 auf AfD-Ticket ins EU-Parlament gewählt worden. Gemeinsam mit Parteigründer Bernd Lucke hatte sie die AfD 2015 verlassen und die Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch gegründet, zu deren Generalsekretärin und Bundesvorsitzenden sie später gewählt wurde. Vor zwei Jahren war die heute 50-Jährige aus der inzwischen in LKR (Liberal-Konservative Reformer) umbenannten Partei ausgetreten.  „Es muss der Anspruch der CDU sein, Personen wie Ulrike Trebesius eine politische Heimat zu bieten”, sagte Hamburgs neuer CDU-Vorsitzender Christoph Ploß dem „Abendblatt”. „Die CDU war immer dann erfolgreich, wenn sie christlich-soziale, liberale und konservative Strömungen vereint hat.” […..]

(Kölnische Rundschau, 30.09.2020)

Es erinnert ein wenig an Joseph Ratzinger, dessen erste Amtshandlung als Papst war seinem ultrakonservativen Prügel-Kumpel Walter Mixa das große reiche Bistum Augsburg zu geben. (…)

(Negativ-Kampagnen, 24.09.2021)

Wie der Anti-Gender-Aktivist Ploß politisch zu verorten ist, stellte er schon in der ersten Woche als Landesvorsitzender unmissverständlich klar. Beim „Gender-Gaga“ steht Ploß ebenfalls  auf der von Storch-Linie, hetzt gegen Trans-Menschen.

Dem Übertritt der AfD-Landesvorsitzenden Ulrike Trebesius in die Elb-CDU folgte nun der nächste Ploß-Coup. Mit dem Raffke Jörn Kruse holte er den nächsten Ex-AfD-Chef in die CDU. Natürlich direkt in seinen CDU-Kreisverband Nord.

[….] Der frühere Hamburger AfD-Vorsitzende Jörn Kruse ist der CDU beigetreten. Das bestätigte Kruse am Mittwoch. Aufgenommen wurde der 73-Jährige vom CDU-Kreisverband Hamburg-Nord, dessen Vorsitzender CDU-Landeschef Christoph Ploß ist. "Der CDU-Kreisvorstand Hamburg-Nord, dem alle Strömungen und Vereinigungen der CDU angehören, hat einstimmig entschieden, Professor Jörn Kruse in die CDU aufzunehmen", teilte der Verband mit.  […]

(NDR, 31.08.2022)

Die Richtung, in die es für die CDU geht, ist offensichtlich.

Dienstag, 30. August 2022

Willkommen in der Realität – Teil II

Heute mußte ich mir eine 15-minütige Tirade einer Dame anhören, die just in Rente ging, in ihrer eigenen 1-Zimmerwohnung lebt, die sie pünktlich zum Ende ihres Berufslebens abgezahlt hatte und nun auf der Wohnungseigentümerversammlung (ETV) einen Schock erlebte. Der neue Wirtschaftsplan sieht vor, statt wie letztes Jahr knapp 10.000 Euro für die Heizkosten (Gas) nun 13.000 Euro einzuplanen. Das wären schließlich satte 30% mehr. Sie müsse als Alleinstehende allerdings auf ihren Geldbeutel achten und die Rente werde sicherlich nicht um 30% erhöht. Was für ein unverschämter Beschluss. Vielleicht könnten die anderen Eigentümer in der WEG sich das Geld aus den Rippen schneiden; sie nicht.

Willkommen in der Realität, liebe Hamburger Neu-Rentnerin.

Über die 30% mehr Heizkosten-Planung werden sie bei der nächsten ETV herzlich lachen. Privathäuser oder eben kleine WEGs werden sich auch ganz andere Preissteigerungen gefasst machen müssen.

 Die Preisexplosion beim Erdgas ist am Größten, weil die Abhängigkeit von Putin beim Gas am höchsten ist.

Übrigens, liebe Atomkraft-Fans, sieht es fast genauso beim Uran aus.

[….] Die Preise für fossile Energieträger steigen und steigen – das lässt Atomkraft als verlässliche Alternative wirken. Doch der Eindruck täuscht: Russland kontrolliert fast 50 Prozent des Marktes. […]

(Benjamin Bidder, 28.08.2022)

Alle Gründe, die schon in den 1980ern einen Ausstieg aus der Kernenergiegewinnung notwendig machten –  a) Millionen Jahre strahlender Abfall, darunter das stärkste Gift des Alls: Plutonium, b) kein Endlager, c) Krebserkrankungen, d) SuperGAU-Gefahr, e) nicht versicherbares Betreiber-Risiko – bestehen weiter. Nach Tschernobyl und Fukushima kommen aber weitere Gründe dazu, die den Betrieb von AKWs ausschließen; f) Terrorgefahr (deutsche AKWs sind nicht gegen Flugzeugabstürze à la 9/11 gewappnet. Eine Passagiermaschine auf Isar II und ganz Deutschland wäre unbewohnbar), g) die Sicherheitszertifikate der AKW sind abgelaufen, alle Anlagen sind überaltert und Störfall-anfällig, h) die Rekordhitze macht den AKW-Betrieb durch fehlendes Kühlwasser vielerorts unmöglich und schließlich i) die Abhängigkeit von Putin bleibt bei Uranbrennstäben bestehen. Dann können wir auch gleich Nordstream 2 öffnen.


Leider hat sich die Hoax, man könne/sollte/müsste alle deutschen AKW einfach wieder hochfahren – gern in Kombination mit einer überheblichen Belehrung an die angeblich so ideologischen Grünen – verselbstständigt. Man bekommt diese Ansicht auch in jedem zweiten Kommentar der seriösen Zeitungen präsentiert.

Wer eine moderne Pellet-Heizung einbauen ließ und sich angesichts der Gas/Öl-Preistreiberei schon freute, unabhängig von Lieferungen aus Russland zu sein, erlebt gerade sein blaues Wunder. So wie Kohlbriketts und Kaminholz für Privathaushalte entweder ausverkauft oder nur noch zu absoluten Mondpreisen erhältlich sind, sind auch Pellets Mangelware.

[….] Vieles wird momentan teurer. Lebensmittel, Strom, Gas - und auch Holz. Genauer gesagt: Holzpellets. Die kleinen, stäbchenförmigen Pellets sind aktuell besonders gefragt. Und besonders teuer. Holzpellets werden vor allem als Brennstoff genutzt, in Pelletöfen- oder kesseln. Sie werden aus Holzresten hergestellt, aus Spänen oder Hobelrückständen, die dann in die typische Zylinderform gepresst werden. Früher ein Abfallstoff, heute Grundlage für einen klimafreundlichen Energieträger, so preist es zumindest das Deutsche Pelletinstitut an.  Der Interessenverband erhebt auch die Preise für den deutschen Pelletmarkt. Dabei zeigte sich jetzt: Im August ist der Pelletpreis im Vergleich zum Vormonat um 35 Prozent gestiegen, im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Preis sogar fast verdreifacht. Während eine Tonne Pellets im August 2021 noch rund 220 Euro kostete, zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher im August 2022 rund 669 Euro. Für ein Einfamilienhaus werden im Schnitt sechs Tonnen Pellets pro Jahr benötigt. Hochgerechnet wären das also etwa 4000 Euro im Jahr allein für den Brennstoff.  Der hohe Preis erklärt sich vor allem durch die gestiegene Nachfrage. [….] Doch vor allem die Hamsterkäufe überfordern die Branche. "Pellets sind das neue Klopapier", sagt Beate Schmidt-Menig, Geschäftsführerin von Ökofen. [….]  

(Patrizia Tensing, 30.08.2022)

Meine Wohnung wird mit Fernwärme beheizt. Ich selbst heize zwar gar nicht. Da aber 50% der Heizkosten umgelegt werden, zahle ich für die anderen Mieter mit. Das ist auch fair, da ich zwar mit niedrigeren Temperaturen als die meisten Menschen lebe, aber meine Wohnung hat kaum Außenwände, wird also ohnehin nicht eiskalt, weil Nachbarn oben, unten, links und rechts heizen.

Fernwärme ist günstig und ökologisch. Sie bietet sich in Hamburg an, weil gewaltige Fabriken wie zB die Aurubis, eine monströse Kupferhütte mit 2.000 Mitarbeitern, mitten in der Stadt steht und entsprechend gewaltige Menge Abwärme produziert.

Während meines Studiums habe ich die Anlage (damals noch „Norddeutsche Affinerie“) besucht und kann bestätigen, daß es in den Hallen mit den galaktisch großen Hochöfen irre heiß wird. Als Mieter in Hamburg profitiere ich also von dieser stetigen Wärmequelle.

Aber wird die alte „Affi“ überhaupt weiterlaufen können im Winter?

[….] Aurubis gehört zu den größten Energieverbrauchern

Die Kupferhütte auf der Veddel gehört zu den größten Energieverbrauchern in der Hansestadt und setzt dabei zu fast 40 Prozent Erdgas ein. Im vergangenen Jahr waren dies knapp 473 Millionen Kilowattstunden, also annähernd 40-mal mehr als bei Hobum Oleochemicals. Wegen der aktuellen Entwicklungen arbeite Aurubis „bereits seit einigen Monaten intensiv am Umstieg auf alternative Energieträger an unseren europäischen Standorten“, erklärt das Unternehmen. Je nach Standort gebe es verschiedene Szenarien, welche Gasmengen eingespart oder durch Strom, LPG (Flüssiggas) oder Öl ersetzt werden könnten – im besten Fall komplett.   [….]
(HH Abla, 22.07.2022)

Sagenhaft, im Sommer 2022 beginnt der größte Gasabnehmer Hamburgs nun doch auch mal darüber nachzudenken, was eigentlich passiert, wenn das russische Gut mal nicht mehr unbegrenzt und billig zu CO2 verfeuert werden kann.

Damit wären wir beim Heizöl. Diejenigen, die ihre alte Ölheizung in den letzten zehn Jahren noch nicht durch umweltfreundlichere und günstigeren Gasheizungen ersetzt haben, lachen jetzt. Galt man gestern noch als Umweltsau, kann man nun frohlocken, weil der Öleinkauf weltweit in vielen Nationen möglich ist und nicht so stark an Russland hängt.

Wer letztes Jahr für ein paar Tausend Liter Heizöl knapp 60 Cent/Liter zahlte, ist nun mit mindestens 1,80 Euro dabei. Die Teuerung lässt sich nicht allein mit dem Weltmarktpreis erklären, aber wer mit 30% Mehrkosten rechnet, erwartet dann einen Einkaufspreis von gut 80 Cent. Es sind aber mehr als 1,80 Euro. Für alle, die in der Schule nur Klatschen und Singen belegt haben: 180 Cent > 80 Cent.

Die Frage ist, wieso irgendjemand in so einer Situation Minister sein möchte.

Die Deutschen stören sich wenig an Pegida, an verrotteten Schulen, fehlender digitaler Infrastruktur und xenophoben Mordserien. Solange sie es zu Hause gemütlich warm haben und über einen Flachbild-TV, bzw PC verfügen. Hieß es immer. 10% Inflation und dann auch noch frieren, wird sie aber wohl doch auf die Straße treiben. Schon jetzt ist die Ampel historisch unbeliebt. Sören Pellmann, in Leipzig direkt gewählter Bundestagsabgeordnete der LINKEN, gibt bereits die Sahra Sarrazin und ruft zur Querfront-Demo auf:  Montags gemeinsam mit AfD und Pegida und AfD gegen die etablierten Parteien.

Das Hufeisen des Grauens könnte die Bundesrepublik im Winter ordentlich durchschütteln, da es keine seriöse Opposition im Bundestag gibt, sondern de facto nur noch Populisten. Schlimmer noch; mit der Lindner-Liste sitzen sogar Populisten im Kabinett.

Da wird sich ordentlich Wut entladen, wenn in Prekariatistan die Raumtemperatur bei 10°C liegt und der Strom abgeschaltet wird.

Das werden glückliche Zeiten für Putin, wenn im Westen das Volk gegen die eigene Regierungen marschiert. Gut möglich, daß die EU doch noch Gerd Schröder zum offiziellen Emissär benennt und in Moskau um Nordstream2-Gas betteln lassen wird.

Die Ampel kann es, insbesondere aufgrund der katastrophalen Merkel-Versäumnisse bei der Energiewende, Photovoltaik und Windenergie, gar nicht allen recht machen.

Es gibt nur schlechte Alternativen, wie der SPIEGEL hier sehr schön nüchtern durchdekliniert.

Es wird auf jeden Fall Ungerechtigkeiten geben. Schon allein, weil die FDP nicht zurechnungsfähig ist und manisch alles Vernünftige blockiert. Der Urnenpöbel wird sauer werden.  Aber was soll denn die Alternative sein? Sechs Millionen Leute haben FDP gewählt. Lindner hat sich nicht ins Amt geputscht. Und der Urnenpöbel ist dermaßen verblödet, dass er nach allen Umfragen bei Neuwahlen mit riesigem Abstand Blackrock-Cum-Ex-Mann Merz zum Kanzler machen würde. Damit wäre die ärmere Hälfte der Bevölkerung völlig verloren, wenn es keinen Sozialminister Heil mehr gibt, der von einem Sozi-Kanzler gedeckt wird. Die FDP-Minister sind natürlich ein Alptraum, aber eine bessere Mehrheit gibt es nicht im Bundestag.  Würde die Regierung platzen, gäbe es erst mal gar keine Hilfen bei explodierenden Preisen im Winter (Wahlkampf = totale Blockade der aktuellen Politik) und nach Neuwahlen wäre es noch viel schlimmer, weil Merz und Lindner dann gemeinsam an das obere 1% umverteilen. Bestenfalls käme es zu Schwarzgrün, aber die Grünen machen ohnehin schon Klientelpolitik für die Gutverdiener. Das wäre nicht besser, wenn Sozialminister Scheuer, Wirtschaftsminister Spahn und Finanzministerin Klöckner neben Bundeskanzler Merz am Tisch säßen. Scholz ist angesichts solcher Alternativen leider dazu verdammt, die Koalition nicht platzen zu lassen und der FDP eine lange Leine zu lassen. Also  bleibt einem nur zu hoffen, dass der Meseburgtrip wenigstens etwas bringt.

Montag, 29. August 2022

Anti-woker Veganer-Hass.

Wenn rechtspopulistisch schwurbelnde Aufmerksamkeitsjunkies mit anti-woker Attitüde gegen angebliche Verbote in die Schlacht ziehen, wirkt das auf denkende Zuhörer stets ein wenig lächerlich. In der Regel sprechen sie nämlich ununterbrochen und ungehindert über die Dinge, über die sie angeblich nicht sprechen dürfen. Querdenker widerlegen damit selbst die Sprechverbote, die sie beklagen.

Mit diesem Möllemann-Herman-Paradox gelangen schon vor 20 Jahren große Wahlerfolge.

(….) Seit dem Herbst 2000 verging also kein Tag, an dem nicht in den Feuilletons mit drastischen Worten gegen Sharon Position bezogen wurde.
Ich erinnere mich an arabische Journalisten, die damals im „Presseclub“ auftraten und ihre deutschen und europäischen Kollegen zu bremsen versuchten, weil selbst sie fanden, daß Sharon zu einseitig und zu radikal dämonisiert wurde. Immerhin hätte er begonnen den Gaza-Streifen zu räumen, dazu brauche es in Israel seine knallharte Hand.

Und nach zwei Jahren stellte sich Jürgen Möllemann in den NRW-Wahlkampf, inszenierte sich als mutiger Tabubrecher, der es erstmals wage Israel zu kritisieren und wurde vom Plebs bejubelt. Endlich traue sich mal einer.

Im Mai 2002 verstieg sich Möllemann sogar dazu Michel Friedmann die Schuld am Antisemitismus zuzuschieben, da dieser in Talkshows die israelische Politik verteidige.

Das ganze Jahr über machte die FDP rechte, antisemitische Stimmung, die im September mit dem berüchtigten Anti-Israel-Flugblatt der FDP eskalierte.

Es war abartig, widerlich und verlogen, was die FDP-Granden aus NRW damals anstellten. Genscher, Möllemann und Westerwelle – alle drei stützen diesen Kurs; elektrisiert von den sagenhaften 9,8%, die Möllemann im Jahr 2000 bei der NRW-Wahl geholt hatte. All das beruhte nur auf einer Hoax.

Während sich Millionen Wähler an dem vermeidlichen Tabubrecher Möllemann erfreuten, gab es nie ein Verbot Israel zu kritisieren. Niemand wollte das. Der Zentralrat der Juden rief sogar ausdrücklich zu konstruktiver Kritik auf und diese geschah auch täglich in den Medien.

Aber der Urnenpöbel war auch damals schon so verblödet, daß er sich an der Frage ob man Israel überhaupt kritisieren dürfe regelrecht aufgeilte.  (….)

(Das kommt von sowas, 17.06.2016)

Die Zutaten für so einen PR-Erfolg sind immer gleich: Eine Prise Antisemitismus, Vorurteile schüren, den Hass auf Linksliberale anstacheln und sich dann gleichzeitig als heldenhafter Tabubrecher feiern. Auch und gerade, wenn dieses Tabu nicht existiert. Auf so einer Hoax basierend, machte schon Eva Braun vor 15 Jahren Karriere und verdiente viel Geld.

(…..) Die reaktionäre Fundi-Christin Eva Herman ist so ein unangenehmes Beispiel. Ganz im Gegensatz zu den immer wieder von rechtsradikalen Quellen (Kreuznet und Co) auftauchenden Vorwürfen das politisch korrekte Deutschland habe ihr „Berufsverbot“ erteilt, ist die blonde Braune unglücklicherweise beruflich extrem aktiv.   Wir sind eben eine freie Gesellschaft und daher darf auch ein dunkeldeutsch frömmelndes Kreuznet-Liebchen tun was es will.
Sie publiziert, verkauft fast ein Dutzend Bücher unter ihrem Namen, spricht auf dubiosen Parteineugründungen, wird bei ultrakatholischen Kongressen als Rednerin engagiert und ist nicht zuletzt das mediale Gesicht des Kopp-Verlages.   Dort versammelt sich das Who-Is-Who der rechtsnationalen Verschwörungstheoretiker, Ufologen (z.B. Erich von Däniken), Islamhasser wie Udo Ulfkotte und Esoterik-Freaks.

„Der Verlag bezeichnet sich selbst als Verlag und Fachbuchversand für Enthüllungsliteratur, Verschwörungen und Geheimgesellschaften. Verlegt werden unter anderem Bücher zu Themen der Prä-Astronautik, der Ufologie, des Erfundenen Mittelalters, des Kreationismus, der Astrologie, der Geomantie sowie der Germanischen Mythologie, des Islamismus, der Freiwirtschaftslehre und „Enthüllungen“ wie zu sogenannten „linken Lebenslügen.“
(Wiki)

Wie schön wäre es, wenn Herman tatsächlich mit Berufsverbot belegt wäre.
Aber mit Kopp bildet sie eine perfekte Symbiose.  Der finanzstarke Verlag füttert sie und dafür liefert die angebräunte TV-Frau regelmäßig mit ultrabizarren Ansichten (Loveparade-Katastrophe war Strafe Gottes, etc) die PR für den vorher eher im Schatten vor sich hin modernden rechten Verlag.  (…..)

(Neues von Eva Braun, 26.12.2011)

Die Covitioten und Great-Reset-Apologeten, die Aluhüte und Chemtrail-Jünger, die Impfgegner und Homöopathioten haben das Möllemann-Herman-Paradoxon so verinnerlicht, daß ihr „aber das darf man ja nicht mehr sagen“ an beinahe jeden Satz angefügt wird und sie das ganze Internet mit den Fehlinformationen fluten, die sie angeblich nicht verbreiten dürfen. Die lästige Realität haben sie schon lange verlassen.

(…) Private Unternehmen haben private Regeln. Wenn ich im Restaurant nebenan sitzen möchte, darf ich nicht meine eigenen Getränke mitbringen.

Wenn ich in einer Boutique ein Hemd anprobiere, darf ich mir daran nicht die Nase schnäuzen, wenn ich in den Zoo gehe, darf ich nicht den Löwenkäfig aufschließen und wenn ich ins Kino gehe, darf ich nicht auf den Sitz pinkeln.

Die rechten Verschwörer stellen Meinungsfreiheit bewußt falsch dar und tun so, als ob dies bedeute, ihnen dürfe nicht widersprochen werden und sie müssten das Recht haben überall gehört zu werden und Aufmerksamkeit zu bekommen, alle privaten Medien wären verpflichtet sie zu Wort kommen zu lassen.   (….)
(Ausgetwittert, 10.01.2021)

Zu einer rechtspopulistischen Verschwörungssuppe à la Sigmar Gabriel, rühren professionelle Aluhüte immer ein paar Trigger als Gewürze ein, um möglichst viel Aufmerksamkeit in den braunen Echokammern zu erzeugen.

Am besten funktionieren dabei Seitenhiebe auf Veganer und  Greta Thunberg.

Bei der minderjährigen Schwedin spielen sicherlich sadistische und missgünstige Motive mit, da sie selbst demonstrativ bescheiden und leise auftritt. Sie schreit nie jemanden an und ihre Sache, auf den tödlichen menschengemachten Klimawandel hinzuweisen, ist zweifellos eine gute und richtige Sache. Kein Grund eigentlich für erwachsene, reiche, weiße Männer, einen „HEUL‘ LEISER GRETA!“-Aufkleber an ihren 400PS-SUV zu kleben.

Es muss also einen psychologischen Grund geben, daß so viele große, dicke, mächtige Männer von so einem kleinen schmächtigen Mädchen derartig getriggert werden, daß Christian Lindner öffentlich seine größtmögliche Arroganz ausbreitet, wenn es um FFF geht. Vielleicht ist es eine Machtfrage. Wer eine 2,4 Tonnen schwere Penisprothese auf der Straße spazieren fährt, wenn es zum Bäcker nebenan geht, ahnt vielleicht, daß er selbst das Auslaufmodell ist, während sich die FFF-Prophezeiungen bewahrheiten. Wenn die Argumente fehlen, reagiert Mann mit Zorn und benötigt einen Sündenbock. Beides kulminiert in „Greta“. Die Ängste um den eigenen Lebensstil lassen sich verbal mit Hassattacken auf Thunberg kanalisieren.

Ähnlich funktionieren die Seitenhiebe auf Veganer, die in keiner rechten Rede fehlen dürfen. Jeder JUler versichert unter dem Gejohle seiner Parteifreunde, Schnitzel und Bratwurst zu fressen, macht abfällige Bemerkungen über Sojabratlinge.

Auch hier sind a) die mangelnden Argumente gegen Veganismus und b) die enorme Trigger-Wirkung des Begriffs „vegan“ auffällig.

Es gibt derzeit etwa 1-2% Veganer in Deutschland*, vermutlich eine gute Millionen Menschen.  Wieso fürchten sich also 98,5% Nicht-Veganer derartig vor so einer kleinen Minderheit, die einfach keine tierischen Produkte essen mag? Veganer tun ihnen nichts. Die 98,5% können ungehindert zu Joghurt aus Kuhmilch, zu Schafskäse, Brathuhn und Currywurst greifen. Auch hier dürften die Fleischesser deswegen so getriggert sein, weil sie insgeheim wissen, im Unrecht zu sein. Diese Form der Massentierhaltung mit nahezu unbegrenzt vorhandenen Billig-Fleisch bei jedem Discounter, ist moralisch nur zu ertragen, wenn man fest die Augen vor den Zuständen in den Mastbetrieben verschließt. Das mag einigen noch gut gelingen, aber Fleischkonsum produziert Hunger in der Welt, weil das Schlachtvieh des reichen Westens, die im armen Teil der Welt produzierte pflanzliche Nahrung frisst. Zudem furzen die Abermillionen Kühe und Schweine die Atmosphäre kaputt und verbrauchen so viel Wasser, daß unser Planet verdorrt. Bis die Menschen ausgestorben sind, wird es unter ihnen immer Fleischesser geben, aber das Massenkonsum von totem Tier dreimal am Tag für acht Milliarden Menschen, ist ein Auslaufmodell.

Monika Gruber, einst eine großartige Kabarettistin, die sich aber auch in den letzten Jahren immer größere Aluhüte bastelte, geht schon seit zehn Jahren mit diesen rechtspopulistischen Triggern auf die Bühne, wetterte 2014 in „Ottis Schlachthof“ gegen Veganer und prahlte damit SUV zu fahren.

Das Video wird immer wieder in den sozialen Medien geteilt und nach wie vor funktioniert das anti-vegane Triggern perfekt. Kein Wunder. Klima- und Nahrungsmittelkrise haben in den vergangen acht Jahren nur noch deutlicher gemacht, wie richtig der vegane Ansatz ist. Also überschlagen die Fleischesser vor Begeisterung für das Gruber-Video. Sie ist das Ventil, um das eigene schlechte Gewissen abzulassen und den Vorurteilen gegen „die Gutmenschen“ freien Lauf zu lassen.

Es wird Zeit, daß die Hobbypopulisten auf den Bühnen und in der Politik anfangen GEMA-Gebühren an Thunberg und den Veganerverband zu zahlen.

 

* Hinzu kommen etwa 8% Vegetarier. Und viele Mischformen, wie Flexitarier. Ich zum Beispiel bin Vegetarier, esse also auf Milch basierende Produkte wie Valess Crispy Sticks, die Veganer ekeln. Ich esse aber niemals Eier, die für Ovo-Vegetarier die bevorzugte Protein-Quelle darstellen. In dem Fall gibt es keine ideologischen Gründe. Ich finde Eier einfach ekelig; so wie auch alles, das aus dem Meer kommt. Andererseits kaufe ich im Supermarkt natürlich viele vegane Produkte wie beispielsweise Brandt Saaten-Crisps. Ebenfalls ohne wissenschaftlichen Hintergrund. Ich mag die Dinger nur extrem gern. Und ich gehe zu einer veganen Friseurin, was aber auch nicht an ihren rein pflanzlichen Färbemitteln liegt, sondern weil ich zufällig nebenan wohne.