Samstag, 23. Dezember 2023

Rechtsbauern

Björn, einer meiner Kommilitonen, mit dem ich im Grundstudium gut befreundet war, stammte aus dem Landkreis Cloppenburg im Oldenburger Münsterland zwischen Osnabrück und Oldenburg. Als Politjunkie war ich fasziniert. Denn damals, im glücklich unvereinigten Deutschland, waren Cloppenburg und der südöstliche Nachbarlandkreis Vechta berühmt und berüchtigt, als schwärzeste Löcher Deutschlands. Der erzkonservativste Bundestagswahlkreis Cloppenburg-Vechta 32; schlimmer als alles, was es in Bayern gibt. Eine Gegend, die von einer homogen völkischen Schweine- und Geflügelzüchter-Gattung bevölkert ist.

Vor dem Laschet-Absturz von 2021, holten strammrechte CDU-Kandidaten dort stets zwischen 60 und 80%.

Als Hamburger Stadtkind mit Verwandten in New York, begegnete ich nicht oft Bauernjungen und fragte Björn, wie es sich anfühle, in so einer Umgebung aufzuwachsen. „Beschissen natürlich – was meinst Du wieso ich sofort nach der Schule da abgehauen bin?“

Einmal lud uns Björn zu einer Geburtstagsfeier auf den heimischen Hof ein. Er wäre natürlich lieber in Hamburg geblieben, wußte aber, daß wir alle neugierig waren und wollte wohl mit dieser Aktion, alle Fragen ein für allemal ausräumen.

Das ist ewig lange her, aber ich erinnere mich an eine gigantischen runden Güllebehälter (20m? 30m Durchmesser?), aus dem unglaubliche Gase drangen und der für mich unbegreiflicherweise genau neben dem Wohnhaus stand. Für uns Biochemiker aber gar nicht mal uninteressant, was da vor sich ging.  Die zweite Überraschung betraf die Widerlegung meiner Bauern-Klischees. Ich hatte ein sehr ärmliches einfaches Leben vor meinen Augen, das ich vermutlich aus dem Michel/Lönneberga-Kinderfernsehen übernommen hatte. Die Schweinezüchter in Cloppenburg hingegen waren wohlhabend; das Haus riesig. Nicht gerade mit edler Kunst vollgestopft, aber man hatte sagenhaft viel Platz. Die Kinder verfügten jedes quasi über einen eigenen Trakt. Björn hatte ein Schlaf-, ein Wohnzimmer und ein eigenes Bad – wie seine Schwestern jeweils auch. Außerdem war seine Mutter eine herzliche Person, die uns, nun doch wieder gemäß aller Klischees, üppig und hervorragend bekochte.  Für die Verhältnisse des Bundestagswahlkreises 32 waren sie vermutlich schon liberal, weil ihr Sohn überhaupt aus der Familientradition entlassen wurde und in der fernen linken Großstadt etwas ganz anderes studieren durfte.

Mein Besuch auf dem Hof fand ungefähr 1990 statt, zu der Zeit, als Gerd Schröder in einer rotgrünen Koalition – mit Jürgen Trittin an seiner Seite – Ministerpräsident wurde. Die Bauern schäumten natürlich, wähnten den Weltuntergang unmittelbar vor sich.

Viehzüchter hassen alle Grünen, fühlen sich von den Begriffen „Umweltschutz“ oder „Tierrechte“ massiv bedroht. Verbissen kämpfen sie gegen jede von grünen Ministern eruierte Regelung, die dem Schlachtvieh wenigstens etwas weniger Leid zufügen soll. Schon vor 35 Jahren waren Lebend-Tiertransporte, betäubungslose Kastration, Kükenschreddern und Qualmast in Schweinekoben die Themen, bei denen sich die Bauern keinesfalls reinreden lassen wollten. So wie sie sich bis heute erfolgreich gegen den Willen der Roten und Grünen für ihr geliebtes Glyphosat einsetzen.

Gerd Schröder, der in Niedersachsen enorm stark war; nach vier Jahren im Amt gar die absolute Mehrheit holte, hatte in dem bulligen, rotwangigen Bauernsohn Karl-Heinz Funke, geb. 1946, den perfekten Mann für den Job des Landeslandwirtschaftsministers. Der aus dem liberaleren Friesland stammende Funke blieb die vollen acht Jahre im Amt und folgte seinem Chef 1998 als Bundeslandwirtschaftsminister nach Bonn.

Als Bundeskanzler tat Schröder nach wenigen Amtsmonaten etwas, das seine Sozi-Vorgänger Brandt und Schmidt nie getraut hatten. Er wagte sich in das tief braunschwarze Feindesland eines Bauerntages. Das war ähnlich verwegen, wie die Besuche der grünen Pastorin und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer bei der Vertriebenentagen, die ebenfalls nahezu ausschließlich dem rechten CDUCSU-Flügel angehören.

[….]  Es war eine Premiere, und sie ging gründlich daneben: Mit Gerhard Schröder besuchte am Freitag erstmals ein sozialdemokratischer Bundeskanzler einen Deutschen Bauerntag. Zwei Welten prallten aufeinander.

[….] Der Auftritt des Kanzlers vor 3000 Bauern in den Cottbuser Messehallen war von lauten Protesten begleitet. Kein Wunder, kam doch der Kanzler, um die bittere Wahrheit zu verkünden: Auch das Landvolk werde - wie Arbeitnehmer und Alte - von der "Aktion Sparschwein" seines Finanzministers Hans Eichel (SPD) nicht ausgenommen. [….] Manche Bauern wähnen sich angesichts der fünf Milliarden Mark, die nach Berechnungen ihres Verbandes durch Sparpaket, Ökosteuern und die EU-Agrarpreissenkungen weniger in die Betriebe fließen, am Rande des Abgrunds. Das demonstrierten sinnfällig zwölf Bauern, die sich zu Beginn der Kanzlerrede ihrer weißen T-Shirts mit der roten Aufschrift "Das letzte Hemd" entledigten und zum Teil mächtige Bäuche präsentierten. [….] Schon beim Eintreffen in der Messehalle wurde der Kanzler mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert, Sirenengeheul und unzähligen Protestplakaten begrüßt. "Ich heiße Gerhard und fresse am liebsten bayerische Bauern", "Schröder der Macher, ein Niedermacher", "Die große Wende, Bauerns Ende", hatten sich die Agrarier als Protestparolen aufgeschrieben. Das geplante Auslaufen der Subventionen für Diesel wurden auch genannt sowie Kürzungen bei der Altersversorgung für Bäuerinnen.

Mit versteinertem Gesicht verfolgte Schröder die Rede von Bauernverbands-Präsident Gerd Sonnleitner, der beklagte, keine andere Gruppe werde so sehr von der Politik geschröpft wie das Landvolk. Langsam werde Bäuerinnen und Bauern die Last zu viel. Auf ganze 40.000 Mark Einkommen je Arbeitskraft bringe es ein Hof im Jahr, das werde nun durch die Sparpolitik um ein Drittel gekürzt. "Wir werden direkt in den Boden gedrückt", klagte Sonnleitner . [….]

(SPON, 02.07.1999)

Bauern hassten vor 1999 die SPD, hassten die SPD auch nach 1999. Aber der dritte sozialdemokratische Kanzler erreichte immerhin ein Minimalziel. Die Gülle-affinen CDU-Fans mussten anerkennen, es mit keinem Feigling zu tun zu haben.

Freunde werden der Bauernverband und die gesellschaftlich fortschrittlichen Kräfte nie.

[….] Der DBV war - und ist - ein gewichtiger Faktor im politischen Kräftespiel. In der Bundesrepublik stehen die Bauernverbände eindeutig der CDU/CSU nahe. Die bäuerliche Bevölkerung stellt bis heute ein zuverlässiges Wählerpotenzial für die Unionsparteien dar, wählten doch in den fünfziger und sechziger Jahren 60 bis 70 Prozent der Bauern und Bäuerinnen die CDU/CSU. Eine Untersuchung für das Jahr 1986 weist sogar eine Parteipräferenz der Landwirte zugunsten der CDU von 87 Prozent auf. Obwohl sich das Agrarprogramm der SPD in den fünfziger Jahren nicht sonderlich von dem der CDU unterschied, gelang es der SPD nicht, mehr als zehn Prozent der landwirtschaftlichen Wähler für sich zu gewinnen. Führende Bauernvertreter sind fast ausschließlich Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion. Auch die Parteizugehörigkeit landwirtschaftlicher Abgeordneter im Bundestag weist deutlich auf die Verbundenheit mit der CDU hin. Dank einer gezielten Lobbypolitik konnte der DBV seinen Einfluss auf die Abgeordneten im Bundestag trotz des absoluten Rückgangs der in der Landwirtschaft Erwerbstätigen bewahren.

Während in der ersten Legislaturperiode der Landwirtschaftssektor im Verhältnis zur Zahl der Beschäftigten eher unterrepräsentiert war, konnte in den folgenden Jahren die Zahl der Vertreter der Landwirtschaft erhöht werden.  Die Mehrheit der Repräsentanten waren darüber hinaus DBV-Mitglieder oder gar Präsidenten eines regionalen Landesverbands. [….]

(Gesine Gerhard 2002)

Die bäuerlichen Verbände sind aus verschiedenen Gründen so extrem rechts.

Es handelt sich um einen vergleichsweise bildungsarmen Berufszweig, der mit urbanem Leben nie in Berührung kommt. Daher ist ihm gesellschaftspolitischer Fortschritt in Form von Minderheitenrechten und Antidiskriminierungsregeln besonders fremd.

[….] Unter Überschriften wie »Bauer sucht Partei« wird auf die wachsende »Kluft zwischen den Landwirten und der CDU« verwiesen, die traditionell die politische Heimat der Landwirte war. »Jetzt wittern FDP und AfD ihre Chance«, hieß es unlängst in der FAZ. Aus der Initiative »Land schafft Verbindung«, welche die große Traktor-Demo in Berlin als Gegendemonstration zur Initiative »Wir haben es satt« initiiert hat, heißt es via »Tagesspiegel« warnend, eine aus ihrer Sicht verfehlte Landwirtschaftspolitik werde rechte Kräfte stärken: »Auch ein Teil der Bauern wird sich dann radikalisieren.« [….] Dabei wirkt die historisch gewachsene »Verflechtung von agrarischem Interventionsstaat, landwirtschaftlicher Interessenvertretung und dem konservativen bis nationalen politischen Spektrum« immer noch stark. Innerhalb der Bauernschaft hatte die NSDAP Anfang der 1930er Jahre starken Rückhalt gewonnen. [….]

(Vincent Körner, 19.01.2020)

Rechtsradikale Landwirte? Das trifft sich aber gut, da ihr anachronistisches Wirtschaftsmodell schon lange nicht mehr lebensfähig ist. Sie greifen ungeheuerliche 450 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen ab und benötigen dementsprechend realitätsnegierende konservative Strippenzieher, die sich als Lobbyisten missbrauchen lassen, um diese immensen Geldströme in die bäuerlichen Blaumänner zu lenken.

[….] Etwa 70 Prozent der Fördermittel in Deutschland sind Flächenprämien. Betrachtet man die ausgezahlten Summen sind unter den Hauptempfängern von Agrarzahlungen in Deutschland vor allem öffentliche Einrichtungen zu finden. Der Erhalt der Flächenprämie wurde mit der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an die Erfüllung einiger Mindestvorgaben geknüpft.

So müssen  zum Beispiel mindestens vier Prozent der Ackerflächen für Brachen und Landschaftselemente bereitgestellt werden. Eine andere Vorgabe ist, dass die Kulturarten auf einer Fläche häufiger gewechselt werden müssen, um den Anteil an Monokulturen zu verringern.

Darüber hinaus ist ein Viertel  der Direktzahlungen an die Erfüllung von Öko-Regelungen gebunden. Betriebe, die sich diese Gelder sichern möchten, müssen dafür Leistungen für Umwelt-, Klimaschutz oder die Biodiversität erbringen, die über die allgemeinen Auflagen an Umwelt- und Klimaschutz hinausgehen.

Außerdem soll ein zunehmender Anteil der jährlichen Direktzahlungen in die zweite Säule der GAP fließen, damit dort künftig mehr Mittel für Programme zur Förderung von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen und zur Stärkung der ländlichen Räume genutzt werden können. Für die zweite Säule stehen Deutschland für das Jahr 2023 rund 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Bis 2027 soll dieser Betrag auf jährlich 1,8 Milliarden steigen.

Die Fördergelder machen je nach Struktur eines Haupterwerbsbetriebs zwischen 41 und 62 Prozent des landwirtschaftlichen Einkommens aus. Bei sogenannten Nebenerwerbsbetrieben, die eine zweite Einkommensquelle außerhalb der Landwirtschaft haben, liegt der Anteil der Fördermittel am landwirtschaftlichen Einkommen noch deutlich höher.  [….]

(Bundesinformationszentrum Landwirtschaft)

Die landwirtschaftlichen Betriebe profitierten in den letzten beiden Jahren sehr stark von Wladimir Putins Ukrainekrieg, weil dadurch einer der größten Getreideproduzenten ausfiel, die Preise auf dem Weltmarkt stiegen, die Bauern auf diese Preiserhöhungen noch einmal ordentlich etwas draufschlugen und ähnlich wie die Mineralölindustrie Rekordgewinne einfuhren. Das erfordert effektive Lobbyarbeit, um auch wirklich jeden erdenklichen Aspekt des landwirtschaftlichen Lebens subventionieren zu lassen.

[….] Am härtesten trifft es wohl diejenigen armen Landwirte,

die sich gerade einen Tesla zulegen wollten, nech.

Und nun müssen sie mit ihrem subventionierten 280.000,-€-Traktor mitsamt "noch" subventioniertem Diesel auch noch wieder ganz nach Berlin fahren. Sind das dann eigentlich noch "Subventionen" oder nennt man das dann "Demogeld" 😉

Bei den Milliarden, die unentwegt in die Landwirtschaft fließen, während sämtliche Folgeschäden dieser grauseligen "konventionellen" Bewirtschaftung vergesellschaftet werden, sollte man annehmen, dass diese Agrarbetriebe längst verstaatlicht wären.

Übersicht förderfähige Maßnahmen (Liste aus: Deutsche Fördermittelberatung) [….]

(Edgar Autenrieb, 18.12.2023)

Für so freches Handaufhalten braucht man schwarze Politiker.

Ein paar Zahlen dazu.

So viele Landwirte wählten bei den Bundestagswahlen Schwarzgelbbraun:
2002: 72%

2005: 74%

2009: 81%

2013: ? %

2017: 85%

2021: 67%

Keine andere Berufsgruppe ist so rechts wie die Bauern.

Wenig verwunderlich, daß sich die Landwirte auch für den extrem lügenden Antisemiten Hubert Aiwanger begeistern.

 

[….]  Zwischen der CSU und den Freien Wählern gibt es zudem einen Wettbewerb um die Gunst des landwirtschaftlichen Milieus. Die Christsozialen betrachten sich als angestammte Bauernpartei - da erregte es Aufmerksamkeit, dass sich nun die Landesbäuerin Christine Singer zur Spitzenkandidatin der Freien Wähler für die Europawahl küren ließ. Und auch der oberbayerische Bezirkspräsident des Bauernverbands ist mit Ralf Huber ein Freier Wähler. […]

(BR, 30.06.2023)

Freitag, 22. Dezember 2023

Faszination Inselverarmung.

Loki Schmidt wurde am 3. März 1919 in die bettelarme, aber bildungsaffine atheistische Familie Glaser geboren. Ungewöhnlich; denn damals waren offiziell fast alle Menschen Christen. Die Eltern ihres 1918 geborenen Mannes Helmut waren beide Lehrer. Ein einfacher, aber doch klar besser gestellter Haushalt, als der Glasersche. Helmuts Großvater war der jüdische Privatbankier Ludwig Gumpel (1860–1935).Die Familie verheimlichte das aus naheliegenden Gründen in der Nazi-Zeit, gab sich als rein protestantisch aus. Helmut und Loki heirateten kirchlich im Jahr 1942. Drei Jahre später war ihr Sohn vor seinem ersten Geburtstag gestorben, Europa lag in Trümmern und Deutschland war vernichtend geschlagen. Schmidts machten sich keine Zukunftshoffnungen für Deutschland. Man werde auf primitivsten Niveau in Erdhöhlen hausen und ums Überleben kämpfen. Die einzige Institution, die nicht total zusammengebrochen war, schien die Kirche zu sein.

Daher galten Helmut Schmidt die christlichen Gotteshäuser als unverzichtbare Bestandteile einer irgendwie gearteten staatlichen Ordnung der Zukunft.

Schmidt studierte, lernte, bereiste die USA, wurde leidenschaftlicher Politiker, der sich nicht intensiv, nicht leidenschaftlich, aber doch als Christ ansah, dementsprechend im Alter von 55 Jahren ganz selbstverständlich die Eidesformel zur Vereidigung als Bundeskanzler mit „so wahr mir Gott helfe“ sprach. Für ihn war es mehr Staatsraison, denn fromme Überzeugung. Er erklärte: „Zum Glauben habe ich eigentlich nie ein enges Verhältnis gehabt, ich habe ihn auch nicht gesucht.“

Eine Besonderheit Schmidts war es, bis zu seinem letzten Tag wissensdurstig zu sein, immer dazu zu lernen und auch zuzuhören. Als Kanzler, klärte ihn sein gebildeter Freund Anwar El Sadat über die gemeinsamen Wurzeln des Christentums und des Islam auf; er beschäftigte sich intensiv mit der Entstehung der drei abrahamitischen Weltreligionen. Schmidt erkannte als erster westlicher Staatsmann das Potential Chinas; wurde zum Sinologen hc, studierte intensiv den Konfuzianismus.

Der geborene habituelle Christ Schmidt litt glücklicherweise nicht an religiotischen Inselverarmungen und so wurde er, ob des hinzugewonnenen Wissens zwangsläufig  zum Agnostiker.

(….)  Es gibt eindeutig Korrelationen zwischen Bildung und IQ einerseits und Spiritualität und Religiotie andererseits.

Unzählige Umfragen zeigen, daß die Religiosität mit höherer Bildung abnimmt.  Typischerweise sind die amerikanischen Eliteunis Hochburgen des Atheismus, während die Highschool-Dropouts im Biblebelt, die auch glauben in Brasilien spreche man brasilianisch und der Kanzler von Deutschland hieße Hitler, jedes Wort der Bibel ernst nehmen.

Unter Intellektuellen gibt es die höchste Atheistenquote.  Aber genauso wie einige Atheisten dennoch Idioten sein können, gibt es auch Hochgebildete, die trotzdem sehr überzeugte Christen/Juden/Moslems sind. Warum bloß?

Die einzige Erklärung, die ich bisher für dieses scheinbare paradox habe ist die gewissermaßen neurologische Argumentation Michael Schmidt-Salomons. Stichwort „Inselverarmung“

 Solange nämlich Religioten das Sagen auf unserem Planeten haben - und das haben sie leider, Mensch sei’s geklagt, in vielen Teilen der Welt -, sind alle Versuche, das Zusammenleben der Menschen vernünftiger, freier, gerechter zu gestalten, notwendigerweise zum Scheitern verurteilt. (Denken Sie nur an die muslimischen Extremisten in Somalia, die 2011 dringend benötigte internationale Hilfe für die hungernde Bevölkerung nicht zuließen.) Versuchen wir also angesichts der Bedeutung dieses Phänomens eine kurze Definition des religiotischen Syndroms:
Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht.

 Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).

Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.

(Keine Macht den Doofen, s.42f)  (….)

 (Das ewige Rätsel 23.04.2014)

Nach dem Ende seiner Bundeskanzler-Amtszeit, frei von politischen Zwängen, korrigierte sich der hochintelligente, stets lernende Schmidt erneut: „Ich würde mich heute nicht mehr auf Gott verlassen. Gott hat allzu viele schlimme Dinge zugelassen, er hat Auschwitz zugelassen, ich kann mir unter solchen Worten wie ‚Gottesgerechtigkeit‘ eigentlich nichts Richtiges vorstellen.“

Im Jahr 2010 äußerte sich Schmidt noch einmal in der ARD gegenüber Sandra Maischberger sehr klug zum Thema Religion.

[….] Helmut Schmidt: [….] Das Schlimme ist, dass bei allen Religionen, ob Islam oder Christentum, und zum Teil auch im Judentum, dass alle Religionen und ihre Bischöfe und Ayatollahs den Gläubigen beigebracht haben, auf die anderen Religionen herab zu sehen, sie für minderwertig zu halten: „Ich bin erleuchtet und was ich glaube ist Gott gefällig, aber das, was du glaubst, das ist das Gegenteil von dem, was Gott von dir erwartet.“ Diese Einstellung gegenüber anderen Religionen ist im Christentum sehr ausgeprägt. Denken Sie nur im Mittelalter an die unzähligen Kreuzzüge: das Kreuz in der linken Hand, aber das Schwert in der rechten Hand. In Wirklichkeit waren es Eroberungskriege und die haben Königstümer errichtet in einer Gegend, die heute Palästina heißt. Das heißt, es eine alte christliche Tradition, herab zu sehen auf die Muslime und das hat natürlich Gegenreaktionen auf muslimischer Seite herausgefordert.

Der Mann, den Sie erwähnt haben, Anwar El-Sadat, war ein wunderbarer Kerl. Er wusste über das Christentum viel besser Bescheid als ich, er wusste auch über seinen Islam besser Bescheid als ich, und von dem habe ich gelernt: Eigentlich muss man jeden einzelnen Menschen seine Religion lassen an die er glaubt und darf nicht versuchen, ihn davon abzubringen. Das heißt, ganz früh hat sich bei mir ein Argwohn gebildet gegenüber dem Missionsgedanken - das heißt, andere Leute von ihrer Religion abzubringen -, insbesondere von der so genannten Judenmission, die in Deutschland ja älter ist als die Nazizeit. [….]

Sandra Maischberger: Hätten Sie etwas dagegen, eine Moschee in Ihrer Nähe zu haben?

Helmut Schmidt: Nein. Warum soll ich etwas dagegen haben? [….]

Sandra Maischberger: [….]  Sie haben vor einiger Zeit, auch hier, gesagt, dass Sie den persönlichen Glauben verloren hätten. Schon vor langer Zeit.

Helmut Schmidt: Ja. Weitgehend verloren.

Sandra Maischberger: Wenn ein Mensch, der einem nahe steht, stirbt, ist doch der Glaube an ein Leben nach dem Tode ein tröstlicher Gedanke. Und viele kommen in Krisensituationen wieder dazu. Haben Sie in diesem Jahr einen Weg dahin gefunden?

Helmut Schmidt: Nein, ich habe mich an das gehalten, was meine Frau selbst geglaubt und gesagt hat. Meine Frau ist von Hause aus eine Biologin, eine Botanikerin in spezieller Weise, vor allem aber eine Biologin und Anhängerin von Charles Darwin. Und sie war der Meinung: Wenn ein Mensch stirbt - ob er nun verbrannt wird oder ob er beerdigt wird oder seine Asche auf See ausgestreut wird – in jeden Fall: Die Atome oder Moleküle, aus denen er zusammengesetzt war, die bleiben nach. Und eines Tages werden sie möglicherweise von einer Pflanze, die da wächst, aufgenommen und gebraucht für den Aufbau dieses neuen Baumes. Oder möglicherweise werden sie von einem Tier mitgefressen, das irgendwelche Samen frisst. Es geht kein Molekül verloren. Das war ihre Meinung. Und die hat mich immer überzeugt. [….]

(HPD, 20.12.2010)

Das Gegenbeispiel zu dem klarsichtigen, hochvernünftigen Helmut Schmidt, ist der ebenfalls hochgebildete Prof. Dr. Heribert Prantl, der mich einerseits als SZ-Edelfeder immer wieder begeistert, aber immer wieder derartigen reigiotischen Schwurbel von sich gibt, daß ich eher von völliger geistiger Umnachtung, als nur von Inselverarmungen reden möchte.

Zuletzt schrieb er einige so gute Artikel, die ich weiterleitete und zitierte, daß ich mir schon Hoffnungen machte, seine Inselverarmung könnte vollständig wegschrumpfen.

(…..) Es ist also politisch alles andere, als trivial, einzuschätzen, wie viel Geld vom Einkommen ein Bürger behalten darf; wie viel er in welcher Situation dazu bekommen soll, damit es gerecht vor sich geht. Was man als viel, zu viel oder als wenig empfindet, ist immer relativ.

[….]  Verglichen mit dem Elend in Burundi, in Malawi oder in Sierra Leone sind die deutschen Armen komfortabel ausgestattet. Aber daraus ergibt sich das besonders Bittere für die Bedürftigen in Deutschland: Sie haben die Anerkennung ihrer Bedürftigkeit verloren. Das hat sich bei der Debatte um die Kindergrundsicherung gezeigt. Das Ergebnis dieser Debatte ist ärmlich: Der Betrag, der für diese Sicherung nach langem Hin und Her in der Ampelkoalition ausgegeben werden soll, verhöhnt den Namen "Grundsicherung" - es sind 2,4 Milliarden. Damit wird gesichert, dass alles so bleibt, wie es ist: Die armen Kinder bleiben am Rand der Gesellschaft. Jedes vierte bis fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut und oder in Armutsnähe. Diese Kinder sind und bleiben ausgeschlossen aus einer Welt, die sich nur den einigermaßen Situierten entfaltet. Ihre Armut ist ihr Gefängnis. Die Geldbeträge, die nun für Kindergrundsicherung ausgegeben werden sollen, reichen für die Gefängnisverwaltung. Sie reichen nicht für gesunde Ernährung; sie reichen nicht für Bildung, die diesen Namen verdient, nicht für schulische Bildung, nicht für kulturelle Bildung, nicht für politische Bildung. Sie reichen nicht dafür, soziale Ungleichheiten auch nur ansatzweise auszugleichen. Aber: Die Ampelkoalition ist damit zufrieden. Die FDP propagiert gar, eine weitere "Umverteilung" dürfe es nicht geben. [….] FDP-Finanzminister Christian Lindner triumphiert, weil er sein "Wachstumschancengesetz" mit vielfältigen Steuererleichterungen für die Wirtschaft durchgesetzt und dafür die Kindergrundsicherung radikal gestutzt hat. Er verkennt, dass die Kindergrundsicherung zu den Wirtschaftswachstumschancen gehört. Gute Arbeitsplätze und eine kreative Wirtschaft setzen gute Schulabschlüsse und qualifizierte Bildung voraus. Ein gutes Kindergrundsicherungsgesetz ist daher zugleich ein Wachstumschancengesetz und ein Demokratiestärkungsgesetz. […..]

(Heribert Prantl, SZ, 02.09.2023)

Kinderkriegen ist meines Erachtens grundsätzlich egoistisch. Es ist natürlich Unsinn, sich vor dem Aussterben einer Nation zu fürchten. Schließlich ist die Welt hoffnungslos überbevölkert. 10.000 bis 20.000 Kinder verhungern jeden Tag auf der Welt.

Wer Kinder liebt und sich bereit fühlt 20 oder 30 Jahre lang Verantwortung zu tragen, sollte doch bitte ein Kind nehmen, das schon da ist. Modell Philip Rösler.  (….)

(Soziale Fragen. 02.09.2023)

[…..]  Also danken auch die Klimawandelleugner der Schuldenbremse dafür, dass nun kein Geld mehr dafür da ist, den Klimawandel zu stoppen, den sie als „angeblichen“ Klimawandel bezeichnen. Die AfD lacht sich ins Fäustchen, wenn dem Staat und der Regierung wegen der Schuldenbremse und der von Karlsruhe verordneten Not nicht mehr zugetraut wird, Bildung und Forschung zu gewährleisten, die Wirtschaft am Laufen zu halten und soziale Schieflagen auszugleichen.  Die vor 14 Jahren ins Grundgesetz eingebaute Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse: Sie verhindert, dass in die Verkehrswege und in die Kommunikationswege investiert wird. Dass die maroden Brücken zügig saniert werden. Dass ein flächendeckendes Netz mit E-Tankstellen aufgebaut wird. Dass das, was über Jahrzehnte versäumt wurde, jetzt endlich und eilig mit großem Mehraufwand nachgeholt wird – zum Beispiel die Sanierung des Streckennetzes der Bahn. Die Schuldenbremse erschwert die Wohnungsbauförderung. Sie behindert, summa summarum, eine kluge Daseinsvorsorge und eine familien- und arbeitsverträgliche Lebensinfrastruktur, wie sie zu einer Industrienation gehört, wenn sie erfolgreich bleiben will. Die Schuldenbremse blockiert die Einstellung des pädagogischen Personals, das für frühkindliche und schulische Bildung dringend benötigt wird. [….]

(Heribert Prantl, 01.12.2023)

Hurra, der alte Prantl ist wieder da.

Hoffte ich.

Aber weit gefehlt. Zu Weihnachten, dem Hochfest der Grundübel dieser Welt, nämlich der feindseligen Religionen, fällt der SZ-Mann wieder in finstere abstruse christidiotische Faseleien.

Er ist eben kein Schmidt, sondern bloß ein Prantl.

[….] Die Zeiten heute sind so furchtbar unfriedlich, wie sie es in den Zeiten von Christi Geburt auch schon waren. Damals hielt das römische Imperium Jerusalem besetzt, plünderte das Land, terrorisierte die Bevölkerung und schlug Widerständler ans Kreuz. Die Lehre eines dieser Gekreuzigten hat dann freilich die Welt verändert; sie brachte den alten Götterhimmel zum Einsturz und den alten Glauben daran, dass zwar nicht der Einzelne, aber die Welt ewigen Bestand habe. Die Botschaft des Jesus von Nazareth, der Glaube an seine Auferstehung und an ein ewiges Leben, wird frohe Botschaft genannt. Diese Botschaft drehte das alte Weltbild um, und sie lautet so: Diese Welt mit ihrer Gewaltordnung ist endlich; sie ist dem Untergang geweiht, der Mensch aber hat ewiges Leben. Die Geburt des Lehrers dieser Lehre wurde zu einem Wendepunkt der Zeitrechnung: Man teilt die Geschichte ein in eine Zeit vor Christus und in eine Zeit nach Christus. Weihnachten feiert diesen Wendepunkt.

Weihnachten ist die Ankündigung einer wirklichen Zeitenwende, es ist die Ankündigung eines Endes der Gezeiten von Krieg, Gewalt und Terror. Weihnachten ist die Verheißung des großen Friedens: "Et in terra pax hominibus." Die Engel, die den Hirten in der Nacht auf dem Feld bei Bethlehem erscheinen, rufen das aus: "Friede auf Erden!" Es ist dies eine Ansage für das Diesseits, nicht erst für das Jenseits und ein besseres Leben dort; und es ist ein Friede, der viel mehr ist als Waffenstillstand. Das Prophetenbuch Jesaja beschreibt den Frieden Gottes auf Erden in einer wuchtigen Vision so: "Nie mehr hört man dort lautes Weinen und Klagen. Dort gibt es keinen Säugling mehr, der nur wenige Tage lebt, und keinen Greis, der nicht das volle Alter erreicht ... Sie arbeiten nicht mehr vergebens, sie bringen nicht Kinder zur Welt für einen jähen Tod. Wolf und Lamm weiden zusammen. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen." [….]  Weihnachten ist das Fest, an dem der Gott sich klein und schwach macht, auf dass die Menschen verstehen, dass sie das Überwinden der von ihnen angerichteten Katastrophen nicht einem allmächtigen Gott im Himmel überlassen können; sie sollen nicht darauf vertrauen, dass der "alles so herrlich regieret", wie es im alten Kirchenlied heißt. Das macht er nämlich nicht. [….] Die Interpretation von Weihnachten könnte also so aussehen: Wenn Gott seine Allmacht aufgibt, dann kann und soll es auch der Mensch. [….]

(H. Prantl, 22.12.2023)



Donnerstag, 21. Dezember 2023

Europa am Abgrund

Das ist in sich logisch – im Wettstreit mit der autokratischen Supermacht China, die de facto keine Bürgerrechte kennt, nie Rücksicht auf Wähler nehmen muss und extrem zentralistisch regiert wird, hat das heterogene demokratische Europa strategisch enorme Nachteile. Die  - noch – demokratischen USA werden ebenfalls von ihren demokratischen Regeln, Gesetzen und Wahlen aufgehalten. Deswegen bewundert IQ45 auch den lebenslang amtierenden Präsidenten Xi. Trump macht keinen Hehl daraus: Er will nach seiner Wiederwahl im November 2024 die Gewaltenteilung schleifen, diktatorisch regieren, die Opposition von SEINER Justiz verfolgen lassen und zukünftige Wahlen abschaffen.

Soweit ist es noch nicht. Aber Biden zeigt unfreiwillig bei der Frage der Ukrainehilfen, wie dysfunktional die USA sind.

[….] Dieses Jahr wird der US-Kongress keine neuen Militärhilfen für die Ukraine mehr beschließen. Das politische Tauziehen in Washington könnte gravierende Folgen für die Ukraine haben.

Der US-Kongress wird in diesem Jahr keine neuen Militärhilfen für die von Russland angegriffene Ukraine beschließen. Das räumten die Anführer der regierenden Demokraten und der oppositionellen Republikaner im Senat, Chuck Schumer und Mitch McConnell, am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung ein.

Die Unterhändler der Kongresskammer und der Regierung würden in den kommenden Tagen weiter an offenen Fragen arbeiten, erklärten Schumer und McConnell. Die Hoffnung sei, dass dann zu Beginn des kommenden Jahres "rasch" gehandelt werden könne.

Das Scheitern einer Einigung auf neue Ukraine-Hilfen noch vor Jahresende kommt nicht überraschend, ist aber ein symbolisch schwerer Schlag für die Ukraine.   [….]

(ZDF, 20.12.2023)

Die USA sind zwar ein Präsidialsystem mit einem direkt gewählten Staatsoberhaupt und Regierungschef und Oberbefehlshaber in Personalunion, so daß Biden in seinem Land viel mächtiger ist, als Olaf Scholz in seinem. Aber mit einem Kongress, der zur Hälfte von irren Putin-Fans kontrolliert wird, werden auch dem stärksten Präsidenten die Hände gebunden.

Das ist aber immer noch Gold, verglichen mit der Weder-Fisch-Noch-Fleisch-Position Ursula von der Leyens, die noch nicht einmal weiß, ob sie, oder nicht doch Herr Michel der EU-Chef ist.

(….) Die konservative deutsche Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, 65, und der liberale belgische Ratspräsident Charles Michel, 47, hassen sich gegenseitig wie die Pest. Beide verstehen ihren Job fast ausschließlich als Verpflichtung dazu, den andere zu piesacken. Für echte Kriege oder EU-Reformen bleibt da selbstverständlich keine Zeit mehr. Außerdem spielen im Ukraine-Krieg und im Gaza-Krieg Waffensysteme, Munitionsbeschaffung und militärische Strategien (man könnte auch sagen „Verteidigungspolitik“) eine entscheidende Rolle. Was könnte von der Leyen schon dazu beitragen? Mit dem Themenfeld kam sie nie in Berührung, ist vollkommen ahnungslos.

Der EU-Plan, um Putin zu maßregeln und zum Einlenken zu zwingen, klingt theoretisch sehr gut, wirkt erfolgsversprechend und erspart es den NATO- und EU-Staaten, selbst militärisch aktiv zu werden.

Blöderweise hielt sich die doofe Praxis nicht an die Theorie.  (….) Aus ist es auch mit der vielgepriesenen EU-Einigkeit. 

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und der slowakische Ministerpräsident Robert Fico haben die Seiten gewechselt, stehen auf der Seite Putins und erpressen die zur Einstimmigkeit verdammte EU nach Belieben. Auch Polen hilft der Ukraine nicht mehr. Polnische Transportunternehmen blockieren seit Anfang November mehrere wichtige Grenzübergänge zur Ukraine. (….)

(Der gemaßregelte Putin, 08.12.2023)

Biden ist der Regierungschef eines Landes. Die US-Bundesstaaten haben außenpolitisch nichts zu melden.

Von der Leyen führt irgendeinen Titel, kann in der Welt herumreisen, andere Staatschefs treffen. Wie sie wurde, was sie ist, weiß niemand. Sie kandidierte nie für ein EU-Amt, ihre Parteienfamilie hatte den CSU-Rechtsaußen Manfred Weber als Kommissionschef-Kandidaten aufgestellt. Und gewonnen. Der Wahlsieg nützte Weber aber nichts, weil in Wahrheit die 27 Regierungszentralen bestimmen und auf dubiosem Wege plötzlich auf die deutsche Verteidigungsministerin verfielen, für die ein Argument sprach: Sie war als Ministerin so schlecht und als Person so unbeliebt, daß niemand sie in Deutschland vermissen würde. Merkel machte drei Kreuze, als sie Foto-Uschi nach Brüssel abschieben konnte, um ihre Busenfreundin AKK zur Kriegsministerin zu ernennen. Von der Leyen durfte fortan Pseudochefin spielen.

Es gibt aber 27 Mitgliedsstaaten und 24 Amtssprachen. Die Regierungschefs von Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, der Slowakei, Slowenien, Spanien, dwe Tschechische Republik, Ungarn und Zypern denken gar nicht daran, sich von der EU-Kommissionspräsidentin etwas sagen zu lassen.
Im Gegenteil; es ist viel schlimmer. Jeder einzelne kann aufgrund des fatalen und selbstzerstörerischen Einstimmigkeitsprinzips nach Belieben die eigene Interessenvertretung in Brüssel erpressen. Es kam, wie es immer in solchen Situationen kommt: Die linkeren, grüneren, sozialdemokratischeren, liberalen Kräfte schlucken aus staatspolitischer Verantwortung fette Kröten, arbeiten zum Wohle des Ganzen an Kompromissen. Die Rechten, Konservativen, Korrupten, Faschisten, Rechtsextremen chaotisieren den Prozess, denken nur an ihr eigenes Wohl und haben keine Skrupel, alles in die Luft zu sprengen, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen.

Der antidemokratische, antisemitische, homophobe, xenophobe Autokrat und Putin-Freund Viktor Orbán zelebriert es in Reinkultur.

[…..]  Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban stellt den Kriegscharakter des russischen Angriffs auf die Ukraine infrage und positioniert sich mit seiner Wortwahl hinter Russlands Präsidenten Wladimir Putin. "Das ist eine Operation, solange es keine Kriegserklärung zwischen den zwei Ländern gibt", sagte der rechtspopulistische Politiker bei seiner Jahrespressekonferenz in Budapest. Damit reagierte er auf die Frage, weshalb er im Gespräch mit Putin zuletzt den Begriff "Krieg" vermieden habe.

Zwar würden manche Menschen die Vorgänge als "Krieg" bezeichnen. "Wir Ungarn schreiben aber niemandem vor, mit welchen Worten er darüber zu reden hat", betonte Orban. "Wir sind froh, dass es kein Krieg ist." Über die Ukraine sagte er hingegen, diese befinde sich im Krieg. Orban, der seit langem gute Beziehungen zu Putin pflegt, hatte den Kremlchef im Oktober in Peking getroffen.  […..]

(MoPo, 21.12.2023)

Die 23 bis 25 vernünftigen EU-Länder können nichts machen. Sie lassen sich von Orbán am Nasenring durch die Manege führen, während Putin zuguckt und sich ins Fäustchen lacht. Es läuft gut für den Faschismus und für Russland.

Mittwoch, 20. Dezember 2023

Genügsame Homos

Das ist schon klar; die misogyne Männerwelt des Vatikans, die nicht nur Frauen komplett ausschließt, sondern die Herren ermuntert, ihren Drag-Fetisch auszuleben, sich nach Herzenslust mit Schmuck und Kleidern auszustaffieren, zieht natürlich Schwule an. Deshalb gibt es in einem Kilometer Umkreis des Petersdoms die weltweit höchste Homosexuellendichte. Kuriale werden also völlig zu Recht oft für schwul gehalten. Die Wahrscheinlichkeit ist nirgends so groß wie dort, wo niemand mit Frauen schlafen darf.

Es ist dementsprechend verständlich, daß ungeoutete und somit erpressbare Homoprälaten, Gerüchte über ihr eigenes Sexualleben zerstreuen wollen, indem sie sich offiziell als besonders homophob inszenieren.

Schwester Ratzinger zettelte daher einen wahren Krieg gegen Schwule an, verbot ihnen Priester zu werden, obwohl die Welt rätselte, welchen Unterschied es für die Qualifikation eines Geistlichen machen könnte. Schwul, hetero, oder was auch immer dazwischen – für alle gilt ein strenger Zölibat. Jede erotische Beziehung, jeder sexuelle Betätigung, jede emotionale Partnerschaft ist ohnehin verboten.

Ratzis Homobann konnte (und sollte) natürlich nicht unterbinden, daß Schwule ins Priesterseminar eintreten. Aber sie müssen dort unter allen Umständen ihre Gefühle verschweigen, sich verleugnen und lügen. Das ist gewollt, denn nur ein Priester mit einem Geheimnis, das ihn erpressbar macht, ist immer zum Gehorsam zu zwingen.

Das Schlimmste für den Vatikan ist die Enttabuisierung und gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität. Denn dann müssen heimlich schwule Männer in der Provinz nicht mehr ins Priesterseminar flüchten, wenn ihnen klar wird, daß sie niemals mit einer Frau schlafen wollen oder verheiratet sein können.

Jungschwule auf dem Dorf, die geoutet und mit Partner akzeptiert werden, im Karnevals-, Schützen- oder Trachtenverein aktiv sind, ohne von der heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft gemobbt zu werden, sind der Worst Case des Katholizismus. Denn sie fallen als potentieller Prälatennachwuchs aus und verschärfen damit das westeuropäische Megaproblem Priestermangel. Ein katholisches Drama, welches es in immer noch extrem homophoben Ländern wie Polen, Uganda oder Nigeria natürlich nicht gibt.

Ich kenne Franzis Sexualität selbstverständlich nicht, aber er sprach selbst freizügig davon, als junger Mann in eine Frau verliebt gewesen zu sein. Generell halte ich ihn eher für heterosexuell. Damit gehört er zu einer Vatikanischen Minderheit und reagiert weit weniger hysterisch auf Schwule, wenn er danach gefragt wird, als sein Vorgänger.

Männer, die Männer lieben sind natürlich auch für den gegenwärtigen Papst minderwertig, dürfen auf gar keinen Fall Sex haben und ihre Partnerschaft ausleben.

Aber er überzieht sie nicht mehr mit so biestiger Hetze wie Ratzi, gab nun sogar bekannt, man könne neben Waffen, Feuerwehrwagen und Hunden, sogar Schwule segnen. Sofern dieser Segen deutlich minderwertiger als ein Hetensegen ist.

[….] Die katholische Kirche hat bisher an ihrer konservativen Haltung zum Thema Homosexualität festgehalten. Legitim ist nach katholischer Auffassung nur die Ehe zwischen Mann und Frau. Gleichgeschlechtliche Beziehungen können demnach niemals Ehe genannt werden, homosexuelle Ehen können in der katholischen Kirche auch nicht geschlossen werden. Daran ändert sich auch mit dem neuen Text von Víctor Manuel Fernández nichts. Er ist Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre (ehemals „Glaubenskongregation“). In der Erklärung „Fiducia supplicans“ erklärt der Theologe die Haltung der katholischen Kirche zu homosexuellen Beziehungen.

Einerseits könnten solche Verbindungen niemals als Ehe betrachtet oder durch einen entsprechenden äußeren liturgischen Rahmen als Ehe legitimiert werden. Allerdings verweist Fernández darauf, dass jemand, der um Segen bitte, immer die Hilfe Gottes suche. [….] Daher soll es laut dem Dokument, das von Papst Franziskus ratifiziert wurde, Priestern künftig möglich sein, homosexuelle Paare zu segnen. Allerdings nicht in einem liturgischen Rahmen wie etwa im Rahmen einer standesamtlichen Trauung oder einer sonstigen Hochzeitsfeier, sondern in sogenannten „irregulären Situationen“. Dazu können zum Beispiel seelsorgerliche Gespräche mit einem Priester, der Besuch eines Heiligtums oder ein „Gruppengebet während einer Pilgerreise“ gehören.

Der Text legt Wert darauf, dass dadurch allerdings „jedwede Form von Verwirrung oder Skandal“ vermieden werden müsse. Daher dürfe eine solche Segnung „niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder sonst in irgendeiner Verbindung damit erteilt werden“, und weiter: „Dies gilt auch für die Kleidung, die Gesten und die Worte, die Ausdruck für eine Ehe sind. Dasselbe gilt, wenn die Segnung von einem gleichgeschlechtlichen Paar erbeten wird.“ [….]

(PRO, 19.12.2023)

Als Atheist kann ich über den „Fiducia supplicans“-Eiertanz nur lachen: Franzi will Schwule etwas weniger diskriminieren, legt aber Wert darauf, festzustellen, daß sie weiterhin diskriminiert sind. Das ist so sinnvoll, wie ein bißchen schwanger zu sein.

Katholiken hingegen betreiben akribische Papst-Exegesen und erklären den Homogläubigen mit Ernst und Eifer, wie sündig sie nach gegenwärtiger Vatikan-Linie noch sind.

[….] Es ist kein großer Schritt, an der Lehre der Kirche hat sich nichts geändert. Die Ehe zwischen Mann und Frau bleibt für sie die einzige Form, in der sie Sexualität erlaubt. Aber es ist ein kleiner Öffnungsschritt, und das ist definitiv neu. Zum ersten Mal in der Lehrgeschichte der Kirche werden damit positive Elemente in 'irregulären' Beziehungen gewürdigt, das sittlich Gute in ihnen, die Liebe darin wird anerkannt. Noch 2021 hatte dasselbe Dikasterium ausgeschlossen, dass es einen solchen Schritt je geben könnte. [….] Es handelt sich um eine bewusst pastorale Entscheidung und eine Art Barmherzigkeit, die die katholische Kirche Paaren erweist, die sich einen Segen sehr wünschen. [….] Das hat eine diskriminierende Note. Betroffene erleben das sogar als hochgradig diskriminierend, die Segnung soll spontan erfolgen, en passant, könnte man sagen. Es ist eine Segnung zweiter Klasse. [….]

(Kirchenrechtler Prof. Thomas Schüller, 20.12.2023)

Während die katholischen Homo-Schäfchen ihre ganze Religiotie zeigen, indem sie sich über diese Diskriminierung light auch noch freuen, statt das einzig Richtige zu tun, nämlich die Zahlungen an die RKK einzustellen, auszutreten und den Prälaten den Mittelfinger zu zeigen, geht es den schwulen Dunkelkatholiken, wie dem völkischen Faschisten David Berger, deutlich zu weit.

Für sie ist „Fiducia supplicans“ nur ein willkommener Anlass, um weiter gegen den ihrer Meinung nach viel zu liberalen Papst zu hetzen. Felizitas Küble kübelt besonders eifrig Dreck aus.

[….] Weltweit widersprechen katholische Bischöfe dem unseligen Segens-Dokument [….] Vatikan-Erklärung ist eine „große Täuschung“

Die Bischofskonferenz von Malawi hat sofort kritisch auf das Dekret Fiducia supplicans des vatikanischen Glaubensdikasteriums reagiert, das eine Segnung von unverheirateten und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften grundsätzlich erlaubt (wenngleich mit einigen Einschränkungen im „Kleingedruckten“).

Die katholischen Oberhirten aus Afrika stellten klar, daß in Malawi für Katholiken jedwede Segenshandlungen für Homo-Paare verboten sind: „Um Verwirrung unter den Gläubigen zu vermeiden, ordnen wir direkt an, daß aus pastoralen Gründen Segnungen jeglicher Art und gleichgeschlechtliche Verbindungen jeglicher Art in Malawi nicht erlaubt sind“.

Auch die Bischöfe der Diözese Astana in Zentralasien wandten sich gegen das unselige Papier von „Glaubenspräfekt“ Victor Fernández und stellten fest: „Wir verbieten Priestern und Gläubigen … jede Form der Segnung von unverheirateten und gleichgeschlechtlichen Paaren zu akzeptieren oder durchzuführen“.

Der aus Polen stammende Erzbischof Tomasz Peta von Astana in Kasachstan und sein Weihbischof Athanasius Schneider bezeichnen die Vatikanerklärung in einem Hirtenbrief als eine „große Täuschung“.  Weiter heißt es dort, Segnungen von homosexuellen Beziehungen widersprächen „direkt und ernstlich der göttlichen Offenbarung und der ununterbrochenen, 2000-jährigen Lehre und Praxis der katholischen Kirche“.    [….]

(PP, 20.12.2023)

Dienstag, 19. Dezember 2023

Extrawürste für die Bauern

Anders als die Millionen Pflegebedürftigen, Millionen armen Kinder, Millionen Arbeitslosen, Millionen Aufstocker und Geringverdiener, Millionen Rentner in Altersarmut, die kaum Lobbymacht ausüben können, ist die gute Viertelmillion Bauern extrem gut organisiert und in der Politik vernetzt.

Nach der durch Fritze Merz verursachten Finanzkrise der Ampel und den daraus resultierenden Streichungen, dauerte es nur einen Tag, bis Berlin von hupenden Treckern und Ladungen voller Mist lahmgelegt war.

[….] Aus Protest gegen die vorgesehene Streichung von Steuervergünstigungen haben Tausende Landwirte gegen die Bundesregierung mobil gemacht. Allein an der Demonstration am Brandenburger Tor nahmen nach Veranstalterangaben 8.000 bis 10.000 Menschen teil, mehr als 3.000 Traktoren rollten in die Hauptstadt. [….] Die Bundesregierung will bei den Hilfen für Bauern etwa 900 Millionen Euro jährlich einsparen. Dies sieht eine Einigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner zum Bundeshaushalt 2024 vor. Sie vereinbarten, die teilweise Steuer-Rückerstattung beim Agrar-Diesel (etwa 440 Millionen Euro jährlich) und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen.   [….]

(Tagesschau, 18.12.2023)

Die massiven Proteste waren zu erwarten. Weil Bauern mächtig und schlagkräftig genug sind. Frech sind sie aber, angesichts der hervorragenden Zahlen der letzten beiden Jahre schon.

[….] 2022 war ein Jahr der Superlative. Trotz aller Probleme. Die Verkaufserlöse sind im Vorjahresvergleich um 28,5 % gestiegen, auf einen neuen Rekordwert. Die Kosten sind zwar ebenfalls nach oben geschossen – um 10 %. Doch der Erlösüberschuss ist gewaltig. Das sagen jedenfalls die Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) über die Entwicklung der Verkaufserlöse und Vorleistungen (Kosten). [….] Etwas überraschend ist vielleicht: In der Tierproduktion sind die Erlöse im Jahr 2022 noch stärker gestiegen als in der Pflanzenproduktion – trotz der schweren Krise in der Schweineproduktion.

In der Pflanzenproduktion (einschließlich Obst und Gemüse) beträgt der Erlöszuwachs 25,4 % gegenüber dem Vorjahr. Der reine Ackerbau steht aber noch besser da. In der Tierproduktion blieben beim Verkauf der Produkte 30,8 % mehr im Portemonnaie, auch wenn die Kosten ebenfalls stark gestiegen sind und einen neuen Rekordwert erreicht haben. Doch am Ende gingen die Verkaufserlöse noch weitaus stärker nach oben und konnten den Kostenanstieg gut kompensieren. Die vorläufigen Daten des Landwirtschaftsministeriums zeigen jedenfalls für das Kalenderjahr 2022 einen Anstieg der landwirtschaftlichen Verkaufserlöse um 28,5 Prozent auf 60,87 Mrd. Euro. Das ist ein neuer Rekordwert. Gleichzeitig stiegen die Kosten um 9,8 Prozent auf 43,4 Mrd. Euro. Das ist ebenfalls der höchste Wert überhaupt. Dennoch bleibt eine Differenz zwischen Kosten und Erlösen von rund 17,4 Mrd. Euro. Das ist mehr als doppelt so viel wie im vorigen Jahr, und auch deutlich mehr als im bisherigen Rekordjahr 2017 mit 10,3 Mrd. Euro.

[….] Sehr erfreulich ist die Erlösentwicklung in der Tierproduktion. Im Schnitt haben die Erlöse um knapp 30,8 Prozent auf knapp 35,5 Mrd. Euro zugenommen. Das sind gut 58 % der landwirtschaftlichen Gesamterlöse. [….] Besonders erfreulich war die Entwicklung jedoch bei den Milchbauern, dem ökonomisch bedeutendsten Zweig der deutschen Tierproduktion. Die Verkaufserlöse wuchsen mit den Rekordmilchpreisen um 43 Prozent– und lagen bei 16 Mrd. Euro. [….]

(Agrar Heute, 19.12.2022)

Die Bauern haben im Jahr 2023 ausgezeichnet verdient.

[….] Das Mitleid mit den Bauern wegen der geplanten Streichung des Steuerrabatts für Agrardiesel sollte sich in Grenzen halten. Landwirtschaftliche Betriebe bekommen seit Jahrzehnten durchschnittlich die Hälfte ihres Einkommens in Form staatlicher Agrarsubventionen. Diese Branche mit nur rund 1 Prozent der Erwerbstätigen kassiert überproportional viel Geld der Gemeinschaft. Da ist es nur folgerichtig, dass auch sie jetzt von den Sparmaßnahmen des Bundes betroffen ist.

Die Kürzungen sind der Landwirtschaft zumutbar. Anders als die Agrarlobby behauptet, wird es wegen der Diesel-Causa nicht zu massivem Höfesterben kommen. Der durchschnittliche Haupterwerbs­betrieb in Deutschland erhält laut Landwirtschaftsministerium rund 2.900 Euro Agrardieselvergütung pro Jahr. Höfe dieser Kategorie nahmen aber 2022/23 insgesamt 480.000 Euro ein und verbuchten 115.000 Euro Gewinn. Die Subventionen fallen bei diesen Unternehmen also kaum ins Gewicht. [….] Einen fossilen Kraftstoff zu subventionieren ist auch aus Klimaschutzsicht falsch. Wenn der Rabatt wegfällt, wachsen die Anreize, treibhausgasintensiven Sprit einzusparen.   [….]

(taz, 19.12.2023)

Erstaunlich ist weniger, wie positiv das Wahlvolk auf die von Bauern verstopften Straßen reagiert; im Gegensatz zu den von allen gehassten FFF- und LG-Aktivisten.

Die extreme Lobbyarbeit der Glyphosat-affinen erzreaktionären, mit Subventionen gepamperten Monokulturisten zahlt sich aus. So wie sie Umwelt- und Tierschutz seit Jahrzehnten wirkungsvoll aushebeln, schaffen sie es mühelos, die öffentliche Meinung auf ihre Seite zu ziehen; sich als arme Opfer der bösen Grünen darzustellen.

[….] Dabei geht es den Landwirten im Schnitt derzeit nicht einmal schlecht. Die vergangenen Jahre liefen gut – auch wegen der hohen Nahrungsmittelpreise. Was bei Verbrauchern als heftige Preissteigerung ankam, bedeutete für viele Bauern vergleichsweise hohe Erträge. Es gebe derzeit unter den Landwirten „einen Grad an Zufriedenheit, wie es ihn seit September 2014 nicht mehr gegeben hat“, konstatiert der aktuelle Situationsbericht des Bauernverbands.  [….]

(SZ, 18.12.2023)

Die landwirtschaftlichen Kassen klingeln auch ob der üppigen Subventionen aus der EU, aus den Bundesländern und auch aus dem Bund:

Die demoskopisch am Boden liegende Ampel agierte auf dreifache Weise richtig:

1.   Sie streicht bei den zuvor üppig Subventionierten.

2.   Sie dient dem Klimaschutz, indem eine CO2-schädliche Subvention wegfällt.

3.   Sie handelt parteipolitisch sinnvoll, da Bauern ohnehin weitüberwiegend stramm rechts wählen.

Da Landwirte aber so viel Sympathien genießen, birgt die Regierungsmaßnahme dennoch Shitstorm-Potential, welches die Ampel durch gezielte Informationskampagnen abfedern müsste. Sie müsste auf die ausgezeichnete wirtschaftliche Lage der Bauern hinweisen, durchdeklinieren, wie viele Subventionen die Agrarbetriebe insgesamt erhalten, auf die klimafördernde Komponente hinweisen und auf die fehlenden Alternativen verweisen, da sie durch die Merz-Klage zum wirtschaftsschädlichen Sparen gezwungen werden.

Leider beherrschen die Ampelaner das externe Blamegame überhaupt nicht und knicken zu allem Übel mangels Rückgrat auch sofort ein. Özdemir und die FDP rücken angesichts der Proteste gleich wieder von ihren Beschlüssen ab und möchten den reaktionären Bauernverbänden, bei denen sie ohnehin keine einzige Wählerstimme gewinnen können, unbedingt den Hintern küssen.

Stattdessen sollten sie Treckerparaden ertragen und mit Argumenten kontern und nicht sofort nachgeben.

Besonders erbärmlich und kontraproduktiv agieren  - natürlich – wieder die hepatitisgelben Regierungsvertreter.

[….] Derweil zeigt sich im Innern der Ampel bereits die verblüffend kurze Halbwertzeit der Sparbeschlüsse. Immerhin: Habeck verteidigte die Kürzungen im Agrarbereich. [….]  Lindner dagegen empfindet einen schon deutlich weniger stark ausgeprägten Drang, die gemeinsame Entscheidung zu verteidigen. "Um es klar zu sagen", erklärte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, "ich bin kein Freund der Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe", für Alternativen sei er offen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr teilte gar mit, seine Fraktion halte die Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe "für nicht zustimmungsfähig". Aber wie kann das sein? Dass die Liberalen ein Paket kritisieren, das ihr eigener Finanzminister ausgehandelt hat? Und dass sogar dieser Minister selbst sich von dem eigenen Beschluss distanziert? [….] Eine doppelte Belastung landwirtschaftlicher Betriebe wolle die FDP unbedingt vermeiden. [….] Auf der Bühne in Sichtweite des Reichstagsgebäudes macht Özdemir derweil klar, was die Regierung angesichts der Sparbeschlüsse fürchtet: das Erstarken der Rechten. "Gehen Sie nicht denen auf den Leim, die das instrumentalisieren wollen", mahnt er. "Du kannst nach Hause gehen", ruft die Menge.  [….]

(SZ, 18.12.2023)